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Alt 18.03.2022, 11:58   #5903  
God_W.
Captain Rezi
 
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Corto Maltese 2 – Im Zeichen des Steinbocks



*Schwupps* war er auch schon vorbei. Wie bei strammem Wind und voller Fahrt mit einem Segelschiff über die Wellen, so verflog die Zeit mit meinem dritten Pratt, meinem zweiten Corto. Anders als die Südseeballade? Sicherlich, vor allem in Struktur und Erzählrhythmus. Schlechter? Nur marginal würde ich sagen, denn das Gefühl und die Atmosphäre bleiben vergleichbar, wenn auch vielleicht etwas abenteuerlicher und dafür weniger melancholisch. Trotzdem machte es mir der Band denkbar einfach ihn zu mögen, schon angefangen bei den wunderbaren einleitenden Texten und all den tollen Bildern, die mich schon in die richtige Stimmung versetzten. So war ich freudiger Erwartung, als es auf Seite 35 dann endlich mit dem eigentlichen Comic losging.

Corto Maltese hat es zu Madame Java nach Paramaribo, die Hauptstadt von Niederländisch Guyana verschlagen. Es dauert nicht lange, da setzt er sich für einen alten Trunkenbold ein, dem Schläge drohen. Unversehens hat er mit Professor Jeremiah Steiner einen neuen Kumpanen an Land gezogen. Als dann auch noch der junge Tristan Bantam (mein Hirn will ständig „Batman“ lesen) auf den Plan tritt, ein Junge aus London mit großen Vorhaben und gefährlichen Feinden, ist die Truppe für das weitere Abenteuer vorerst komplett.

Viel will ich zu den einzelnen Stationen der folgenden Reise will ich jetzt gar nicht im Detail erzählen, doch genau das ist es, eine große Reise, während der verschiedene Häfen und Inseln angefahren werden und die unterschiedlichsten Prüfungen zu bestehen sind. Dieser rote Faden fühlt sich dann auch wunderbar an, wirklich so, las würden wir Corto Maltese auf einem Stück seines außergewöhnlich ereignisreichen Lebens begleiten, während neue und alte Freunde und Feinde seinen weg Kreuzen und sich auch wieder verabschieden. Mit allerlei Voodoo und Wahrsagerei wird es da auch mal mystisch, es werden uralte Zivilisationen gesucht, versunkene Schätze und verfluchtes Gold. Geheimnisvolle Karten führen zu abgelegenen Orten, Revolutionen wollen unterstützt, Machthaber gestürzt und feindliche Truppen – immerhin herrscht noch immer der erste Weltkrieg – sabotiert werden.

Die etwas mystery-mäßig angehauchte Geschichte zum Ende „Was nur die Möwen wissen…“ hat mir auch sehr gut gefallen, ebenso wie die doch recht häufigen Anspielungen auf den ersten Band und der Auftritt von Rasputin. Am meisten gefreut habe ich mich aber darüber, dass dem Reich Mu in der ersten Hälfte des Bandes eine doch vergleichsweise große Rolle beigemessen wird. Den mit Atlantis vergleichbaren Kontinent Mu findet man ja ab und an in Lovecrafts Cthulhu-Mythos wieder. Anscheinend fand das versunkene Reich auch schon in Videospielen und Lustigen Taschenbüchern Verwendung. Ich hatte sofort bei der Erwähnung in dem Band einen freudigen Augenblick, bin ich doch ein großer Fan asiatischen Kinos, vor allem auch von Kaijus, weshalb für mich der großartige Klassiker „U 2000 – Tauchfahrt des Grauens“ mein Erstkontakt mit dem Mu-Reich darstellte, ein kunterbuntes, abenteuerliches Trashfest von Meister Ishiro Honda, welches ich schon vielfach gesehen habe und natürlich hat die Scheibe direkt nach der Lektüre dieses feinen Bandes mal wieder den Weg in den Player gefunden.
Irgendwann später, in Band 12, scheint das Thema Mu mich ja nochmal zu erwarten. Da freue ich mich schon drauf!

Ich wurde ja mehrfach gewarnt, dass es sich jetzt vorerst um kleinere Geschichten handelt, die eher unabhängig voneinander spielen, und das Gefühl einer einzigen großen Erzählung wie bei der „Südseeballade“ nicht so aufkommt. Ich muss sagen, da hatte ich deutlich „Schlimmeres“ erwartet. Es stimmt, schon, der gute Corto besteht hier gleich mehrere Abenteuer und beim ein oder anderen, nicht bei allen, wird er selbst auch deutlich stärker in den Fokus der Erzählung gerückt, dennoch finde ich, dass der Grundton schon sehr ähnlich bleibt. Die Exotik, die Freiheit, das etwas Nachdenkliche gepaart mit dem dennoch sehr direkten und geradeheraus wirkenden Sprachstil des Hauptdarstellers und dem irgendwie offenen und freigeistigen Schreibstil Pratts, der nicht lange um die Sachen drum herum eiert, das finde ich erfrischend und großartig, auch wenn diesmal noch etwas mehr Humor zugefügt wurde. Ich bin schon voller Vorfreude auf die nächsten Episoden.

8/10

VG, God_W.
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