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Eldorado 18.02.2017 15:42

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 541725)
Spricht das nun dafür oder dagegen, daß "Blade Runner" - jedenfalls bei seinem ersten Einsatz in den Kinos - eine Enttäuschung war?

Eine Frage, die sich nicht wirklich stellt wenn man auch mal beachtet, dass der Film mehr als doppelt so teuer wie Ridley Scotts Vorgängerfilm "Alien" war, und nicht mal ein Drittel von dessen Einnahmen generieren konnte. "Blade Runner" war bei seinem Erscheinen für das Studio, den Regisseur und die Kinobetreiber eine Enttäuschung und auch keinesfalls ein Kritikerliebling. Die Werschätzung setzte erst deutlich später ein.

Eine Enttäuschung also, wenn auch kein totaler Flop, den fuhr Scott mit seinem nächsten Film "Legende" ein. Beide Ergebnisse zusammen führten dann auch dazu, dass er einige Jahre keinen größeren, mit teuren Effekten versehenen Film mehr anvertraut bekam.

Man kann aber im Zeitalter alternativer Fakten sicher auch "Blade Runner" zu einem von Anfang an allgemein gefeierten Kinohit umdeuten, dessen Bedeutung sämtlichen späteren Kulturredakteuren natürlich sofort klar war.

Ridley Scott selbst hat daran allerdings eine andere Erinnerung:

Zitat:

Schauen Sie, ich wurde damals gegrillt für Filme wie "Legende" oder sogar "Blade Runner". Wie kann man denn für "Blade Runner" fertig gemacht werden? Wenn ich mich damals so sehr gegrämt und aufgehört hätte.... Nein, ich denke über die öffentliche Rezeption nicht mehr groß nach.
Diese Sätze hat er übrigens im Gespräch mit mir geäußert.
Vielleicht ja auch ein dezenter Hinweis darauf, dass "der Superchecker" schon weiß worüber er hier redet.

http://filmszene.de/filmszene-specia...r-ridley-scott

Servalan 18.02.2017 15:51

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 541732)
Man kann aber im Zeitalter alternativer Fakten sicher auch "Blade Runner" zu einem von Anfang an allgemein gefeierten Kinohit umdeuten, dessen Bedeutung sämtlichen späteren Kulturredakteuren natürlich sofort klar war.

Das habe ich nie behauptet. Soweit ich das in der damaligen SF-und-Comic-Szene mitbekommen habe, war er nur kein absoluter Flop.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541174)
Ähem, was hast du nur mit den Blockbustern? Natürlich kannst du jeden Satz aus dem Zusammenhang reißen und deine zwei Cents dazu geben. Wenn du meinen Post insgesamt betrachtest, solltest du bemerkt haben, daß es mir nicht um Blockbuster ging.
(Nur wer nix macht, macht keine Fehler! Aber Funkstille gefällt underduck & Co. bestimmt nicht.)

Aber wer unbedingt etwas aus einem Zitat herauslesen will, der wird das auch.

Eldorado 18.02.2017 16:48

Ich hatte auch die starke Prägung der damaligen Rezipenten angezweifelt.
Aber gut, lassen wir das und einigen uns darauf, dass der Film halt weder ein Blockbuster noch ein absoluter Flop war.

Und die Funkstille haben wir hier ja erfolgreich verhindert. ;)

Servalan 30.03.2017 15:53

  • Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel (1883)
  • Die Schatzinsel (ZDF / O.R.T.F. 1966), Drehbuch: Walter Ulbrich, Regie: Wolfgang Liebeneiner, 340 min in 4 Teilen, FSK: 12
Die Schatzinsel zählte in meiner Kindheit eher zum Repertoire. Das war einer der Stoffe, denen ich wiederholt begegnet bin, ohne ihn richtig zu würdigen. Entdeckt habe ich in meiner Jugend über einen Umweg, einen anderen Adventsvierteiler, nämlich Die Abenteuer des David Balfour (1978). Als der gesammelte Stevenson dann in einer handlichen Kassette erschien, mußte ich zugreifen. Die Ulbrich/Liebeneiner-Verfilmung muß mir entweder immer wieder durch die Lappen gegangen sein - oder ich habe sie nie vermißt.

Aus Neugier habe ich mir die DVD zugelegt. Allerdings war ich skeptisch.
Der David-Balfour-Vierteiler beruht ja auf zwei verfilmten Romanen. Deswegen dachte ich, der doch verhältnismäßig schmale Roman um Kapitän Flints Schatzinsel wäre etwas zu dünn für die Länge.
Ich war positiv überrascht: Für sein Alter hat sich der Film erstaunlich gut gehalten. Die Umsetzung der einzelnen Etappen und das Coming-of-Age (wie das heute heißen würde) von Jim Hawkins ist gut gelungen. Natürlich bleibt es ein Film aus den 60ern und etliches entspricht nicht mehr heutigen Sehgewohnheiten. Mir gefällt er.

