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Alt 10.05.2020, 22:12   #2211  
God_W.
Captain Rezi
 
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Durango Gesamtausgabe 3 – Band 8: Ein guter Tag zum Sterben & Band 9: Duncans Gold




Die letzten beiden Alben, die in Band drei der Gesamtausgabe um den wortkargen Meisterschützen enthalten sind liest man am besten direkt hintereinander weg, denn es wird eine große, zusammenhängende Story erzählt, und zwar eine, die gleich mehrere prall gefüllte Satteltaschen mit Anspielungen, Motiven und legendären Szenen der besten Leinwandvertreter des Genres mit sich bringt. Ach ja, und Lee van Cleef ist auch mit von der Partie.

Los geht’s mal wieder ganz typisch indem Durango in ein kleines Städtchen reitet und dort von gleich drei Kopfgeldjägern attackiert wird, ganz schlechte Idee. Doch statt anschließend vom Sheriff eingebuchtet zu werden wird er vom reichsten, und somit mächtigsten Bewohner des Kaffs rekrutiert um seinen nächsten Jagdausflug abzusichern. Die Frau des Moguls steht nämlich total auf Ausflüge in die wilde und freie Natur, und außerdem ist sie jung und enorm hübsch, na wenn das mit Django in der Truppe mal gut geht…

Ohne groß das Finale von Band acht, oder auch die Story zur direkten Fortsetzung „Duncans Gold“ verraten zu wollen kann ich sagen, dass es schon extrem cool ist, dass Lee van Cleef (natürlich nur optisch) der Bösewicht ist, der zu Beginn aus dem Knast flüchtet und sich an die Fersen von Durango und seiner aktuellen Begleitung heftet. Grandiose Landschaftsbilder, blutige Schießereien und die Jagd nach einem Goldschatz bieten alles, was das Westernherz begehrt, auch, wenn die Geschichte selbst noch etwas vorhersehbarer daherkommt als bei „Ein guter Tag zum Sterben“, und auch da hatten sich die Wendungen schon lange zuvor recht deutlich abgezeichnet. Insgesamt also ein tolles, zweiteiliges Westernepos, dass ein wenig an Überraschungsarmmut krankt, ansonsten aber erneut als nahezu perfekter Genre-Vertreter betitelt werden kann.

8,5/10



Sláine 5 – Der König



Na da bin ich, also eigentlich Sláine, aber aktuell wird der ja von mir verkörpert, wie auch immer, mein Buddy Sláine und ich, WIR sind auf dem besten Weg König unseres einstigen Stammes zu werden. Allerdings wollen auf dem Weg dort hin noch einige Prüfungen bestanden und Schätze gefunden werden.

Als erstes schickt uns Myrddin, der mich mit seiner doch recht speziellen Kopfbedeckung immer an den großartigen Nicol Williamson als Merlin in John Boormans Excalibur erinnert, auf die Suche nach Danus Ring. Die mehr oder weniger typische RPG-Quest dürfen wir wieder selbst spielen, sie ist abwechslungsreich und auch äußerst spaßig inszeniert und von Mike Collins schick gezeichnet. Neben einigen wilden kämpfen bestehen auch reichlich Möglichkeiten falsche Entscheidungen zu treffen und sich hinterher über sich zu ärgern. Andererseits besteht ein Teil des Reizes der ansonsten recht geradlinig erzählten Abenteuergeschichte sicherlich in diesem Trial-and-Error-System, was neben „lustigen“ Todesarten (vier habe ich persönlich kennenlernen dürfen) auch ein schönes Potential zu „Mensch ärgere Dich nicht“-mäßigen Ausrastern mit sich bringt.

Besonders gefreut hat es mich, dass ich zu einem der vom Übersetzer in einer Fußnote abgehandelten Begriffe bereits größere Vorkenntnisse besaß, als dort vermittelt werden. In der Regel kann ich dabei, sowie im diesmal bereits vierseitigen Glossar, ja immer viel lernen, aber durch den Besuch der Clootie Well, einer magischen Quelle auf der Black Isle (Halbinsel an der Ostküste Schottlands, nördlich von Inverness), konnte ich mir auf die Stofffetzen an einer Wegkreuzung einen Reim machen und Sláine somit in die richtige Richtung lenken.

