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Alt 10.06.2022, 20:37   #400  
Peter L. Opmann
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Nun also zum Fazit meiner „Conan“-Lesestrecke. Eigentlich wollte ich meine Aufzeichnungen nochmal ganz durchgehen, aber ich komme leider nicht dazu. Statt daß wieder Wochen vergehen, schreibe ich mein Resümee lieber aus dem Bauch heraus. Sofern Ihr meine Besprechungen verfolgt habt, könnt Ihr ja gern Eure Sicht der Serie hinzufügen und mir widersprechen, mich vielleicht auch hier und da korrigieren.

Zunächst bereue ich die Erfahrung nicht, rund 50 „Conan“-Ausgaben am Stück gelesen zu haben, wenn auch mit längeren Abständen dazwischen. Aber es dürfte klar sein, daß ich insgesamt von dieser legendären Serie eher enttäuscht bin, zumindest was diese Anfänge betrifft. Conan ist in meinen Augen keine Marvel-Figur, vor allem weil man nicht das Gefühl hat, daß sie sich entwickelt, natürlich auch deshalb, weil sie in einer Fantasiewelt agiert, nicht in einem relativ realistischen New York der (quasi) Gegenwart. Conan bietet sich nicht zur Identifikation an, und das ist der wesentliche Grund, warum er für mich eher langweilig ist.

Immerhin gibt es zwei unterschiedliche Interpretationen von Conan: die von Barry Smith und die von John Buscema (die Beiträge von Gil Kane, Neal Adams und Rich Buckler kann man vernachlässigen). Bei Smith ist er ein romantischer Held, der die dunklen Seiten der Romantik durchaus mit einschließt. Buscema macht ihn zu einem wilden und gnadenlosen Krieger, der zumindest den Anschein erweckt, vor keiner Brutalität zurückzuschrecken, dabei aber zielstrebig und gewitzt vorgeht. In beiden Versionen schreckt Conan vor Magie eher zurück. Er ist sehr materialistisch (also auf Schätze und Geld aus) und in seinem Verhältnis zu Frauen meist pragmatisch. Hier kommt seine mangelnde Charakterzeichnung übrigens zum Vorschein, denn daß er sich nie ernsthaft auf Frauen einläßt, macht ihn eindimensional – man vergleiche das etwa mit den vielfältigen Problemen von Spider-Man Peter Parker mit seinen Frauen. Doch vielleicht war damals ein vorzeitlicher Barbar mit Beziehungskrisen einfach undenkbar, und so hat ihn wohl auch Robert E. Howard nie gezeichnet.

Meine Lieblingsstory ist und bleibt freilich „The Frost Giant’s Daughter“, wo das ein bißchen anders läuft. Conan wird von einer unirdisch schönen Frau von seinem eigentlichen Metier, dem Schlachtfeld, weggelockt. Und obwohl er eben noch dem Tod sehr nahe war, vergißt Conan das völlig und ist bereit, sich diese Frau zu greifen, die er aber in seinem lädierten Zustand kaum zu fassen bekommt. Sie aber, ein übernatürliches Wesen, will ein tödliches Spiel mit ihm treiben. Mit gerade eben zurückgekehrter Kampfkraft befreit er sich aus der Falle. Man glaubt an einen Fiebertraum, aber ein Fetzen von ihrem Kleid zeigt Conan, daß alles wirklich passiert ist. Es scheint, als könne man hier einen Augenblick lang in sein Herz sehen – was ich in keiner anderen Story so empfunden habe. Diese Episode ist direkt und sehr eng am Text von Howard adaptiert, eine ganz einfache, aber um so wirkungsvollere Geschichte.

Ansonsten werden bei „Conan“ wenige Handlungsmuster immer wieder variiert – vor allem das Monster im Turm. Das macht die Serie dann doch recht enttäuschend. Dies scheint eher Howard als Roy Thomas anzulasten zu sein, denn es war in dieser Anfangszeit offenbar wichtig, daß Originalstorys adaptiert wurden, notfalls mit anderen Howard-Helden, die zu Conan-Storys umgeschrieben wurden, seltener andere Fantasyvorlagen. Aber nur ganz selten hat sich Thomas selbst etwas ausgedacht. Die Leser wollten es vermutlich so.

Anscheinend hatten die Zeichner großen Einfluß darauf, wie Conan gesehen wurde, als eher zurückhaltender Jüngling oder als wild entschlossener Schlagetot. Interessant war für mich immer wieder die Arbeit der Inker (das ist bis hierher bereits eine längere Liste von Namen), die den Conan-Comics jeweils eine eigene Atmosphäre geben konnten. Schlecht gezeichnet fand ich fast keines der Hefte, wobei man am Ende sah, daß sich das grafische Niveau in den Magazinen auch noch steigern ließ.

Die wachsende Begeisterung der Leser war für mich kaum nachvollziehbar (die Leserbriefe waren zwar erkennbar manipuliert – zumindest ihre Auswahl, aber „Conan the Barbarian“ war ja zweifellos ein Verkaufshit der 70er Jahre). Ich weiß nicht, ob ich mir jedes Heft gekauft hätte, wenn es „Conan“ bei Williams oder auch bei Condor gegeben hätte. Aber so etwas war wohl in den Comics noch nie dagewesen. Auch wenn die Bestimmungen des Comics Code weitgehend eingehalten wurden, hatte man als Konsument dieser Jahre wohl das Gefühl, daß die Serie in Sachen Sex und Gewalt Grenzen überschreitet. Da nahm man dann wohl auch in Kauf, daß immer wieder die gleichen Handlungsmuster vorgesetzt wurden.

Soweit ich mich erinnere, wurde die Handlung ab dem Belit-Zyklus etwas differenzierter und variantenreicher. Ich habe diesen Run aber nie chronologisch gelesen und habe sicherlich auch nicht alle US-Hefte. Aber ich habe mich doch entschlossen, hier aufzuhören. „Conan“ war nicht so schrecklich, daß ich die Lesestrecke hätte abbrechen müssen, aber fürs erste habe ich jetzt doch genug. Mit den 50er oder folgenden Nummern kann ich mich ja später mal befassen. Ich glaube nicht, daß man die deutsche Fassung in Kürze schon nicht mehr kaufen können wird.

Geändert von Peter L. Opmann (10.06.2022 um 21:36 Uhr)
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