Michael Ande habe ich als Schauspieler eigentlich nie richtig ernst genommen, der war eben der Assistent vom Alten. In der Rolle des Jim Hawkins hat er mich überzeugt. Wegen seiner Größe und seines Alters zur Drehzeit galt er zunächst als Fehlbesetzung, aber bei mir kam etwas anderes an.
Ein hochgewachsener Schlaks mit brünettem Kraushaar, solche Helden scheint Stevenson gemocht zu haben. Auf mich wirkte er in den ersten Einstellungen fast wie ein Doppelgänger von Ekkehardt Belle, dem späteren David Balfour.

Peter L. Opmann 30.03.2017 16:38

Ich habe mir den Vierteiler vor relativ kurzer Zeit (ein, zwei Jahre) auf youtube angeschaut. Ich habe ihn auch in meiner Kindheit mal gesehen, hatte aber nicht so deutliche Erinnerungen daran wie etwa an den "Seewolf". Bei mir darf ein Film ruhig auch etwas altmodisch sein.

Die Vorlage von R. L. Stevenson ist meiner Ansicht nach sehr unterschätzt, jedenfalls außerhalb des angelsächsischen Raums. Eine ganz vorzügliche Abenteuererzählung und noch mehr als das. Wie man das zu einem Kinderbuch erklären konnte, ist mir rätselhaft. Leider kenne ich "Treasure Island" nur als Kinderbuch, und viel mehr von Stevenson habe ich leider auch nicht gelesen, Muß ich unbedingt mal korrigieren.

Servalan 30.03.2017 19:27

Die Schuldige an dem harten Urteil trägt einen berühmten Namen: Virginia Woolf und ihr Ehemann Leonard haben Stevenson aus dem Kanon ausgeschlossen. Und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hat niemand gewagt, das sakrosankte Verdikt zu revidieren.
In angelsächsischen Schulen wurde er als Schund verachtet, und bis 2000 wird Stevenson sogar in literarischen Nachschlagewerken und Anthologien komplett übergangen (sprich: totgeschwiegen).

Erst in den letzten Jahrzehnten ist er zu neuen Ehren gekommen. Neben Sir Henry Ridder Haggard (der Erfinder von Allan Quatermain) zählt Stevenson jetzt zu den Gründervätern des "Zeitalters der Geschichtenerzähler" (The Age of the Story Tellers), teilweise wird er in den Rang seiner Zeitgenossen Henry James und Joseph Conrad erhoben.

Die negative Presse konnte seiner Beliebtheit beim Publikum rund um den Globus nichts anhaben. Auf der Rangliste der UNESCO, die die meist übersetzen Werke verzeichnet: Index Translationum, steht er auf Platz 26 - und damit vor Oscar Wilde und Edgar Allan Poe.
Klingt in meinen Ohren danach, daß Leserinnen und Leser sich lieber ihr eigenes Urteil bilden - als blind einem Rezensenten zu folgen. Gefällt mir.

Peter L. Opmann 30.03.2017 19:48

Ah, steht ja auch in wikipedia, aber erst nach einer längeren Liste von Autoren, die ihn geschätzt haben. Ich dachte eher, Stevenson habe in Deutschland unter Trivialitätsverdacht gestanden.

Letztlich ist es von untergeordneter Bedeutung, welches Urteil andere Künstler oder Kritiker über ihn fällen. Aber das Publikum hat auch nicht immer recht.

Es bleibt eben schwierig...

Servalan 31.03.2017 12:57

Rechthaberei und Literatur vertragen sich meiner bescheidenen Ansicht nach überhaupt nicht. Wie heißt es so schön: "Man merkt die Absicht, und ist verstimmt!" Belletristik sollte zumindest genügend Raum lassen, damit das Publikum einen eigenen Standpunkt haben kann.
Oberlehrergehabe und Agitprop vergrätzt eher die Leute - auch in der demokratischen Kinderstube. (In der Antike und feudalen Vasallenstaaten galten natürlich andere Maßstäbe, die sich von gewöhnlichen Leuten nicht hinterfragen ließen. Das konnte bös' enden.)
Außerdem sind Werke mit gezielter Absicht besonders leicht verderblich. Das veraltet quasi über Nacht und wird dann ungenießbar.

