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Servalan 19.03.2018 18:56

Auf Umwegen zur Kunst (und zurück)
 
Berühmte Leute hegen und pflegen ihre Hobbies wie andere auch.
In dieser Rubrik geht es um Quereinsteiger oder andere Prominente, die entweder auf anderen Gebieten berühmt geworden sind oder mit der Bildenden Kunst eingestiegen sind, aber woanders ihren Durchbruch hatten.
Allerdings sollte ihr künstlerisches Wirken schon anerkannt sein, zum Beispiel durch Rezensionen im Feuilleton, die Angabe des Marktwerts oder gar Retrospektiven.

Da fällt mir der Schauspieler Rainer Hunold (Jahrgang 1949) ein, der von 1969 bis 1972 an der Hochschule für Künste in Braunschweig Malerei und Bildhauerei studierte. - Siehe auch Post #71 in "Kunst machen in Filmen und Serien".
Bekannt wurde er 1978 als Kalli Flau in dem ZDF-Mehrteiler Ein Mann will nach oben (nach Hans Fallada). Als Rechtsanwalt Dr. Rainer Franck löste er mit Privatdetektiv Josef Matula mehr als ein fall für zwei. Heute flimmert er als Der Staatsanwalt Bernd Reuther über die Mattscheibe.
Seit 2003 präsentiert er seine Gemälde und Holzskulpturen in Austellungen. Sie erreichen Preise von bis zu 4.000 Euro.

Servalan 19.03.2018 19:14

Ebenfalls als Schauspieler wurde Dennis Hopper (1936 - 2010) weltberühmt.

Als Kind lernte er am Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City, Missouri malen und zeichnen, dabei reicht sein Können vom Fotorealismus bis zum Abstrakten Impressionismus.
Er schrieb auch Gedichte, aber weite Teile seines Frühwerks zerstörte er.
Weil er als schwieriger Schauspieler galt und von den großen Studios nur selten eingesetzt wurde, konzentrierte er sich auf Fotografie, Malerei und Bildhauerei. In den 1960ern wurde seine Karriere von einflußreichen Kritikern aufmerksam verfolgt. Das Cover von Ike & Tina Turners Single "River Deep – Mountain High" (1966) stammt zu Beispiel von ihm. Seine Porträts wurden von Magazinen wie Vogue gedruckt.

Seine Ausstellungen fanden in folgenden Museen statt: Corcoran Gallery of Art, Washington D.C.; Walker Art Center, Minneapolis, Minnesota; Stedelijk Museum, Amsterdam; in der Eremitage, Sankt. Petersburg; MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien; Whitney Museum of American Art, New York, Cinémathèque Française, Paris; Australian Centre for the Moving Image, Melbourne (ACMI); Museum of Contemporary Art, Los Angeles (MOCA) und Martin-Gropius-Bau, Berlin.
  • 1712 North Crescent Heights: Dennis Hopper Photographs 1962-1968 (Greybull Press 2001)
  • Dennis Hopper: Photographs 1961–1967 (Taschen 2011)

Peter L. Opmann 19.03.2018 20:53

Im Süddeutsche Magazin war gerade ein langes Interview mit Jürgen Draeger, jemand, der mir gar nicht so ein Begriff war. Er war Schauspieler, Maler und Zeichner. Er war tatsächlich auf dem Cover der "Bravo" und hatte mit Fellini, Fassbinder, Warhol und Willy Brandt zu tun. Seine wichtigste Bezugsperson war Bruno Balz - noch so ein Name, der mir nichts sagte, ein Schlagerkomponist der Nazizeit und der Nachkriegsjahre. Ich fand das sehr interessant, wie Draeger zwischen den Künsten oszillierte.

Gibt's eigentlich auch Frauen, die sich in der Kunst nicht so eindeutig verorten lassen?

