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Alt 02.06.2022, 14:02   #215  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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  • Joseph Conrad: “An Outpost of Progress | Ein Vorposten des Fortschritts” (1896, erstmals veröffentlicht im Magazin Cosmopolis 1897 sowie im Kurzgeschichtenband Tales of Unrest 1898)
  • Posto avançado do progresso | An Outpost of Progress (Portugal 2016), Drehbuch und Regie: Hugo Vieira da Silva, 117 min
Zu meinen Schulzeiten habe ich in fremdsprachige Literaturen reingeschnuppert, indem ich mir Anthologien mit Kurzgeschichten besorgt habe. Darunter war auch Das Diogenes Lesebuch englischer Erzähler. Dort habe ich eben jene Kurzgeschichte von Joseph Conrad gelesen, und eigentlich nur zur Kenntnis genommen, denn mir fehlte das Gespür für Feinheiten. Damals zog ich Rudyard Kipling vor und entdeckte George Orwell für mich.
Während meines Studium sammelte ich Penguin Popular Classics, weil die so billig wie Reclam waren, aber trotzdem als echte Taschenbücher daherkamen. Die englischsprachigen Klassiker im Original betrachtete ich als Lesevorrat für schlechte Zeiten. Und als es dann soweit war, widmete ich mich zuerst der Vorlage von einem frühen Hitchcock, Secret Agent von Joseph Conrad. Tja, dann platzte der Knoten und seither gehört der ehemalige Seemann zu meinen liebsten Literaten.
In seinen Stories wirkt er teilweise wie eine Vorwegnahme von Kafka oder Beckett, denn seine Antihelden scheitern über kurz oder lang, egal, wie sehr sie sich anstrengen. In der Kurzgeschichte geht es um den Elfenbeinhandel im Kongo, der zwei Kolonialbeamten zum Schicksal wird. Die beiden Weißen sind auf dem Schwarzen Kontinent hoffnungslos überfordert und finden letztlich den Tod.

Die portugiesische Verfilmung lief 2016 auf der Berlinale und war vor kurzem noch in der arte mediathek. Der portugiesische Regisseur nimmt sich gewisse Freiheiten heraus und beleuchtet insbesondere die portugiesische Kolonie Angola am Kongo-Fluß: Die beiden unerfahrenen Beamten João de Mattos und Sant`Anna tragen weiße Kolonialistenuniformen, während sie durch den Urwald stolpern.
Der Film gliedert sich in zwei Teile, die ungefähr gleich lang. Nachdem die beiden Beamten die Umgebung erkundet und die Einheimischen kennengelernt haben, plätschert die Handlung so vor sich hin. Im zweiten Teil wird es dann plötzlich spannend, wenn Bewaffnete auftauchen und Elfenbein gehandelt wird.
Der Adaption fehlt Conrads Prägnanz und seine sachlichen Pointen. Ich empfand ihn als gestreckt, teilweise verlor er sich in Nichtigkeiten. Joseph Conrad kommt bei mir auf 9/10, die Verfilmung nur auf 6,5/10.
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