Erwachsenen von heute empfehle ich den Einstieg über Stevensons weniger bekannte Werke: Die Kurzgeschichte "Markheim" (1886) zum Beispiel, die mit Poes "William Wilson" verglichen wird., - oder "Die krumme Janet" (1887). Seine Kurzgeschichte "Der Leichenräuber" (1884) um Grabräber, die frische Leichen für Anatomiestunden heimlich ausbuddeln, wurde 1945 von Robert Wise mit Boris Karloff und Bela Lugosi exzellent verfilmt.
Ans Herz legen möchte ich seine Reiseberichte, beispielsweise über seine Zeit in den Weiten des Pazifik: In der Südsee (1896).

Unterhaltsam, aber literarisch eher leichte Lektüren sind die drei Romane, die Stevenson mit seinem Schwiegersohn Lloyd Osbourne verfaßt hat.
Trocken schwarzhumorig ist Die falsche Kiste (1889) ein echter Pageturner, bei der sich alles um eine Tontinenversicherung dreht: Das ist eine Art Genossenschaft, bei der das gesamte Vermögen erbt, der zulebt übrig bleibt.
Wurde übrigens 1966 mit Michael Caine, Peter Sellers, Ralph Richardson, Dudley Moore als britische All-Star-Komödie in den Pinewood Studios für die Kinoleinwand bearbeitet.

Xury 31.03.2017 13:20

Ich bin großer Liebhaber der alten Advents-Vierteiler und habe mir nach und nach so gut wie alle auf DVD zugelegt. Damals habe ich bei fast allen gebannt vor dem Fernseher gesessen. Aus heutiger Sicht sind einige deutlich besser gealtert als andere.

Meine Favoriten, die ich immer wieder sehen könnte:
"Die Schatzinsel"
"Tom Sawyer und Huckleberry Finn"
"Der Seewolf"
"Robinson Crusoe"

Mit gewissen Abstrichen:
"Lederstrumpf"
"Michael Strogoff"

Mit großem Wohlwollen:
"David Balfour"
"Lockruf des Goldes"
"Don Quijote"

Gar nicht mehr gehen:
"Zwei Jahre Ferien"
"Cagliostro"

G.Nem. 31.03.2017 18:18

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 544835)
(...) Deswegen dachte ich, der doch verhältnismäßig schmale Roman um Kapitän Flints Schatzinsel wäre etwas zu dünn für die Länge.
Ich war positiv überrascht: (...)

In der Originalfassung ist es eben kein schmaler Roman, sondern nur in den schwer gekürzten Kinderbuch-Fassungen die es hierzulande seit den 50er Jahren gibt. Und miserable Übersetzungen kommen noch erschwerend hinzu.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 544849)
(...)In angelsächsischen Schulen wurde er als Schund verachtet, und bis 2000 wird Stevenson sogar in literarischen Nachschlagewerken und Anthologien komplett übergangen (sprich: totgeschwiegen).(...)

Wo hast du das denn her?

*Ach so, bei Wikipedia gelesen. Na ja, dann. :D

Stevensons 'Dr. Jekyll + Mr. Hyde' ist ein Klassiker der angelsächsischen Schauerliteratur und war es schon immer.
Aus dem literarischen Kanon verschwunden ist relativ, denn welcher der vielen Kanon(en) ist gemeint? ;)

Servalan 31.03.2017 20:24

Du hast es erfaßt: Welcher Kanon?
Ich kann mir vorstellen, daß einige Gralshüter der Anglistik säuerlich ihr Gesicht verkniffen haben, wenn einer ihrer Schützlinge Stevensons Werke als Teil der britischen Gegenwartsliteratur behandeln wollte. Die haben den Schwarzen Peter dem Ehepaar Woolf zugeschoben und dann gesagt, das wäre zuviel Romance, zuviel Genre. Ob es nicht bessere Titel gäbe?
So habe ich den Wikipedia-Eintrag verstanden, nicht mehr und nicht weniger.

Neben Dracula und Frankenstein gehört Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde zu den Urtexten des Gothic-Genres, keine Frage.
Aber in gewissen Kreisen schadet ein solcher Ruf eher.

Wir bekommen ja mit, wie Comics an Universitäten behandelt (oder mißhandelt) werden. Da kreucht und fleucht eine Menge an unsinnigen Vorurteilen herum, und auf dem Weg vom Studi zum Professor müssen eine Menge Kröten geschluckt werden. Also werden blödsinnige Vorurteile weitergereicht, weil der Prüfer oder die Kommission das verlangt, und Widerspruch die eigene Karriere verhindern würde.
Bis da ein nüchternes Urteil zustandekommt und akzeptiert wird, dauert das manchmal einige Generationen.

