Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20.05.2013, 12:17   #67  
Michi
Mitglied
 
Beiträge: 13
Ich bezweifle, dass es mit der bloßen Anwesenheit von Politikern auf Comic-relevanten Veranstaltungen getan ist. Steinbrück hat auf der letzten Frankfurter Buchmesse den Reprodukt-Stand besucht, hat sogar im Tagesspiegel ein Interview zu seinen Comicvorlieben gegeben. Das hat außerhalb der Comicszene niemanden interessiert. Der japanische Botschafter engagiert sich seit Jahren beim Manga-Wettbewerb der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Berlin. Aber japanische Diplomaten interessieren die Tagespresse nur, wenn's um Atomkraftwerke geht.

Wenn solche Dinge nicht einmal national wahrgenommen werden, wie sollen sie dann international eine Rolle spielen? Und selbst wenn: Was würde denn eine Kenntnisnahme im Ausland im Umkehrschluss wieder für die heimische Szene bringen? Es ist ja seit den 80ern kein Geheimnis unter Comicschaffenden, dass sie ins Ausland gehen müssen, um im Ausland wahrgenommen zu werden. Warum? Weil die deutschsprachige Szene in sich viel zu unbedeutend ist, um als transnationale Marke wahrgenommen werden zu können. Und das liegt wiederum zu großen Teilen daran, dass die deutschsprachige Szene sich selbst nicht als deutschsprachige Szene auffasst, sondern sich in unzählige Faktionen zersplittert, die alle ihr eigenes Süppchen kochen. An einer Stärkung des deutschsprachigen Comics an sich führt kein Weg vorbei, wenn man ihn irgendwie international einbinden will.

Hier wäre ein politisches Förderprogramm natürlich sehr wünschenswert. Ich denke, das könnte auch viel besser funktionieren als in der deutschen Filmförderung (die ja das einzige ist, was die hiesige Filmlandschaft noch am Leben hält), da Comics durch die geringen Produktionskosten nicht so leicht in Erwartungsabhängikeiten rutschen wie Film- oder Theaterproduktionen.

Vor allem wäre so ein Förderprogramm vergleichsweise billig: Mit 10.000€ wäre eine Comicproduktion schon sehr gut bezuschusst. Davon ließen sich die kompletten Produktionskosten sowie ein verlagsüblicher Autorenvorschuss bezahlen. Ein bisschen was soll ja auch durch den Verkauf wieder reinkommen. Rechnet man das mal hoch, könnte man mit dem kulturpolitischen Miniaturbetrag von 1 Million Euro schon 100 Comic-Eigenproduktionen pro Jahr finanzieren. Nehme man davon jetzt nur 10% für den Manga-Sektor, wäre das immer noch etwa das Doppelte, was die Großverlage in dem Bereich derzeit jährlich gemeinsam an Eigenproduktionen stämmen. Ich glaube, auch alle Großverlagsproduktionen in allen Comicbereichen zusammengenommen kämen nicht einmal annähernd auf diese Zahl. Vieles dümpelt da in den Kleinverlagen herum, aber angesichts deren Finanzlage ist dort dauerhaft kein professionelles (heißt für mich: professionellbezahltes) Arbeiten möglich, weil man im Nebenberufs- und Hobbyschaffen kleben bleibt.

Wenn Autoren durch eine Kulturfinanzierung Projekte umsetzen können, an die die Verlage sich normalerweise nicht rantrauen, entstehen dadurch natürlich wiederum interessantere Comics, die dann auch mehr Interesse auf dem internationalen Lizenzmarkt wecken können, besonders, wenn man diese Förderprojekte mit dem deutschsprachigen Comic-Lizenzkatalog kombiniert, wie oben vorgeschlagen. Dadurch könnte deutschsprachiger Comic dann auch irgendwann zum Selbstläufer werden, wenn er national und international stärker wahrgenommen und damit auch besser verkauft wird und sich vielleicht auch stärker auf dem lukrativen Filmlizenzmarkt positioniert.

Da das künstlerische Talent mittlerweile bei uns fraglos vorhanden ist - der Nachwuchs an jungen Zeichnern und Autoren boomt wie nie zuvor - fehlt es eigentlich nur an Geld, um das Talent auch dauerhaft in der Szene zu binden. Ich kenne wirklich zahllose großartige Künstler, die irgendwann wieder andere Wege gingen, weil mit Comics einfach kein Lebensunterhalt zu bestreiten ist. Das ist so unendlich schade.

Mit verhältnismäßig wenig Geld ließe sich hier so viel erreichen. Da müsste sich nur mal jemand in der Politik kümmern. Aber bisher ist mir keine Partei bekannt, die sich da irgendwie engagieren würde. Da bleibt es letztendlich dann doch an den Einzelkämpfern hängen, selbst ihre Netzwerke zu erstellen und die hiesige Comicszene soweit zu stärken, dass sie immer schwieriger zu übersehen wird.
Michi ist offline   Mit Zitat antworten