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Alt 14.06.2020, 21:20   #2412  
God_W.
Captain Rezi
 
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The Boys 4 - Gnadenlos Edition



Zurück bei Garth Ennis‘ ätzender Superheldensatire und diesmal läuft der schottische Autor zu absoluter Höchstform auf. Was richtig Schlechtes habe ich von dem Mann ja sowieso noch nicht gelesen, aber gerade bei den Boys gab es doch auch Passagen, die mich weniger begeistern konnten als andere. In diesem vierten Band geben sich die Highlights aber die Klinke in die Hand.

Los geht es mit einem kleinen Prolog, der den aktuellen Status nochmal verdeutlicht. Die Boys haben den Supies so manch harten Schlag verpasst, dennoch haben die meisten Mitglieder des Teams von Superheldenjägern so ihre eigenen Päckchen zu tragen. Ob Mothers Milk mit seinem ganz persönlichen Säuglingstick, das Weibchen mit ihrem psychischen Knacks, oder Frenchie, der es sich zur Aufgabe gemacht hat sich um selbige zu kümmern. Derweil führt Hughie die Traumbeziehung eines jeden Mannes. Seine Freundin ist eine blonde Superheldin mit einem göttlichen Body und ist dazu bereit im Bett jedwedes Spielzeug zu benutzen und ständig Pornos zu schauen, um die mit ihrem liebsten nachzuspielen. Allerdings kommt Hughie damit gar nicht so recht klar, denn zwischen den beiden steht stets Hughies Wissen über Starlights Vergangenheit, wovon die wiederum natürlich nicht weiß, dass Hughie dieses Wissen besitzt. Jaja, Lügen sind absolutes Gift für eine jede Beziehung, warum sollte das bei Supies und Boys anders sein als bei uns Normalos?

Genau da liegt die größte Stärke von Autor Garth Ennis, denn bei all den überdrehten Ideen, der teils derben Sprache, der exzessiven Gewalt und dem dreckigen Humor fühlt es sich doch irgendwie ein Stück weit realistisch an, denn die Figuren haben auch reelle und nachvollziehbare Probleme. Diese charakterlichen und zwischenmenschlichen Entwicklungen treiben die Story voran, machen das Ganze unglaublich greifbar und zwingt mich förmlich zum Mitfiebern.

So ist es für mich auch direkt nachvollziehbar, dass Hughie diese ganze „böse Superhelden, gute Boys“-Geschichte so langsam etwas ambivalent zu sehen beginnt, als er im Rahmen einer Überwachungseinsatzes ein Team von Helden kennenlernt, die zwar bei weitem nicht alles toll machen, sich aber sichtlich Mühe geben und keineswegs nur als dauergeile Monster zu betrachten sind. Das dem Butcher beizubringen ist allerdings nochmal eine ganz andere Nummer, zumal der gerade herausgefunden hat, wer Annie, Hughies Freundin, wirklich ist und zuvor ja schon eher als Hardliner im Bezug auf das Supes-Thema bekannt war.

Mann, Mann, Mann. Hammer Story mit mehr und mehr verzwickten Verwicklungen und von vorne bis hinten grandios geschrieben. Am besten gefiel mir zum Abschluss dann noch der äußerst familiäre Part, in dem Hughie seine Heimat Schottland (für das Land schlägt eh mein zweites Herz) besucht und versucht sich im Kreise seiner Eltern und alter Freunde über einiges klar zu werden. Dass auch das nicht reibungslos von Statten geht ist klar, aber dass es dann SO dicke kommt!?! Aber lest das am besten selbst…

9/10

Was bin ich gespannt, wie das noch weiter geht. Da ist noch einiges offen, was in den verbleibenden beiden Bänden abgehandelt werden muss um mich abschließend glücklich zu machen, aber alleine Band fünf und sechs bieten mit ganzen 760 Seiten ja noch genug Raum dafür.

Ach ja, das Artwork hat für mich typisch amerikanischen Superhelden-Style, was natürlich perfekt zum Thema passt, aber zumindest mir keine überbordenden Lobeshymnen entlockt. Passend, durchaus auch gut, aber keineswegs herausragend.

VG, God_W.
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