Novelle trifft Comic
Bestens geeignet für eine kurze und prägnante Erzählung mit durchaus literarischen Ansprüchen ist eine
Novelle; diese soll laut Definition: „ (…) ohne Umschweife auf den Höhepunkt der Handlung zustreben. Sie soll nur das zum Verständnis unbedingt notwendige enthalten; daraus ergibt sich eine gestraffte, knappe Form der Erzählung und ein vom Inhalt her bestimmter, meist dramatischer Stil – überwiegend in Prosa (das Letztere erspare ich mir zu definieren, das mag der interessierte Leser selber tun
)“.
Ein Comic soll eine Geschichte mit Bildern transportieren, egal, ob mit Text, wenig, oder gar Sprachlos. Er kann aus zwei bis drei Bildern bestehen, kann aber auch eine Endlosfortsetzung sein.
Vermischt man beides habe ich qua der vorstehenden Erläuterungen diese Woche einen grafischen Comic, eine
Grafische Novelle, oder hier korrekter, eine
graphic novel gelesen:
So läuft das Spiel, geschrieben und umgesetzt von „Will Eisner“, dem Erfinder des Genres.(*) Diese Geschichte findet sich in u. a. in dem Hardcover-Album „Lebensbilder“, voriges Jahr bei Carlsen herausgekommen. Auf rund einhundert siebzig Seiten breitet Will Eisner die Geschichte der Familie Arnheim über rund 150 Jahre aus. Das ist zwar nicht kurz und knapp, aber durch die Einteilung in jede für sich lesbare Kapitel gelingt Eisner mühelos der Sprung vom Roman zur Novelle. Und
graphic (hier
Comic) im besten Sinne sind seine Zeichnungen allemal, voller Ideen in der grafischen Umsetzung, detailreich wo es nötig ist und sparsam in den Strichen wo es inhaltlich nur auf das wesentliche ankommt.
Die angesehene Familie Arnheim geht auf jüdisch-gläubige Emigranten aus Deutschland zurück, die gegen 1840 aus einer wirtschaftlichen Notlage nach Amerika auswanderten. Dort schafften sie es mit Fleiß, Geschick, Ideenreichtum und Ellenbogen zu Wohlstand und Einfluss zu gelangen. Innerhalb der jüdischen Gemeinde in den USA geht es dabei nicht anders zu, als bei den anderen religiösen Gruppierungen, Ethnien, Nationalitäten: es gibt Snobs, Wohltäter, elitäre Dünkel – selbst in der eigenen Welt – gesellschaftliche Schranken, die kaum zu überwinden sind, es sei denn „man“ passt sich total an. All diese menschlichen Eigenschaften karikiert und definiert Eisner in unnachahmlicher Manier; es fiel mir schwer, mittendrin das Buch beiseite zu legen, als dringender (Sport-)Termin anstand!
Also ein lesenswerter wunderschöner
Comic!
(*) Laut Comic-Geschichtsforschung soll Will Eisner um 1978 seinen Comic „Ein Vertrag mit Gott“, ein Hardcover-Comic-Buch, das eigentlich aus voneinander unabhängigen Erzählungen besteht, versucht haben es Buchhandlungen anzudienen. Um aber auch die in den USA durchaus bestehende „elitäre“ Barriere zu knacken, soll er auf die Idee gekommen sein, es eine graphic novel zu nennen. Und das haben wir nun davon! es geht inzwischen so weit, das ich im vorigen Jahr in der Buchhandelskette „Borders“ – hier in Napels/Florida - nicht mehr die Abteilung mit
Comics gefunden habe, sondern nur noch
graphic novel. Dort tummelten sich jetzt neben tatsächlichen oder eingebildeten graphic novels sämtliche Superhelden und wer will behaupten, dass das Superheldengenre nicht ebenfalls grafische Novellen produziert
.