Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 17.09.2009, 18:45   #19  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.594
Schwermetall # 1 bis 4. Volksverlag, Linden (Februar bis Mai 1980). 5 Mark

Ein Samstag im April 1980. Ich war Redaktionsmitglied einer Schülerzeitung namens "Notausgabe"; die war Anfang 1978 zur Zeit eines großen Druckerstreiks gegründet worden und brachte es bis 1984 immerhin auf 25 Ausgaben. Für die Schlußredaktion trafen wir uns immer bei einem Redakteur zuhause. Bei diesen Treffen wurden immer noch hektisch Artikel fertig geschrieben, illustriert, zusammenge-klebt, aber es gab nicht für jeden die ganze Zeit über etwas zu tun. So nahm der Gastgeber, feinsinnig und hochgebildet, aber auch ein großer Anhänger der Trivialkultur, mich dezent beiseite, um mir eine Neuerwerbung zu zeigen: drei Ausgaben des Magazins "Schwermetall". Auf dem Titel der ersten Ausgabe brüllte auf einem Felsen hockend ein pavianartiges Monster in die Sternennacht. Innen flatterte Arzach auf seinem seltsamen Flugtier um ein archaisch wirkendes Turmbauwerk herum, befand sich ein Raumschiff in den Klauen einer ameisenbärartigen Kreatur des Alls, diskutierte der Tod in einer tristen Schneelandschaft mit einem bärtigen Hippie, starb ein gescheiterter Killer der Zukunft unter den Düsen eines startenden Raumschiffs, liebte eine orientalische Prinzessin zwei Reisende im Schatten eines schlafenden Dschinns, begann Major Gruber die luftdichte Garage zu erkunden. Daß die hier vorgestellten Comics etwas ganz Besonderes waren, ließ sich auch an der gediegenen Aufmachung und sorgfältigen Grafik des Magazins ablesen. Gleich am Montag stürzte ich in den Bahnhofskiosk, stellte aber zu meinem Entsetzen fest, daß inzwischen schon "Schwermetall" # 4 erschienen und die ersten drei Hefte nicht mehr greifbar waren. Später habe ich mir die dann zumindest in einem Sammelband zulegen können. Erst um Nummer 70 herum, als schon längst nicht mehr Raymond Martin die Geschicke von "Schwermetall" lenkte, habe ich das Interesse allmählich verloren. Besseres als die zuerst präsentierten Arbeiten von Moebius, Druillet, Corben oder Jones würde wohl nicht mehr kommen. "U-Comix", "Pilot", "Vampirella", "Hinz & Kunz" und sogar "Witzbold" habe ich selbstredend auch gelesen. Aber "Schwermetall" wurde für lange Zeit zum Synonym für die Möglichkeiten der Comics. Lediglich die härteren amerikanischen Underground-Sachen, die wie die Beat-Literatur zur harten Wirklichkeit zurückkehrten, hatte ich bis dahin noch nicht kennengelernt. Wenn ich selbst Comics zeichnete, dann war "Schwermetall" seit 1980 Ideengeber und Meßlatte.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten