Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 02.08.2020, 21:02   #2740  
God_W.
Captain Rezi
 
Benutzerbild von God_W.
 
Ort: Nähe Aschaffenburg
Beiträge: 19.398
The Boys 6 – Gnadenlos Edition



Das große Finale von Garth Ennis‘ ätzender Superheldensatire ist ein bisschen ein zweischneidiges Schwert, eine derart umfangreiche Story zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen ist aber auch eine schwierige Sache. Ich will jetzt gar nicht groß über den Inhalt erzählen, denn wer bis hierhin dabei geblieben ist will sowieso wissen wie es ausgeht und wer schon zuvor ausgestiegen ist kann mit dem Finale bestimmt nicht dazu bekehrt werden nochmal einzusteigen.

Im Grunde bietet der 332 starke Abschlussband mit den Heften #60-72 zumindest in der ertsen Hälfte all das was sich das Fanherz wünscht. Augenzwinkernde Gewaltspitzen, viel nackte Haut, fette Action, respektloser Anarchohumor, dennoch stehen die Charaktere und deren Entwicklung weiter im Fokus, es gibt Ennis-typische, schockierende WTF-Momente, nahezu alle bislang offen gebliebenen Fragen werden beantwortet und all das Gipfelt in der großen, epischen Endschlacht auf die alle gewartet haben. Ende gut, alles gut – oder doch nicht?

Im Anschluss geht es weiter und ich kann schon die Leute verstehen, die mit der Entwicklung dann etwas unzufrieden sind. Andererseits finde ich, dass diese zweite, teils politische, teils extrem charakterbezogene Hälfte des Bandes die einzig mögliche, und in ihrer Konsequenz wirklich notwendige Art und Weise darstellt die Sache zu einem Ende zu bringen. Macht das Werk für mich ein stück weit erwachsener, als wenn man nach dem Endfight Feierabend gemacht hätte. Und bei allem Ernst und auch traurigen Momenten mit leisen Tönen in den letzten Heften lässt sich Mr. Ennis ein kleines Augenzwinkern ganz am Schluss ja dann doch nicht nehmen. Ich fand den wilden Ritt insgesamt äußerst unterhaltsam, die Metaebenen sau lustig und das gesamte Werk insgesamt… naja… wild eben.

8,5/10



Sweet Tooth – Band 5: Unnatürliche Lebensräume



In der ersten Hälfte des fünften Bandes erfahren wir in einem Rückblick aus einem alten Tagebuch endlich die Ursprünge der schrecklichen Seuche, die die Menschheit auszulöschen droht. Ihr kennt mich ja mittlerweile ein wenig und wenn ich Euch sage, dass das Ganze mit einer Polarexpedition um die Jahrhundertwende, genauer gesagt 1911 zusammenhängt ahnt Ihr sicher schon, wie ich das gefeiert habe. Ewiges Eis, Menschen in einer abgeschotteten Gruppe, widrigste Lebensumstände, ein Hauch von Seemannsgarn und mythischen Legenden – hach ich könnte geradezu ins Schwärmen geraten! Gezeichnet würde diese Rückblende von Matt Kindt, dessen Stil mir schon bei Dept.H sehr gut gefallen hat. Schade, dass der Hinstorff Verlag die weiteren Bände da (angeblich nur vorerst wegen Corona) auf Eis gelegt hat. Ich gehe eher von einem Abbruch wegen schlechter Absatzzahlen aus, aber dann hätten die mich im November angelogen und das will ich eigentlich nicht unterstellen. Auf jeden Fall hat mich diese erste Hälfte des fünften Bandes Sweet Tooth schwer begeistert!

In der zweiten Hälfte folgen wir wieder den Entwicklungen in der „Jetztzeit“, die absolut dramatische Wendungen nehmen, die ich zwar bereits befürchtete, aber stets hoffte, dass es anders kommt. Dass ich derart mitfiebere sagt ja auch schon Einiges über die Kraft der Erzählung aus! Gegen Ende gibt es dann wenigstens noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, aber verraten will ich mal lieber nix.

9/10



Sandman Deluxe 2: Das Puppenhaus



Allein der Fakt, dass das Vorwort zu diesem Band von „Mr. Hellraiser“ Clive Barker verfasst wurde hätte mich schon darauf vorbereiten können, dass es in diesem Band recht Horrorlastig zugehen wird. Das hat sich dann auch bewahrheitet, was mich aber nicht im Geringsten stört, denn zum einen mag ich das Genre sehr und außerdem sprühen die Geschichten dennoch wieder von Neil Gaimans Fantasie und seiner Verflechtung mit allerlei Mythen und Sagen.

In der afrikanischen Steppe werden wir gewahr, dass unser Dream keineswegs immer der Gute und Gerechte sein muss, sondern auch selbst nicht von Eitelkeit verschont bleibt. Der größere Storybogen um die kleine Rose Walker, die mit ihrer Mutter nach England, die alte Heimat kommt um mit Unity Kinkaid einen ganz besonderen Menschen kennenzulernen ist einfach wunderschön geschrieben, durchaus auch creepy, aber auch sehr berührend und coolen Gimmicks wie Gaimans Variante der drei Nornen gespickt. Nebenbei erfahren wir auch wie es läuft, wenn sich in der Traumwelt nicht alle an die Regeln des Sandmanns halten, da kann der nämlich auch mächtig böse werden!