Eldorado 31.03.2017 22:23

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 544835)
Auf mich wirkte er in den ersten Einstellungen fast wie ein Doppelgänger von Ekkehardt Belle, dem späteren David Balfour.

Der arbeitet ja heute hauptsächlich als Synchronsprecher (u.a. ist er die Stimme von Steven Seagal) und hat sich natürlich äußerlich auch sehr stark verändert. Ekkehardt war zu Gast in einer unserer letzten Kinosendungen und "David Balfour" ist darin natürlich auch ein Thema:

http://massengeschmack.tv/play/ptv-83

Servalan 31.03.2017 22:39

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 544902)
In der Originalfassung ist es eben kein schmaler Roman, sondern nur in den schwer gekürzten Kinderbuch-Fassungen die es hierzulande seit den 50er Jahren gibt. Und miserable Übersetzungen kommen noch erschwerend hinzu.

So, wie du dich hier äußerst, scheinst du die David-Balfour-Saga nicht zu kennen. Sonst hättest du die Kinderbuch-Fassung außen vor gelassen.
Bei der Übertragung für Film oder Bühne verschieben sich lange Personen- und Landschaftsbeschreibungen in Richtung Kostüm, Ausstattung und Bühnenbild. Der Zuschauer erfaßt so etwas mit einem Blick, Lesen dauert ein wenig länger.

Meinen Überlegungen habe ich die ungekürzte Fassung der Schatzinsel zugrundegelegt, Band 1 der Diogenes-Ausgabe, und in der endet der Roman auf Seite 307. Danach folgt noch ein Aufsatz von Stevenson über seinen ersten Roman.
David Balfour hat wesentlich größere Ausmaße: Die Entführung (Band 3) hat 356 Seiten und die Fortsetzung Catriona (Band 4) sogar 445, das ergibt gut 800 Seiten für einen Advents-Vierteiler ...

G.Nem. 01.04.2017 21:58

Hier dein Zitat, auf das ich mich bezogen hatte.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 544835)
Deswegen dachte ich, der doch verhältnismäßig schmale Roman um Kapitän Flints Schatzinsel wäre etwas zu dünn für die Länge.

David Balfour habe ich weder gelesen, noch als Verfilmung gesehen.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 544915)
David Balfour hat wesentlich größere Ausmaße:

Kann schon sein, weiß ich wie gesagt nicht.

Servalan 01.04.2017 23:12

Wir sind hier doch nicht bei der praktischen Umsetzung des Infinite Monkey Theorems: Sätze sollten etwas mehr als eine beliebige Tastenfolge sein und möglichst einen Sinn ergeben. Absätze mache ich auch nicht aus Jux und Dollerei, nein, die nutze ich, um einen Zusammenhang zu schildern.
Mein "Deswegen" bezog auf den vorhergehenden Satz, sprich: die David-Balfour-Saga. Wenn du den schlicht ignorierst oder überliest, und dir stattdessen etwas zusammenreimst, kommst du leicht zu Trugschlüssen ...

Nix für ungut. :wink:

G.Nem. 02.04.2017 08:03

Ich reime mir hier überhaupt nichts zusammen, denn den Zusammenhang kann hier ja jeder nachlesen.
Wobei du deine Original-Postings ja nachträglich immer wieder bearbeitest und da dann "plötzlich" Sachen geschrieben stehen, die in der Erstfassung noch nicht da standen. :D

Servalan 02.04.2017 14:26

Nö, das mache ich in der Regel nur bei den Datenbank-Threads in "Internationale Comics". Sonst korrigiere ich nur falsche Buchstaben und ergänze fehlende Worte. (Okay, das mache ich auch später, falls ich Tippfehler entdecke.)
Bei den Datenbanken verliere ich sonst den Überblick. Außerdem begnüge ich mich nicht mit Cut&Paste, vielmehr versuche ich, die Daten so zu ergänzen, daß auch Laien aus ihnen schlau werden. Manchmal dauert das ein wenig.

Mein Post oben bezog sich auf die beiden Stevenson-Verfilmungen bei den Advents-Vierteilern ... Na ja, lassen wir das.

