Das Frühstück im Grünen
Fleißig mitgelesen, wird hier ja schon.
Möglicherweise taucht hier und da mal ein Frage auf - die kann dann in diesem Thread gestellt werden. Wie heißt es so schön: Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Allwissend bin ich leider nicht, und jedem Menschen unterlaufen mir mal Fehler. Dennoch werde ich nach besten Wissen und Gewissen weiterhelfen. Mal sehen, wie sich das Unterforum "Kunst" weiterentwickelt. Gegen Hilfe und Beistand von Bildenden Künstlerinnen und Künstlern, Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern Ausstellungsmachern, Kuratoren und Mäzenen habe ich nichts einzuwenden. Im Gegenteil, ich freue mich über jede Unterstützung. Wer will, kann in diesem Thread allgemein kommentieren, etwas anregen oder anmerken. Keine falsche Scheu. Allgemein hat sich der Umgang mit dem Publikum in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Zu meiner Schulzeit war es noch ziemlich schlimm. "Dumme Fragen" wurden kategorisch nicht beantwortet, und der blöde Banause, der sie zu stellen gewagt hatte, wurde hochnäsig abgekanzelt. Heute wird das alles lockerer gesehen. |
Bist Du Kunsthistorikerin?
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In den 90ern habe ich studiert, und Kunstgeschichte gehörte zu meinen Nebenfächern - einen Abschluß habe ich jedoch nicht.
Für Kunst habe ich mich immer interessiert. Während des Studiums habe ich sogar ein Seminar besucht, bei dem wir angehenden Kunstgeschichtler selber Kunst machen durften. Dazu gab es an der Fakultät eine kleine Ausstellung in einem Flur des Kunsthistorischen Instituts. Auch Leute mit Abschluß müssen aktuelle Entwicklungen im Blick behalten und ständig dazulernen. Die hiesige Kunsthochschule ist gut vernetzt und bietet Vorlesungen, Ausstellungen oder Kinoprogramme mit dem Kommunalen Kino an. Einen Katzensprung von hier gibt es eine rege Künstlerszene. Eine Kunsthalle, etliche Museen und Galerien runden das Angebot ab. Wer will, darf gerne mitmachen. |
Ich denk' mir mal eine fachbezogene Frage aus.
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Hier mal eine Frage - hat allerdings mit den bisherigen Threads wohl nichts zu tun:
War Tintoretto (Jacopo Robusti) einer der ganz großen Maler oder doch eher zweite Garnitur? Ich denke, man muß sich in Bildender Kunst schon ein bißchen auskennen, damit man von ihm gehört hat. Er stand auch eindeutig im Schatten von Tizian. Aber nach dem Urteil mancher Kritiker hat er in seinen Bildern eine unerhört tiefe Räumlichkeit erzeugt. 2012 gab es eine große Retrospektive in Rom, da schrieb die FAZ: "Wüßte man es nicht besser, man wollte schwören, Tintoretto habe Flutlichtscheinwerfer und Film gekannt, so huschend und gern auch verwackelt bewegt er die Gesten seiner Protagonisten, so gespenstisch flutet er Nachtbilder mit Schatten und Weißhöhungen, die nur von metaphysischen Lampen stammen können." "La Repubblica" wird zitiert: "Tintoretto ist es gelungen, die Farben- und Lichtkraft der toskanisch-römischen Schule mit der venezianischen zu verbinden." Hintergrund: In den 80er Jahren habe ich einige Zeit Malunterricht genommen (war aber relativ nutzlos; ich kann nur mit Linien umgehen, nicht mit Farben). Mein Mallehrer hielt Tintoretto für den Allergrößten. 1986 bin ich mal für zwei Wochen nach Venedig gefahren, da hat er für mich einen detaillierten Plan aufgestellt, an welchem Tag ich welche Kirche besuchen und welche Tintoretto-Gemälde anschauen soll, woran ich mich auch weitgehend gehalten habe. Insgesamt fand er schon damals, daß mein malerisches Talent durch die Comics völlig verdorben worden sei. |
Hier mal einer ketzerische Frage: Was ist eigentlich Kunst? Erst wenn man das weiß, kann man sagen, dass Comics Kunst sind (sind sie nicht, sondern Literatur).
Meine ebenso ketzerische These: Kunst gibt es gar nicht. Alle Kunst ist Konvention, meistens gesteuert von denjenigen, die vom Kunstmarkt profitieren. Ein Kunstwerk wird nur als Kunstwerk erkannt, wenn es zum Kunstwerk ernannt worden ist. Es gibt einen gutbürgerlichen Konsens über die Kunst der Vergangenheit; über die Kunst der Gegenwart bestimmt der Markt. Die Kunst der Vergangenheit war auch nicht beständig: Die Gotik war lange lange Zeit als barbarisch verschrien, Rembrandt wurde erst spät "wiederentdeckt". Auch heute werden regelmäßig "Künste" der Vergangenheit (für den Kunstmarkt) "wiederentdeckt" (die Präraffaeliten, die Orientalisten). Das sind "dumme" Thesen, auf die ich gern dumme Antworten hätte. eck:Drt |
Das ist dann ja so wie mit wahrer Liebe und Schizophrenie ... :D
Aber bring das mal schonend und verständlich den Verliebten bei. :floet: |
Ich habe einen Artikel darüber gelesen, dass sich die moderne Kunst in zwei Sorten spaltet:
https://www.perlentaucher.de/essay/w...arktkunst.html |
Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, den Begriff "Kunst" recht weit zu fassen. In dem Moment, als ein Ur-Mensch etwa einen Knochen nahm und etwas hineinritzte, war das Kunst, also Bildende Kunst.
Die Probleme beginnen für mich bei der Frage, welche Kunst qualitativ besser oder schlechter ist. Das ist natürlich zu einem Gutteil subjektiv. Man möchte aber doch glauben, daß es bis zu einem gewissen Grad auch objektive Kriterien gibt. Der wikipedia-Artikel über Tizian ist deutlich länger als der über Tintoretto. |
Zitat:
Wen oder was bildet eigentlich "Bildende Kunst"? eck:Prt |
Ich warte mal das Urteil der Kunsthistorikerin ab... ;)
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Ich tendiere auch zu eck;)arts Thesen, weil ich mich während meines Studiums
auch mit Kunsttheorie und -historik auseinandersetzen musste. Nur ein Beispiel – es gibt Sachen von Picasso die sind einfach nur (grob gesagt) Pinsel-Abstreif-Blätter (wie in meinem obigen Motiv zum Zitat von Cézanne) und was diese Dinger zu "Kunst" macht, ist die teure Signatur von Picasso. Kunst in Comics – da tendiere ich ebenfalls zur Story. Wenn keine Geschichte erzählt wird, ist es doch eigentlich hinfällig. Wobei mein Hauptaugenmerk darauf liegt, dass mit einer Story gut unterhalten werden soll. Ich sehe mich auch nicht als Comic-Künstler, sondern als Handwerker für Text + Illustration. Bevor ich mit einer Story anfange, frage ich mich – was will ich erzählen und was will ich mit der Geschichte erreichen? Die illustrative Ausarbeitung ist für mich immer erst der zweite Schritt nach der Geschichte. Jedenfalls spannendes Thema hier! :top: |
Darin steckt nochmal ein anderes Thema: Ist Kunst, die einen hohen Marktwert hat, besser als solche, die auf der Auktion ein Ladenhüter bleibt? Würde ich natürlich eher verneinen. Ein Preis hat aber den unbestreitbaren Vorteil, daß er meßbar und vergleichbar ist.