Servalan 19.03.2018 22:13

Die klassischen Frauenrollen waren über Jahrtausende die einer Muse, eines Modells und einer Haushälterin. In den letzten Jahrzehnten hat sich einiges getan, aber das patriarchale Privileg steckt immer noch in vielen Köpfen und wirkt meist unbewußt nach. Faire Verhältnisse sehen anders aus.
Die feministische Kunstgeschichte beginnt in der Regel mit Artemisia Gentileschi und Angelika Kauffmann. Häufig blieben Künstlerinnen unter dem Radar, weil ihnen die Aufnahme in die obligatorische Akademie versagt blieb oder ihre Werke als Kunsthandwerk abgetan wurden (hübsche Bastelarbeiten zum Zeitvertreib und zum Zimmerschmuck). Ohne die Protektion eines männlichen Mentors, häufig des Ehemanns, des Vaters oder eines einflußreichen Gönners, lief da nichts.
Zur Zeit wird die gesamte Kunstgeschichte mal frisch durchgelüftet, und dabei werden vor allem Künstlerinnen und ihre Schöpfungen neu bewertet. Heutzutage kann Bildende Kunst fast alles sein, das reicht vom Hörspiel über Performance bis zur Konzeptkunst. Inzwischen haben Kuratoren und Ausstellungsmacher den Rang einzelner Künstler überrundet, weshalb die es generell schwerer haben. Wenn eine Künstlerin ein renommiertes Festival kuratiert, hat das ein positives Feedback auf das gesamte Werk.

Auf Anhieb fällt mir Maya Deren (1917 - 1961) ein, die ihre Karriere mit einem Bachelorabschluß in Literatur begann. Sie gehört zu den wichtigsten Vertretern der Avantgarde der 1940er und 1950er Jahre.
In den 1940ern stand sie als Choreographerin und Tänzerin Katherine Durham und der Durham Dance Company zur Seite. 1958 unterstützte sie Antony Tudor an der Metropolitan Opera Ballet School.
Nachdem sie mit ihren Experimentalfilmen in die Kunstgeschichte eingegangen war, verlagerte sie ihren Schwerpunkt auf das Studium des Voodoo, wofür sie heftige Kritik einstecken mußte. Sie nutzte nämlich ein Stipendium der Guggenheim-Stiftung, um 18.000 ft. über Rituale in Haiti zu drehen. Ihr anthropologisches Buch Divine Horsemen: Living Gods of Haiti | The Voodoo Gods (Vanguard Press 1953 (USA), Thames & Hudson 1953 (UK), Paladin 1975 und McPherson & Company 1998) gilt als anthropologisches Standardwerk, bei dem sie von Joseph Campbell unterstützt wurde. Zum Buch erschien 1953 bei Elektra Records Voices of Haiti, das heute als Musikethnosoziologie eingeordnet wird. Deren war praktizierende Voodoo-Priesterin.

Seit 1986 verleiht das American Film Institute den Maya Deren Award.

Peter L. Opmann 19.03.2018 22:38

Gerade habe ich eine Dokumentation über Edith Head gesehen, die berühmte Kostümbildnerin bei Paramount. Witzigerweise hieß es da: Als sie in dieses Metier kam, konnte sie nicht zeichnen, und irgendein noch bekannterer Modeschöpfer als sie hat es ihr beigebracht.

Das wäre also das Gegenmodell: Sie beherrschte die eine Kunst nicht, und die andere beherrschte sie auch nicht!

Der Film kommt zu dem Schluß: Sie war nicht die genialste Ausstatterin in Hollywood. Aber sie hatte mehrere Stärken: Sie ging auf die Stars ein und gab ihnen das Gefühl, sie könnten bei ihren Gewändern selbst mitbestimmen. Und sie konnte zwischen Produzent, Regisseur, Kameramann und anderen am Film Beteiligten vermitteln. die hatten völlig unterschiedliche Ziele: Der Regisseur wollte, daß die Kleidung zur Story paßte, der Kameramann wollte, daß sie optisch gut rüberkam, der Produzent wollte, daß sie möglichst wenig kostete und so weiter. Head fand für die Zielkonflikte eine Lösung. Und sie konnte sich selbst gut verkaufen - sie gab viele Interviews, trat oft im Fernsehen auf. Hieß es.

Servalan 20.03.2018 17:46

Mein Soziologieprofessor hatte noch in den frühen 1990er so seine liebe Mühe mit den "Doppelbegabungen". Bei ihm klang das despektierlich, und im Unterton schwang der Vorwurf mit: Wenn jemand es wirklich zur Meisterschaft respektive zum künstlerischen Durchbruch schaffen will, soll er sich gefälligst auf den Hosenboden setzen und sich auf ein Metier konzentrieren. Dann könnte das unter Umständen etwas werden, und nur dann ... Der Rest sind bloß Stümper und Hobbykünstler.
Ich glaube, zur Jahrtausendwende kippte das ins Gegenteil um: Die Kreativen (wie sie jetzt genannt werden) sind ja die Speerspitze des flexibilisierten Arbeitsmarktes. Statt eines Handwerks wie damals, hangeln die sich jetzt von einem Projekt zum nächsten durch und können es sich beim besten Willen nicht erlauben, wählerisch zu sein. Siehe auch das Buch Wir nennen es Arbeit über die prekären Verhältnisse in der Branche.

