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Alt 23.03.2020, 22:00   #1964  
God_W.
Captain Rezi
 
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Ich hab auch mal wieder einige Sachen gelesen und will versuchen im Laufe der Woche zu jedem Band wenigstens ein paar Zeilen dazulassen. Wird teilweise sehr kurz ausfallen, vielleicht aber auch mal ein wenig umfangreicher. Die Länge des Textes hat aber nicht unbedingt etwas mit meiner Wertschätzung für ein Werk zu tun! Fragen, Kommentare, eigene Meinungen etc… wie immer sehr gerne gelesen und ausdrücklich erwünscht! Also dann, los geht’s:


Esteban 2 (Dreifachband) (Salleck Publications)
Der Sammelband mit den ersten beiden Bänden hatte mich ja sehr begeistert, also habe ich auch zügig die zweite Ausgabe mit den übrigen drei Alben des ersten Zyklus zur Hand genommen. Der erste Band Das Überleben schlägt exakt in die gleiche Kerbe wie die ersten beiden Geschichten und verbindet all das, was ich an maritimen Abenteuergeschichten so liebe. Zu Beginn verschafft mir Matthieu Bonhomme ein wunderbares Déjà-vu an Ernest Shackletons Antarktis-Expedition mit der Endurance, einen der spektakulärsten Fehlschläge in der Geschichte wagemutiger Expeditionen. Auch darf der junge Esteban wieder eine seiner klaren und weisen Geschichten zum Besten geben und als dann auch noch Orcas auftreten, die zu meinen absoluten Lieblingstieren zählen, kann ich meine Begeisterung kaum noch in Zaum halten.

Leider geht es für mich aber leider nicht in gleichbleibendem Niveau weiter. Klar, die Geschichte bleibt auch in Gefangen am Ende der Welt weiterhin spannend und wird in hohem Tempo erzählt. Ja, es passiert auch viel und auch wenn außer dem Gefängnis als Parallele jetzt nicht soo viel Gleiches auszumachen ist wurde ich seltsamerweise vom Ton her doch häufig an „Papillon“ erinnert. Dennoch konnte mich das alles nicht so fesseln wie noch in den ersten drei Bänden. Das mag zu einem guten Stück auch einfach an mir liegen, weil ich halt weiterhin auf ein maritimes Grundsetting gehofft hatte und jetzt gemeinsam mit der Mannschaft der „Leviathan“ aufs Festland verbannt wurde, aber hey, gefällt mir halt nicht mehr ganz so.

Zum Finale kehren wir in Blut und Eiswenigstens wieder aufs Eis und zu kleinen Zwischenspielen auch aufs Wasser zurück, dafür kommen mir die Wendungen in der Story an manchen Stellen doch arg konstruiert vor und der Flow geht etwas verloren. Dazu stören mich mehr und mehr einige Eigenarten in Bonhommes Zeichenstil, die mir in Band vier schon negativ aufgefallen waren. Allen voran diese hellen, Wolkenartigen Flächen, die er ständig um die Köpfe seiner Charaktere zeichnet, gerade in dunkleren Szenen, um so wohl etwas mehr Kontrast reinzubekommen. In so mancher Szene kann man das vielleicht noch als Wolke von kondensiertem Atem abtun, aber dann doch nicht in diesem Ausmaß und an allen Stellen. Dennoch gibt es einige Herzschlagszenen, die toll aufgebaut sind und richtig zum Mitfiebern einladen, sodass ein durchaus spannendes Finale geboten wird, welches aber leider das Niveau der ersten drei Bände nicht mehr erreicht. Reicht in Summe bei mir dennoch für eine knappe…
8/10


Der Stern der Wüste 3& 4

Die ersten beiden Alben von Stern der Wüste boten nahezu perfekte Western-Unterhaltung in grandiose Optik. Einige Jahre später hat sich das Kreativteam Stephen Seberg und Enrico Marini daran gemacht, erneut in zwei Bänden, die Vorgeschichte zu ihrem grandiosen Abgesang auf die Eroberung des Westens durch die Eisenbahn zu erzählen. Den Zeichenstift nahm Marini diesmal aber leider nicht mehr selbst in die Hand, das überließen die beiden diesmal Hugues Labiano. Ich will jetzt nicht sagen, dass seine Zeichnungen nicht schön anzusehen wären, aber der Wiedererkennungswert und die Klasse Marinis mit meines Erachtens nach leider nicht erreicht.