Da wir den Kessel des Dagda bereits in Band 4 eroberten und Myrddins Aufgaben jetzt alle erfüllt haben brach ich bereist in Jubel aus, SIEBEN JAHRE KÖNIG! - Doch weit gefehlt, bis es so weit kommen kann will wohl noch ein weiter Weg gegangen und eine ganze Reihe schwieriger Prüfungen bestanden werden. Diese müssen wir aber nicht mehr als Sláine selbst bestreiten, nein, wir können uns wieder als einfacher Leser der Aufzeichnungen Ukkos des Zwergs betätigen. Mit einem freudigen und einem weinenden Auge gehen wir also wieder zur Normalität über, also was man im Falle von Sláine so als normal bezeichnen kann.

In „Annwns Schätze“ begeben wir uns auf eine große, abenteuerliche Reise voller Prüfungen verschiedenster Art, die Sláine auf dem Weg zum König bestehen muss. Die in den vergangenen Geschichten stetig weiter emanzipierte Nest Sprenkelhaut entpuppt sich hierbei als perfekte Reiseleiterin ohne deren Fachwissen und Hilfe unser Held und sein Zwerg mehr als einmal aufgeschmissen wären. Nett auch, dass der Geschätzte JRN uns in seinen Kommentaren sogar solches Grundwissen wie die Aufgaben des Herakles nochmal ins Gedächtnis ruft. Ich hatte mich zwar vor unserer Griechenlandreise 2018 bereits näher mit der griechischen Mythologie beschäftigt, aber der ein oder andere freut sich bestimmt über die Erinnerung.

Dann ist es endlich so weit, Sláine macht sich auf den Thron seines Volkes für die kommenden sieben Jahre zu beanspruchen. Er will König werden, ach was König, Hochkönig! Oder lieber gleich – der gehörnte Gott! Allerdings sind bis zum großen Finale noch allerlei Widrigkeiten zu bestehen, denn wann und wo in der Geschichte ist denn schon ein Thron freiwillig und kampflos übergeben worden? Und selbst wenn, welche Intrigen wurden da im Hintergrund geschmiedet und welch böse Fäden zu gefährlichen Netzen verwoben?

Mit dem Übergang von Spiel zu Story, den leichtfüßigen Abenteuern hin zu bedeutungsschwangeren Szenen und teils überraschender Tiefe haben wir hier den bislang am abwechslungsreichsten daherkommenden Sláine-Band, der sowohl von Mike Collins und Mark Farmer, aber noch besser von Glenn Fabry einwandfrei in Szene gesetzt wurde. Dazu die hochwertige Dantes-Aufmachung in stabilem Hardcover mit sauberem Druck und einem Glossar nebst Fußnoten, die jedem die dahintersteckende Mythologie näherbringen, der sich dafür zu begeistern weiß. Alle anderen genießen eine tolle, etwas andere Barbarenstory, die vielleicht nicht ganz so eingängig wie Conan daherkommt, aber dafür eine Tiefe in einstmals wirklich gelebter Mythologie erreicht, die ihresgleichen sucht.

8,5/10

Eine sechsseitige Leseprobe gibt es wieder auf der Webseite des Dantes-Verlags:
Leseprobe zu Sláine 5 - Der König



H. P. Lovecrafts Der Hund und andere Geschichten – Gou Tanabe



Schon viel zu lange habe ich meiner Lovecraft-Leidenschaft nicht mehr gefrönt, außerdem kann ich ja, wenn es um Manga geht, nicht immer nur Cyberpunk oder Taniguchi lesen, da kam mir also Gou Tanabes Band in welchem er gleich drei Geschichten des Gentlemans aus Providence adaptiert gerade recht.