Einer fürs Körbchen:

Der Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1999, Günter Grass (1927 - 2015) gestaltete bei Steidl seine Bücher grafisch selbst. Nach einer Lehre als Steinmetz studierte er von 1948 bis 1952 bei Josef Mages und Otto Pankok an der Kunstakademie Düsseldorf Grafik und Bildhauerei.

G.Nem. 20.03.2018 21:43

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 565835)
(...) Wenn jemand es wirklich zur Meisterschaft respektive zum künstlerischen Durchbruch schaffen will, soll er sich gefälligst auf den Hosenboden setzen und sich auf ein Metier konzentrieren. Dann könnte das unter Umständen etwas werden, und nur dann ... Der Rest sind bloß Stümper und Hobbykünstler. (...)

Da kannst mal wieder sehen,
Soz.-Professoren kommen und gehen,
und J.W. Goethe bleibt bestehen. :D

Und evtl. auch der Grass,
eh klar.

Servalan 21.03.2018 14:02

Eine Zeitlang hatte ich wegen der Kombination meiner Studienfächer und meiner Leidenschaft für Comics mit dem Gedanken gespielt, eine soziologische Arbeit darüber zu verfassen. Also habe ich irgendwann mal unverbindlich vorgetastet - und das Thema "Doppelbegabungen" danach abgehakt.
"Doppelbegabungen" erkannte er an, aber seiner meiner Meinung nach waren die so selten wie taubeneigroße Diamanten höchster Güte. Ergo lohnte das nicht, jedenfalls nicht in der Soziologie - vielleicht in der Kunstgeschichte.
Mein Professor hatte schon einen gewissen Weitblick und gebildet war er auch. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er als Kind Wolfgang Borchert kennengelernt. Literarisch waren Jean Paul und Arno Schmidt seine Hausgötter. Er wirkte fleißig in Reemtsmas Arno-Schmidt-Stiftung mit und trat als Rezitator auf.
In Sachen Literatursoziologie plante er mal ein Seminar zur Hamburger Literaturzeitschrift Zwischen den Kriegen, die von 1952 bis 1956 im Selbstverlag erschien, und zu diesem Zweck hatte er seine Ausgaben dabei.

Der Nächste fürs Körbchen:

Der französische Comicautor Alex Barbier (1950 - 2019) zog sich nach der Einstellung von Charlie mensuel enntäuscht von den Comics zurück. Zwischen 1982 und 1994 widmete er sich der ernsthaften Malerei, betrieb ein Bistro im Pyrenäendorf Fillols und organsisierte kleine Independentfestivals BD Plouc festival de Fillols.
Vertreten wird er von der Galerie Barbier & Mathon in Paris. Ausgestellt wurde er in den Galerien Du Sénat und Loeb in Paris, Hall Sud in Genf und La main de fer in Perpignan.

G.Nem. 21.03.2018 15:28

Noch eine für’s Körbchen: :)

Für mich auch eine klassische Mehrfach-Begabung ist Beatrix Potter >
https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_Potter

Servalan 21.03.2018 15:42

Im Windschatten von Artemisia Gentileschi und Angelika Kauffmann steht die dritte Pionierin, die Beatrix Potter bestimmt gekannt und sicher geschätzt hat:

Maria Sibylla Merian (1647 - 1717) kombinierte in ihrer Malerei ihre Kunst mit naturwissenschaftlichen Interessen. Blumen malen fällt natürlich ins oben erwähnte hartnäckige Klischee, aber auf ihre Arbeiten bezog sich unter anderem Carl von Linné. Sie kam der Metamorphose der Insekten auf die Spur, die sie systematisch erforschte.

G.Nem. 21.03.2018 17:04

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 565880)
Maria Sibylla Merian

:top::top::top:

Ihre Naturdarstellungen sind bis heute 1a.