Ganz besonders gut hat mir die Geschichte über eine ganz besondere, über mehrere Jahrhunderte andauernde Freundschaft gefallen. All die schönen Seitenhiebe und Anspielungen, die grandiosen Gespräche zwischen den Beiden, hach das hätte ich mir noch viele Seiten mehr gewünscht! Richtig krass wird es dann beim Kongress der Sammler, und nein, die sammeln keine Comics. Das würde meines Erachtens ein richtiges gutes Drehbuch für einen makabren Serienkiller-Horror-Flic hergeben.

Was kann ich sonst noch zu dem Band sagen? Traumwirbel sind eine spannende Sache, von der ich zuvor noch nie gehört hatte, Fiddlers Green ist ein äußerst cooler Charakter (und bevor jemand fragt, die Band gleichen Namens mag ich auch), grundsätzlich bin ich eher ein Hundemensch, aber die Katzenstory hat eine famose Atmo, unter Anderen darf zwischendrin auch Kelley Jones mal an den Zeichenstift, dessen Artwork ich sehr mag und der Band selbst ist mit Vorwort, Einleitung, Nachwort und einigen Bonusseiten in Schwarz/Weiß schön ausgestattet. Gelungene Veröffentlichung, ganz toll erzählte Geschichten, auch wenn ich im direkten Vergleich Band 1 knapp vorne sehe.

8,5/10



Sweet Tooth – Band 6: Wilde Jagd



Hach, bei Finalbänden finde ich es immer voll schwer was zu schreiben, weil ich da möglichst auch kleine Spoiler vermeiden möchte, deshalb diesmal wieder recht kurz und eher allgemein gehalten. Eins kann ich gleich sagen, Jeff Lemire ist der perfekte Abschluss einer ganz tollen Story gelungen. Der Finalband hebt das Gesamtwerk für meine Begriffe nochmal eine ganze stufe höher. Wie bereits erwähnt erkannte ich in der gesamten Story viele Genretypische Zutaten, die vor allem durch Lemires äußerst einfühlsamen und persönlichen Erzählstil aus der Masse vergleichbarer Szenarien hervorstechen. Der sechste Band bildet da keine Ausnahme, nur, dass es diesmal noch eine Ecke mehr, und vor allem auch recht brutale Action geboten wird und die offenen Fragen betreffend Sweet Tooth‘ Vergangenheit aufgelöst werden, ach ja und Lemire schafft es mit Eishockey wenigstens am Rande eines seiner Lieblingsthemen mit unterzubringen. Nate Powell macht als Gastzeichner für die Flashbackszenen ebenfalls eine enorm gute Figur!

Das letzte Heft ist dann schließlich der absolute Knaller. Die Legendenbildung hat mich irgendwie an Mad Max 2 & 3 oder auch an Waterworld erinnert, aber was da sonst noch alles zusammenkommt und wie sich alle aufgestauten Gefühle schließlich lösen, das mich wirklich schwer beeindruckt, inklusive Gänsehaut und ein paar verdrückten Tränchen.

10/10 was der Reihe im Schnitt bei mir eine knappe 9/10 beschert. Danke für die tolle Zeit an Jeff und Vertigo!



Lincoln – 4. Weg vom Fenster



Im einen Moment noch die Staatsgewalt in Person, zugegeben, mit einem leichten Hang zur Korruption, im nächsten schon an der Kette des Arbeitstrupps mit den schicken gestreiften Klamotten. Ja, so kann’s gehen, vor allem wenn man Lincoln heißt und ein echtes Problem damit hat sich aus Schwierigkeiten raus zu halten. OK, eigentlich springt der selbstsüchtige Kotzbrocken ja immer Kopf voraus mitten rein. Aber hey, dafür lieben wir ihn ja! Vor allem hilft so ein Fitnessprogramm im schwarz/gelben Strampler nebst passender Diät auch dabei die überschüssigen Pfunde schnell wieder los zu werden, die man sich hinterm Schreibtisch in der großen Stadt angefuttert hat.

Wieder ein schöner Funny-Western mit tollen Charakteren, allerdings für mich mit ein paar Lachern weniger als die Bände zuvor und im Gegenzug sind die Gewaltspitzen an ein oder zwei Stellen für meine Begriffe ein wenig over the top um wirklich noch lustig zu sein. Die schmale Gratwanderung zwischen Witz, irgendwo zwischen intelligent und respektlos, und ernstem Hintergrund mit philosophischen Anklängen hat diesmal also nicht ganz hingehauen. Spaß gemacht hat’s dennoch.

6,5-7/10


Das soll das Set für heute mal wieder gewesen sein. Demnächst muss ich schleunigst mal ein paar Zeilen zu den DC-Dark-Bänden verfassen, die ich mittlerweile gelesen habe und in meiner kleinen Reihe mit Mehrteilern in überschaubarer Länge bleibt es nach Sweet Tooth postapokalyptisch, allerdings in Franko-Belgischer Variante.

VG, God_W.
God_W. ist offline   Mit Zitat antworten