Im Filmgeschäft gibt es einige grobe Regeln, weil da Leute aus verschiedenen Branchen und Metiers miteinander auskommen müssen. Meist liefern diese Einschätzungen gute Anhaltspunkte, sonst nüscht. Deutliche Abweichungen fallen hingegen ins Auge.
So habe ich gelernt, daß eine Drehbuchseite in etwa einer Minute Film entspricht. Allerdings wird beim Drehbuchschreiben gefordert, bei jeder neuen Einstellung ein neues Blatt zu nehmen. Ob dias Blatt vollgeschrieben wird oder nur aus zwei Zeilen besteht, ist schnurz.

Bei meiner Schätzung von Der Schatzinsel bin ich von drei bis vier Stunden Film ausgegangen. Der Vierteiler ist ein wenig länger.
Das lag wahrscheinlich daran, daß Die Lederstrumpf-Erzählungen auf fünf Romanen von James Fenimore Cooper beruhen. Die habe ich nämlich wenige Wochen vorher gesehen - mein erster wiederentdeckter Advents-Vierteiler.
Für knapp 360 Minuten Film habe ich deshalb eine Mindestlänge der Vorlage zugrundegelegt, die zwischen 400 und 500 Seiten pendeln sollte.

Fassbinders Berlin Alexanderplatz stellt diese Regeln komplett auf den Kopf. Je nach Satzspiegel schwankt die Länge von Döblins Roman zwischen 380 und 530 Seiten (zum Beispiel die Erstausgabe). Fünfzehneinhalb Stunden sollten für eine Lektüre mehr als ausreichen.

Servalan 08.04.2017 17:43

Fassbinders Berlin Alexanderplatz stellt so ziemlich alles auf den Kopf, was mit Verfilmungen zu tun hat - und einiges mehr, das mit dem Film an sich zu tun hat. Wer es bösartig ausrücken will, könnte sagen, Döblins Roman wird zum Reader's Digest des Stoffes degradiert; gutwillig könnte es heißen, Fassbinder nutzt Döblin auf dieselbe Weise wie Joyce's Ulysses das ehrwürdige Epos von Homer.
Zu dem Prestigeprojekt gab es natürlich einen Bericht über die Dreharbeiten, sonst hätte ich es selbst nicht geglaubt. Die Szenen, die in Freienwalde spielen, wurden in einem echten Wald gefilmt. Aber die Waldszenen in der Serie wirken künstlich wie vergessene Kulissen aus einer Wagner-Oper. Extremst künstlich ...

Die Serie widersetzt sich dem Binge-Watching. Nach spätestens drei oder vier Folgen habe ich eine Pause gebraucht, weil ich das Gesehene sacken lassen mußte.
Zum Glück hatte ich mehrere Seminare über die Filme, die Kunst und die Literatur der Weimarer Republik hinter mir, das erleichterte mir den Zugang.
Fassbinder versteht sich aufs Erzählen, er kennt sich mit der Technik aus, und er nutzt die Stärken, um die Schwächen zu kaschieren. Wedels Der König von St Pauli nutzt ja ähnliche Motive, aber bei Wedel wirkt das alles billig und plump.
Obwohl die Serie mit Ton und in Farbe gedreht wurde, vermittelte sie ein Déjà-Vu mit der Bilderwelt dieser Epoche: Vom Stoff her, ist die Geschichte des Franz Biberkopf in etwa die männliche Variante von G.W. Pabsts Die freudlose Gasse.
Die Krimiszenen von Einbrüchen und Berliner Ringverein erinnerten mich an die Genreklassiker von Fritz Lang (M - Eine Stadt sucht einen Mörder, Die Spinnen oder die Mabuse-Filme), andererseits an das expressionistische Kino, das in den USA unter anderem in den Horrorfilm mündete.
Die Döblin-Verfilmung im engeren Sinne (ohne den Epilog) wirkte auf mich wie optischen Vorlagen für die modernen Gemälde von Dix, Grosz und Beckmann oder Montagen von Heartfield.

Im Bonusmaterial wird gesagt, weil der Etat überzogen wurde, hat Fassbinder Kosten eingespart, indem er die Kulissen auf das Notwendigste reduzierte und sich mit technischen Tricks behalf. Für meinen Geschmack paßt das zu gut mit Franz Biberkopfs Entwicklung zusammen:
Solange er anständig bleiben will, solange wird möglichst in realen Kulissen mit hohem Aufwand gedreht. Nachdem er aber seinen Arm verloren hat, nachdem er zynisch in Suff und Selbstmitleid versinkt, werden auch die Kulissen irrealer und künstlicher.
Fassbinders fast zweistündigen Epilog sehe ich wie eine Mischung aus Pasolini, Mario Bava und Dario Argento. Die Musik von Elvis Presley über Janis Joplin bis zu Kraftwerk sind auf der Höhe der Zeit und eine Klasse für sich.
Die einzigen Minuspunkte erhalten die beiden Engel von mir: Aus heutiger Sicht wirken die wie Cosplayer aus einem Fantasy-Rom oder Gäste einer SM-Fete.