Servalan 22.03.2018 13:44

Friedrich Dürrenmatt (1921 - 1990) neigte zum Malen und Zeichnen, einige seiner Werke illustrierte er selbst, teilweise schuf er Bühnenbilder. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Kunst studiert:
Zitat:

Dürrenmatts Vater wollte, daß sein Sohn Theologie studiert, doch Friedrich hatte beschlossen, Maler werden. Der Vater stimmte dem zu, allerdings unter der Bedingung, daß sein Sohn vor dem Besuch einer Kunsthochschule das Abitur bestand. Dürrenmatt lernte daraufhin Tag und Nacht, bestand zwar das Abitur, aber zu einem Kunststudium kam es nie. Schuld daran war das Fehlurteil einiger professioneller Maler (...).
Seine Mutter Hulda zeigte seine Werke Eduard Wyss und Kuno Amlet, die sie lächerlich fanden. Während seines Studums bemalte er in Bern seine Bude mit Wandgemälden, die nach seinem Auszug übermalt wurden; mittlerweile hat die Dürrenmatt-Mansarde sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.
Obwohl seine Kunst später anerkannt wurde, mußte er nach den herben Enttäuschungen freundlich zu Ausstellungen überredet werden:
Zitat:

Eine erste Ausstellung seiner Bilder findet 1976 im Hôtel du Rocher in Neuchâtel statt. Nur sehr selten hat Dürrenmatt sich darauf eingelassen, seine eigenen Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Vor allem hing es mit der Kritik zusammen, die er in seiner Jugend erfahren mußte. (...) Erst der Freund, Hotelier und Koch Hans Liechti konnte ihn 1976 zu der kleinen und halbprivaten Ausstellung in den Räumlichkeiten des Hotels überreden. Eine zweite und weitaus umfassendere Ausstellung folgte zwei Jahre später in der Galerie Daniel Keel in Zürich. Begleitend dazu erschien der Bildband „Bilder und Zeichnungen“, mit einem Vorwort von Manuel Gasser. (...)
1985 stellt Dürrenmatt zum dritten und letzten Mal eigene Arbeiten aus, diesmal im „Musée d’Art et d’Histoire“ in Neuchâtel.

Servalan 24.03.2018 13:14

Zwar schuf Wilhelm Busch (1832 - 1908) mit seinen Bildergeschichten ein Werk, das über Generationen zum Hausschatz gehörte und quer über den Globus Nachahmer anregte, aber so richtig zufrieden war Busch mit seinem Erfolg nicht. Ihm wäre eine Karriere als richtiger Künstler lieber gewesen - oder wenigstens als ernsthafter Dichter.
Nachdem er sein Maschinenbaustudium abgebrochen hatte, setzte er sich intensiv mit seinen künstlerischen Fähigkeiten auseinander. Dabei führte ihn seine Walz über die Kunstakademie Düsseldorf und die Königlichen Akademie der schönen Künste in Antwerpen zur Akademie der bildenden Künste in München. Dort schließt er sich dem Künstlerverein Jung-München an.
Busch hat sich ausgiebig mit Alten Meistern und der Kunstgeschichte befaßt. Dadurch kommt er zu dem Schluß, daß er nicht gut genug ist - und nimmt Abstand.

Die 1930 gegründete Wilhelm-Busch-Gesellschaft pflegt sein Werk, betreut es wissenschaftlich und präsentiert es im Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch. Innerhalb des Kunstbetriebs fördert die Wilhelm-Busch-Gesellschaft eine stärkere Anerkennung der künstlerischen Grafik und der Karikatur. In ungeraden Jahren verleiht sie den Wilhelm-Busch-Preis.

Busch hätte ich in meinem soziologischen Essay erwähnt. Für meinen Professor wäre er sicher ein warnendes Beispiel gewesen: Möglicherweise hat Busch zu früh aufgegeben und sich dann in seinen künstlerischen Fähigkeiten verzettelt.

