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Alt 19.07.2020, 17:22   #2605  
God_W.
Captain Rezi
 
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Es ist mal wieder so weit, ich habe in letzter Zeit ganz viel tolles Material gelesen, finde aber einfach keine Zeit ausführlich was darüber zu schreiben. Deshalb werde ich die nächsten Tage versuchen nur mal kurz meinen Senf zu den gesichteten Comics in wenigen Zeilen zu bündeln. Einerseits ist das ein bisschen, schade, weil da echte Meisterwerke mit dabei sind, die eigentlich eine etwas umfangreichere Besprechung verdient hätten, andererseits wurde gerade zu den großen Knallern ja auch schon ganz viel von Leuten geschrieben, die weit mehr Ahnung haben als ich, ist also im Endeffekt vielleicht doch nicht ganz so schlimm. Los geht’s gleich mit einem umfangreichen Hochkaräter aus dem Hause Schreiber & Leser.

Der Killer: Gesamtausgabe 1



Von Alexis Nolent (Matz) habe ich mittlerweile doch schon so Einiges gelesen. Sein extrem filmischer Schreibstil mit zumeist perfektem Pacing trifft einfach genau ins Schwarze bei mir. Beim Killer ist das nicht anders, denn die ersten fünf Alben, die S&L in einem schicken Hardcover nebst Lesebändchen untergebracht hat, sind einfach enorm straff erzählt und lesen sich wie geschnitten Brot hintereinander weg. Manch einer kritisiert, dass der Hauptdarsteller kühl, zynisch und unsympathisch daherkommt, aber hey! Der Mann ist ein eiskalter Killer, so what? Ich mag solche Charaktere mit einem besonderen Dreh, die sich etwas untypisch verhalten, ungewöhnliche Blickwinkel auf die Dinge haben und sich selbst ganz bewusst etwas außerhalb der Gesellschaft positionieren.

Dazu das Artwork von Luc Jacomon, welches mich nicht von der ersten Seite ab überzeugen konnte, gerade die Optik, vor allem das Gesicht des Killers wollte mir nicht so recht zusagen. Allerdings brauchte Monsieur Jacomon nicht lange um mich zu überzeugen. Nach und nach zogen mich seine irgendwie frisch wirkenden Bilder in ihren Bann und irgendwann wurde mir schlagartig klar wie grandios der Mann mit Spiegelungen und vor allem mit Schatten arbeitet um einen grandiosen Style zu erzeugen. Herausragend sind dann auch die Bilder die entstehen, wenn alles gesplittert und entrückt wird, wenn der Gemütszustand des Killers abdreht. Das wirkt frisch und direkt, richtig kraftvoll. Auch die Idee mit den genialen, grafischen Alligator-Metaphern, alles ganz toll umgesetzt! Ich bin hin und weg! Einzig die teilweise etwas zu stereotypen Charaktere verhindern die Höchstnote.

9/10

Kleiner Funfact: „Der Killer“ gehört bald ins Fantasy-Genre, denn da kommen 500€-Scheine vor – und die gibt es ja bekanntlich nicht mehr.


Bouncer – Gesamtausgabe 2:
Teil 3: Die Gerechtigkeit der Schlangen
Teil 4: Die Rache des Einarmigen
Teil 5: Die Beute der Wölfinnen




Im zweiten Band der von S&L wieder wundervoll aufgemachten und ausgestatteten Gesamtausgabe erwartet und ein nicht minder blutiger, harter und dreckiger Vertreter des Western-Genres, als es bereits im ersten Band der Fall war. Aufgrund des größeren Storybogens bekommen wir diesmal sogar ganze drei Alben in einem geboten, allerdings kommt die Story an einige Stellen doch etwas zu konstruiert daher. Ganz ehrlich, soviel Pech und Unheil auf einem Haufen, wie es unser Bouncer hier wegstecken muss ist ungefähr so wahrscheinlich wie ne Sintflut im Empty Quarter. Dennoch wieder äußerst unterhaltsam und, wie bereits erwähnt, hammerhart.

8,5/10


Lincoln – 3. Aufs Kreuz gelegt



Und schon wieder Schreiber & Leser! Ja, der Verlag hat sich mittlerweile zu meinen absoluten Lieblingen raufgekämpft. Die haben sowohl im aktuellen, als auch im Backprogramm eine Menge Perlen zu entdecken und das sowohl im Manga- als auch im FB-Bereich! Auch im dritten Lincoln-Band wird wieder beißender Witz mit abwechslungsreicher Story geboten. Unseren „Helden“ verschlägt es in die Großstadt, wo er nicht nur ins Gangstermilieu gerät, sondern nach einem wahnwitzigen Finale eine Karriere gänzlich unerwarteter Art einschlägt. Hat mich vom Setting und mit der ein oder anderen Idee wirklich überrascht!

