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Alt 16.01.2021, 11:30   #3634  
God_W.
Captain Rezi
 
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Nach den doch recht umfangreichen Rezis zu den letzten Titeln muss ich mich mal wieder kürzer fassen, um etwas zügiger voran zu kommen mit meinem „Gelesen-Stapel“. Wie immer ist das kein Anzeichen, dass die Bänder schwächer wären oder sowas, ganz im Gegenteil, da sind wieder einige prächtige Perlen dabei, aber die Kürze der Zeit gibt einfach nicht mehr her.


Canoe Bay



Mein erster Prugne und ich bin sofort hellauf begeistert. Absolut beeindruckende, wunderschöne Aquarellbilder zum darin schwelgen und um sich in ihnen zu verlieren. Kaum zu glauben, dass Patrick Prugne Autodidakt ist! Dazu eine wundervoll unaufgeregt erzählte Geschichte, die zwar spannend ist und auch Action bietet, aber dennoch die meiste Zeit ruhig vor sich hintreibt, ohne je gehetzt zu wirken, auch zu keinem Zeitpunkt langweilig wird. Es hat eher den Eindruck, dass sich da jemand Zeit genommen hat eine realistische, geerdete Geschichte mit reichlich Abenteuerelementen zu erzählen, ohne mit Gewalt auf einen einzigen bombastischen Höhepunkt hinzuarbeiten. Da entfaltet sich auf den Seiten die Neue Welt mit einer Vielzahl toll ausgearbeiteter Charaktere und ich möchte gar nicht, dass es jemals zu Ende geht. @Mr. Brown hat das ganz treffend formuliert, als er bemerkte, dass hier die Abenteuerromantik der großen TV-Vierteiler (wer die schönen Schinken aus den früheren Adventszeiten noch kennt) heraufbeschworen wird. Allgemein kann ich mich den ganzen lobenden Worten aus dem Splitter-Forum nur anschließen und bedanken möchte ich mich auch bei @Gagel , der mich mit seinem kürzlich wiederholten Prugne-Run enorm angefixt hat den Band endlich zur Hand zu nehmen, und mich auch dazu verführt hat mir in nächster Zeit weitere „Prugnes“ zu beschaffen.

Lobend erwähnen muss ich noch die mal wieder perfekte Aufmachung des Splitter-Albums. Tolle Haptik, perfekter Druck und satte 25 Seiten sehenswertes Bonusmaterial. Das lässt kaum Luft nach oben.

9,5/10




Fins de Siécle



Nach den „Legenden der Gegenwart“ die nächste Zusammenarbeit zwischen dem damals noch recht jungen Enki Bilal (Nikopol) und Altmeister Pierre Christin (Valerian & Veronique). Die beiden enthaltenen Geschichten sind erneut dem politischen Weltgeschehen gewidmet.

Der Schlaf der Vernunft ist sowohl optisch als auch inhaltlich ein Meisterwerk, welches durchaus an der 10 kratzt. Eine Gruppe ergrauter Recken, die in ihrer Jugend gegen das faschistische Franko-Regime gekämpft haben, sehen sich aufgrund aktueller, terroristischer Anschläge gezwungen ein letztes mal in den Einsatz zu ziehen – und werden dabei, ohne es zu merken, zu dem, was sie schon immer bekämpfen wollten. Tragisch, wehmütig und knallhart, aber stets hochspannend, fesselnd und intelligent. Die mit einem glaubhaften Ensemble ausgestattete Story ist universell übertragbar, könnte sich genauso gut auch um die IRA, linken, rechten oder jeglichen anderen politisch (oder religiös) motivierten Extremismus gehen, der in schändlichen Gewalttaten gipfelt. Also durchaus historisch relevant und ebenso hochaktuell.

