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Alt 22.11.2021, 21:10   #1089  
God_W.
Captain Rezi
 
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Der Wüstenplanet – Die Legenden 1: Butlers Djihad (Brian Herbert & Kevin J. Anderson)



Falls jemand kürzlich den Kino-Kracher gesehen, oder die Erstverfilmung von Lynch kennt, oder die TV-Miniserie, oder nur den herausragenden Sci-Fi-Klassiker "Der Wüstenplanet" von Frank Herbert in Buchform: Wir spulen jetzt mal gaaaaaanz weit zurück, und zwar roundabout 10.000 Jahre vor den Ereignissen, die in Kino, TV oder eben dem Originalroman dargestellt werden.

Die Menschheit hat verkackt. So könnte man das Ausgangsszenario auf den Punkt bringen. Wir sind immer träger geworden (so wie in Wall-E) und haben alles Mögliche an Aufgaben unseren Robotern und Maschinen überlassen. Bis es einer Gruppe junger, strebsamer Menschen zu blöd wurde. Denen hat es gestunken, dass die Menschheit keine Träume und Ziele mehr hatte. Die wollten noch etwas erreichen, vor allem Macht, und später ewiges Leben. Klingt ein bisschen wahnsinnig? Jup. So schaffte diese Truppe es ein Computerprogramm zu entwickeln, welches ihnen half die Roboter und Denkmaschinen zu übernehmen und somit die Weltherrschaft (auf der Erde) an sich zu reißen.

Jetzt blieb noch das Problem mit der Sterblichkeit. Dafür gab es vorerst weit entwickelte Mittel zur Lebensverlängerung, Konservierung und zum Stoppen von Zellverfall. Anschließend baut man sich einen tollen Gehirntank, lässt seine grauen Zellen da rein verpflanzen und diesen Behälter kann man dann, je nach aktueller Situation, in wechselnde Einsatzkörper verpflanzen. Schwupps, hat man alles was man braucht um die Schreckensherrschaft am Laufen zu halten, und das für viele tausend Jahre und nach und nach auch über mehr und mehr Planeten.

Jetzt machte sich aber auch unter dieser Truppe, die sich selbst die "Titanen" nannten, bei einigen Persönlichkeiten Trägheit breit. So wurden mehr und mehr Aufgaben an die Denkmaschinen (Computer) übertragen, bis ein nahezu allmächtiges Programm plötzlich *schwupps* ganz Skynet-mäßig ein eigenes Bewusstsein erlangte. Tadaaa: Menschen schwingen sich zu Titanen auf, werden zu Halbrobotern (Cymeks), versklaven einen großen Teil der Menschheit und entwickeln Supercomputer (Omnius). Omnius entwickelt Bewusstsein, übernimmt die Herrschaft, kontrolliert (fast) alle Roboter, versklavt die Cymeks und somit auch die Menschen.

Aktueller Status also: "Die synchronisierten Welten" werden von Omnius mit Hilfe von Robotern und seinen Cymek-Generälen kontrolliert. Die Cymeks können sich ihm nicht widersetzen, haben im Grunde aber ein gutes Leben, denn aufgrund einer Sicherheitsprogrammierung kann Omnius seine Schöpfer nicht töten.
"Die Liga der Edlen" besteht aus Welten, die bislang nicht von den Maschinen erobert werden konnten, aber immer häufiger kommt es zu bewaffneten Konflikten. Die Verteidigung der Menschheit steht auf wackligen Füßen.
Davon abgesehen gibt es noch einige freie Welten, die zu keiner der beiden Gruppen gehören. Diese liegen zumeist eher abgelegen, zu ihnen zu reisen dauert mehrere Monate. Dort fangen die Fleischhändler der Tleilax of Sklaven ein. Auf einem besonders weit abgelegenen Staubkorn ist Wasser das teuerste Gut.

Während Serena Butler, die enthusiastische Tochter des Liga-Chefs Viceroy Butler, zusammen mit ihrem geliebten Xavier Harkonnen versucht die in Angst lebenden Welten der Liga der Edlen zu überzeugen die Verteidigungs- und Pattsituation endlich zu beenden und alles zu tun, um die freien Planeten für sich zu gewinnen und gemeinsam, als verbündete Menschheit gegen die Maschinen vorzugehen macht ein kleiner Sklavenhändler auf diesem abgelegenen, staubtrockenen Planeten eine faszinierende Entdeckung. Eine ganz spezielle Substanz, die die würzig, beinahe wie Zimt schmeckt und drogenähnliche Wirkungen entfaltet. Der name des Planeten ist Arrakis, genannt auch...

Ja, da wurde im Grunde viel zusammengemixt, was in verschiedenen großen Werken der Science-Fiction schon durchgekaut wurde, aber die Grundideen dazu hatte Frank Herbert alle bereits in seinem Worldbuilding verankert. Das wurde vom Junior und seinem Partner jetzt halt etwas detaillierter ausgearbeitet und ist sogar recht unterhaltsam geworden. Wenn man weiß worauf es hinausläuft gibt es viele spannende Entwicklungen, Erzählstränge und Personen denen man folgen kann. Viele Erfindungen, die hier gemacht werden, begleiten uns noch viele Jahrhunderte und sind quasi "alte Bekannte" aus der Zukunft. Es werden Grundsteine für Völker und Orden gelegt und der Befreiungskrieg der Menschheit beginnt.

Das ist sicher nicht an allen Stellen durchgehend logisch, vor allem was die Vorgehensweise der Maschinen betrifft, und wichtige, oder nicht ganz so leicht zu schreibende Entwicklungen geschehen, während wir uns gerade andernorts aufhalten. Da haben es sich die Autoren schon recht einfach gemacht. Auch fällt auf, dass viele unbequeme Gespräche einfach im Nachhinein "erzählt" werden, also eher auf deren Ausgang eingegangen wird, statt ein Gespräch wirklich zu schrieben. Das scheint keine große Stärke der beiden Autoren zu sein, denn da gäbe es reichlich Potential. Das andere Buch welches ich gerade ist da ganz anders und das ist auch gut so. Wenn Gespräche, ob in Streit, Diskussion oder auch romantischer Natur gut geschrieben sind verleiht das einem Buch viel mehr Leben und es wird fesselnder.

Aber okay, bevor ich etwas was ich nicht allzu gut kann eher schlecht mache, besinne ich mich lieber auf meine Stärken. Vielleicht haben sich die beiden Schreiberlinge genau das gedacht, und wenn ich mit dem von seinem Stamm ausgestoßenen Selim alleine durch die Wüsten von Arrakis streife funktioniert das auch ganz wunderbar, denn mit wem soll sich ein einsamer Wüstenbewohner auch unterhalten. Dort wirkt das niemals unnatürlich, weshalb mir diese Passagen vielleicht auch mit am besten gefallen. Andererseits sind das auch die recht seltenen Besuche auf dem Wüstenplaneten in diesem Band, das kann auch ein Grund sein, weshalb diese Abschnitte zu meinen Favoriten gehören.

Insgesamt sicher keine literarische Großtat, aber über große Strecken doch kurzweilige Science-Fiction mit vielen interessanten Figuren, die Spannung aufkommen lassen wann und wie sich die Ansichten drehen, dieser oder jener Durchbruch stattfindet, oder auch wie lange es dauert bis sich dies oder jenes durchgesetzt hat. Ach ja, und den Wüstenplanet-Bonus natürlich nicht zu vergessen, denn das Worldbuilding des Meisters ist auch hier deutlich spürbar und einer der positivsten Aspekte.

6,5/10

VG, God_W.
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