Servalan 25.03.2018 13:41

Wolfgang Herrndorf (1965 - 2013) landete mit Tschick einen veritablen Bestseller und ist auf dem besten Weg ein moderner Klassiker zu werden. Seine Anfänge liegen allerdings in der Bildenden Kunst, denn er studierte an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg Malerei. Für den Haffmans Verlag illustrierte er Bücher und veröffentlichte im Satiremagazin Titanic.
Seit 2015 gab es drei Ausstellungen:
  • Wolfgang Herrndorf: Bilder, im Literaturhaus Berlin, vom 13. Juni bis zum 6. September 2015
  • „Zitate“ – Bilder von Wolfgang Herrndorf, im Literaturhaus München, vom 6. Juli bis zum 25. September 2016
  • Das unbekannte Kapitel. Wolfgang Herrndorfs Bilder, im Kunsthaus Stade, vom 24. Juni bis zum 3. Oktober 2017
Im Rahmen der BR-Sendereihe Südlicht würdigt ein 30-minütiger Dokumentarfilm sein Werk in der Bildenden Kunst:
Südlicht: Was wissen wir noch nicht über Wolfgang Herrndorf? (BR 2016) von Bumillo - steht in der Mediathek (bis 2021)

Mick Baxter 26.03.2018 00:27

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 565763)
Seine wichtigste Bezugsperson war Bruno Balz - noch so ein Name, der mir nichts sagte, ein Schlagerkomponist der Nazizeit und der Nachkriegsjahre.

Abgesehen davon daß man Bruno Balz eigentlich kennen sollte – schließlich stammen weltberühmte Lieder von ihm wie "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn" –, war er kein Komponist sondern Texter. Und sein Verhältnis zu den Nazis war eher speziell.

Servalan 27.03.2018 15:46

Der Nobelpreisträger für Literatur 1946, Hermann Hesse (1877 - 1962) entwickelte er sich erst spät zum Maler, mit Vorliebe fertigte er Aquarelle.
Mit knapp vierzig Jahren verbrachte er einen Kuraufenthalt in Locarno und malte zur eigenen Therapie. Als Gast kommt er in die nahe gelegene Künstlerkolonie Monte Verità bei Ascona, wo er sich unter anderem mit dem Maler Cuno Amlet anfreundet (siehe Dürrenmatt #12).
Nach dem Ersten Weltkrieg verlagert er seinen Lebensmittelpunkt ins Tessin. 1922 wurde das Kommunale Museum für Moderne Kunst Ascona | Museo Comunale d'Arte Moderna gegründet, zu dessen Grundstock unter anderem Bilder von Hermann Hesse gehören.

Peter L. Opmann 28.03.2018 15:14

Gestern habe ich einen Musiker aus Kamerun getroffen:

Zitat:

Njamy Sitson spielt vielerlei Instrumente, ist Komponist, Schauspieler, Erzähler und Musiktherapeut. Am Freien Musikzentrum in München und an der Medical School of Hamburg lehrt er afrikanische Musik mit Schwerpunkt auf „Polyphone Gesänge und Percussion aus Zentralafrika“. Außerdem leitet er Gesangswerkstätten für Chöre und klassische Orchester in ganz Europa. Für den ARD-Film „Blutige Steine“ komponierte er die Musik mit.
Als Afrikaner sagt er allerdings: Leben und Kunst - alles ist eins. Nur die Europäer würden immer alles streng trennen. Für ihn gehöre alles zusammen. Das ist vielleicht nochmal ein interessanter Aspekt der Mehrfachbegabungen.

Servalan 28.03.2018 15:40

Ähem ... nö, die Europäer sind ziemlich ähnlich drauf: Die Autobiographie des Geheimrats heißt ja Dichtung und Wahrheit, und das hatte seinen besonderen Hintersinn. Und spätestens seit der Romantik war die Verschmelzung von Kunst und Leben quasi obligatorisch.
Das kommt schon auf die bestimmten Umstände in exakten Epochen an: Im Frühmittelalter dämmerte der Künstler als einzelnes Individuum erst schwach am Horizont. Das waren Auftragswerke für Adel und Klerus, und sogar der niedere Adlige Michel de Montaigne druckst ziemlich herum, weil er sich selbst in den Mittelpunkt seiner Schriften stellt.
Die Mäzene und Stifter der Kunstwerke verlangten einen obligatorischen Hinweis, der ihre großzügige Spende verewigt, während die Ausführenden einen subalternen Status innehatten. Ihre eigenen Initialen haben die zuerst unterderhand ins Bild geschmuggelt - wie zum Beispiel später bei Walt Disney.

Heute läuft das unter dem Label Autofiktion und Kozeptkunst. Da verweise ich auf Sophie Calle, Yoko Ono und Ai Weiwei ...