Gleichzeitig hab ich mir ziemlich schwer getan in die Geschichte rein zu finden. Das gesamte erste Album, also Band 3, ist für meinen Geschmack sehr holprig und sperrig erzählt, da kommt kein Flow und kaum Feeling auf. Die Charaktere bleiben entweder blass oder unsympathisch und die Story scheint nicht zu 100% mit den Bänden 1 & 2 zu matchen. Im Band 4 wird das alles zum Glück deutlich besser und auch wenn ich der Meinung bin, dass auch zum Schluss noch immer nicht alles komplett schlüssig zur ursprünglich in den Bänden eins und zwei erzählten Geschichte passt, so entschädigt das spannende und auch gefühlvolle Finale doch für Vieles. Nach dem Durchhänger in Band drei reißt das starke Finale also wieder einiges raus und ich lande bei…
6,5/10


Essex County Band 3 – Die Krankenschwester

Das Finale von Jeff Lemires Essex County Trilogie ist wieder ebenso meisterlich erzählt wie die beiden Vorgänger. Ob die Geschichte jetzt besser oder schlechter ist als die beiden vorangegangenen vermag ich gar nicht zu sagen, aber eins ist sie auf jeden Fall: Ein grandioses, herzerwärmendes Bindeglied, dass die drei Bände zu einem herrlich berührenden Gesamtbild zusammenfügt. Mir persönlich hat Band zwei mit den beiden Eishockey-Brüdern am besten gefallen, aber die einfühlsame, und wenn nötig taffe Krankenschwester steht dem dennoch in nichts nach und schlussendlich sollte jeder, der dieses wundervolle Gemälde des Kanadischen Landlebens noch nicht gelesen hat mal einen Blick riskieren. So traurig und schwermütig das alles auch manchmal anmutet, zurück bleibt am Ende ein Gefühl von Zufriedenheit, Hoffnung und auch ein bisschen was zum Nachdenken. Famos.

Ja, Jeff Lemire kann Horror, Fantasy, scheinbar auch Superhelden, Science-Fiction und noch vieles mehr. Ich genieße gerade sein Schaffen am DC-Dark-Verse der New52 und werde sicherlich auch in Black Hammer und Descender reinschauen, aber die drei Essex County Büchlein sind zusammen ein wahres Kleinod. Nur zeichnen kann Mr. Lemire halt nicht so gut, aber hey er transportiert alle Gefühle, die er bei mir hervorrufen will mit Bravour, was will man mehr?
9/10


Spawn Origins Collection - Band 12

BAAAM! Kontrastprogramm allererster Güte! Nach so langer Zeit endlich mal wieder zurück an Spawn, was hauptsächlich daran liegt, dass ich versuche die Bände ein wenig zu strecken, bis vielleicht (hoffentlich) die Lücke zwischen den Origins Collections und der normalen Paperback-Reihe geschlossen wird. Egal, jetzt hab ich auf jeden Fall mal wieder eine Dosis fetter Antihelden-Action im klassischen 90er Style. Es braucht noch nicht mal ein Heft und ich bin wieder voll gefesselt von diesem unvergleichlichen Spawn-Feeling. Ich liiieeebe es! Und dass, obwohl der Höllensporn in den ersten paar Ausgaben so gut wie gar nichts zu melden hat, da steht nämlich erstmal Nyx, Spawns Sidekick-Hexe im Zentrum des Geschehens. Ich mag die Kleine und ihre dreiteilige Reise in die Tiefen der Hölle in „Eine Höllische Rettung“ ist mal wieder grandios inszeniert und durchaus auch spannend.

Schlag auf Schlag geht es weiter, denn in „Abrechnung“ 1-3 wird sie gleich für ihre Taten zuvor zur Rechenschaft gezogen, bevor in „Reiseziel: Irgendwo“ Al Simmons mal wieder im Zentrum des Geschehens steht. Der One-Shot „Das Heulen“ ist eines meiner absoluten Highlights des Bandes (ich steh halt auf Wölfe, Werwölfe etc…) und das zweiteilige Finale „Zufällige Muster“ stellt dann mehr oder minder den Status Quo wieder her und scheint den Weg für was Größeres zu ebnen. Ich bin gespannt was mich da in Band 13 erwartet!
7/10


Sláine 1 – Morgendämmerung

Ha, Sláine und ich, wir sind ja mal wieder zusammengekommen wie die Jungfrau zum Kind. Geburtshelfer war im doppelten Sinne @JRN. Nicht nur, dass er mich aufgrund meiner Mini-Rezi zur Batman/Judge Dredd Collection auf die Existenz des Keltenkriegers aufmerksam gemacht hat, nein, er hat die abenteuerlich/wahnwitzigen Geschichten um den rabiaten Recken auch gleich noch in unsere Sprache übersetzt – und das in ganz vorzüglicher Art und Weise mit allerlei wissenswerten Hintergründen und Erläuterungen – so würde ich mir das häufiger wünschen!

