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Alt 20.03.2020, 13:29   #156  
Peter L. Opmann
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Die Fantastischen Vier # 32




Eigentlich ist hier des Zusammentreffens seltsamer Zufälle viel zu viel. Reed Richards stattet, begleitet von den drei anderen Teammitgliedern, seiner Uni einen Besuch ab, um dort als inzwischen glänzender Wissenschaftler eine Rede zu halten (soweit so gut). Jedoch ist an genau dieser Lehranstalt genau in diesem Moment ein Forscher mit der Konstruktion eines golemartigen Wesens beschäftigt (und steht kurz vor der Vollendung), das den Fantastischen Vier höchst gefährlich werden kann, auch wenn er es – natürlich – zu rein wissenschaftlichen Zwecken erschaffen hat. Und rein zufällig taucht in genau diesem Moment Diablo auf, der sich just in diesem Moment aus seinem vulkanischen Gefängnis befreien kann. Er ergreift kurzerhand die Chance, die FV mit Hilfe dieses Homunkulus, den er im Handumdrehen zum Leben erwecken kann, anzugreifen. (Logisch wäre gewesen, daß er sie überhaupt nicht finden kann, weil sie nicht zuhause sind, sondern an besagter Uni weilen.

Trotzdem, diese Story finde ich ziemlich gelungen. Man stört sich an den versammelten Unwahrscheinlichkeiten überhaupt nicht, sondern die Geschichte zieht mich in ihren Bann, weil hier aus einer alltäglichen Situation ebenso nachvollziehbar wie spannend der Konflikt entsteht, der schließlich den Höhepunkt des Bandes bildet. Stan Lee hat das ja schon einige Male gemacht: die FV nicht in einer fantastischen Superheldenwelt zu zeigen, sondern den Lesern weiszumachen, daß sie in einem realen New York leben und abgesehen von ihren Super-Abenteuern normale Leute wie du und ich sind. Zuletzt im vorangegangenen Band mit Gregorius Gideon.

Es dauert bis Seite 10, bis der Kampf mit Diablos Drachenmann beginnt. Da wird Diablos Ausbruch gezeigt und seine Begegnung mit dem ehrgeizigen Wissenschaftler (erinnert ein wenig an Faust und Mephisto). Aber den meisten Platz geben Lee und Kirby dem eigentlich stinklangweiligen Besuch der FV an der Uni. Indem Lee wieder mal mit der angeblichen Berühmtheit der FV spielt, ist das aber überhaupt nicht langweilig, sondern recht amüsant. Ding gibt den Bildungsmuffel, der am liebsten zu dem langweiligen Termin gar nicht mitgekommen wäre (obwohl er einst zusammen mit Reed studiert hat und irgendwie den Abschluß geschafft haben müßte). Fackel und die Unsichtbare dürfen ein paar Kunststücke zeigen. Ding mischt eine ganze Rugby-Mannschaft auf. Bekannte aus anderen Marvel-Serien tauchen auf: Professor Xavier mit Zyklop und Peter Parker (der eine echte Geheimidentität hat – niemand darf erfahren, daß er Spider-Man ist). Was ich ausgesprochen witzig fand: Man erfährt nirgends, was Reed eigentlich studiert hat, welchen akademischen Grad er besitzt und worüber er vor der Festversammlung redet (klar ist nur, daß es eine wissenschaftliche Sternstunde wird). Ich mußte daran denken, daß Stan Lee in Interviews schon mehrmals damit kokettiert hat, daß er von Wissenschaft keine Ahnung hat.

Die Spannung baut sich langsam, aber zunehmend auf. Leider habe ich dieses Heft als Jugendlicher nicht gelesen, aber ich finde es immer noch spannend. Ein bemerkenswertes Spannungselement ist, daß sich der Drachenmann – ganz anders als herkömmliche Monster - als Wesen mit Gefühlen herausstellt. Das wird auch bei späteren Auftritten von ihm eine wichtige Rolle spielen. Hier schaffen es die FV zunächst, indem sie dem Drachenmann gut zureden, ihn aus der Kontrolle von Diablo befreien und so seine Niederlage einleiten. Am Ende stellt sich heraus, daß Professoren und Studenten den Kampf gegen den Drachenmann mindestens so unterhaltsam fanden wie Reeds Ansprache. Und dann können sich Reed und Sue erstmals so richtig aussprechen und einander ihre Liebe gestehen. Da würde sich Peter Parker glücklich schätzen, wenn bei ihm eine Romanze jemals in so geordneten Bahnen ablaufen würde…

Zeichner Jack Kirby und Inker Chic Stone sind wie immer superb. Mir ist erstmals ein Kirby-Kennzeichen aufgefallen, das er später ganz häufig verwendet: die extrem gespreizten Beine (bei Diablo auf Seite 18), die immer so dramatisch aussehen. Und übrigens: Der Drachenmann ist ein ausgesprochen gelungenes Monster – auch im Vergleich zu den vielen Monstern aus den frühen „Tales to Astonish“ oder „Amazing Fantasy“.
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