Mick Baxter 28.03.2018 16:06

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 566154)
Der Nobelpreisträger für Literatur 1946, Hermann Hesse (1877 - 1962) entwickelte er sich erst spät zum Maler, mit Vorliebe fertigte er Aquarelle.
Mit knapp vierzig Jahren verbrachte er einen Kuraufenthalt in Locarno und malte zur eigenen Therapie. Als Gast kommt er in die nahe gelegene Künstlerkolonie Monte Verità bei Ascona, wo er sich unter anderem mit dem Maler Cuno Amlet anfreundet (siehe Dürrenmatt #12).
Nach dem Ersten Weltkrieg verlagert er seinen Lebensmittelpunkt ins Tessin. 1922 wurde das Kommunale Museum für Moderne Kunst Ascona | Museo Comunale d'Arte Moderna gegründet, zu dessen Grundstock unter anderem Bilder von Hermann Hesse gehören.

Hesse war eng mit meinem Kunstprofessor Gunter Böhmer (Lehrstuhl Freie Grafik) befreundet. Der schleppte seine Klasse immer wieder nach Montagnola zum Zeichnen, auch noch lange nach Hesses Tod.

Peter L. Opmann 28.03.2018 17:33

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 566204)
Ähem ... nö, die Europäer sind ziemlich ähnlich drauf:

Ich denke schon, daß Sitson mit der Schubladisierung recht hat, zumindest was die Nicht-Kunstsachverständigen betrifft. Bei ihm ist das im übrigen auch eine rituelle, sozusagen religiöse Sache. Er ist Voodoo-Anhänger und will von daher die gesamte sinnliche Wahrnehmung übereins bringen.

Servalan 28.03.2018 19:32

Andresrum funktioniert das mit den Schubladen besser: Solange die Kolonien noch unter der Fuchtel ihrer Schutzmächte waren, wurde Kunst aus Afrika, Asien und Lateinamerika ja nicht ernstgenommen. Das landete wie der Arumbaya-Fetisch in den Sammlungen der Völkerkunde, wo es dann als exotisches Werk bestaunt werden konnte.

Das Museum für Völkerkunde Hamburg richtet in dieser Hinsicht seine Schauobjekte gerade neu aus. In Frankreich läuft meines Wissens eine ähnliche Umstellung. Spätestens nachdem Okwui Enwezor die documenta 11 kuratiert hatte, läßt sich das schlechte Gewissen nicht mehr zum Schweigen bringen.

Bei meinen Besuch in Brüssel vor einigen Jahren war ich in einem Hostel abgestiegen. An einem Nachmittag konnte ich ein Streitgespräch zwischen einem Schwarzafrikaner und einem christlichen Belgier mitverfolgen: Der Belgier schwärmte begeistert von der Spiritualität Afrikas, aber der Afrikaner wies ihn zurecht: Der schwärmte nämlich vom sozialen und solidarischen Europa, während sich in Afrika immer alles ums Geld drehe ... (Ich hatte den Eindruck: Beide lagen daneben und hingen an veralteten Vorurteilen. Seufz!)

Peter L. Opmann 28.03.2018 21:49

Ich würde mal festhalten: Das Kunstverständnis ist bei Afrikanern grundsätzlich anders als in der westlichen Welt. Die Ansicht, dass alles, was man tut, künstlerisch sein kann und alles zusammengehört, ist bei uns jedenfalls nicht sehr verbreitet. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Künstler jemand, der auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert ist und da Außerordentliches leistet. Daß es Leute wie Beuys gab oder etwa die Einstürzenden Neubauten, die mit allem Musik machten, was sie in die Hände bekamen, bleibt davon unbenommen.

Es gibt eine Menge gegenseitige Vorurteile zwischen Afrika und dem Westen. Die Kolonialzeit hatte wenig Gutes; die Europäer haben sich da einfach widerrechtlich Vermögen der Kolonien unter den Nagel gerissen - bestenfalls kann man sagen, daß sie kein Unrechtsbewußtsein hatten (da bin ich aber nicht so sicher). Das ist ein Unrecht, das bruchlos bis heute fortwirkt.

Aber die Idee, daß die afrikanischen Völker nur ihr Selbstbestimmungsrecht haben müssen, damit sich ihre Staaten zum Guten und zu industriellem Wohlstand entwickeln, ist auch falsch. Heraus kam fast überall Gewaltherrschaft oder zumindest Korruption. Vielleicht können sie lernen, in einiger Zeit (vielleicht in Jahrhunderten) ein Staatswesen zu akzeptieren, aber ich bin da skeptisch, denn im Prinzip kann man dort sehr gut ohne Staat leben - alle elementaren Bedürfnisse werden von der Natur befriedigt - ohne jede Planung und Bürokratie.