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Zitat:
Eine Ex-Freundin von mir (Malerin) lebte lange davon, dass sie für einen namhaften deutschen Künstler limitierte Druck-Grafiken komponierte und nach dem Druck colorierte. Die Leute die diese Teile gekauft haben, denken heute noch sie haben echte Werke von XYZ an der Wand. Echt daran ist nur die Unterschrift von XYZ und sein Segen zum Motiv. Na ja und die Rechnung der Galerie war natürlich auch echt. :D |
Die teuersten Comics der Welt (die ersten Comics mit Superman und Batman) sind ja auch nicht die besten Comics aller Zeiten.
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Oktober 2016:
Zitat:
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Und dafür noch vergleichsweise günstig.
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Schon klar. Der Tintoretto ist auch immer noch deutlich günstiger als "Action Comics" # 1. :D
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Schön, endlich Leben in der Bude.
Natürlich habe ich eine Vorstellung davon, was Kunst ist und was nicht. Aber die läuft bei mir unter persönlicher Meinung. In der Praxis gehe ich das pragmatisch an und achte darauf, was so an Debatten läuft, zum Beispiel in den Feuilletons. Um es kurz zu machen: Kunst ist für mich das, was in der Branche als solche gehandelt wird. Kunst ist das, was als solche an Kunsthochschulen gelehrt wird. Kunst ist das, was in der Kunstgeschichte gelehrt wird. Mein Einfluß in dieser Hinsicht ist vernachlässigbar. Über manche Kapriolen kann ich nur den Kopf schütteln. Was jetzt oder später das Etikett Kunst bekommen wird, das bestimmen andere - und die kommen aus dem Großbürgertum. Wer seine eigene Duftmarke in Sachen Kunst setzen will, braucht eine Menge Geld, viel Zeit und gute Verbindungen zu Verbänden und Institutionen. Eine Möglichkeit wäre es, sein eigenes Museum zu gründen - wie Lothar-Günther Buchheim (Das Boot) oder das Museum Ludwig in Köln. Die Guggenheim-Museen sind inzwisches ein internationales Franchise - wie Starbucks oder H&M. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Ausstellungen in berühmten Museen zu kuratieren. Auf der Ebene fällt mir spontan Harald Szeemann ein. Wer eine documenta zusammenstellen darf, muß zumindest beachtet werden. Dann gibt es einflußreiche Kunstkritiker und Journalisten wie Clement Greenberg, Leslie Fiedler oder Bazon Brock, die sich Gehör verschaffen können. Und selbst bei denen kann das eigene Projekt in die Hose gehen. Leute ändern sich, Jüngere haben einen anderen Geschmack und andere Vorlieben als Ältere. Da ist nix in Stein gemeißelt. Was unter Kunst verstanden wird, ändert sich. Heutige Kunsthistoriker bekommen leichter Forschungsmillionen für Studien zur Wahrnehmung (am besten mit Computertomographen) als für "ausgeforschte Alte Meister". Wenn die neuen Shootingstars sich allerdings plötzlich alle naslang auf Tintoretto beziehen, kann der "wiederentdeckt" werden. Ich glaube, ich bin ziemlich dicht dran an eck@rts Standpunkt. |
Zitat:
Allerdings kann man die Retrospektive in Rom 2012 vielleicht tatsächlich als eine Wiederentdeckung betrachten. |
Wie bei der Mathematik unterscheiden sich bei der Kunst die eigene Sicht von innen und die Sicht von Emma und Otto Normalbürger. Die haben entweder große Ehrfurcht, weil sie nix verstehen, oder halten den Kunstbetrieb für Mumpitz.
Von außen ist das ein Schwarzer Monolith, von innen eher ein mehrdimensionales Labyrinth à la M.C. Escher. Und dabei taucht ein Problem auf, das zu einem Paradoxon führt: Eine Zeitlang läßt sich Originalität durch Tabuverletzungen und Grenzüberschreitungen (zum Beispiel Gemälde auf dem Kopf) herstellen. Aber Kunst soll ja gerade nicht beliebig sein, weil sie sonst nicht als Ausweis von Kultiviertheit repräsentiert werden kann. (Pierre Bourdieu nennt das Distinktion.) Allmählich merken das die jungen Leute, die Kunst studieren. Wenn alles erlaubt, ist das schön und gut.Wer von Kunst leben will, braucht mehr als den 15-Minuten-Ruhm (heute wohl eher 15-Sekunden-Ruhm). Und für eine langfristige Karriere benötige ich eine feste und breite Basis, damit ich mich weiterentwickeln und Anregungen verarbeiten kann. Mittlerweile fordern junge Semester gut fundierte handwerkliche Grundlagen wie anatomisches Zeichnen oder Drucktechniken und wollen sich in der Kunstgeschichte auskennen. Das Handwerk gehört notwendig zur Kunst - nur ist nicht jedes Handwerk überall eine Kunst (siehe Paul Bocuse). |
Also eine Auskunft, welchen Stellenwert man Tintoretto geben kann, bekomme ich hier wohl nicht mehr... :kratz:
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Stell dich doch einfach vor einen Tintoretto und lausche, ob du die Aura des Kunstwerks spürst.
eck:glubsch:rt |
So eine Antwort hätte ich jetzt von Servalan auch erwartet: "Schönheit liegt im Auge des Betrachters."
Vor 30 Jahren habe ich mir um die 20 Tintoretto-Schinken in Venedig genauestens angesehen und bin sie abgeschritten. Von Tizian habe ich nur zwei bis drei Bilder betrachtet. Also ist klar, welcher Maler für mich der Bessere ist. |
Zitat:
Allerdings wird ihm ein italienischer Kunsthistoriker wohl einen höheren Rang einräumen als seine Kollegin aus Fernost, die sich auf Performance und Kunst der Gegenwart spezialisiert hat. Bei der Serie Achtung, Kunstdiebe mußte ich an Canaletto denken. In den 1970er Jahren war dieser Name allgemein geläufig, deshalb eignete er sich für leichte Unterhaltung. Heute kommt da wohl eher eine bescheidene Nachfrage, und dann heißt es: "Stimmt, den hatte ich fast vergessen. Aber jetzt ... wo du es sagst." |
Ah, danke. Das ist jetzt für mich nicht die große Offenbarung, aber hilft doch ein Stückchen weiter.
