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Alt 15.04.2020, 16:22   #2062  
God_W.
Captain Rezi
 
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Gestern endlich mal wieder ein paar Reviews geschafft und gleich drangeblieben. Also gibt’s heute direkt noch einen Nachschlag.

Catwoman – Selinas großer Coup (DC Graphic Novel Collection 29)

Kurz vorab: Sowohl dieser Band 29, als auch Band 36 (Die Fährte der Katze) sind auch unabhängig voneinander einwandfrei zu lesen und zu genießen. Dennoch würde ich empfehlen diesen hier vorher zu lesen, dann passt das stimmiger zusammen, auch wenn ich das irgendwie nicht hinbekommen hab. Wenn ich das richtig mitbekommen habe wurde dieser Band hier im Nachhinein als Prequel konzipiert, was so perfekt funktioniert, dass man es echt entgegen der Veröffentlichungsreihenfolge lesen kann.

„Selinas grosser Coup“
Jetzt aber zur namensgebenden Hauptstory: Nach einem exotischen Start wird uns hier ein astreines, spannend inszeniertes und perfekt konstruiertes Heist-Movie allererster Güte geboten. Dabei kommt der geerdete Brubaker-Style keineswegs zu kurz und die Charaktere sind zu großen Teilen sehr cool herausgearbeitet. Hervorzuheben ist dabei der Privatschnüffler Slam Bradley.

“Slam Bradley: Auf den Spuren von Catwoman”
Tadaa, Slam Bradley is in da house. Der obercoole Privatdetektiv alter Schule hat direkt noch seinen eigenen Mehrteiler bekommen. Der Clou an der Sache ist, dass die Ereignisse aus „Selinas großer Coup“ hier nochmals parallel aus der Sicht des kernigen Schnüfflers erzählt werden. Das wirkt wie aus einem Guss und ich hatte stets das Gefühl, dass Autor Ed Brubaker an der Sache sogar noch mehr Spaß hatte, als an der Hauptgeschichte. Die klassische Noire-Style Gangster/Detective Story mit lakonischem Humor und einem Hauch von Tragik ist genau Brubakers Kragenweite und trifft zu 100% meinen Geschmack.

Von Darwyn Cooke und Cameron Stewart wurde das alles in einem echt stylischen Stil irgendwo zwischen Klassik und Noir mit kräftiger Kolorierung in Szene gesetzt. Auf den ersten Blick vielleicht gewöhnungsbedürftig, wird aber von Seite zu Seite besser und faszinierender. Hat vor allem Wiedererkennungswert! Als Bonus-Story bekommen wir diesmal in Batman #1 die ersten Szenen zu Gesicht, in denen Selina Kyle versucht mit Batman anzubandeln bzw. zwischen den beiden schon ein gewisses Knistern zu spüren ist. Charmant und lesenswert!

8,5/10



I Kill Giants

Es ist beinahe halb drei mitten in der Nacht. Eigentlich müsste ich schön längst in der Koje liegen, also hoch von der Couch und ab ins Bad. Da fällt mein Blick aufs Bücherregal und weil ich schon den halben Abend immer mal wieder drüber gegrübelt habe, was ich am nächsten Tag denn lesen könnte, greife ich mir „I Kill Giants“. Das ist in diesem großen, glänzenden Schuber in dem Film und Comic enthalten sind nämlich echt auffällig. Aber habe ich auf sowas aktuell überhaupt Lust? Worum geht’s da eigentlich? Naja, einfach mal die ersten drei-vier Seiten lesen, dann wird sich schon zeigen, ob ich mir das morgen zur Brust nehme.

Kurz vor vier am frühen Morgen schließe ich das Buch, nachdem ich die letzte Seite der Geschichte gelesen habe. Mich durchflutet ein Gefühl von Lebensmut, optimistischem Tatendrang und der Gewissheit, welche Dinge im Leben die wichtigsten sind und, dass man diese, so kurz die Zeit auch bemessen sein mag, genießen kann und stets zu schätzen weiß, wenn man sich denn nur dafür entscheidet.

Ich bin total aufgewühlt, hellwach und irgendwie einfach nur fröhlich und zufrieden, was verwunderlich ist, da ich vor ca. einer viertel Stunde noch geheult hab wie ein Schlosshund und das wiederum, obwohl ich um kurz nach halb drei noch schmunzelnd und kichernd im Lesesessel hockte und einen inneren Kampf mit mir ausfocht, ob ich denn jetzt endlich ins Bett gehe oder nicht. Ich denke mehr muss nicht gesagt werden, außer vielleicht: Lest das Teil!

