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Alt 17.09.2009, 08:45   #12  
Peter L. Opmann
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Horror # 55. Williams Verlag Hamburg (ca. 1977). 1,50 Mark

Der Erwerb dieses Hefts war für mich ein Einschnitt. Inzwischen besuchte ich die weiterführende Schule in der Stadt und kaufte mir Comics regelmäßig selbst. Ich weiß noch, daß ich diese Serie ausprobieren wollte und die Ausgabe auf dem Weg zur Orgelstunde gekauft habe. Während ich darauf wartete, daß ich drankam, habe ich heimlich ein bißchen darin gelesen. Ich fühlte mich fast so, als ob ich gerade den „Playboy“ erstanden hätte. Immerhin handelte gleich die erste Geschichte von Ehebruch. Carl erblickt in einem Spiegel seine Traumfrau und benutzt diese Tür in eine Parallelwelt, um sie zu treffen. Seine häßliche Gattin hat Verständnis, aber sie zerstört nach seinem Abschied den Spiegel. Die Traumfrau enthüllt Carl darauf, daß sie ihn nur deshalb in ihre Welt gelockt hat, um daraus entkommen zu können, und daß sie in Wirklichkeit eine superhäßliche Hexe ist. Ein Schock für mich und wohl die erste erotische Comicgeschichte, die ich je gelesen habe. Nach der Lektüre hatte ich mit dem Vorspielen meiner Etüden einige Schwierigkeiten. Die zwei anderen Horrorstories hatten es aber auch in sich: Ein Rockstar paktiert mit dem Teufel. Er verleiht ihm die Fähigkeit zu schweben, was seine Bühnenacts aufwertet. Aber dann schwebt er davon und stirbt jämmerlich in der Stratosphäre. Und eine Baroness findet einfach keinen Lover, weil sie ein Vampir ist und die Kavaliere aussaugt, bevor sie sie küssen kann. Nur bei Graf Ivor scheint es anders zu sein. Bis sich herausstellt, daß er ein Werwolf ist und sich schneller verwandelt, als sie zuschnappen kann. In diesem Heft siegte nirgendwo das Gute, vielmehr wurden die Pläne der Protagonisten immer auf perfide Weise durchkreuzt. Parallelwelten, Werwölfe und Kontrakte mit dem Teufel haben mich nicht unbedingt in Schrecken versetzt, aber die negative Weltsicht hat sich mir schon mitgeteilt, und so stellte dieses unscheinbare Comicheft mir plötzlich tiefere Lebensfragen. Aber „Horror“ war auch einfach gut gezeichnet. Da waren Leute wie Alfredo Alcala, Alex Nino, Rubeny oder Jerry Grandenetti am Werk. Und das lernte ich allmählich immer mehr schätzen.
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