Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 26.10.2011, 19:17   #1711  
michidiers
Mitglied
 
Benutzerbild von michidiers
 
Ort: Oldenburg
Beiträge: 3.065
Achtung, mein Bericht könnte Spoiler enthalten für die, die Sandman noch nicht kennen. Aber dass Sandman .... , dass ist wohl eh jedem von uns schon wohl bekannt, oder?



Sandman
Sammelband 9
Die Gütigen

von Neil Gaiman und weitere Künstler

Nach der Entführung ihres Sohnes wendet sich die alleinerziehende Mutter Lyta Hall an die Gütigen. Die Gütigen, aus der griechischen Mythologie als „Furien“ bekannt, ruhen nicht, bevor das Verbrechen, das sie sühnen wollen mit Blut fortgewaschen ist. Nach einer Intrige des Asen Loki und des Koboldes Puck, macht Lyta den Sandman für das Verbrechen verantwortlich. Der hat sich darauf den Furien zu stellen und sieht dem Untergang des gesamten Traumreiches entgegen…

Langsam aber sicher neigt sich die Serie dem Ende zu. Gleich 13 US – Hefte und gut 350 Seiten nimmt sich Neil Gaiman Zeit, das Finale für diese grandiose Serie aufzubauen. Die Geschichte um seine Rolle als Täter und Opfer in einer Familientragödie ist der Höhepunkt und Hauptstrang, mit dem viele kleine Neben- und Unterplots verwoben sind.

Fast schon symbolisch ist da der Prolog mit den drei Hexen. Die drei Schrullen sind mir ja nicht unbekannt, die tauchen ja auch immer wieder in meinen Williamsheften als Geschichtserzählerinnen auf. Die stricken anfangs aus Wollgarn ein Kleidungsstück. Ein Wollfaden der sich mit vielen verdrehten Maschen durch das Strickwerk windet. Und am Schluss wird der Faden mit einer Schere einfach abgeschnitten, so wie das Leben des Sandmans. Ob das von Gaiman wohl auch selbstreferierend gemeint war? Vieles deutet darauf hin und man kann sich als Leser den Eindruck nicht erwehren, dass man auf einer gewissen Art und Weise mit den Ideen der Künstler, den Worten und den Bildern einen Dialog auf einer, wie soll ich sagen, eine Art unbewusste Metaebene eingeht. Das Gefühl dafür ist schon ein ganz besonderes, man muss sich nur darauf einlassen.

Da Gaiman uns Lesern ja auch immer etwas mitteilen möchte, habe ich mir auch darüber einmal wieder meine Gedanken gemacht und bin zu einem für mich recht zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Ausgehend von einer Handlung des Traumwebers setzt sich ähnliche einem Schmetterlings- oder einem Schneeballeffekt eine Kette von Ereignissen in Gang, die unweigerlich und ungewollt in den Untergang führt. Der Sandman, hoffend, dass er diesen noch aufhalten kann, aber ahnend, dass der Untergang unaufhaltsam ist, kommt zu einer abschließenden Erkenntnis. Jeder ist für seine Taten selber verantwortlich und hat die daraus entstehenden Konsequenzen zu tragen. Ob er es will oder nicht. Aber der Tod ist auch gleichbedeutend mit Auferstehung, so bedeutet jedes Ende auch gleichzeitig einen Neubeginn. Ein Gesetz der Natur, dass Schöpfung und Tod in eine unauflösliche Wechselwirkung bindet. Trauer über den Tod wechselt sich in Glück über eine Neugeburt.

Wer sich dabei als Leser auf einen großen Showdown einstellt, der wird enttäuscht sein. Recht unspektakulär ist das Ende des Sandmans, was auch passend zu seinem fast menschlichen und zurückhaltenden Wesen ist. Nur ein Handreich zu seiner Schwester Death läutet den Tod ein. Deutliche Anlehnung findet das Bild im Deckenfresko Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Im Fresko scheint Gott seiner Schöpfung Adam seine Hand zu reichen. Gaiman definiert dieses Bild als den Tod Sandmans, was der theologischen Idee auf dem ersten Blick vollkommen entgegenläuft, durch die Auferstehung eines neuen Sandmanns aber wieder im Umkehrschluss bestätigt werden kann.

Fazit: Es ist alles gesagt worden, der Höhepunkt einer großartigen Serie ist erreicht worden. Was soll den nun nur noch im letzten Abschlussband kommen?
michidiers ist offline   Mit Zitat antworten