9-9,5/10

PS: Wer sich über das Titelbild wundert: Das ist das Hardcover, welches der Blu-Ray Sonderedition der zugehörigen Verfilmung beilag. Den Film kann man schon schauen, ist aber klein Vergleich zum Comic. Zu viel wurde geändert, viel zu behäbig wird erzählt und die grantig frustrierte Art der Hauptfigur wird nicht wirklich gut herausgearbeitet. Wirklich fesseln konnten nur die letzten 20 Minuten, die sind aber wirklich toll und entschädigen für Vieles.



Der Glöckner von Notre Dame: 1 – Der Tag der Narren & 2 - Quasimodo

Mit Sláine und Conan bin ich ja aktuell sehr häufig im Barbarenland unterwegs und gerade bei der Franko-Belgischen Variante von Letzterem ist durch stetig variierende Autoren und Zeichner massig Abwechslung geboten. Vom ersten Band kannte ich zumindest den Zeichner bereits, in die beiden folgenden Abenteuer bin ich ohne jegliche Vorkenntnisse gestartet und auch beim anstehenden vierten Band war ich nach einem Blick auf das Cover erstmal ahnungslos. Allerdings hat da in meinem Hinterkopf was geklingelt und beim Durchstöbern meines Lese-K2 sprang es mir dann ins Auge: Nein, von Autor Robin Recht, dem Mann, der das vierte Conan-Album in Personalunion inszenierte, hatte ich bislang noch nichts gelesen, aber sehr wohl schon in den Fingern gehabt.

Ich lese immer gerne Sachen die an Orten spielen, welche wir mal besuchen wollen oder bereits besucht haben. In Paris waren wir 2017 zum ersten mal, davon abgesehen hat mich die Geschichte des Glöckners aber bereits in jungen Jahren mit der ersten Sichtung des Klassikers mit Anthony Quinn und Gina Lollobrigida in ihren Bann gezogen. Seither habe ich zig Verfilmungen gesehen und sogar zwei Bühnenvarianten gesichtet. Das Buch von Victor Hugo habe ich dann allerdings tatsächlich erst kurz vor unserer Frankreich-Reise erstmals in ungekürzter Fassung gelesen. Das war zwar schon eine zweischneidige, aber auch äußerst erhellende Erfahrung! Zum einen ist Hugo weit weniger einfach zu lesen als beispielsweise Jules Verne oder Alexandre Dumas. Das ist zwar grundsätzlich nichts schlechtes, erschwert aber den Zugang zu dem doch komplexen Werk. Egal was man davon halten mag (ich finde das Buch grandios), so ist es genau diese Komplexität, die bei nahezu allen Adaptionen außen vorgelassen wird. Da wird dieses außerordentlich vielschichtige und auch politisch relevante Werk in erschreckender Regelmäßigkeit auf eine „Die Schöne und das Biest“-Story zwischen Esmeralda und Quasimodo reduziert wird.

Jedem, der Victor Hugos Werk zu sperrig erscheint, aber dennoch zumindest einen Hauch der Tiefe des Originals verspüren möchte, dem seien die beiden hier vorliegenden Splitter-Alben wärmstens empfohlen! Robin Recht, der für die Adaption der Geschichte sowie die Storyboards verantwortlich zeichnet hat einen echt prima Job gemacht. Ich vermisse wirklich nicht ein wichtiges Element des Ursprungswerkes. Klar, da muss auf den insgesamt 112 Seiten über einige Sachen viel zügiger hinweggegangen werden als in Hugos dickem Schinken, aber die Essenz wurde echt gut getroffen. Und ja, dazu gehört auch, dass die „heilige“ Zigeunerin vielleicht nicht ganz so sympathisch daherkommt wie sonst, aber mehr soll hier auch gar nicht verraten werden. Zeichner Jean Bastide macht mit seinen filigran und detailliert anmutenden Zeichnungen ebenfalls einen tollen Job. Insgesamt also auf jeden Fall eine sehr gute Roman-Adaption, die ich Fans europäischer Historienschinken uneingeschränkt empfehlen kann.

8-8,5/10

Was hat mein Herz geblutet, als ich die Bilder der in Flammen stehenden Notre Dame de Paris vor genau einem Jahr im Fernsehen sehen musste. Zum Glück hatten wir dieses außergewöhnliche Bauwerk von ganz eigenem Charakter 2017 noch besucht. Ich hoffe inständig, dass die Restaurations- und Reparaturarbeiten mit Sorgfalt und viel Respekt vor dem ursprünglichen Zustand von statten gehen, sodass noch viele Generationen die Gelegenheit bekommen dieses Monument und Zeitzeugnis zu bewundern. Mir haben diese zwei Bände wieder viele schöne Erinnerungen wachgerufen. Ganz tolle Arbeit.