Auch Treibjagd ist im Grunde ebenso die Bearbeitung eines hochinteressanten, jedoch mehr historischen als aktuellen Themas. Reine parteipolitische Macht, in den Händen engstirniger, wie Götter verehrter alter Männer, die sich keinen Deut von ihrem eingefahrenen Gedankengut lösen können, und welche Möglichkeiten es gibt diese nahezu auf ewig festgefahrenen Strukturen aufzubrechen. Ein Thema welches sicher nicht einfach aufs Papier zu bringen ist, und so gelingt das hier leider auch nur teilweise. Sperrig und ermüdend ist die Erzählung, der Aufbau bis zu dem einen, kleinen Höhepunkt während der namensgebenden Treibjagd dauert zu lang, der Ausklang ist zu langatmig und der Umfangreiche „Nachruf“ verdeutlicht, dass es dem Autor nicht gelungen ist alles Relevante, was er unterbringen wollte, in der eigentlichen Geschichte zu platzieren. Bilals Arbeit ist wieder herausragend, aber hier ist es Christin einfach nicht gelungen seine Lehrstunde auch wirklich unterhaltsam zu gestalten, deshalb leider nur Mittelmaß.

Ich muss aber nochmal loswerden, das Enki Bilal für mich einer der ganz großen Künstler ist. Er hat einen sehr eigensinnigen Stil mit enormem Widererkennungswert, der sich zwar über die Jahre deutlich entwickelt und stetig verändert hat, aber zu jedem Zeitpunkt einwandfrei als ein Bilal zu identifizieren ist. Das ist es, was eine wahre Größe für mich persönlich ausmacht. Klar kann man seinen Stil mögen oder nicht, aber die grundlegende Qualität und Einzigartigkeit muss man einfach anerkennen. Das ist es, was er meines Erachtens mit Leuten wie Richard Corben, Hal Foster, Mike Mignola usw… gemeinsam hat. Ich freue mich schon auf seine nächste Arbeit (habe die Monster Gesamtausgabe noch ungelesen hier stehen), und Christin treffe ich sicher bald bei Valerian wieder.

7-7,5/10




Lincoln – 6. Rock und Roll



Auf zum nächsten, frech-lustigen Ritt mit dem „Revolutionshelden“ Lincoln. Wobei, mit der Revolution ist es nicht mehr weit her. Lincoln selbst war ja eh nur unfreiwillig dabei und die wahre Revoluzzerin Paloma hat die Schnauze voll. Sie will in die vereinigten Staaten einreisen und ihre Familie in einem Camp für illegale Einwanderer finden. Lincoln – heiß wie Frittenfett, wenn es um Paloma geht – weicht nicht von ihrer Seite. So entwickelt sich das Ganze zu Beginn zu einer äußerst spaßigen Beziehungskiste, die durch den Versuch des illegalen Passierens der Mexikanisch-Texanischen Grenze ein gehöriges Maß an Dynamik gewinnt. Im weiteren Verlauf stolpert Lincoln mal wieder von einer aberwitzigen Situation in die nächste und auch wenn mir Band fünf ein paar Lacher mehr abgerungen hat, so hatte ich doch wieder mächtig Spaß mit dem Band und freue mich schon auf März, wenn der siebente Band ins Haus steht.

7,5/10



Constantine - The Hellblazer 1: Abwärts!



Auch nach den New52 ging es mit dem DC-Dark-Verse weiter und wenn es um meinen Beinahe-Seelenverwandten John Constantine geht bleibe ich natürlich am Ball, schließlich war er die treibende Kraft, die mich überhaupt dazu brachte in die dunkle Hälfte der DC-Welt einzutauchen. Dies ist der erste von zwei Paperbacks, in denen Panini die 13 Hefte andauernde Strecke zwischen der New52-Ära und der Rebirth-Zeit versammelt. Keine Justice League Dark, keine grellbunten Zaubersprüche, nein hier geht es enorm Richtung „Back to the Roots“, denn düster, dreckig, creepy und brutal geht es in der Welt des Hellblazers zu. Da wird gelogen, betrogen, beschworen und gemeuchelt, ja es stirbt sich schnell, und „zur Hölle fahren“ wird nicht nur als Metapher angewandt. I like!