Es gibt ein paar Indizien, die ich auch kannte und die dafür sprechen, daß er wohl schon etwas herausragte: - Er steht an der Schwelle von der Renaissance zum Barock, wobei ich ihn vom eigenen Eindruck her als echten Barockmaler eingeordnet hätte. - Er hat ein sehr großes Werk hinterlassen; es gibt also sehr viel Material von ihm, mit dem man sich auseinandersetzen kann, und er zeigt eine große Bandbreite von Ausdrucksmöglichkeiten. - Er stand in Konkurrenz zu Tizian. Man sagt, Tizian habe ihn als Gehilfen eingestellt, bald aber aus seinem Atelier hinausgeworfen (war aber wohl in erster Linie das Problem Tizians). Beide haben eine sehr unterschiedliche Wirklichkeitsauffassung - Tizian war Idealist, Tintoretto hat sich viel stärker der schäbigen Wirklichkeit zugewandt. - Was man hier vielleicht auch noch erwähnen sollte: Er hatte eine Tochter, Marietta, die ebenfalls eine bedeutende Malerin war; leider ist sie mit etwas über 30 schon gestorben. Auch sie nannte sich "Tintoretto" - also ist das auch ein Fall für Feministinnen. ;) |
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Tintoretto hat zum Teil grauenhaft verkorkste Perspektiven, des öfteren entgleist die Bildkomposition völlig, vieles wirkt wie Theaterkulissen. Der Mann und seine Mitarbeiter waren eine Massenfabrik für Riesengemälde. Da wurden ohne Rücksicht auf die jeweilige Lichtquelle Figuren zusammen gesetzt, zum Teil auch noch in der falschen Bewegungsphase – furchtbar. Dagegen Tizian, da stimmen Licht und Schatten, die Komposition, die Perspektive. Ein Meister, obwohl natürlich auch Auftragsmaler im Sinne von – malen was der Auftraggeber will. |
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Merkt man auch an den neuen Strömungen Richtung realistische Malerei. |
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Und ist die Darstellung der vom Maler gesehenen Realität "leichte Unterhaltung"? Ist dann auch Joe Sacco "leichte Unterhaltung"? eck:kratz:rt |
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Ich habe auf meinen Lehrer große Stücke gehalten (auch wenn er mich für verkorkst hielt). Er hat mir auch eine Anleitung gegeben, wie man diese Riesengemälde sehen muß. Ich habe Tintorettos Räumlichkeit, seine tolle Lichtführung und die lebendige Bewegtheit seiner Figuren gesehen. Unter anderen Umständen wäre es wohl anders gewesen. Leider bin ich kein Fachmann und weiß daher nicht, ob ich den richtigen Eindruck hatte oder mir was vorgemacht habe. |
Ich mache dir mal ein Beispiel – es gibt viele – das Gemälde Mariä Tempelgang –
siehe unter > https://s-media-cache-ak0.pinimg.com...00cb1c0deb.jpg Die Perspektive der Treppe ist nicht vorhanden. Fast wie eine glatte, linierte Wand die sich nach oben windet. Die oberen Treppenstufen müssten eigentlich in Untersicht zu sehen sein. Die Lichtquellen sind völlig willkürlich gesetzt. Woher kommt das Licht? Vom Himmel? Von Links? Von Rechts? Jede Figurengruppe wird anders bestrahlt. Die Kompositionen der Figurengruppen stehen alle für sich, haben keinen Bezug zueinander. Vermutlich hat Tintoretto in seiner Werkstatt unterschiedliche Modelle zu unterschiedlichen Zeiten antanzen lassen und sie dann eben ins Bild gruppiert.. Z.B. die Figuren im Vordergrund (Frau und Kind) wirken viel kleiner als die Figuren im mittleren, linken Bereich auf der Treppe. Dort scheinen zwei Riesen zu sitzen. Die Proportionen sind also völlig verschoben. Der Rest des Bildes ist Theaterkulisse, in den oberen Rängen lümmeln ein paar Apostel über die Balustrade. Das alles ist übrigens keine Geschmacksfrage, sondern einfach Technik. Er konnte zweifelsohne sehr gut malen, aber der Rest – hinterfragungswürdig. Wundert mich nicht, dass ihn Tizian rausgeworfen hat. |
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Wenn der Maler es im Absinth-Rausch erlebt hat und es dann von Fassbinder im Kokain-Rausch verfilmt wurde, kann es auch "leichte Unterhaltung" sein. :D Zitat:
Ist natürlich keine leichte Unterhaltung. |
Wenn man die Kunstgeschichte ganz grob erzählt, dann war Tizian der letzte der großen Italiener. Danach kommt El Greco, aber der bleibt nicht in Italien und geht nach Spanien, und wird deshalb als der erste in der Ära der großen Spanier gezählt.
Tintoretto fällt dabei unten durch. |
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Im 18. Jahrhundert war man noch nicht scharf auf Absinth und Fassbinder. eck:Drt |
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eck:kratz:rt |
Wer sind da die eigentlichen Künstler - die Canalettos oder die Baumeister Venedigs?
