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Alt 21.09.2009, 18:41   #73  
Peter L. Opmann
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The Amazing Spider-Man # 204

Diese Serie ist auf lange Sicht zweifellos die wichtigste bei Marvel, und sie war es auch für mich. Hier machte ich aber eine ähnliche Erfahrung wie bei Iron Man. Viel hatte sich verändert seit der letzten Williams-Ausgabe, „Die Spinne“ # 137 (das ist „Amazing Spider-Man“ # 136), obwohl sie nur etwa sechs Jahre zurücklag. Ich hatte „Die Spinne“ bei Condor weitergelesen, wo die vorliegende Ausgabe dann als # 49 erschien, aber dort gab es keine chronologische und lückenlose Veröffentlichung der Serie mehr. Außerdem war da noch das Problem des „fehlenden Jahrs“. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Die Kabbeleien der Spinne mit der Schwarzen Katze lassen sich auch ohne Vorkenntnisse ganz gut lesen. Aber inzwischen ist diese Episode ja nicht mehr neu, sondern nahe an die klassische Phase herangerückt, die man vielleicht mit dem Tod von Gwen Stacy abschließen könnte.

Damals, 1980, sah ich das ganz anders. Ich las von etlichen merkwürdigen Veränderungen, meist ohne ihren Grund oder Hergang zu erfahren: J. Jonah Jameson ist nicht mehr beim Daily Bugle, findet sich stattdessen verletzt in der Gosse wieder und hat sein Gedächtnis verloren, und der neue Chefredakteur Robbie Robertson scheint eine krankhafte Persönlichkeitsveränderung durchzumachen. Ich habe darauf verzichtet, bei Condor nachzuschauen, was dahintersteckt. Peter Parker wird von einer Studentin namens Dawn Starr angebaggert, wodurch ich erfuhr, daß er inzwischen als Dozent an der Uni arbeitet. Außerdem ist er offenbar als Fotograf zur Konkurrenz des Daily Globe gewechselt, wo er mit einer Kollegin namens April Probleme hat. Spider-Mans Verhältnis zur Schwarzen Katze wird in einer raffinierten erotischen Schwebe gehalten. Allerdings erfährt man nicht, in welchen Verhältnissen Peter Parker zu dieser Zeit beziehungsmäßig überhaupt lebt.

Das alles wollte ich damals gern durchschauen, aber konnte es nicht. Dafür hätte ich zumindest „Amazing Spider-Man“ # 137 bis 203 lesen müssen, womöglich auch die neuen Serien „Peter Parker“ oder „Marvel Team-up“. „Web of Spider-Man“ war 1980 anscheinend noch nicht gestartet. Mir wurde klar, daß man nicht einfach ein beliebiges Marvelheft zur Hand nehmen und sich unterhalten lassen konnte. Eine Ahnung dieses Problems konnte ich bereits zu Williams-Zeiten haben, wenn dort ein Crossover nicht funktionierte, weil eine Serie auf Deutsch nicht vorlag oder zeitversetzt erschien. Man muß zumindest ein Stückweit über der Marvelwelt stehen, dann kann man darauf verzichten, jede Feinheit im Privatleben der Protagonisten und jede Anspielung auf den Werdegang eines Helden zu verstehen. Das wollte ich aber nicht akzeptieren, da das Verfolgen dieser Feinheiten einen Gutteil des Lesevergnügens ausmacht. Ich mußte einsehen, daß ich in bekannte Serien nach einer gewissen Pause nicht ohne weiteres wieder einsteigen konnte.

„Spider-Man“ wurde inzwischen übrigens von Marv Wolfman geschrieben. Zeichner Keith Pollard hatte ich oben („Thor“) schon erwähnt. Ich mochte ihn auch hier nicht besonders. In meinen Augen völlig unnötig kopiert er immer wieder klassische Heldenposen von Steve Ditko, aber auch von Gil Kane. Auf der drittletzten Seite übernimmt Pollard ziemlich ungeniert die berühmte Szene aus „Amazing Spider-Man“ # 32, in der der Held unter tonnenschwerem Maschinenschrott begraben wird. Heute sehe ich das eher als bewußtes Zitat, einen Insidergag für Stammleser. Damals dachte ich, Pollard meine wohl, an die Vorlage erinnere sich sowieso niemand mehr, so daß er sich bedienen konnte. Jedenfalls hätte sicher schon damals ein Grafiker der Serie gutgetan, der ihr einen völlig neuen Look verpassen konnte, jemand wie etwa Bill Sienciewicz oder Frank Miller. Aber solche Leute konnte auch Marvel natürlich nicht aus dem Ärmel schütteln.
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