Los geht es mit „Der Tempel“ in dem eine deutsche U-Boot-Crew zu Kriegszeiten eine Katastrophe an Bord erleben muss und schließlich in den Tiefen der See eine außergewöhnliche Entdeckung macht. Zu allererst fällt das wahnsinnig aufwändige und außerordentlich düstere Artwork von Gou Tanabe auf. Gerade im ersten Teil der Geschichte funktioniert das grandios und transportiert auch nahezu perfekt die klaustrophobische Atmosphäre an Bord des Boots. Gegen Ende, und auch in den weiteren Geschichten, tritt ein typisches Problem bei Lovecraft-Adaptionen an den Tag, nämlich, dass man sich nun mal der Visualisierung des Zeichners anschließen muss, auch wenn diese vielleicht nicht zu 100% der eigenen Vorstellung entspricht. Lovecraft überlässt es gerade in visueller Hinsicht fast komplett dem Leser sich seinen eigenen Schrecken im Hirn zusammenzubasteln. Da ist vieles unbeschreiblich, unsagbar, zyklopisch, unmöglich oder dermaßen schrecklich, dass man gar dem Wahnsinn anheimfällt. Das lässt sich in Bildern halt nicht wirklich darstellen, bzw. sieht für jeden in der eigenen Vorstellung komplett unterschiedlich aus. Dennoch schafft es der Mangaka mich mit seiner Vision mitzunehmen und ich lasse mich komplett drauf ein. Das ist schon eine enorme Leistung, gerade da auch das typische Lovecraft-Flair verströmt wird.

Wie der ein oder andere sicher schon mitbekommen hat bin ich ja ein großer Liebhaber von Seemannsgarn, also maritim angehauchten Geschichten in jedweder Form, aber natürlich muss auch ich, wie jeder andere auch, ansprechen, dass es eine kack Idee war die Geschichte in die Zeit des zweiten Weltkriegs zu verlegen, die Männer an Bord aber dennoch „für den Kaiser“ kämpfen zu lassen. Da hat jemand seine Hausaufgaben wohl ganz und gar nicht gemacht, was einen Atmo-Punkt Abzug einbringt. Atmosphärisch ganz toll gelungen, auch wenn vielleicht ein etwas größerer Fokus auf den Abenteueraspekt der Story und weniger auf den Horror gelegt wird, ist die Hörspiel-Adaption von „Der Tempel“, erschienen als Ausgabe 39 in der Gruselkabinett-Reihe von Titania Medien.

Als nächstes wartet mit „Der Hund“ die Geschichte, die dem Band seinen Namen gab. Dazu muss ich sagen, dass ich, obwohl ich seit Jahrzehnten Lovecraft-Jünger bin, noch nicht alle seiner Geschichten gelesen habe. Die stehen zwar alle im Bücherregal (sogar in zweifacher Ausführung), aber ich möchte mir Lovecraft auch für die kommenden Jahre noch ein wenig aufsparen, weshalb ich immer nur Stückchenweise lese, also immer mal wieder eine Story, wenn es mich überkommt, oder auch mal eine Geschichte ein zweites oder drittes mal, denn Lovecraft ist immer wieder neu.

Gou Tanabes Variante von „Der Hund“ habe ich nun zum Anlass genommen diese Geschichte erstmals zu lesen und ich kann sagen, seine Bearbeitung der Geschichte ist äußerst gelungen. Ja, es gab ein paar kleinere Änderungen und gerade den im Zentrum der Geschichte stehenden Talisman hätte ich gänzlich anders gestaltet, aber im Großen und Ganzen wird der Kern der Story sehr gut erfasst und das Lovecraft-Feeling toll transportiert. Davon abgesehen ist der eigentliche Schrecken dieser Story, nämlich die Ausgangssituation, und wie die beiden „Protagonisten“ zu ihren, ich sag mal „speziellen Vorlieben“ kommen gar nicht so weit hergeholt und auch, oder gerade heute, noch äußerst aktuell.