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Von künstlerischer Qualität war bei mir nie die Rede. Ob sich etwas beim Publikum als "leichte Unterhaltung" vermitteln läßt, hängt mehr mit PR und guter Presse zusammen. Da genießt Tizian mit dem "Tizianrot" einen unschlagbaren Vorteil, der es wahnsinig schwer macht, ihn zu ignorieren. Die biographischen Feinheiten von Canalettos Doppelpseudonym treten dabei in den Hintergrund. Es sind eher grobe Signale wie Alte Meister, Italiener und Bilder, die im Museum hängen, und nicht in Galerien oder unvollendet im Atelier stehen - weder Dürer noch Beckmann eben. So wie die B***-Zeitung heute mit Gerhard Richter verfährt: Als die sich 2006 über die Kölner Domfester aufgeregt haben, konnten sie das mit einer Schlagzeile auf dem Titel kommentieren. Jahre später gratulieren sie ihm dann zum 85. Geburtstag ... Die meisten Künstler gehen der Zeitung am Allerwertesten vorbei, die bekommen nicht einmal eine Meldung von drei Zeilen unter Vermischtes. |
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Canaletto hat nicht seine Zeit wiedergegeben – im Sinne von Sozial-Kritik –, sondern die Architektur seiner Zeit. Deshalb trifft es das wohl eher ... Zitat:
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Es gibt aber einen Graubereich, bei dem es vom Umfang des Werkes abhängt, wer noch reinkommt und wer leider draußenbleiben muß. Bei "Kunstgeschichte in 99 Meisterwerken" fiele Tintoretto wohl unter den Tisch, bei einem 800seitigen Folio hat er wesentlich bessere Chancen. Insofern lautet die Frage: Welche Meister kann ich ignorieren? |
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Woran ich mich erinnere - aber es ist wie gesagt 30 Jahre her - sind sehr breite Formate (fast wie Cinemascope) mit Einblicken in Räume, wo man als Betrachter hineingezogen wird, Räume, die extrem tief sind und in denen sich Dramatisches abspielt, in einer ganzen Reihe von Ebenen. Wenn man nahe herangeht, meint man außerdem, daß Tintoretto ein früher Impressionist war. Ich sagte ja, mir kam er wie ein Barockmaler vor. Der malt keine Stoffe mehr mit feinsten Pinseln altmeisterlich aus, sondern erzeugt mit groben Strichen einen Farbeindruck, der erst in einigen Metern Entfernung zu wirken beginnt. Das ist das, was ich nie konnte. Ohne Begrenzungslinien bin ich verloren - das war wohl auch der Comiceinfluß, den mein Lehrer identifizierte und den er nicht mochte. ...aber jetzt darf auch mal wer anders eine Frage stellen. :D |
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Die Kunst ist es dann, diese verschwinden zu lassen in dem man Figuren etc. dreidimensional ausgestaltet. Das ist Technik die man lernen kann. Voraussetzung ist allerdings gut zeichnen zu können. Zum Thema Zeichenlehrer – da gibt es m.M.n. zwei verschiedene Typen – die einen wollen, dass du ihnen das lieferst, was sie gerne sehen, dann bist du in ihren Augen gut. Die anderen schauen sich erstmal an, in welche Richtung du dich bewegst, und unterstützen dich dann in dem was du machst. Ich vermute mal, dein Lehrer gehörte zur ersten Kategorie. Eine andere Frage – tja, wer war eurer Meinung nach wichtiger – Roy Lichtenstein, oder die ganzen Comic-Künstler die er abgezeichnet hat? |
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Neue Frage: Wer war wichtiger, Mondrian oder Lichtenstein? Und was hat das mit Comics zu tun? eck;)rt |
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Noch was vom Oberlehrer: Wir reden hier immer von "Canaletto"; es gab deren aber zwei: Giovanni Antonio Canal (1697–1768) und Bernardo Bellotto (1722–1780). Die meisten Venedigbilder stammen vom ersteren. eck:wink:rt |
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Ob dieses Bild auf einen Apfel gedruckt, oder auf eine Birne gemalt wird, ist egal, denn es bleibt das Bild. Zitat:
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Gewichtung von grafischen und farblichen Elementen unter anderem nach den Prizipien des goldenen Schnittes, was im Ideal-Fall auch bei der Gestaltung von Comic-Seiten Anwendung findet. |
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eck:grins:rt |
Wenn ich mich mal einmischen darf:
Ich finde es erstaunlich, daß moderne Kunst immer noch Skandal machen kann durch den Reflex: Der kann doch nix! Einfach ein Detail aus dem Werk eines wenig bekannten Künstlers vergrößern - das hätte doch meine Oma auch gekonnt! Naja, man kann so ein Kunststück halt nicht mehr wiederholen, wie etwa Peter Paul Rubens eine Menge Bilder malen konnte, die die meisten Betrachter alle so nicht hingekriegt hätten. Aber der Pop-Art-Künstler, der einmal neu hinsieht auf die Wirklichkeit und sagt: Das könnte einen neuen Sinn ergeben, wenn ich einem Stück Gebrauchsgrafik Aufmerksamkeit widme, indem ich es auf eine große Leinwand bringe, der leistet durchaus etwas für die Kunst. Nur, das zu wiederholen, bringt natürlich nichts mehr (außer Kohle). |
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Ob die Idee von Lichtenstein gut war, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Zitat:
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Deine Bemerkung, die Oma hätte das auch gekonnt und ich gehe mal davon aus, dass sie es gekonnt hätte, ist doch ebenfalls ein Knackpunkt und erinnert mich an einen Text, den ich gestern für einen anderen Beitrag geschrieben habe: Der Unterschied ist nämlich der, dass SIE es nicht gemacht, der KÜNSTLER es dagegen getan hat. (Der andere Beitrag hat mit Kolumbus zu tun, dem nach seiner Rückkehr - von Neidern - vorgeworfen wurde, die Neue Welt hätte jeder entdecken können, sie war ja da. Der Unterschied ist auch hier, Kolumbus hat es getan - aber das nur mal am Rande.) Kunst bedeutet für mich, völlig egeal ob bildender, musikalischer, textlicher, gebauter, usw. ein Werk, welches ich bewundern kann und selbst so nicht hinbekommen würde. Kunst kommt halt und so sehe ich das, von können und da kann der "Nichtkönner" noch so viel üben, er schaffts halt nicht. Wenn ein "Künstler", um zur bildenden zurück zu kommen, die Perspektive versaut, die Anatomie verzerrt, dann denke ich: "na ja, er hat sich bemüht ... mehr aber nicht" (und damit nicht sammelwürdig). Natürlich sollte mir das Motiv auch zusagen, sonst macht das keinen Sinn. Und ja, manchmal helfen sogar Kritiker, auch Galeristen, mich auf bestimmte neue Werke aufmerksam zu machen. Vielleicht gefallen sie mir ja tatsächlich, oder auch nicht. |
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eck:zwinker:rt |
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Denn was nichts kostet ist nichts wert, ergo auch keine Kunst. |
Oben hatte ich ja schon bemerkt: Ein Preis hat den Vorteil, daß er meßbar und vergleichbar ist. Man muß nicht lange rumdiskutieren.