Der Staat führt zur Säkularisierung und damit zum Verlust der Spiritualität (ob das gut oder schlecht ist, ist Ansichtssache). Daß Europa sozial und solidarisch ist, kann man gerade in den letzten Jahren immer mehr bezweifeln.

Servalan 29.03.2018 00:14

Soweit ich mich in der Antike auskenne, waren es die griechischen Künstler, die sich einen Namen machten. Damit meine ich ein Logo oder ein Branding. Vor allem althellenische Bildhauer und Toreuten wie Phidias, Praxiteles und Zeuxis (sowie der Mythos von Pygmalion und Galathea) und die Architekten unter Perikles (Iktinos, Koroibos, Metagenes und Xenokles) dürften einen gewissen Ruhm eingeheimst haben.
Die Sieben Weltwunder der Antike sind hingegen eher Bauherrenmodelle, bei denen der einzelne Name hinter dem monumentalen Konzept verschwindet.
Und im Römischen Imperium lief dann das Revival der althellenischen Kunst mit Duplikaten und Fälschungen. Die Renaissance unter den Fürstenfamilien bot dann bei ihren Ausgrabungen das Revival 2.0.
Geschichtlich betrachtet, ergibt sich eine Tradition - wenn auch mit Lücken.

Dieser Strang fehlt außerhalb Europas. Insofern muß ich dir recht geben.
Wo ich die japanischen Sensei einordnen soll, weiß ich allerdings nicht.

Servalan 03.04.2018 12:26

Unter seinem Künstlernamen Captain Beefheart schrieb Don Van Vliet (1941 - 2010) zwischen 1964 und 1984 mit seiner Magic Band Musikgeschichte. Wegen seiner zahlreichen musischen Begabungen galt er als Wunderkind. Zur Musik brachte ihn sein Schulkamerad Frank Zappa.
Zeit seines Lebens nahm die Malerei jedoch einen wichtigen Part ein. Seine Gemälde werden mit dem Abstrakten Expressionisten Franz Kline (1910 - 1982) verglichen. Seit 1985 wurde er von der Mary Boone Gallery in New York vertreten, Anfang der 1980er begann seine Zusammenarbeit mit der Galerie Michael Werner in Köln. Verkauft wurden sie für bis zu 100.000 Dollar.
Schon früh erschienen analytische Studien von Kunstkritikern:
  • Stand Up To Be Discontinued - Die Malerei von Don van Vliet / The Art of Don van Vliet (Cantz Verlag 1993)
  • W.C. Bamberger: Riding Some Kind of Unusual Skull Sleigh: On the Arts of Don Van Vliet (Alap Editions 1999, Bamberger Books 1999)
Zwischen 1985 und 2002 listet der deutsche Wikipedia-Artikel 19 internationale Ausstellungen auf, darunter in Zürich, Amsterdam, Odense, Umeå, Köln und New York, zuletzt im Barbican Centre, London.

Servalan 03.04.2018 12:41

Herb Alpert (Jahrgang 1935) weilt noch unter uns. Die Musikbranche ehrte ihn neun Grammy Awards, 14 Platinschallplatten und 15 goldenen Schallplatten. Insgesamt verkaufte er bisher 72 Millionen Tonträger weltweit, darunter befinden sich fünf Nummer-1-Alben. 28 seiner Alben waren in den Charts vertreten.

Auf seine zweite Karriere als abstrakter Maler und Bildhauer geht nur die englische Wikipedia ein. Er nahm an Gruppen- und Einzelausstellungen in den USA und Europa teil.
In den Fokus der Kunstkritik geriet er erst mit seiner Ausstellung "Herb Alpert: Black Totems" in der ACE Gallery, Beverly Hills (Februar bis September 2010). Vom 4. Mai bis zum 20. Juli lief in der Robert Berman Gallery im Bergamot Station Arts Center, Santa Monica seine Ausstellung "Herb Alpert. "in•ter•course" paintings and sculptures".
Ansonsten dokumentiert sein künstlerisches Werk auf seiner eigenen Homepage fleißig.


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