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Alt 25.11.2013, 10:35   #2490  
michidiers
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Daytripper

Von Fabio Moon und Gabriel Ba



Inhalt: Die riesigen Fußstapfen seines Vaters konnte Bras de Olivia Domingos nie richtig ausfüllen. Anstatt auch ein weltbekannter Schriftsteller zu werden, schaffte Bras es bisher nur in die Redaktionsräume einer lokalen Zeitung in Sao Paulo, wo er Nachrufe für verstorbene Mitmenschen verfasst. Doch nach und nach beginnt in ihm immer stärker die Erkenntnis zu reifen, dass er nur über den Tod anderer Menschen schreibt, obwohl er sich selbst nicht im Klaren ist, ob sein Leben überhaupt schon begonnen hat.

Ja, ich gebe zu, im ersten Moment klingt diese Inhaltsangabe etwas verwirrend. Aber die von mir soeben gelesene Geschichte der brasilianischen Künstler Fabio Moon und Gabriel Ba ist dermaßen ungewöhnlich, dass sie schwer in eine kleine Inhaltsangabe gepresst werden kann. Nicht einmal eine Nacherzählung würde wohl reichen, um den Inhalt dieses Werkes auch nur ansatzweise erfassen zu können.

Dieser sehr schön aufgemachte HC-Band enthält die komplette Miniserie Daytripper #1 - #10 von DC-Comics. Darin erzählt das Künstlerpaar in jeder der zehn Ausgaben ein bestimmtes Schlüsselerlebnis aus verschiedenen Lebensabschnitten von der Hautfigur Bras. Die Geschichten stehen dabei miteinander in einen losen inhaltlichen Zusammenhang, spielen aber alle in einem anderen Lebensalter und vor allem: jede Story ist so angelegt, als wären gewisse Umstände und Ereignisse zuvor in seinem Leben anders verlaufen, so dass der Lebensweg einen ganz anderen Verlauf eingeschlagen hat. Als Roter Faden bleibt eine Sache in jeder Geschichte erhalten: Bras … (Wort gelöscht, da es spoilert). Und hier muss ich empfindliche Leser/-innen warnen: jede einzelne Story berührt das Herz, sie wühlt auf, lässt hoffen und trauern. Sie lässt aber auch interessante Erkenntnisse über das Leben, den Tod und die Frage -Was wäre wenn?- entstehen. Schnell beginnt man sich im Laufe der Lektüre mit immer mehr mit Bras, seinen Gedanken und seinen Lebensweg zu identifizieren und sich eigene Fragen zu stellen: Was ist das Leben und was der Tod, und wie erkenne ich, ob ich mein Leben wirklich lebe. Fabio Moon und Gabriel Ba bieten in den letzten Storys sogar einige Antworten und Lösungsmöglichkeiten an, und jeder mag sich mit diesen seine eigenen schaffen, sofern Bedarf bestehen sollte.

Rein handwerklich haben (die Zwillinge) Fabio Moon und Gabriel Ba in Daytripper eine wirklich erstklassige Arbeit abgeliefert und man erkennt eine gute Abstimmung von Text und Bild. Der wohl dosierte Zeichenstift wurde da angesetzt, wo der Text alleine nicht gereicht hätte. An anderen Stellen wurde der Stift wiederum weggelassen, wo er nicht erforderlich war. Die unaufdringlichen Farben passen sich der melancholischen, oft traurigen, aber doch auch so hoffnungsvollen Stimmung optimal an. Hier kann sicher von einer wahren Graphic Novel in seiner reinsten Form sprechen.

Fazit: eine fabelhafte Liebeserklärung an das Leben, zu dem der Tod genauso gehört wie Liebe, Sex, Hoffnung und Trauer. Für mich bis jetzt der Comic des Jahres 2013.
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