Da habe ich also ob des teils grandiosen Artworks der Batman/Judge Dredd Collection meiner Bewunderung für Simon Bisleys Arbeit Ausdruck verliehen und *katsching* lenkt der gute JRN meine Aufmerksamkeit auf dessen Opus Magnum, den sechsten Band der Sláine-Reihe. Ein wenig Recherche im Netz und einige Fragen im Forum haben mich dann zu dem Entschluss gebracht den Barbaren und seinen vorlauten Zwerg Ukko von Beginn an auf ihren Reisen zu begleiten, auch wenn besagter Bisley-Run erst viel später an die Reihe kommt.

Allgemein scheint der recht häufige Wechsel der Zeichner einen großen Teil des Reizes der trashigen Abenteuer zwischen Mystik, Legende, Sage, Fantasy und Science-Fiction auszumachen. Das kommt direkt in diesem ersten Band bereits zum Tragen, denn die ersten Seiten wurden von Autor Pat Mills`, der die Serie übrigens bis heute schreibt, damaliger Partnerin Angie Kincaid in fulminantem Detailreichtum ausgearbeitet. Ähnlich grandios, nur etwas klarer und feiner wird das Ganze sobald dann Massimo Bellardinelli übernimmt, der sich fortan des Öfteren mit Mike McMahon abwechselt. McMahons überbordender, aber auch deutlich gröberer Zeichenstil mit starkem Strich sagt mir persönlich von den dreien am wenigsten zu, auch wegen der kantigen Gesichter, passt aber dennoch recht gut zum Setting dieser ersten Geschichten.

Die Stories selbst sind zu Anfang recht kurz gehalten und drehen sich oftmals um den Kampf gegen einen mächtigen Feind, ein böses Monster, die Rettung einer Maid etc… also im Grunde um die Dinge, die man erwartet, sich wünscht und auch gerne hat wenn man sich an ein Werk wie Sláine wagt und zumindest entfernt weiß, was einen erwartet. Gewürzt wird das Ganze von Mister Mills allerdings mit einer dicken Portion Keltischer, Irischer und Gälischer Mythen und Sagen, die in allerlei Formen mit eingeflochten werden. Das gibt Tír Na Nóg, dem Land der ewigen Jugend, Sláines Heimat gleich von den ersten Seiten an eine gewisse Tiefe und mir als Leser das Gefühl eine Reise in eine faszinierende Welt angetreten zu haben.

Klar, da ist vom Storytelling her schon noch Luft nach oben und was man so hört wird das mit der Zeit auch dichter und zusammenhängender, mit größeren Plots und noch abgedrehteren Einfällen (wobei allein die Verwindungskrampf-Geschichte schon ziemlich cool und einzigartig ist), aber ich hatte an diesem ersten Band auch schon enorm viel Freude. Der saubere Druck, die tolle Ausstattung mit Vorwort des Autors, allen Covern und reichlich Zusatzinfos verpackt in einem schicken Hardcover tun ihr übriges – ach, nicht zu vergessen die 1A Übersetzung . Gibt von mir sehr gute…
8/10 Punkte und ganz viel Vorfreude auf den zweiten Band!

PS: Wer kennt das Land Tír Na Nóg noch aus der trashigen 90er-Jahre-TV-Serie „Mystic Knights – Die Legende von Tir Na Nog“? Das war sowas wie die Mittelaltervariante der Power-Rangers, echt „kostengünstig“ produziert und mit einem Ohrwurm-Titelsong von den Kellys bestückt. Ganz schön abgedreht und – wie ich kürzlich herausgefunden habe – gesamtheitlich kostenfrei auf YouTube abrufbar (50 Folgen á 22 Minuten).

So, das wars vorerst mal wieder von meiner Seite. Bis die Tage!
VG, God_W.
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