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Alt 12.01.2008, 18:54   #46  
dietmar-wenzel
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Vielen Dank für den Hinweis auf den Artikel von Alfred Mühlenbach in TREFFER Nr. 5 aus dem Jahre 1998: "Gigantische Comic-Vernichtungsaktion biblischen Ausmaßes! 425.000 Comic-Hefte durch den Schredder gejagt!" [# 99] Bei der Recherche zu meinem Kommentar zum Editorial des Volker Hethke für "Sprechblase" 211 [Link dazu bei #76] bin ich zwar auch auf den Hinweis "Comic-Vernichtung 1998" gestoßen, mir wurde aber leider kein Text angezeigt, als ich den Link anklickte. Schade, denn dieser sehr gut geschriebene Bericht zeigt die Problematik auf, die von anderen hier im Forum offenbar gar nicht gesehen wird.

Ein Händler vernichtet keine Ware, die er noch verkaufen könnte - auch, wenn er es lautstark ankündigt. Die im "TREFFER"-Bericht geschilderte Vernichtung von Comics ereignete sich 1998 und erfolgte unfreiwillig. Sie sei von einem Notar überwacht worden, heißt es dort, weil die Lizenzverträge dem Verleger Thomas Schmitt die Vernichtung von Überproduktionen seiner Piccoloreihe "Cubitus" (12 Hefte sind damals erschienen) zwingend vorgeschrieben hätten. Thomas Schmitt hatte also gar keine Wahl: Er musste 425.000 Piccolos im Verkaufswert von umgerechnet etwa 326.000 Euro vernichten. Der Kleinverleger, der sich mit seinem Projekt offenbar übernommen hatte, musste alles, was er an den Kiosken nicht verkauft hatte, vernichten, obwohl er die Hefte, wie es im Text heißt, "lieber an Kindergärten verteilt" hätte.

In dem Bericht von Alfred Mühlenbach wird das Gewicht der vernichteten Comics mit mehr als 2,5 Tonnen angegeben. Ein einzelner Lastwagen habe acht Paletten mit insgesamt 380 Kartons in verschiedenen Größen zum Schreddern unter notarieller Aufsicht gebracht. Das gesamte Volumen der "Cubitus"-Piccolos dürfte, was sich leicht nachrechnen lässt, bei 10 oder 11 Kubikmetern gelegen haben - und entspricht somit in etwa der Menge, die der Müllcontainer fasst, den Volker Hethke zu Illustration seines Editorials in der "Sprechblase" abgebildet hat. [Zum Nachlesen des Editorials und zum Betrachten der Photos siehe # 76]

Die Füllung eines solchen Containers mit Hethke-Ware wäre aber bei weitem wertvoller als die 2,5 Tonnen beziehungsweise 380 Kartons mit "Cubitus"-Piccolos. Das ist übrigens genau der Punkt, an dem ich sofort stutzig wurde, als ich die Photos in der "Sprechblase" sah. Im Text suggeriert der Verlegersohn nämlich, dass er Neuware vernichtet. Von "Überproduktion" und "Ausschuss" ist im Editorial nicht die Rede! Es wird dort auch nicht behauptet, dass die Ware irgednwelche Mängel habe. Nein, es soll um Neuware gehen.

Volker Hethke behauptet, er würde Comics vernichten, damit die Sammlungen der Hethke-Kunden nicht an Wert verlören! Wer glaubt ihm das? Im Text # 84 behauptet "die erste" sogar in aller Deutlichkeit: "Volker Hethke verzichtet da auf eine beträchtliche Summe Geld!!!" Woher will sie das wissen? Sollen wir das wirklich glauben?

Würde er zum Beispiel einen 10-Kubikmeter-Müllcontainer mit 300.000 Sigurd-Piccolos der 3. Serie "befüllen", dann entpräche das einem Verkaufswert von fast 2 Millionen Euro! Würde er 150.000 Hefte Großbände wie die Karl-May-Serie im Container entsorgen, entspräche dies einem Verkaufswert von 2,3 Millionen Euro! Und Volker Hethke behauptet, er sei bereits dabei, "etliche" solcher Container zu "befüllen". Sind diese Angaben wirklich glaubhaft?

Der Inhalt der Hethke-Container besteht auch nicht nur, wie hier im Forum lässig behauptet wird, aus "vor allem: uralte ungültige Kataloge und Zeuch mit DM Preisen" [# 89]. Die Photos zeigen anderes. Wie im Text des Volker Hethke behauptet, sieht man Neuware - vor allem auf dem rechten Photo. Preisauszeichnungen sind auf beiden Photos gar nicht erkennbar, man kann die Preise nur indirekt ermitteln, indem man die Kataloge bzw. Hefte oder Alben identifiziert. Das linke Photo zeigt jedenfalls auch Großbände (Einzelpreis 15 Euro). Auf dem linken Photo, das von einem Standort unmittelbar vor dem Container gemacht wurde, sind die Großbände entlang der linken Seitenwand des Containers sowie vorne und entlang der rechten Seite des Containers so ausgelegt worden, dass der Betrachter sie gut sehen kann. Dazwischen liegen auch Preiskataloge, die wohl nicht mehr viel wert sind. Auf dem anderen, dem rechten Photo sieht man einen Container mit Alben. Die Füllhöhe entspricht sehr genau der des Containers auf dem linken Photo, allerdings ist der Blickwinkel des Betrachters diesmal ein anderer. Das zweite Container-Photo wurde offenbar von einem Fenster in einem Obergeschoss gemacht, sodass der Betrachter von oben auf den Container blickt. Der Betrachter sieht irgendwelche Comicalben. Um welche Serien und Ausgaben es sich handelt, ist nicht zu erkennen. Das weihnachtliche Rot, das überall zu sehen ist, könnte von Sigurd-Sonderbänden stammen. Sehen wir wirklich einen zweiten Container oder zeigt das Bild denselben Container aus anderem Blickwinkel noch einmal, diesmal mit einer zusätzlichen oberen Lage?

Hat Volker Hethke, wie er im Editorial zur "Sprechblase" 211 glauben machen will, "etliche" Container mit Neuware vernichtet? Wieviel Container sind "etliche" Container"? Wieviel Millionen Euro Verkaufswert?

Ich finde es recht eigenartig, dass mehrere Comic-Leser hier im Forum meine begründete Skepsis nicht nur nicht teilen, sondern auf die Kritik an Volker Hethke sogar gereizt reagieren. Ich war sehr erstaunt darüber, welche große Verehrung der Verlegerfamilie Hethke offenbar entgegengebracht wird. Ich sehe darin eine Art Heiligenverehrung, die ich wirklich nicht teilen möchte. Ich meine, dass jeder seinem gesunden Menschenverstand vertrauen und gegenüber Menschen, die als Geschäftsleute Geld verdienen wollen, kritische Distanz behalten sollte.

Und ich möchte wiederholen: Selbst wenn "etliche" Container mit Comics im Wert von Millionen von Euro tatsächlich vernichtet wurden, hätte dies im letzten Editorial der "Sprechblase" nicht so großen Raum einnehmen dürfen. Denn die beiden Photos sind eine Provokation, wenn sie echt sind, und eine Dreistigkeit, wenn sie gestellt sind. Norbert Hethke jedenfalls hat es nicht verdient, dass sein Verlag sich mit solchen Bildern verabschiedet.
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