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Alt 08.09.2020, 20:41   #2958  
God_W.
Captain Rezi
 
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Durch den Start des Nerd-Room-Baus komme ich kaum noch dazu Rezis zu schreiben, deshalb jetzt mal ein größerer Schwung, wieder in etwas kürzerer Form. Wenn die Bude im Keller fertig ist gibt es auch wieder längere Texte, aber aktuell ist das leider einfach nicht drin.

Nuork – 1. Das schwarze Kind



Den französischen Autor Stefan Wul, der die Novelle schrieb, welche die Vorlage für die dreibändige Albenreihe „Nuork“ lieferte, war mir bislang gänzlich unbekannt – dachte ich zumindest! Bei einer kleinen Recherche stellte sich dann doch heraus, dass der Mann mit Herrscher der Zeit und Der phantastische Planet (bei uns auch als „Der wilde Planet“ erschienen) ebenfalls die Bücher zu zwei sehr weithin bekannten Trickfilmen schrieb, an denen teilweise sogar Moebius mitwirkte. Im Sci-Fi-Genre also durchaus kein Unbekannter! Gerade „Der wilde Planet“ habe ich erst vor relativ kurzer Zeit durch eine Ausstrahlung auf arte für mich entdeckt, hat echt einen visionären Touch!

Nuork, was Wul bereits in den 50ern als Novelle veröffentlichte, schnappte sich jetzt also Autor und Zeichner in Personalunion Olivier Vatine für seine Adaption in die Neunte Kunst. Ganz so visionär kommt der erste Band jetzt zwar nicht daher, aber wenn man bedenk wie alt die ursprüngliche Geschichte ist, und wie brandaktuell die ersten Seiten anmuten, kann man Herrn Wul ein gewisses Vorausdenken nicht absprechen.

Zeichnerisch voll auf der Höhe zeigt und Monsieur Vatine wie wir die Erde mit unserem Giftmüll verseuchen, bringt eine optisch äußerst ansprechende Tiefseerasse mit ins Spiel, um dann einen fein bebilderten Zeitsprung zu wagen, der an Stanley Kubricks berühmten Schnitt zu Beginn von 2001 erinnert. Schwupps, befinden wir uns in einer fernen Zukunft, wie fern bleibt unklar, die eher wie die Steinzeit anmutet. Haben wir es also geschafft alles zu ruinieren und uns zu naturverbundenem Stammesleben zurückzuentwickeln – vielleicht nicht das Schlechteste? Hier beginnt unser gemeinsames Abenteuer mit dem schwarzen Kind, welches in seinem Stamm bislang einen recht schweren Stand hatte, aber das soll sich bald ändern…

Toller, wenn auch nicht überragender Start in schicken Bildern, mit ein wenig Mystik, schönem, wenn auch nicht komplett neuem, Worldbuilding und vom All-Verlag in einem schick gestalteten Album mit ordentlich Bonusmaterial untergebracht.

7,5/10


Schatten auf dem Grab – Richard Corben



Und direkt wieder beim All-Verlag gelandet. Warum habe ich den äußerst sympathischen Laden eigentlich so lange nicht, oder nur kaum wahrgenommen? Egal, jetzt bin ich ja dabei! Die 290 Seiten starke Gesamtausgabe von Großmeister Richard Corbens „Schatten auf dem Grab“ ist den Jungs auf jeden Fall äußerst gut gelungen! In gruselig plastischem Schwarz/Weiß brennt Corben mal wieder ein Feuerwerk von 24 bösen, gruseligen, lustigen und trashigen Pulp-Geschichten ab. Ein Fest für die Sinne möchte ich sagen, sofern man mit Horror, Monstern und schwarzem Humor (und der ein oder anderen üppigen Oberweite) auch nur entfernt etwas anfangen kann. Ergänzend gibt es dann noch einen Schwung Einseiter, eine farbige Cover-Galerie und – weil durch den neuen, fetten Band des Taschen-Verlags gerade der Verlag EC-Comics wieder in aller Munde ist – einem launigen Vorwort von Mike Shields, nach dessen Auffassung diese Storysammlung Corbens Vorliebe für ebendiesen Verlag deutlich wiederspiegelt. Also liebe Fans von EC-Comics: Greift zu!

8,5/10


Nuork – 2. Die Stadt



Schon auf dem Cover wird deutlich klar, wo denn eigentlich der Titel der Serie herkommt. Auf den ersten Seiten wird mit dem Aufeinandertreffen der Tiefseewesen und dem Stamm des schwarzen Kindes gleich einen Gang hoch geschaltet und die weitere Odyssee des Jungen in die Stadt ist ein wahres Abenteuer. Dazu kommen allseits beliebte Genre-Zutaten wie Roboter, Hologramme und anderer Zukunftskram, aber auch spannende Wendungen durch die Einführung neuer Charaktere. Gefällt mir richtig gut und macht vor allem auch optisch ordentlich was her! Die Tiefseewesen erinnern mich an den deutlich später erschienenen „Die lebende Tote“, einfach ein grandioses Design! Dazu gibt es erneut schönes Bonusmaterial, diesmal hauptsächlich zur Entstehung des Covers.