8,5/10


Absolute Watchmen



Was für ein fetter, bockschwerer Brocken in dem Panini hier das gefeierte Meisterwerk von Großmeister Alan Moore untergebracht hat. Aber sind all die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt, die ich über das Werk schon gehört habe? Um es kurz zu machen: Über weite Strecken ja. Die Strecke ist meisterlich geschrieben und es fällt nicht schwer zu glauben, dass das Werk richtungsweisend für vieles in der Superheldenwelt war, was danach kam. Es ist kaum zu übersehen, dass die Watchmen Wegbereiter für Dinge wie Ennis‘ „The Boys“ und Ähnliches war. Moores stärke Charaktere absolut glaubwürdig wirken zu lassen spielt er wieder perfekt aus und vermutlich habe ich, als jemand der noch nicht allzu viel Superheldenstoff gelesen hat, nur einen Bruchteil aller Anspielungen mitbekommen, die Moore und Gibbons auf den Seiten versteckt haben. Dafür habe ich mich über die ein oder andere Hommage an große Sci-Fi-Klassiker gefreut.

Apropos Gibbons, sein Artwork empfinde ich als äußerst gelungen, aber nicht Herausragend. Ich könnte mir vorstellen, dass es speziell in der Absicht von Autor und Zeichner lag den Stil klassischer Superheldenreihen zu treffen, was auch wirklich gut gelungen ist, aber ein meisterhaftes Artwork sieht für mich persönlich halt etwas anders aus. Das ist auch wirklich mein einziger größerer Kritikpunkt, denn das Teil ist völlig zurecht ein absoluter Klassiker über den ich noch ein paar Seiten schreiben könnte, aber wie gesagt, keine Zeit. Nur noch kurz zur Einordnung: Im Vergleich zu vielen anderen Comics die ich gelesen habe wären die Watchmen natürlich eine glatte 10/10, aber ich vergleiche die eher mit Moores anderen Werken und da sehe ich z.B. V wie Vendetta knapp dahinter, From Hell noch immer klar vorne und die Watchmen tatsächlich eher auch Augenhöhe mit dem Miracleman, denn auch wenn die Watchmen einen durchdachter erzählten Plot und mehr Komplexität aufweisen können, hat mich beim Miracleman das Artwork einfach geflasht.

9/10

Ach scheiß drauf - wenn ich so drüber nachdenke und die Seiten nochmal durchblättere - das Werk verdient einfach nicht weniger, ich mach doch noch ne 10/10 draus. (Aber From Hell ist trotzdem klar besser).

Die fette Absolute-Edition ist übrigens ein wahres Prachtstück und hilft mit ihrem umfangreichen Bonusmaterial gerade solchen Newbies wie mir, den Wert des Werkes für die Comicwelt nachvollziehbar und greifbar zu machen. Im Nachgang habe ich mir dann zum ersten mal den Snyder-Cut des Films angesehen, der wirklich grandios geworden ist. Hätte nicht gedacht, dass eine so dicht an der Vorlage angesiedelte Adaption möglich ist, auch wenn das Ende etwas abgeändert wurde. Vor Jahren hatte ich die Kinofassung ohne Kenntnis des Comics gesehen und war ehrlich gesagt nicht sonderlich begeistert. Das hat sich jetzt geändert.


Warren Tufts: Lance – Band 1



Der Bouncer, Lincoln und jetzt Lance. Da sieht man mal wie vielseitig das Western-Genre sein kann. Drei komplett unterschiedliche Werke, sowohl vom Style, als auch vom Setting und vom Erzählstil. Dennoch ist jedes Werk für sich gesehen famos. Die Zeitungsstrips aus den Jahren 1955 und 1956, die der Bocola Verlag hier in gewohnt perfekter Manier präsentiert, bieten Kavallerie-Abenteuer-Western in Reinkultur. Optisch steht Tufts Werk nicht weit hinter Hal Foster, kann seinem Eisenherz in einigen Panels problemlos das Wasser reichen. Erzählerisch gibt es sehr starke Passagen, aber ab und an auch noch kleine Stolpersteine. In dieser Disziplin liegt der Second Leutnant Lance St. Lorne noch hinter dem tapferen Prinzen, aber was noch nicht ist kann in den verbleibenden vier Bänden ja vielleicht noch werden. Ich freu mich drauf!

7/10

So, das wars für heute. Die nächsten fünf kommen hoffentlich morgen oder spätestens übermorgen.

VG, God_W.
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