Auch wenn Constantines oftmals angedeutete Bisexualität diesmal sehr deutlich in die Homosexuelle Richtung ausschlägt und die erste größere Nebenrolle mit einer Modedesignerin besetzt wird, die mit finsteren Mächten herumspielt, um die hipperen Klamotten auf den Laufsteg zu bringen, so wird Constantines Charakter von Autorin Ming Doyle (ja, man merkt also schon, dass da eine Lady die Schreibfeder schwingt) im Grunde äußerst gut getroffen. Die Story trieft vor schwarzem Humor und bitterbösen Wendungen und verbeugt sich vor der Original-Serie. Die vielen kurzen Rückblenden, in der die Band gegründet wird und dann sogar auf den denkwürdigen Gig in Newcastle hinarbeitet, bildet einen schönen Brückenschlag zu den Anfängen der originalen Hellblazer-Strecke. Ein ganz wunderbares Schmankerl für Fans der ersten Stunde, und solche wie mich, die es im Nachhinein geworden sind.

Leider gibt es mit dem Artwork von Riley Rossmo auch noch einen absoluten Negativpunkt zu verzeichnen. Ich habe sicher nix dagegen, wenn neue Wege gegangen werden, jemand experimentierfreudig ist und gerade zum Hellblazer könnte der kantige, etwas schräge und düstere Stil sogar ziemlich gut passen, aber sorry, wenn ich nur komplett tote, emotionslose Gesichter und vor allem Augen zeichnen kann, dann sollte ich mich halt an Zombie-Apokalypsen halten. Zum Glück hat der nicht den kompletten Band gezeichnet.

8/10




Lustiges Taschenbuch Classic Edition - Die Comics von Carl Barks 3



Auch mit diesem dritten Band hatten Krümelchen und ich des Abends zur Vorlesestunde, also eigentlich sind es ja immer nur ein paar Minuten, wieder ganz viel Spaß. Die Zweiseiter konnten uns zwar oft nicht so mitreißen, aber bei den Zehnseitern sind schon einige Perlen dabei und wenn es mal noch länger wird, und dann auch noch ein Hauch von Abenteuer mitschwingt, dann haben wir eine wundervolle Zeit zusammen.

„Jedenfalls Muskelschmalz“ ist gleich ein richtig witziger Einstieg, in „Wie Du mir so ich Dir“ versuchen sich die Neffen mal wieder als Schulschwänzer und Donald als „Gnadenlos“er Geldeintreiber war auch ganz spaßig. „Ein irrer Vogel“ kannten wir schon von den Weihnachtsgeschichten, hat Krümelchen aber so gut gefallen, dass sie es unbedingt nochmal lesen wollte, das sagt schon was aus. „Maharadscha für einen Tag“ verströmt dann wieder diese große Abenteuer-Atmosphäre, die wir so mögen und wartet zudem mit vielen Wendungen und klugen Einfällen auf. In „Falsch wie Gift“ bewahrheitet sich für Donald als Tierliebhaber (ungewöhnlich!) die Ferengi-Erwerbsregel 285 „Keine gute Tat bleibt ungestraft“. Absolutes Highlight des Bandes war für uns „Im Land der Vulkane“, denn Krümelchen liebt Vulkane aus ihren Was ist Was Büchern und Hörspielen, und ich liebe Vulkane seit ich des Nachts mal einen in Natura leuchten sah. Popcorn mögen wir ebenfalls beide, da hat die Story gepasst wie die Faust aufs Auge. „Zauberkunststücke“ fand Krümelchen super, ich dagegen eher die beiden großen Abenteuergeschichten von „Der Geist der Grotte“ und „Australisches Abenteuer“, zum Abschluss gab es dann nochmal Weihnachtsstimmung mit „Fast eine Weihnachtskatastrophe“. Ja, insgesamt ein runder Band mit deutlich mehr tollen als durchschnittlichen Geschichten.

7/10

VG, God_W.
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