Servalan 27.05.2017 20:20

Über Jack Finney stolpern heute nur noch die wenigsten direkt.
Obwohl der zu Lebzeiten viel veröffentlicht hat und seine Stoffe ziemlich rasch verfilmt worden sind, bleibt er eher ein Geheimtip. Finney hat nämlich in den Genres Thriller, Science Fiction und Fantasy geschrieben, die damals vom Feuilleton, den Wissenschaftlern an den Universitäten und den Hütern der Hochkultur scheel angesehen wurden.
Außerdem liefen einige Verfilmungen als Episoden von Fernsehserien.

Wer sich für die Geschichte dieser Genres interessiert, begegnet Finney früher oder später. Denn Finney hat berühmte Fans wie Stephen King und Dean Koontz. Eine handliche Biographie über ihn muß allerdings noch geschrieben werden, meist findet sich Material über ihn in Interviews, Artikeln und sonstigen verstreuten Schriften.
Der zweite Weg führt über die Verfilmungen: Besonders eine seiner Kurzgeschichten, die 1956 von Don Siegel, 1978 von Philip Kaufman, 1993 von Abel Ferrara und zuletzt 2007 von Olivier Hirschbiegel auf die Leinwand gebracht hat, dürfte Generationen geprägt haben.

Ihr wißt doch, wovon ich rede, oder?
So schwer ist das nicht ...

Peter L. Opmann 27.05.2017 21:46

"Invasion of the Body Snatchers"

Maxithecat 27.05.2017 21:52

In EINER Version mit Leonard Nimoy.

Brisanzbremse 28.05.2017 00:04

Ich kenn nur die Version von Anno Tobak mit der genial bescheuerten Synchro.

Servalan 28.05.2017 12:53

Heute bräuchte es wohl jemanden vom Schlage eines George Romero, um einen neuen Körperfresser-Film zum Blockbuster zu machen.
Irgendwie hat die Sache mächtig Staub angesetzt und sieht ziemlich alt aus.

Der Verdacht kam mir, als ich die Abel-Ferrara-Fassung gesehen habe. Die fand ich mittelprächtig, um es milde auszudrücken. Wäre das ein Film von einem Unbekannten gewesen, dann wäre der sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden.
Den Hirschbiegel habe ich nicht gesehen. Ob ich mir das antue? Ich weiß nicht.

Zuerst habe ich damals im Fernsehen die Version von Kaufman mit Leonard Nimoy gesehen, die mich begeistert hat: Gutes Drehbuch, klasse Schauspieler und vor allem eine geniale Tonspur. Für mich lief der einer Liga mit Soylent Green und Westworld (die Filme mit Yul Brynner).
Damals konnte ich mir vorstellen, daß aus den Körperfressern so etwas wird die Zombies oder Freddy Krueger - ein moderner Gruselmythos. Urban Legend at its best.
Don Siegels Origin Story paßte irgendwie genial in die 1950er Jahre. Deswegen hat sie mir gefallen. Die beiden Verfilmungen waren dicht am Puls der Zeit und einen Draht zur Wirklichkeit. Schon bei Ferrara war das eher ein veralteter Standard aus dem Repertoire wie das Verfluchte Haus ...

Die Grundidee funktioniert heute nicht mehr (meine ich persönlich). Da fehlt etwas, sonst verkommt das zu einem Gespenst aus Bettlaken. Heute will ja jeder irgendwo bei irgendwas dazugehören. Die Zuspitzung hier der Einzelne, da die uniforme Masse ist schlicht zu platt.
Mit dem Übertritt zu den Pods ist es nicht getan. Das reicht nicht mehr. Wer dabei sein will, muß sich aktiv beteiligen und ständig mitmachen.

Wieviel von den Körperfressern findet sich in Dave Eggers' The Circle? Wenn der Roman verfilmt wird, kann das ein Blockbuster werden. Zumindest wird der wohl so international vermarktet werden.
Das wäre dann Körperfesser 2.0 .

Peter L. Opmann 28.05.2017 18:23

Nur ein kleiner Einwurf: Soylent Green ist nicht mit Yul Brynner. Der Film hieß auf deutsch "Jahr 2022 - die überleben wollen" (etwas bescheuerter Titel).

