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Alt 18.10.2019, 17:09   #232  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 109 und 110
(= Der mächtige Thor 54)

Erscheinungstermin: 4/5/1978

Originalausgabe:
1) The mighty Thor # 136

Story-Titel:
1) Geburt einer Unsterblichen!

Original-Storytitel:
1) To become an Immortal!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



In der Serie tut sich was. Nun kommt eine „Thor“-Folge, die nicht nur dem gewohnten Muster (unvorstellbar starker Feind wird von Thor auf Normalmaß zusammengestaucht) nicht folgt, sondern eigentlich sogar eine andere Figur als Thor in den Mittelpunkt stellt: nämlich seine Geliebte Jane Foster, die erst im Rahmen der Rigel-Serie wieder richtig zurückgekehrt war. Ob Stan Lee und Jack Kirby den Charakter der Serie ändern, muß man sehen. Aber zweifellos hat sich Lee Gedanken gemacht, ob aus der schiefen Liebesbeziehung zwischen dem Donnergott und der Sprechstundenhilfe von Dr. Blake noch etwas werden kann, und ist zu dem Schluss gekommen: Thor braucht eine andere Frau an seiner Seite. Er hat deshalb in gewisser Weise die Idee durchgespielt, was passieren würde, wenn Odin der Verbindung zustimmen würde. Am Ende ist Jane Foster die ganze Asgard-Gesellschaft los.

Erinnern wir uns: Nachdem Thor die Revolte des bösen Seidring in Asgard vereitelt hatte, zeigte sich Odin erkenntlich und war nun bereit, seine Verbindung zu Jane zu tolerieren. Thor kann sie nun seinem Vater offiziell vorstellen (das haben Lee und Kirby durch das Rigel- und Lebender-Planet-Abenteuer noch ein wenig verzögert). Die ersten etwa fünf Seiten widmen sie der Reise nach Asgard (sieht jedesmal ein bißchen anders aus, aber das mag einem Sterblichen eben so erscheinen). Jane Foster schwankt zwischen Erstaunen und Erschrecken. Man denkt aber: Sie wird sich an die neue Umgebung schon gewöhnen. Odin tut etwas Nachvollziehbares: Er verwandelt Jane in eine Unsterbliche, damit sie in Asgard nicht immer als eine Art Aschenputtel herumlaufen muß. Thor fügt hinzu: „Nur eine Göttin darf einen Gott heiraten.“ (Hat er aber vorher nie erwähnt.) Dabei erhält Jane eine Art Superkraft. Sie kann nun fliegen.

Das Fliegen gefällt ihr zwar, aber sie ist ungeübt und wäre beinahe abgestürzt, wenn nicht Thor sie retten würde. Jane füllt ihre Rolle als Götin sehr unzureichend aus. Daher beschließt Odin, sozusagen als Härtetest „den Unbekannten“ auf sie zu hetzen. Jane bricht vor Angst fast zusammen, was aber verständlich ist, da sie mit ihrer Flugfähigkeit gegen das vierarmige, immer im Dunkeln bleibende Monster nicht viel ausrichten kann. Hinterher wird deutlich, dass der Unbekannte seine Kraft allein aus der Angst seiner Kontrahenten bezieht. Die Asen haben keine Angst vor ihm und leiten daraus ihre Existenzberechtigung ab. Thor muss Jane erneut retten. Sie hat jetzt endgültig genug von der Götterwelt. Odin ist jetzt erst richtig überzeugt von ihr, denn in seinen Augen weiß sie, wo ihr Platz ist. So sendet er sie zurück zur Erde. Thor protestiert vergeblich. Er muss seinen Schmerz verarbeiten, indem er sich in den nächsten Kampf stürzt. Er wird auf die „Lichtung der Kristalle“ geschickt, wo erneut „der Unbekannte“ auf ihn wartet. Thor unterliegt um ein Haar im Streit, aber dann kommt ihm eine weißgekleidete Frau mit einem Schwert zu Hilfe: Sif (die mythologisch richtige Gefährtin Thors). Sie outet sich sofort als Thor-Fan von klein auf, und wir sehen, daß auch ihm ihre Schönheit und ihr Heldenmut nicht verborgen bleibt. Odin ist befriedigt.

Kurz erleben wir auch mit, was aus Jane wird. Plötzlich findet sie sich in einem Krankenhaus wieder (vielleicht ist auch sie von Odin dorthin geschickt worden). Es zeigt sich, daß man hier auf eine neue Krankenschwester wartet, die ihre Stelle antreten soll. Und dann steht sie Dr. Kincaid gegenüber, einem ausgesprochen gut aussehenden Arzt, der sich um neue Schwestern kümmert (das ist in diesem Heft natürlich nicht zweideutig gemeint). Jane Foster spürt, daß sie hier am richtigen Platz ist. Und ich vermute, daß wir nicht so schnell wieder von ihr hören werden.

Das ist keine wirklich überzeugende Ausgabe, aber es war damals, als sie erschien, sicher ungewöhnlich, daß eine Hauptfigur in einer Superheldenserie ausgetauscht wurde. Thors Trennung von Jane und seine Kontaktaufnahme mit Sif ist sicher nicht so bewegend inszeniert wie die Geschichte von Gwen und Mary-Jane, die wir bald darauf in „Die Spinne“ lasen, aber es ist eine ähnlich wichtige Weichenstellung wie ein paar Jahre später. Ich denke, daß damit „Thor“ als Mystery-Serie – heute würde man vielleicht sagen: Fantasy-Serie – gefestigt wurde. Da paßte eine alltägliche Figur wie Jane nicht so gut hinein. Deshalb mußte sie ihren Platz räumen. Nachdem wir Leser lange unter der nicht passenden Verbindung von Thor und Jane zu leiden hatten, klärt sich jetzt manches. Vielleicht hätte man den Dauerkonflikt zwischen Thor und Odin um Jane auch weiterführen können, aber es wäre mühsamer gewesen als die Schilderung seiner neuen Beziehung zu Sif.

Zur Grafik möchte ich nur anmerken, daß das Cover dieser Ausgabe in reißerischer Manier einen falschen Eindruck zu erwecken versucht: Es sieht so aus, als wolle Odin Jane Foster töten. Das wird durch das bestürzte Gesicht des herbeieilenden Thor bestärkt. Tatsächlich handelt es sich hier aber um den Moment, in dem Odin Jane zur Göttin macht. - Naja, ich könnte mich auch irren. Vielleicht ist das die Szene, als Odin Jane zur Erde zurückschickt (dann hätte auch Thors Gesichtsausdruck seine Berechtigung).


Geändert von Peter L. Opmann (18.10.2019 um 17:49 Uhr)
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