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Alt 27.09.2012, 19:41   #2121  
michidiers
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Zitat von Eldorado Beitrag anzeigen
Aber wenn "Crossed" jetzt quasi der Gipfel des Ganzen ist, dann zieh ich mir den vielleicht doch nochmal rein. Als Schlußpunkt sozusagen und das wars dann auch mit diesem Autor.
Wie ich gelesen habe, soll bei Crossed 2 und 3 sogar noch eine Schippe mehr Gewalt und Blut draufgelegt worden sein, die sind aber nicht mehr von Ennis...

Endzeitstimmung herrscht übrigens auch bei meiner neuesten Lektüre, die richtig gut bei mir und auch meinem kritischen Sohn eingeschlagen ist:

Sweet Tooth 2

- Gefangen –




von Jeff Limire (Autor und Zeichner)

Inhalt: Hybridwesen wie Gus sind ein knappes Gut, sie werden gejagt und hoch auf den Märkten gehandelt, denn sie könnten der Schlüssel für ein Impfmittel gegen die Seuche sein, die vor gut zehn Jahren damit begonnen hat, fast die Menschheit dahinzuraffen. Fast zeitgleich mit dem Ausbruch der Seuche enden die wenigen noch verbliebenen Schwangerschaften mit der Geburt eines Hybridwesens, ein Rätsel, welches die Wissenschaftler ebenfalls entschlüsseln wollen. Nach dem Verrat durch seinen vermeintlichen Freund Jeppert ist Gus nun in einem wissenschaftlichen Lager gefangen und verbrecherischen Experimenten seiner Häscher ausgesetzt…

Der Autor Jeff Lemire hat dieses Paperback, welches die US-Ausgaben „Sweet Tooth #6 - #11 enthält, einen passenden Titel gegeben: Gefangen. Damit ist in erster Linie das Gefangenenlager gemeint, in dem Gus einsitzt und gemeinsam mit einigen anderen Hybridwesen auf die tödlichen Experimente wartet, die an ihm durchgeführt werden müssen. Dass hier beim Lesen übrigens Verbindungen zu den Menschenversuchen von Dr. Mengele und Co. entstehen, bleibt da nicht aus und verstärkt nur die beklemmenden Atmosphäre, die diese Ausgabe beim Lesen auslösen kann.

Unter den Begriff „Gefangen“ verstehe ich hier jedoch nicht nur den Begriff des gefangen seins, sondern ich sehe hier auch ein Gefängnis, dass in den Köpfen der Figuren besteht und welches uns Lesern nun Tür für Tür, Flur für Flur und Zelle für Zelle geöffnet wird. Jeff Lemire benutzt dazu eine ideale Idee, um uns das dunkle Labyrinth von Gus zu eröffnen. Er lässt ihn durch den opaken Wissenschaftler Singh in Hypnose versetzen, in welcher der naiv-gutgläubige Gus uns auf eine Reise in seine tiefste Vergangenheit mitnimmt. Gerade hier erweist es sich als Vorzug, dass Story und Zeichnungen sich mit dem Autor und Zeichner Jeff Lemire in einer Hand befinden denn er konnte hier ganz offensichtlich ohne Abstriche seine Ideen zeichnerisch umsetzten, was eine famosen Bebilderung der diffusen Erinnerungen erzeugte.

Neben dem Zwitterwesen Gus widmet sich diese Storyline jedoch auch Jeppert, der grobschlächtig-brutale Verräter, der unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Gus dazu brachte, ihm ins Lager, und damit in sein Verderben, zu folgen. Auch Jepperts Geschichte wird anhand von seinen schmerzhaften Erinnerungen dargestellt, die er offensichtig bislang in seinem Geist unterdrückte und die erst jetzt zu Tage kommen und sich damit dem Leser offenbaren. Auch er ist ein Opfer, ein ehemals gefeierter Sportler, der tief gefallen ist und alles verloren hat.

Die in dreckigen Farben und Strichen sehr grob gehaltenen Zeichnungen verleihen Gegenwart und Erinnerungen eine bedrückende Atmosphäre, die mich packte und danach nicht mehr so schnell losließ, auch lange nach der Lektüre. Je tiefer Gus und Jeppert sich unabhängig voneinander in ihren Erinnerungen verstricken, je dramatischer ist die Tragödie, die sich dabei eröffnet und ich bekomme eine Ahnung dafür, dass die Tragödie bisher nur ihren Anfang genommen hat.

Fazit: Eine fantastische Reise in das Gefängnis im Kopf von zwei vollkommen unterschiedlichen Charakteren vor dem Hintergrund einer postapokalyptischen Welt nach einer verheerenden Seuche.
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