Servalan 28.05.2017 18:45

Okay, da habe ich mich mißverständlich verständlich ausgedrückt.
Mit den Yul-Brynner-Filmen sind Westworld und Futureworld gemeint, also die Fortsetzung von Westworld. So auf die Schnelle ist mir das nicht eingefallen ...

Brynner habe ich erwähnt, damit niemand beim Mitlesen an die gleichnamige Fernsehserie denkt.

Peter L. Opmann 28.05.2017 20:03

;-)

Ich will ja nicht pedantisch wirken, aber in "Futureworld" hat Yul Brynner auch nicht mitgespielt. Da war er nämlich schon tot, und AIP hat Filmschnipsel aus "Westworld", die nicht verwendet worden waren, eingebaut, um mit Yul Brynner als einem der Hauptdarsteller werben zu können.

Anmerkung:
Man sollte doch lieber nicht zu pedantisch sein. Brynner starb erst 1985, aber meines Wissens ist trotzdem richtig, daß nur übriggebliebene Aufnahmen von ihm in "Futureworld" verwendet wurden.

Servalan 29.05.2017 09:49

Ähem ...
Wenn wir in dem Stil weiterdiskutieren, zerschießen wir den Thread.
Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 527217)
Schön, daß dieser Thread offenbar als sinnvoll und fortsetzungswürdig angesehen wird.

Ich habe mich mit Film nicht wissenschaftlich beschäftigt. Von 1985 bis etwa 1994 habe ich mich - mitunter - als Filmkritiker betätigt, und weil ich eine Zeitlang mit dem Gedanken spielte, diese Arbeit zu intensivieren, habe ich mir auch eine kursorische Filmbibliothek zugelegt.

Eigentlich wollte ich mich über Jack Finney und die Körperfresser unterhalten.
Der hat genug geschrieben. Es gibt mehr als genug andere Stoffe, die ihn wieder ins Gespräch bringen können.

Falls ich etwas erwähne, das verwechselt werden kann, baue ich vor und nenne einen bkannten Namen. Daß derjenige dafür besondere Leistungen vorweisen muß, finde ich seltsam. Wenn jeder seine Döntjes einbringt,geht der rote Faden verloren. Und aktenzeichenmäßig die Allerweltsdaten zu zitieren, finde ich langweilig.

Ich dachte, dir (oder jemand anders) fiele etwas ein, das die Körperfresser beerben und weiterentwickeln könnte.
Bei den Verfilmungen der Mangaserie Ring (auch im Gore Verbinski-Remake) läuft es ja in der Regel tödlich ab. In der Hinsicht wäre der sanfte Druck zum Dabeisein in The Circle eine Verbesserung.

Peter L. Opmann 29.05.2017 10:46

Tut mir leid.

Wenn ich die "Körperfresser" von 1978 gesehen hätte, hätte ich auch was dazu gesagt.

Aber "Futureworld" habe ich gesehen, und diesen Film finde ich sehr interessant. Einerseits billig zusammengeschustert und abgeschmackt (AIP eben), andererseits doch irgendwie gelungen. "Soylent Green" hatte dagegen schon Kunstanspruch.

Eldorado 29.05.2017 20:08

Auch ich muss den Thread leider weiter zerschießen, aber es ist halt mal wieder zum :kopf: hier.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 548278)
Wieviel von den Körperfressern findet sich in Dave Eggers' The Circle? Wenn der Roman verfilmt wird, kann das ein Blockbuster werden. Zumindest wird der wohl so international vermarktet werden.

Ähm, es gibt diese Verfilmung bereits,mit Emma Watson und Tom Hanks in den Hauptrollen.
Und nein, der Film ist kein Blockbuster geworden sondern im Gegenteil sehr schlecht bei Kritik und Publikum angekommen.
Was zur Folge hat, dass die "internationale Vermarktung" auch eher schmal ausfällt:

http://www.express.co.uk/entertainme...Emma-Watson-UK

https://www.youtube.com/watch?v=-tIpycyJAVo

underduck 29.05.2017 21:56

Eine Freundlichkeit herrscht hier ... :floet:

Eldorado 30.05.2017 02:28

Sorry, aber wie oft hat ausgerechnet die Moderatorin uns nun schon mit ihren haarsträubenden Theorien, absurden Vergleichen und faktisch nachprüfbaren Falschinformationen beglückt, ohne dass da mal etwas Zurückhaltung eintritt? Oder eine Art Besserung in der Form , dass man sich zumindest etwas über das Thema informiert über das man sich auslässt?

Oder kümmert es halt deshalb sonst niemanden, weil es sich ja nur um das Thema Film und nicht um Comics handelt? Wenn dem wirklich so ist - okay, dann halte ich in Zukunft meine Klappe. Und spar mir auch die Gedanken über die Außenwirkung des hier regelmäßig verbreiteten Unfugs....