Aber mir wäre es recht, wenn wir hier vom Marktpreis oder verkauften Stückzahlen oder ähnlichem absehen könnten. Man kann das mal als Kriterium mit heranziehen. Aber wenn nur der Preis den Ausschlag gibt, fühle ich mich unwohl. Ich bin kein Kunst-Käufer (ich kaufe nicht mal teure Comics). Aber vielleicht kann man eine Parallele zur Musik ziehen: Ein Punkkonzert in einer Gastwirtschaft mit angebautem kleinen Saal, in dem vielleicht 50 Fans drin waren, hat mir mehr gegeben als Robbie Williams im Olympiastadion (das ist jetzt konstruiert, denn auf einem Robbie-Williams-Konzert war ich nie). |
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Selbst ein Gauguin, der schon eine gewisse Reputation geniesst :zwinker: macht mir oft Kopfschmerzen, weil ich mit seiner Art nicht so viel anfangen kann. Mit anderen Expressionisten dagen schon, also nicht nur mit den alten Meistern, oder einfach ausgedrückt, ein Bild muß mich schlichtweg ansprechen, egal was die öffentliche Einstellung, die echte oder auch die gepuschte, dazu sagt. Egal auch, welche Stilrichtung, aus welcher Epoche und wie die öffentliche Meinung dazu ist. |
Die Welt der Kunst (und der Geschäfte damit) hat viele interessante Facetten. Für ein Münchner Literatur-Magazin hab ich einen Aspekt mal in einem One-Pager herausgearbeitet. :) https://zeichenmaschine.files.wordpr...iel-nemeth.jpg |
Wenn er stattdessen moderne Kunst gemacht hätte, hätte er es weit bringen können.
Reden konnte er ja. Und für Sebstdarstellung hatte er auch Talent. |
Ich finde, er hat es schon weit genug gebracht. Zu weit.
Ehrlich gesagt fehlt mir die Fantasie, in welchem Beruf "Hüttlär" gut aufgehoben gewesen wäre. |
Na ja, den Titel des Thread habe ich schon mit einem gewissen Hintersinn gewählt.
Einerseits gehört das erste Gemälde von Édouard Manet aus dem Jahr 1863 zu den frühen Werke der Moderne, das auf dem Pariser Salon zuerst abgelehnt wurde. Die Abgelehnten haben sich jedoch zusammengetan und was Eigenes auf die Beine gestellt, nämlich den Salon des Refusés. Das sollte fortan Methode machen: Sezession, Avantgarde, Manifeste und die ganzen Rebellionen gegen den Kunstbetrieb. Ein paar Generationen später hat sich die Aufregung dann gelegt, und die Rebellen von gestern sind Klassiker der Moderne. Das erste Cover von Claude Monet 1865 hängt heute ebenfalls im Musée d'Orsay. Wie bei einem Song von den Beatles gibt es Cover zuhauf, darunter von Picasso. Zola hat die Entstehungsgewschichte in seinem Künstlerroman Das Werk (aus dem 20bändigen Zyklus Die Rougon-Macquart) verewigt. Was dabei abgelaufen ist, das weist schon in die Richtung, die später Warhol auf den Punkt bringen wird und von den Nazis als "entartete Kunst" diffamiert und diskreditiert wurde. Um meine These ketzerisch zuzuspitzen: Ein Kunstwerk braucht auch einen Teil des Publikums, das gar nichts damit anfangen kann, das es lächerlich findet. Wenn es wirklich allen gefällt, ja, das wäre die wahre Katastrophe ... |
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Wie ich aber schon sagte, ich glaube daran, dass Kunst allein Konvention ist. Voraussetzung ist, dass jemand das "Kunstwerk" zum Kunstwerk erklärt und dass der geneigte Betrachter qua eigener Voraussetzung (Bildung, Indoktrination) "empfindet", das er vor einem Kunstwerk steht. Unter dieser Voraussetzung kann auch etwas "Kunst" sein, wenn nur ganz wenige es gut finden. eck:Drt |
Mawil: Le Picnic
http://www.mawil.net/wp-content/uplo...tsp_picnic.jpg ("The Singles Collection", Seite 75) |
Genau, das Gemälde gehört auch zu den am häufigsten parodierten. Leider ist die Darstellung auf Mawils Page zu klein um den Text lesen zu können. Warum ist die Dame auf dem Gemälde also nackt? :) Hier zum Vergleich ein Photo des Originals ... https://zeichenmaschine.files.wordpr...8/dsci8562.jpg |
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Und zur Lese-Schärfung dann noch etwas Pfeffer auf den Bildschirm. :D
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eck:kratz:rt |
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eck:Prt |
Teste mal:
Apfeltaste halten und Plustaste zum vergrößern. Apfeltaste halten und Minustaste zum verkleinern. Apfeltaste halten und Nulltaste um zur Originalgrösse zurück zu kommen. |
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Macht aber nix ... zurück zum Thema ... Frühstück im Grünen und warum ist die Frau auf dem Gemälde eigentlich nackt? :kratz: |
Sex sells.
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Heute würde Manets Prinzip wohl als Mashup oder Bricolage bezeichnet werden.
Er vermischt eigene Beobachtungen am Badstrand von Argenteuil mit Anleihen aus Antike und Renaissance. Die Grundlage seines ursprünglichen Entwurfs war das Urteil des Paris, der bei einem göttlichen Zickenkrieg entscheiden sollte, welche der drei Damen die Schönste ist. Der arme Junge konnte sich nur in die Nesseln setzen. Als Inspirationsquelle wird Tizians "Le Concert champêtre" (1508-1509) angesehen, Details weisen auf ein Fresko von Giorgio Vasari zum selben Thema. Vom Hütchen kam er aufs Stöckchen und landete so bei den Musen im schönen Arkadien. Schäferidyllen waren einige Jahrhunderte gefragt und finden sich zum Beispiel in Shakespeares Sommernachtstraum. Mit dem realen Leben von Schafshirten hatte das nichts zu tun. Vielmehr war das damals ein quasi utopischer Gegenentwurf zum höfischen Leben mit strenger Etikette - die Liebeschmonzetten von Anno Toback. Bedient hat er sich mehr ode weniger bei Raphaël: "Das Urteil des Paris". Manet kannte davon allerdings nur einen Kupferstich, den Marcantonio Raimondi danach gefertigt hatte. |
Beim Urteil des Paris sind es Paris und drei Damen, hier sind es zwei Paare.
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Ist es wirklich so einfach?
Sexus als Triebfeder jedweder Kunst? :weissnix: |
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Allerdings darf Hinz und Kunz bei dem Spiel mit Konventionen nicht mitmischen, Krethi und Plethi bleiben außen vor. Die richtigen Leuten müssen reagieren - siehe die Aufregung um die Performance "Auschwitz on the Beach" bei der laufenden documenta. Je mehr Leute von Gewicht sich an der Debatte beteiligen, umso besser. Wenn das Werk weitere Werke von anderen Künstlern provoziert, sorgt das für eine enorme Resonanz. Wenn sich immer wieder nachwachsende Generationen darauf beziehen, verschafft das eine gewisse Reputation. Jede Hommage, jede Parodie, jedes Pastiche wird zu einer Auszeichnung. Moderne Kunst funktioniert meiner bescheidenen Meinung nach ähnlich wie Vexierbilder. Spätestens mit der Erklärung sollte es einen Aha-Effekt geben. Und wer den kennt, kann sich als eingeweiht betrachten. Leute können sich guten Gewissens ein Leben lang damit beschäftigen, obwohl es keine simple Gebrauchsanweisung gibt. Irritationen und ein leicht flaues Gefühl in der Magengrube gehören dazu wie das Salz in der Suppe. Aber solche Werke können nicht am Reißbrett entworfen werden. Dann müssen sie auch noch funktionieren und den richtigen Leuten in die Finger geraten. Eine Gleichung mit zu vielen Variablen ... |
Gerade habe ich das SZ-Magazin vom 18. August nachgelesen.