„Die Stadt ohne Namen“ war damals eine der ersten Lovecraft-Geschichten, die ich gelesen habe, denn von Wüsten, verschollenen Städten und Tempeln alter Gottheiten (vor allem im alten Ägypten) fühlte ich mich seit jeher wie magisch angezogen. Diesen Zauber verströmte auch Lovecrafts Geschichte, und Gou Tanabe bringt ihn nahezu perfekt auf die Seiten. Ein großes, geheimnisvolles Abenteuer gipfelt in kosmischem Schrecken, wie ihn nur Lovecraft ersinnen konnte, und lässt mich mit diesem ganz speziellen Gefühl irgendwo zwischen Magengrube und Schluckmuskel zurück.

7,5/10

Ohne den groben Schnitzer beim „Tempel“ wäre die Wertung sogar noch ein wenig höher ausgefallen, deshalb freue ich mich jetzt umso mehr auch Gou Tanabes Bearbeitung der „Farbe aus dem All“, einer meiner absoluten Lieblingsgeschichten von H. P. L. – Wehe der versaut das!



Swinging London



Harte Thriller, düstere Krimis, Geschichten, die menschliche Abgründe aufdecken oder erforschen und klassischer Film-Noir, das sind Themen, die mich faszinieren und auf die ich immer mal wieder, so stoßweise, Lust bekomme. Auch wenn ich diese Genres gerne mag habe ich gerade was Film Noir betrifft noch viel zu wenig gesehen und auch nicht wirklich einen Peil, was sich da alles zu schauen lohnt UND auch irgendwo verfügbar ist, ob als Stream oder auf Scheibe ist mir eigentlich egal. Wenn da jemand Empfehlungen hat, immer her damit! Den ein oder anderen Bogart, sowie die Beiträge von Hitch und Kubrick kenne ich natürlich, aber was lohnt sich denn sonst noch?

Jetzt bin ich vor Kurzem (Spätzünder wie ich bin) jedenfalls auf die noir-Reihe von Schreiber & Leser gestoßen und auch wenn es sich hier nicht um einen Noir-Krimi im eigentlichen Sinne handelt, so ist es auf jeden Fall ein Genre-Vertreter, der in den Bildern über weite Strecken einen entsprechenden Stil erkennen lässt und eindeutig für Erwachsene gemacht wurde. Davon abgesehen ist der Hauptakteur ein Schwarzer, also noch ein Stück „noir“ (ok, der war nicht so gut).

Alles beginnt in Schottland, was mich als Scotch-Liebhaber und allgemeinen Fan dieses wunderschönen Landes schon mal enorm gefreut hat. Weniger erfreulich ist, dass eines der grandiosen Highland-Schlösser abbrennt und zwar mitsamt seines Besitzers Jasper Brown, einem exzentrischen Rockstar. Ratzfatz wird das Ganze als Selbstmord ad acta gelegt, was Jaspers früherem Freund und Vertrauten, dem Guru Indranath Ray äußerst seltsam vorkommt. Auf eigene Faust stellt er Ermittlungen an und gerät dabei, wie soll es anders sein, in einen ungeahnten Sumpf aus Verbrechen und Korruption.

Also doch irgendwie Film Noir, oder Neo Noir, nur halt in einer faszinierenden Optik, die zwischen düsteren Bildern mit hartem, etwas roh anmutendem Strich und psychedelisch angehauchten Panels mit 60er Jahre Charme in bunter Hippie-Hasch-Kolorierung schwankt. Das Artwork von Christian De Metter fügt sich zu einem absolut stimmigen und fesselnden Gesamtbild zusammen und Thomas Bénets Story ist durchweg fesselnd, mit spannenden Charakteren, auch in den Nebenrollen, und hat mich in einigen Passagen im besten Sinne an Joel Schumachers 8mm erinnert.

8/10

Der nächste noir-Band von S&L kommt bestimmt! Jetzt aber her mit Euren Empfehlungen, was Film-Noir betrifft, sowohl filmisch, als auch in Comics. Würde mich über den ein oder anderen Tipp echt freuen!

VG, God_W.

Geändert von God_W. (10.05.2020 um 22:20 Uhr)
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