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Alt 06.04.2022, 22:18   #6064  
God_W.
Captain Rezi
 
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Rork – Gesamtausgabe 2



Aufgrund eines wunderbaren Abends mit analoger Unterhaltung (Es gab eine Episode Cthulhu – Death may Die) hat sich die Rezi zum zweiten Teil der Rork-Gesamtausgabe um einen Tag verzögert, aber Vorfreude ist ja die Schönste Freude und auf einen Prachtband wie diesen hier lohnt es sich auch zu warten. Deshalb will ich auch gar nicht lange drumherum reden, sondern gleich in die Vollen gehen, das vorangesetzte Dossier sollte man übrigens lieber im Nachgang lesen. Ihr denkt Band eins war etwas kryptisch, verwirrend und undurchsichtig? Na dann passt mal auf…



Band 4: Sternenlicht
Am Ende des “Friedhof der Kathedralen“ befand sich Rork auf einer Schiffsreise. Der Kahn läuft nun einen Hafen in Mexiko. In den Straßen der altertümlich anmutenden Stadt dauert es nicht lange bis Rork von einem kleinen Mädchen aufgespürt wird, welches ihm eine Schriftrolle überreicht. Die Nachricht darauf, für Normalsterbliche unleserlich, veranlasst den magisch veranlagten Weltengänger zu einer Reise durch die Wüste in die Berge. Die Eulen, die uns seit den „Kathedralen“ zu jedem Band begrüßen, wissen mir auch diesmal wieder ein paar Fragezeichen aufs Gesicht zu zaubern bevor es weiter geht.

In einer abgelegenen Siedlung hat sich eine Art kultische Religion gebildet. Doch wo auch immer sich solche Sekten bilden gibt es auch Menschen, die nach Macht und Einfluss streben. So ist es in diesem Fall der Medizinmann des Stammes, dem es außerordentlich widerstrebt, dass die Prophetin, die vor einem Jahr ankam, so viel Zuspruch erfährt während sie verkündet, dass das Zeichen dem die Gemeinde seit einem Jahr entgegenbetet kurz bevorsteht.

Eine weitere faszinierende Etappe auf Rorks Reise. Die neuen Charaktere, die außergewöhnlichen Schauplätze, die rätselhaften Zeichen und Vorkommnisse, alles fügt sich noch nicht zu einem Ganzen, ist aber stets so fesselnd, dass ich unbedingt wissen will wie es weiter geht, weshalb Rorks Ankunft das Eintreten des Zeichens ankündigt und warum die Prophetin, die wir alle kennen, bereits ergraut ist als wäre sie in kürzester Zeit um Jahre gealtert.



Band 5: Capricorn
Wie aus einem Groschenheft entnommen tritt er in die Geschichte ein, Capricorn, der Mann der hier als Nebenrolle in die Reihe schneit, das Album nahezu zu seinem eigenen macht, nur um dann eine 21 Alben umfassende Serie zu erhalten, die somit deutlich umfangreicher ausfällt als Rork selbst. Doch wer ist dieser Capricorn? Er ist ein Astrologe, ein äußerst gut gezahlter dazu, und er ist so eine Art Scharlatan, aber er ist auch ein Ermittler, ein Mann mit vielen Kontakten und vor allem ist er eine Person, die durch Astor und dessen ganz besonderer Bibliothek einen unermesslichen Wissensschatz in der Hinterhand hat. Außerdem ist er sowas wie ein Abenteurer und ein Agent, ebenso ist er Rationalist, jemand der nicht an solche abstrusen Dinge wie Astrologie glaubt…

Dieser recht spezielle Charakter ist es also, der Rork und seiner Begleitung Sy-Ra, der Tochter von Low Valley, helfend zur Seite stehen soll. Von der Ferne werden sie von Ash, also Miss Grey unterstützt, wenn sie in die Katakomben unterhalb von New York vordringen, um sich einem mächtigen Feind zu stellen: God, Mordor God. Der hat eine gefährliche und schlagkräftige Truppe um sich geschart, doch zum Glück ist der Schwertkämpfer Manga auf Capricorns Seite.

Es wird verrückter und verzwickter, die Charaktere werden zahlreicher und abgedrehter (ich liebe Manga und Kenton!) und die besondere Erzählstruktur mit der eigentlichen Story, die vorangetrieben wird ohne allzu viele Erklärungen zu liefern und der parallel verlaufenden Prosa-Geschichte im Groschenheft-Stil sind schon ein markantes Alleinstellungsmerkmal. Auch die Teaser auf (vielleicht) zukünftige Capricorn-Geschichten zu Beginn des Albums wecken große Vorfreude, auch wenn mich die Eulen zu Beginn und Ende des Abschnittes wieder etwas ratlos zurücklassen.