Axel Hacke beschäftigt sich in seiner Kolumne "Das Beste aus aller Welt" mit dem Problem, daß die Uffizien in Florenz immer so überfüllt sind, wobei es den meisten Besuchern nur darum geht, ein Selfie vor Botticellis "Geburt der Venus" zu machen. Um das Problem zu lösen, schlägt er vor, daß jeder Besucher künftig zu Beginn eine Prüfung ablegen muß, ob er sich mit der Renaissance überhaupt auskennt. Besteht er nicht, darf er nicht rein. Alternativ könne es auch Prämien geben, wenn Leute freiwillig darauf verzichten, die Uffizien zu besichtigen. Sie könnten dann das Postkartenset "Große Maler der Renaissance" erhalten oder anderthalb Pizza-Gutscheine für ein beliebiges "da Bruno". Ja, Kunst ist leider nicht mehr elitär genug. :D |
Bei überlaufenen Museen und Mega-Ausstellungen, bei denen du dich am besten einen oder zwei Tage vorher anstellt, wirst du auch wie am Fließband durchgeschleust. Da frage ich mich schon, was von dem meist sauteuren Besuch übrigbleibt außer: "Seht mal alle her! Ich bin dabei gewesen! Ja, ich bin drin gewesen!" Bis zum Selfie ist es nur ein kurzer Schritt ...
Schon bei den Einführungsseminaren habe ich das Bilderzapping gehaßt: 120 Werke in 90 Minuten, mehr als ein oberflächlicher Hinweis wird das nicht. Außerdem geht bei der mehrfachen Reproduktion etliches verloren, übrig bleibt das Bildmotiv, eine Portkarte von Meisterwerken. Wer schon von zuhause einen eigenen Zugang zu Kunst und Ästhetik mitbringt, ist im Vorteil - und der läßt sich durch Büffeln nicht wettmachen. Exkursionen helfen auch nur bedingt, denn die laufen ebenfalls nach dem bewährten Nürnberger-Trichter-Prinzip. Worüber ich mich gefreut habe, war eine Zwangspause im Museum Louisiana bei Kopenhagen. Irgendwie saßen wir an dem Vormittag zwischen Baum und Borke, weswegen wir eine Stunde in einem Saal ausharren mußten. Dank guter Beziehungen unseres Professors waren wir schon Stunden vor dem regulären Einlaß im Museum und hatten unseren Pflichtrundgang recht früh beendet. Zuerst fand ich das Warten nervig. Aber je länger wir auf unserer Position standen, desto besser gefiel sie mir. Durch diesen Umstand konnte ich nämlich ein kreisrundes Gemälde von Claude Monet aus den "Seerosenteichen von Giverny" fast eine Stunde seelenruhig betrachten. Ich konnte mich in Pinselstrich und Farbauftrag versenken. Je länger ich hinsah, umso mehr entdeckte ich, das bei einer gerasterten Reproduktion verlorenen gegangen wäre. Der uferlose, grünviolette Teich war zugleich ein abstraktes Muster (wie eine Tapete) und ein plastisch konkretes Abbild der opaken Oberfläche. Ein gemaltes Koan, das zum Meditieren einlud. Ich konnte verstehen, warum Leute Millionen für Kunstwerke ausgeben oder Verbrechen begehen. Ich empfand dieses Erlebnis als Geschenk, das mir mehr wert war (und ist) als sämtliche Proseminare zur Einführung in die Kunstgeschichte. Genügend Zeit und ein freier Blick werden meines Erachtens nicht ausreichend gewürdigt. Wer will, kann sich das selbst gönnen - unabhängig vom Portemonnaie und vom Bildungsstand. Dazu gehört bloß Mut. |
Vielleicht sollte ich erwähnen, daß Axel Hacke Satiriker ist.
Was Du über Monets Seerosen erzählst, habe ich auch schon in Comicausstellungen erlebt. Letztes Jahr waren in der Frankfurter Schirn frühe Zeitungscomics ausgestellt, zum großen Teil Originalzeichnungen. Der präzise, elegante Strich kam da vielleicht noch besser zur Geltung als im verkleinerten Druck. |
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Mark Rothko und seine Gang wollten Anfang der 50er Kunst und Meditation verbinden. Ich hab mal einen Vortrag über Rothko gehalten und die ganze Zeit nur ein Bild gezeigt. Wenn da zum Schluss nicht alle high waren! Vor einem Pollock-Original klappt das auch gut. Ganz nah rangehen und alles übrige ausblenden (zum Beispiel diejenigen, die dich angiften, weil du das Bild verstellst). Man kriegt dasselbe auch, wenn man auf einen Punkt in der Luft guckt. Aber dann ist es keine Kunst, sondern Meditationstechnik. eck:Drt |
Sehen ist etwas Individuelles. Kann sein, daß jemand mit geschultem Blick nur ein paar Sekunden braucht, um auf Monets Seerosenbildern alles Wesentliche zu erfassen. Mir würde es da eher wie Servalan gehen. Das hat mit Meditation nichts zu tun.
Etwas anderes ist das Sehen beim Medium Film. Da wird mir von außen vorgegeben, wie lange Zeit ich habe, um ein Bild zu betrachten. Und diese Zeit wird ja tendenziell immer kürzer. Auch hier kann man vielleicht Sehgewohnheiten annehmen, die es erlauben, auch amerikanische Actionfilme richtig zu verfolgen. Die Regisseure wollen aber wahrscheinlich, daß ich vieles gar nicht richtig sehe (letztlich ist das Hitchcocks Dusche-Schnittechnik). Blöderweise wird man dadurch aber so erzogen, daß man nirgendwo mehr richtig hinguckt. |
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Es genügt, sich auf irgend ein Detail zu konzentrieren was man direkt in seinem Umfeld hat. Auch eine weiße Wand. An Pollock fasziniert mich das Aggressive. Er war der erste Bilder-Zerstörer, quasi die eingefasste / gerahmte Zerstörungswut. Sinnbilder seiner / unserer Zeit. |
Marcus du Sautoy würde euch vehement widersprechen.
