Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 18.06.2020, 16:40   #179  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.596
Die Rächer # 9

Williams, September 1974 ("Avengers" # 10, November 1964)



Dies ist ein ungewöhnlicher Fall. Die vorliegende Ausgabe kenne ich schon lange; auf dem Cover ist mit Kuli vermerkt „25 + 5 Pf“; ich habe sie also auf dem Flohmarkt gekauft, sicherlich noch in den 1970er Jahren, und aus einem Superband kenne ich sie ebenfalls. Sie bekommt aber keinen Kindheits- oder Jugendbonus. Es handelt sich um eine ziemlich schlechte Story (was ich schon damals fand), und Don Hecks Zeichnungen reichen an die # 8 auch bei weitem nicht heran. Für mich ist dieses Heft Ausdruck dafür, daß man bei Marvel damals noch immer verzweifelt nach geeigneten Gegnern für die Rächer suchte. Dieser Versuch, bei dem berühmte Gestalten aus Mythologie und Geschichte herhalten mußten, ging aber gründlich in die Hose.

Der Kern der Geschichte ist rasch erzählt: Zemo, die Zauberin und der Henker (die Herrscher des Bösen) bekommen es mit einem Zauberer namens Immortus zu tun, der nach… na, der Weltherrschaft trachtet und dafür zunächst die Rächer aus dem Weg räumen muß. Sein Plan besteht darin, zunächst Captain America gegen seine Teamkollegen aufzuwiegeln (was sich jedoch klärt) und dann Gestalten wie Goliath, Merlin, Herkules und Attila den Hunnen gegen sie kämpfen zu lassen. Von einer Kooperation von Immortus und dem bösen Trio ist wenig auszumachen. Als ersten hat er Paul Bunyan aus der Vergangenheit geholt, für den ich wikipedia bemühen mußte: Er ist ein legendärer Holzfäller, um den herum die sensationslüsternen amerikanischen Zeitungen des 19. Jahrhunderts immer tollere Geschichten gestrickt haben. Als Kind konnte ich mit den übrigen Figuren auch nicht viel anfangen. Aber die Rächer setzen sich durch und müssen am Ende nochmal gegen die Herrscher des Bösen direkt antreten, worauf die drei schleunigst nach Südamerika flüchten. Immortus hat sich schon vorher aus dem Staub gemacht.

Wäre das die ganze Handlung, dann wäre sie wirklich völlig indiskutabel. Zu Beginn wohnen wir einer Übungsstunde von Captain America bei, bei der klar wird, daß er es auch ohne Superkräfte (was nicht ganz stimmt) mit den übrigen Rächern spielend aufnehmen kann. Außerdem debattieren sie in einer Teamsitzung ein bißchen darüber, ob Rick Jones in ihre Reihen aufgenommen werden soll. Rick ist es, der von Attila gefangengenommen wird, allerdings nachdem er sich heldenmütig gewehrt hat.

Immortus sieht zwar ordentlich abgefeimt aus, ist aber ansonsten eine völlig nichtssagende Figur, mit der Zemo am Ende auch nichts mehr zu tun haben will. Dafür erinnert der ehrenwerte Merlin hier an den Weihnachtsmann. Attila wird fälschlich im Mittelalter (eigentlich sogar im 18. Jahrhundert) beheimatet, was nahelegt, daß ihn Stan Lee wohl auch nur vom Hörensagen kannte. Interessant ist, daß Herkules als Gegner von Thor nochmals eingesetzt und später sogar Mitglied der Rächer wird. Wenn diese Figuren – einschließlich dem riesenhaften Goliath (der aus der Bibel) – besser gezeichnet und in stimmigen Kulissen eingesetzt worden wären, hätte ich mir die Sache vielleicht noch gefallen lassen, aber so ist die ganze Episode eine große Enttäuschung – abgesehen davon, daß es mit der Logik der Handlung auch nicht weit her ist.

Übersetzer ist wieder der ominöse Behrend de Cuvry. Als Letterer ist Clemens Raschke angegeben, der leider nicht ohne vergrößerte Sprechblasen auskommt. Hier verdecken sie mitunter ganze Köpfe, was aber nur einer von vielen Minuspunkten ist. Inker ist Dick Ayers (hier nicht angegeben), der an den hingeschluderten Bleistiftzeichnungen nicht viel verbessern konnte. Das Cover ist wieder von Jack Kirby.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten