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Alt 24.09.2012, 17:49   #2119  
michidiers
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Puh! Harte Kost, das Kettensägenmassaker ist ein Ponyhof dagegen!

Crossed



von Garth Ennis und Jacen Burrows

Inhalt: Die Seuche kam aus dem Nichts. Infizierte verwandeln sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Bestien, mordend, vergewaltigend und marodierend. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, hörte praktisch über Nacht auf zu existieren. Für die wenigen noch lebenden Menschen beginnt nun ein fast aussichtsloser Kampf um das nackte Überleben, ein Kampf bei dem die Wahl der Mittel von den herrschenden Umständen bestimmt wird und nicht von der Moral…

Meinung: Das hatten wir doch alles schon einmal, fragte ich mich, als ich den Klappentext las. Ich dachte an The Walking Dead, Dawn of the Dead, Zombies, Vampire Nation…, die Liste lässt sich sicher beliebig erweitern. Was soll daran noch interessant sein und vor allem, was bringt das noch an Neuem? Wenn man die 256 Seiten, die die US-Miniserie CROSSED #0 - #9 enthält, durchgelesen hat, hat man die Antwort bekommen. Man bekommt sie praktisch mit einem Eisenhammer ins Gesicht und den Magen gleichzeitig geschlagen, dass es einen die Gedärme umdreht.

Schon die Farbe des Buchrückens ist bezeichnend für den Inhalt. Er ist blutrot! Garth Ennis geht in dieser wahrlich den Magen umdrehenden Miniserie an die Grenzen des Vorstellbaren und des Geschmacks. Fast schien es mir, er wolle hier einmal ausloten, wie weit er bei der Darstellung einer totalen Apokalypse auf unserer Erde gehen kann: Verstümmelungen, Vergewaltigungen, barbarische Gewalt sind allgegenwärtig und beherrschender Teil der Umwelt geworden.

Ennis erzählt die Geschichte einer kleinen Gruppe von nicht infizierten Menschen, deren Überlebenskampf sie dazu zwingt, immer mehr ihre eigenen moralischen Grenzen zu überschreiten. Je weiter sie in den Strudel von Chaos und Gewalt gezogen werden, je mehr sind sie gezwungen, ihre Menschlichkeit und Empathien hinter sich zu lassen. Das Fortschreiten der Geschichte und die Entwicklung der zentralen Figuren scheint dabei wie die Häutung einer Zwiebel, bis der Kern freigelegt ist: Bestie Mensch!

Ennis legt dabei Wert auf die zentralen Figuren. In vielen ruhigen Passagen lässt er diese in Dialogen zu Wort kommen und erlaubt uns einen Blick in ihre immer düsterer werdenden Seelen. Wie geht der Verstand mit den grauenvollen Eindrücken um? Wie wird das rationelle Handeln durch die Umwelt beeinflusst, und vor allem: Wozu bist du bereit, um dein eigenes Überleben sicher zu stellen. Was unterscheidet dich überhaupt noch von den menschlichen Bestien da draußen?

Das sich auf dem Gesicht der Infizierten nach der Inkubation bildende Kreuz verstehe ich dabei als Ennis symbolschwangerer Kommentar auf unsere Gesellschaft. Gott scheint uns zu hassen, die Kreuzritter des Verderbens entlarven die Falschheit von Moral und Gesellschaft. Wir stehen vor dem jüngsten Gericht und der Tag der Abrechnung ist für die Menschheit gekommen: Sodom und Gomorrah!

Anmerkung: Wer dieses Werk übrigens noch nicht kennt, sollte darauf achten, dass die in die Story eingebauten Flashbacks nicht immer gelungen sind. Diese wirken dermaßen willkürlich eingebaut, dass ich bisweilen meinte, die Druckerei hätte die Druckbögen falsch gebunden.

Fazit: Ein blasphemischer Abgesang auf die Menschheit von dem irischen Erfolgsautor Garth Ennis, geeignet für gute Mägen.

Geändert von michidiers (24.09.2012 um 18:08 Uhr)
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