Conan der Cimmerier: Ymirs Tochter

Zusammen mit Conan ziehe ich in den hohen Norden, nach Nordheim, wo auf einem lange zugefrorenen See ein wahrhaft blutiges Schlachtfeld auf uns wartet. Doch der härteste Kampf in der lebensfeindlichen Eiswüste wird nicht mit Schwert oder Axt ausgetragen, und auch nicht gegen waffenschwingende Hünen oder zähnefletschende Monstren ausgefochten. Nein, es ist eine zarte Gestalt mit wallender, roter Mähne und sinnlichen Kurven, die den stärksten aller Krieger in sein Verderben zu locken droht.

Führer auf dieser Reise in den nördlichsten Teil der Bekannten Welt im Hyborischen Zeitalter ist Robin Recht. Der Mann, der bereits Victor Hugos Klassiker Der Glöckner von Notre Dame in einer Art und Weise adaptierte, die mir persönlich außerordentlich zugesagt hat, ist hier nicht nur als Autor und Szenarist tätig, nein, er griff auch selbst zum Zeichenstift um seine gänzlich ihm eigene Version der schon mehrfach als Comic adaptierten Geschichte auf die Seiten zu bannen.

Was Monsieur Recht hier geschaffen hat ist mit meinen Augen nicht weniger als ein Meisterstück. Mit starkem Strich, kräftigen Kontrasten und in faszinierenden Bildern erzählt er eine Conan-Geschichte wie sie sich Robert E. Howard vielleicht gewünscht hätte, wären die Restriktionen durch Verleger und Zensur damals nicht so streng gewesen. Vielleicht wäre er mit Robin Rechts eigenwilliger Auslegung der Story auch ganz und gar nicht einverstanden, aber wer weiß das schon? Ich persönlich bin restlos begeistert. Der Autor und Zeichner in Personalunion ist tief in Howards Erzählung eingetaucht, hat ihre Seele erfasst und das ganze dann nochmal deutlich weitergetrieben. Zügel- und hemmungslos wird archaische Kraft und Leidenschaft entfesselt, die Urinstinkte werden geweckt und das Blut in Wallung gebracht. Ein wilder, atemloser Ritt durch Conans Natur, der es nicht zulässt das Buch vor dem Finale aus der Hand zu legen.

Ja, „Imyrs Tochter“, „Die Tochter des Frostriesen“ oder auch „Die Götter des Nordens“ ist eine wahrlich faszinierende und auch spezielle Geschichte aus Conans Welt. Rein von der Chronologie gesehen müsste sie die am frühesten spielende Conan-Erzählung von Robert E. Howard sein. Veröffentlicht wurde sie zu seinen Lebzeiten allerdings nicht. Zu viel nackte Haut, zu anrüchig und – vor allem – mit der zumindest unterschwellig stets drohenden Gefahr einer Vergewaltigung einfach viel zu brutal und obszön. Dennoch strotzt die Story vor erzählerischer Kraft und faszinierenden Bildern, weshalb es kein Wunder ist, dass auch Marvel sich bei ihren klassischen Conan-Comics aus der 70ern ausgerechnet „Die Tochter des Frostriesen“ als eine der ersten Adaptionen einer Original-Erzählung von Robert E. Howard ausgesucht haben – und das in Zeiten des Comic Codes! Aber das ist eine andere Geschichte – und soll in Kürze erzählt werden.

Was bleibt zu sagen? Zugegeben, Robin Rechts „Ymirs Tochter“ ist rein nüchtern betrachtet nicht so dicht an Howards Originalstory, wie es die bisherigen Autoren des „europäischen Conan“ handhabten. Für mich hat er jedoch die Seele der Geschichte freigelegt, von Schnee, Schlacke und weichen Moosüberwucherungen befreit und in wunderschöner, ungeschliffener, kantiger und roher Pracht präsentiert. Dass er sich dafür ganze 70 Seiten Zeit genommen hat, wo doch die ursprüngliche Geschichte mit gerade mal 12 Seiten Text auskommt zeigt, welche kreative Kraft die Tochter des Eisriesen in ihm geweckt hat. Diese dann auch noch in perfekter Splitter-Aufmachung in Händen halten zu dürfen ist einfach herausragend.

9,5/10

VG, God_W.

Geändert von God_W. (15.04.2020 um 21:05 Uhr)
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