Die Klecksereien von Jackson Pollock sind unwahrscheinlich schwer zu fälschen, und wer es dennoch versucht, wird ratzfatz ertappt. Der populäre Mathematiker hat das mit dem Dripping selbst probiert und kam zu dem Schluß, daß Pollocks Gemälde diese Qualität nur haben, weil Pollock ein Alkoholiker gewesen ist. Im Vollrausch ändert sich die Motorik, und die Kontrolle läuft ins Leere. Du Sautoy nennt das Phänomen "die geheimen Mathematiker". Bei Pollock - und wohl auch bei Monets "Seerosenteich" - lassen sich zwar einzelne Farbebenen unterscheiden, aber die sind allesamt selbstähnlich, obwohl sich weder ein Anfang noch ein Ende finden lassen. Quasi ein in Farbe übersetztes Moebiusband. Vergleichbar wäre Moebius' Kurzgeschichte von ewig fallenden Mann oder Osamu Tezukas Anime-Loop über einen Ball, der einmal um den Globus hüpft. Das ist was völlig anderes als der optische Selbstbetrug, der automatisch einsetzt, wenn jemand auf einen Punkt starrt. Wie der Goldene Schnitt lassen sich diese Phänomene klar und verständlich beschreiben. Die Faszination entsteht wahrscheinlich durch eine Kombination, die wohl die meisten als absurd empfinden: Einerseits besitzen die Gemälde (oder andere künstlerische Werke) eine natürliche oder traumhafte Qualität, andererseits verfügen sie über eine komplexe, nahezu manische Struktur. Das Apfelmännchen entsteht ja auch, indem das Ergebnis als neue Variable in dieselbe Gleichung eingesetzt wird. Fraktale Muster entziehen sich weitgehend der Kontrolle, denn schon kleinste Abeweichungen führen zu komplett anderen Ergebnissen. Manchmal wird so etwas zu einer Mode: Plakate von Salvador Dalì oder M.C. Escher oder der Erfolg des "Magischen Auges" ... |
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eck@rt hat explizit auf Originale von Jackson Pollock verwiesen.
Die Fälschungen habe ich als Kontrastfolie benutzt. Denn die scheitern auf ganzer Linie und sind entweder langweilig oder verursachen Kopfschmerzen. Hinzu kommt, daß Pollock und Monets "Seerosenteich" eigentlich häßliche Motive in dreckigen Farben zeigen. Die müßten das Gegenteil von schön sein. Der Vorspann von Twin Peaks greift Monet auf: Die Sequenz, in der der Cast vorgestellt wird, zeigt einen uferlosen trüben Fluß, der träge dahinströmt. Es gibt Episoden mit mehr oder weniger Gaststars, also variiert die Länge dieser Einstellung. Wenn mich nicht alles täuscht, ändert sich der Vorspann bei jeder Episode fast unmerklich. Als ob der jedes Mal aufs Neue aus einem gemeinsamen Pool neu geschnitten worden ist - also ein selbstähnlicher Vorspann. |
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Ich hab noch nie etwas von Pollock-Fälschungen gehört oder gesehen. Zitat:
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Wie ich immer sage – alles hängt mit allem zusammen! :floet: |
Marcus du Sautoy hat selbst megrfach versucht, Pollock zu imitieren.
Einige seiner Vorträge findest du online, und in die flicht er seine Pseudo-Pollocks ein. Meine Wahrnehmung sucht darin Punkte, an denen ich mich orientieren kann, und stolpert dabei von einer Achse zur nächsten. Muß wohl wie die Pareidolie ablaufen. Aber in den Imitaten finde ich keinen Haltepunkt ... Wenn diese Achsen das gesamte Blickfeld füllen, gerätst du ins Taumeln und Torkeln. Zum Verweilen lädt das nicht ein, eher zum Weglaufen. |
Das Geheimnis ist ganz einfach –
Pollock hat nicht nur einfach gekleckst, er hat eigentlich Muster komponiert. Diese Muster kannst du in seinen Bildern finden ( = meditativer Aspekt) und sie ergeben dann deinen gefühlten Halt beim betrachten eines Pollock ( = du kriegst keine Kopfschmerzen). Es ergeben sich Bezüge zur japanischen, chinesischen Schrift, zu deren Tusche-Malerei eben in Abstraktion. Deshalb ist Pollock Kunst und nicht einfach nur eine vollgekleckste Malermatte. Vollgekleckste Malermatten kann jeder. :D Wenn du also unbedingt einen Pollock imitieren willst, musst du dich mit seinen Mustern ergo seiner Handschrift auseinandersetzen. Wir haben das steinerzeit im Kunstunterricht mal "nachgespielt". Ging ganz gut, aber es fehlte die Unruhe, das aggressive Element die alle Pollocks haben. Den Marcus du Sautoy kenne ich nicht und muss ihn mir auch nicht anschauen (denk ich mir jetzt einfach mal so). |
Diese Muster lassen sich mathematisch erfassen.
Marcus du Sautoy schätze ich, weil er sich allgemein verständlich ausdrücken kann. Primzahlen, die Fibonacci-Reihe oder transzendete / irrationale Zahlen wie die Kreiszahl π und die Eulersche Zahl e können ähnlich faszinierend sein. Auf den Konferenzen des Chaos Computer Clubs Ende des Jahres bringt Joscha Bauer immer mal wieder interessante Vorträge. Und der vertritt die These, daß Kunst (und auch die Schöne Literatur) komplexe Symbolsprachen sind wie die Mathematik. Viele haben mit seinem Ansatz ein fürchterliches Problem. Es gibt ja etliche Literaten und Künstler, die sich damit brüsten, im Schulfach Mathe miserabel gewesen zu sein und mit dem Kram so überhaupt nichts anfangen können. Dabei haben Mathe in der Schule und die höhere Mathematik bloß etwas miteinander zu tun, wenn um das Führen von Beweisen geht. Das läuft in der Regel erst in den höheren Klassen, wenn es zum Beispiel darum geht, vom Multiplizieren auf den Satz des Pyhagoras oder die Binomischen Formeln zu kommen. Figurative Maler müssen die Mathematik des perspektivischen Sehens meistern, sonst liefern sie nur Pfusch ab. |
Ich hab gestern in Berlin die Performance "Von Monet bis Kandinski" gesehen:
http://visions-alive.com/ Hier ist eine Vorbesprechung von der Originalvorstellung in Moskau: http://www.tagesschau.de/videoblog/u...oskau-101.html Eine einstündige Videoshow mit Werken von Claude Monet, Edgar Degas, Paul Gauguin, Henri Rousseau, Henri de Toulouse-Lautrec, Gustav Klimt, Paul Signac, Piet Mondrian, Amedeo Modigliani, Vincent van Gogh, Pierre-Auguste Renoir, Juan Gris, Paul Klee, Edvard Munch, Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch, dazu passende Musik, dargeboten in zwei Räumen (einmal groß, einmal klein), der größere mit vier Wandflächen von ca. 5 x 15 Meter. Mittendrin sind Sitzgelegenheiten; man sucht sich seinen Sichtplatz selbst (ich schlage vor, den Stuhl direkt neben die Tür zum nächsten Raum zustellen). Das stellt alles auf den Kopf, was wir hier über Kunst reden: Die Bilder der genannten Maler (Kunst!) sind von den Videoleuten bearbeitet, montiert und zu einer Schau verarbeitet worden. Man hat nicht mehr unendlich Zeit, sich ein Bild anzusehen, sondern ist an das Tempo der Präsentation gebunden. Man sieht nie ein Bild alleine, sondern immer ein halbes Dutzend. Hört sich abwegig an, ist aber sehr gut gemacht, empfehlenswert, wenn ihr in Berlin seid. Die Räumlichkeiten sind schwer zu finden: nach dem Haupteingang durch einen Hof, dann aber nicht geradeaus ins nächste Gebäude, sondern um dieses Haus rum. Mir hat Kandinski am besten gefallen (den ich sonst gar nicht toll finde): eine Farborgie! Die Verwurstung von Kunst kann man natürlich mit der Verwurstung von Comics durch Lichtenstein vergleichen... eck;)rt |
Schön und gut, aber warum stellt das alles auf den Kopf? Du sprichst selbst von "Verwurstung".