8/10


Sláine 7 – Die Hexenkönigin



Also gemeinhin wird ja „Der gehörnte Gott“, das Opus Magnum von Zeichner Simon Beasley, als die beste Sláine-Story hochgejubelt. Klar, die grandiosen Bilder in Verbindung mit Pat Mills intelligenter, stets etwas „strange“ anmutender Schreibe und der rohen Kraft, die sowohl Text als auch Bilder heraufbeschwören lassen diesen Ruf auch bei mir mehr als gerecht erscheinen. So ging ich also mit zurückgeschraubten Erwartungen an den Folgeband „Die Hexenkönigin“ und muss sagen, in meinen Augen steht dieser siebte Band der hervorragend aufgemachten Gesamtausgabe um den wilden Keltenkönig dem Vorgänger in Nichts nach. Selbst das Artwork fällt im Vergleich zum äußerst starken Bisley-Part nicht wirklich ab, es lohnt sich also unbedingt weiter dran zu bleiben!

9/10


Nuork – Band 3/3



Ach wie cool! Ich liebe es ja, wenn es der letzte Band einer Reihe schafft nochmal so richtig zu überraschen. Im ganz großen Stil hat das bei Cross Cults Drifter funktioniert, aber auch der Twist bei Nuork ist nicht von schlechten Eltern und sorgt für den ein oder anderen WTF-Moment! Viel mehr will ich auch gar nicht verraten, es soll ja niemandem die Überraschung verdorben werden, aber durch diesen finalen Band wird die ganze Reihe von schön gezeichnetem, „standardmäßigen“ Endzeitrabenteuer nochmal auf ein innovativeres Level gehoben. Erinnert mich ein wenig an den freigeistigen Science Fiction wie er in den 60ern und 70ern in Filmen öfter mal zu finden war. Apropos, wann ist die Original-Novelle von Stefan Wul eigentlich erschienen?

Auf jeden Fall ein mehr als würdiger Abschluss und schon ein wenig schade, dass die drei Alben nicht mehr Aufmerksamkeit erfahren haben, sie hätten’s absolut verdient.

8,5/10

Wieder mal eine kleine, in sich abgeschlossene Reihe zügig durchgezogen. Als nächster kleinerer Mehrteiler steht demnächst mal wieder ein Manga auf dem Programm. Jetzt gings aber erstmal wieder dem Horizont entgegen…


Der alte Mann und das Meer



Ihr wisst ja, in mehr oder weniger regelmäßigem Abstand packt mich die Sehnsucht nach Seemannsgarn, wie Ismael der Drang zur der See zu fahren. Diesmal hat mich mein Gespür zum, leider oft mit zu wenig Aufmerksamkeit beschenken, Knesebeck Verlag geführt, der ein 130 Seiten starkes Hardcover mit sogenannter Weltliteratur geschnürt hat. In charismatischen und melancholischen Bildern bringt Autor und Zeichner Thierry Murat auf wunderschöne Art und Weise Ernest Hemingways großen Klassiker als Graphic Novel zu Papier.

Ich muss zu meiner Schande gestehen das Original noch nicht gelesen zu haben, kenne den Stoff also bislang nur von den beiden Verfilmungen, die beide wirklich sehenswert sind. Doch auch wenn Anthony Quinns Darstellung im Fernsehfilm aus den 80ern durchaus sehenswert ist, so geht für mich nichts über John Sturges‘ Variante mit Spencer Tracy als gealtertem Fischer. Den Oscargekrönten Animationsfilm von 1999 muss ich auch irgendwann mal sichten.

Hier geht es aber jetzt um die grafische Adaption von Thierry Murat, die nicht nur toll gezeichnet, sondern auch wunderbar geschrieben ist. Wie bereits erwähnt kann ich nicht beurteilen, wie dicht der Mann dabei an der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Vorlage geblieben ist, aber für mich war das Erlebnis noch intensiver als bei beiden mir bekannten Verfilmungen. Zeichnerisch geht Herr Murat äußerst gefühlvoll vor, ohne je gefühlsduselig zu werden, bringt zu Beginn das kubanische Flair perfekt rüber und später die Einsamkeit auf hoher See in ebenso beeindruckender Weise. Der Text ist dabei erfrischend direkt und lebensbejahend, nicht unnötig schnulzig oder dramatisch, denn die Dramatik kommt von ganz alleine. Ich bin äußerst beeindruckt!

9/10


Batman – Jekyll & Hyde (DC Comics Graphic Novel Collection Band 124)



In aller Kürze: Ich stehe auf klassische Filmmonster und Two-Face gehört zu meinen Favoriten, was Batmans Gegenspieler angeht. Perfekte Voraussetzungen für einen gelungenen Bat-Comic. Das Autor Paul Jenkins allerdings dermaßen tief in die (Psycho-)Horror-Trickkiste greift war für mich dann doch überraschend! Die Zeichner Jae Lee und Sean Phillips haben das Ganze dann noch ordentlich düster und creepy bebildert, ein schauriger Augenschmaus möchte ich fast sagen. Die seelische Zerrissenheit des Antagonisten perfekt herausgearbeitet, ein Band der durchaus auch mit Überraschungen aufzuwarten weiß und vor allem von Anfang bis Ende richtig spannend daherkommt. Für mich einer der sehr guten Vertreter aus der Reihe (zumindest von denen, die ich bislang gelesen habe).

Als Bonus wartet mit „Two-Face schlägt wieder zu!“ aus Batman #81 von 1954 ein reichlich hanebüchener Vertreter der Golden Age Comics, der mit seinem ultrahohen Grad an Nonsens-Ideen eine Menge Charme versprüht und viel Spaß machen kann, darf man halt nur nicht so ernst nehmen, sondern mit einer gewissen Naivität betrachten und somit als perfekten Kontrastpunkt zur düster-brutalen Hauptgeschichte einsortieren. Passt.

8-8,5/10

VG, God_W.
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