Band 6: Abstieg
Bei diesem Album hatte mich Andreas schon nach wenigen Panels. Das Setting mit den entsetzlichen Vorkommnissen rund um die kleine Truppe Wissenschaftler im ewigen Eis der arktischen Gefilde, das trifft einfach zu 100% meinen Geschmack. Der weitere Verlauf mit den teils surreal anmutenden Bildern, die Andreas auf die Seiten zaubert während Rork eine ganz außergewöhnliche Entdeckung macht, sprüht nur so vor optischem Einfallsreichtum. Die Art und Weise wie Andreas Geräusche in optischer Darstellung einbaut, der Wechsel von riesig anmutenden Bildern in großen Weitwinkel-Panels zu Seiten mit 300(!) kleinen Einzelzeichnungen, die in einer Art Daumenkinoablauf die Geschehnisse weiterspinnen, der Einsatz von Sprache, Symbolen und Träumen die vielleicht in die Psyche hineinführen.

Das alles macht den Band zu etwas sehr besonderem, einem optischen Augenschmaus, auch wenn ich den Stilbruch beim Wechsel zum Filzstifteinsatz erstmal verdauen musste, aber auch zu einem Werk mit Spielraum für Interpretation und zum Rätseln, mit Ermutigung zum Eintauchen in Gedankenwelten. Das Finale birgt dann auch einen kleinen Schrecken wie ich finde, zumindest bevor mich die Eulen aus der Geschichte leiten.



Band 7: Rückkehr
Zum großen Finale hat Andreas nochmal alle wichtigen und liebgewonnenen Personen versammelt, denen wir auf unserer Reise zusammen mit Rork begegnen durften. Wer denkt, dass sich jetzt alle gordischen Knoten lösen, die Vorhänge fallen, alle Rätsel entschlüsselt werden, sich alles zum Guten wendet und in Wohlgefallen auflöst dem kann ich nur sagen – HA! – welch ein „Gedanke“!

Aber grämt Euch nicht, denn natürlich wird auch Vieles aufgelöst, es werden Verbindungen über die gesamte Reihe gewoben und Zusammenhänge offenbart. Gleich zu Beginn war ich Andreas sehr dankbar, dass er während der Vorstellung einiger Charaktere untereinander nochmal einen kurzen, zusammenfassenden Abriss über die bisherigen Ereignisse gegeben hat, bevor er die atemberaubende Tour de Force startete, die nicht nur die aktuellen Ereignisse auf ein finalisierendes Ende hintreibt, sondern uns auch einen klareren Blick auf Rorks Vergangenheit erlaubt. Die letzte, alles entscheidende Schlacht kommt dann neben all den augenöffnenden Einblicken in Welten und Zeiten sogar überraschend greifbar daher, bevor ganz am Ende ein kleines Schmunzeln auf meinem Gesicht zurückbleibt. Firk – Lark – Rork.


Insgesamt hat mich auch dieser zweite und letzte Band der Rork-Gesamtausgabe sehr begeistert. Es scheint so, als hätte Andreas seine Art zu erzählen weiterentwickelt und jetzt gefunden. Die Alben im zweiten Band wirken gleichförmiger und insgesamt zielgerichteter als im Ersten. Es fühlt sich ein wenig so an, als hätte der Autor erst ab Band 3, dem Friedhof der Kathedralen, so wirklich gewusst wo die Reise mit dieser Reihe hingehen soll. Es ist zwar schön, wenn ein Schreiber einen solch umfassenden Plan für eine Reihe im Kopf hat, ich muss aber ehrlich gestehen, dass mir das etwas losgelöster und freier wirkende „Durcheinander“ in Band eins noch ein klein wenig besser gefallen hat, vor allem weil es Andreas gelungen ist das doch noch perfekt mit einzubinden und die losen Enden so zu verknüpfen, dass wirkliche Nahtstellen im Grunde gar nicht sichtbar bleiben. Was freue ich mich jetzt auf Capricorn! Die sind bestellt, aber vielleicht schiebe ich vorher noch einen Happen Andreas vom Lese-K2 dazwischen.

8,5-9/10

VG, God_W.
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