Ich hoffe mal, die Antwort lautet nicht: So muß man heute Gemälde betrachten, weil das jetzt hip ist (und in Berlin stattfindet!). |
Ich meinte: »Kunst« ist zum einen vorgegeben (das Original-Gemälde) und zum anderen wandelbar und verwandelbar (der Lichtenstein-Effekt). Darüber hatten wir hier doch debattiert.
"Verwurstung" war ironisch gemeint (ich sehe das nicht so). Und was "hip" ist, tangiert mich generell wenig. eck:zwinker:rt |
Hatte Servalan nicht auch sowas erzählt mit "120 Bilder in 90 Sekunden"? Sicher, möglich ist vieles, und vielleicht ist das alles sogar auch noch Kunst. Aber gefallen würde mir das nicht.
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Nein, es ist eben nicht ein Anhäufung von Gemälden, sondern die Verarbeitung zu etwas Neuem. Das hat mit Kunst ebensoviel oder so wenig zu tun wie das Original, aber es macht Spaß, es zu erleben.
Ausprobieren! Alles ausprobieren! eck;)rt |
Stichwort Performance / Aktionskunst – dort dominiert m.M.n. die Provokation.
Anfang der 90er hatte ich, bedingt durch meine damalige Freundin, reichlich mit der Kunst-Szene zu tun. Nach der Besichtigung einer miserablen Live-Performance für extrem gut betuchtes Kunstsammler-Publikum entstand spontan diese Idee ... https://zeichenmaschine.files.wordpr...ucomix-145.jpg Zuerst hatte ich es damals STRAPAZIN angeboten, aber die wollten nicht. Dort dominiert ganz, ganz hohe Comic-Kunst. :D Angekauft hat es dann U-COMIX. :) |
Der rote Tisch ist ist genau im richtigen Stil.
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"Kunst" ist durch unser Grundgesetz geschützt. Eine Definition enthält das GG zum Glück nicht. Daher konnte und musste das Bundesverfassungsgericht den Begriff ausfüllen (wie vor 1933 schon das Reichsgericht). Die Definition unterlag (juristisch) einem steten Wandel. Von formalen Anknüpfungspunkten (Werkschöpfung) "formaler Kunstbegriff" über subjektive Angrenzungskriterien (Aussage-Schöpfung) "materieller Kunstbegriff" bis das BVerfG in mehreren Urteilen den "offenen Kunstbegriff" bevorzugte. Danach reicht der Zugang zur Interpretation. Die "bürgerlichen Konventionen" zählen rechtlich seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Gefahr, dass Konventionen über "Entartung" entschieden haben, war schon in den 50er Jahren den Richtern bewusst. Das Bildungsbürgertum ist teilweise auf dem Diskussionsstand von 1933 (meine ketzerische Aussage). Für das erste Staatsexamen musste ich den Kram bis zum Erbrechen lernen und hoffe, dass ich aus der Erinnerung alles richtig wieder gegeben habe. :wink: "Jeder Mensch ist ein Künstler." Joseph Beuys |
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Als das Kommunale Kino mal wieder ins Kreuzfeuer geriet, bin ich in einer Sitzung des Kulturausschusses gelandet. Dort werden Anspruche an Kunst und Kultur herangetragen, die ich teilweise abwegig, teilweise kontraproduktiv empfand. Wenn Politikern nichts mehr einfällt, dann soll die Kunst ran und den Karren aus dem Dreck ziehen. Je mehr die gefordert haben, umso deutlicher wurde, wie wenig die vom Tagesgeschäft verstehen. Beispielsweise sollten vermehrt schulpflichtige Kinder und Jugendliche (Stichwort Bildung und Erziehung) sowie Senioren (Stichwort Demographie) geworben werden. Kunst sollte das lösen, was die Politik nicht nur in der Schule verpennt hatte. Daß auch das reguläre Stammpublikum gepflegt werden muß, damit die nicht irgendwann wegbleiben - soweit dachten die Damen und Herren nicht. Diese ganze Sozialpädagogisierung hatte ich für einen Irrweg. Künstler werden so zu VHS-Hiwis, die zum Beispiel mit dem "Flüchtling des Tages" gute Stimmung machen sollen. Das meiste, was dabei fabriziert wird, ist nur peinlich und läßt sich in die Tonne treten. Insofern endet die Kunstfreiheit beim Geldbeutel: Wer zahlt, bestimmt, was gespielt wird ... |
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Insofern sind digitale Mashups und sorgfältig restaurierte Originale in klimatisch geschützten Museumsräumen für mich zwei Seiten derselben Medaille. Beide brauchen einander, sonst findet die Hohe Kunst keine Resonanz. Der Kunsthistoriker Eike Schmidt ist ein gutes Beispiel dafür. Er hat ein Faible für das Digitale und leitet zur Zeit die Uffizien in Florenz. (Sein Name kursiert zur Zeit in den Nachrichten, weil er 2019 das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) leiten wird.) Jede neue Generation muß für sich einen eigenen Zugang zur Kunst finden, und da gehört Digitales heute als Grundlage dazu. Wer darüber die Nase rümpft, schießt sich ins Bein und lügt sich in die Tasche. |
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