Peter L. Opmann 30.05.2017 07:28

Angesichts der Tatsache, daß jüngere Bekannte von mir inzwischen sagen: Was brauche ich Filme aus dem letzten Jahrhundert? Die kommen doch an Netflix ohnehin nicht ran, finde ich diesen Thread sehr gut.

Auch wenn ab und zu mal Fehler auftreten. Erbsenzählerei macht halt irgendwie Spaß. Und ich habe auch den Drang, mich hier zu beteiligen, auch wenn ich den einen oder anderen Film und besonders Fernsehserien (noch) nicht kenne.

underduck 30.05.2017 17:25

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 548389)
Sorry, aber wie oft hat ausgerechnet die Moderatorin uns nun schon mit ihren haarsträubenden Theorien, absurden Vergleichen und faktisch nachprüfbaren Falschinformationen beglückt, ohne dass da mal etwas Zurückhaltung eintritt? Oder eine Art Besserung in der Form , dass man sich zumindest etwas über das Thema informiert über das man sich auslässt?

Oder kümmert es halt deshalb sonst niemanden, weil es sich ja nur um das Thema Film und nicht um Comics handelt? Wenn dem wirklich so ist - okay, dann halte ich in Zukunft meine Klappe. Und spar mir auch die Gedanken über die Außenwirkung des hier regelmäßig verbreiteten Unfugs....

Sorry, Eldorado, aber Servalan ist Moderatorin für Internationale Comics. Hier im Forum "Film und DVD" moderiert offiziell Keiner.

Wenn ich mich recht erinnere hattest du vor ca. 5 Jahren mal Interesse dieses zukünftige Forum zu moderieren. :floet:

Eldorado 30.05.2017 22:44

Zitat:

Zitat von underduck (Beitrag 548429)
Sorry, Eldorado, aber Servalan ist Moderatorin für Internationale Comics. Hier im Forum "Film und DVD" moderiert offiziell Keiner.

??? Ich hatte sie auch nicht als "Moderatorin des Filmforums" bezeichnet.

Zitat:

Zitat von underduck (Beitrag 548429)
Wenn ich mich recht erinnere hattest du vor ca. 5 Jahren mal Interesse dieses zukünftige Forum zu moderieren. :floet:

Das mag vor 5 Jahren mal so gewesen sein, ja.

user06 31.05.2017 06:22

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 548453)
??? Ich hatte sie auch nicht als "Moderatorin des Filmforums" bezeichnet.

Nein, aber so:

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 548389)
Sorry, aber wie oft hat ausgerechnet die Moderatorin uns nun schon ....

Ich habe vor kurzem ja leider auch erlebt, dass Du es mit Details derzeit nicht so genau nimmst.

Eldorado 31.05.2017 13:08

Ich war in der Sigmar Wansel-Diskussion einfach nur anderer Meinung als Du, ganz allgemein.

Eher albern deshalb nun hier nachzutreten, noch dazu ohne konkretes Material zu haben. Es sei denn es ist tatsächlich kritikwürdig, eine Moderatorin als Moderatorin zu bezeichnen.

Bemerkenswert, dass man sich an diesem "Detail" stört, an den ganz grundsätzlichen Spinnereien die hier abgesondert werden aber offenbar nicht.

Und deswegen bin ich dann jetzt auch raus hier.

user06 31.05.2017 17:02

Du warst im anderen Thread gerade nicht anderer Meinung als ich, sondern hattest offensichtlich meinen Kritikpunkt nicht korrekt gelesen.

Das ist genauso ein Detail, wie Servalan hier in Deiner Kritik als Moderatorin zu bezeichnen. Sie ist zwar eine Moderatorin, aber in diesem Thread eben nicht. Dadurch haben ihre Beiträge, ob fachlich begründet oder nicht, nur den normalen Stellenwert eines jeden Mitglieds.

Ich finde, diese Details sind zumindest so wichtig, dass man sie nicht nur wahrnehmen sollte, wenn sie einem selbst in die Argumentation passen.

Eldorado 01.06.2017 00:02

Zitat:

Zitat von Eymen (Beitrag 548502)
Sie ist zwar eine Moderatorin, aber in diesem Thread eben nicht. Dadurch haben ihre Beiträge, ob fachlich begründet oder nicht, nur den normalen Stellenwert eines jeden Mitglieds.

Dazu nur noch dieses Zitat:

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 503891)
Wie versprochen, bringe ich nun hier etwas Leben in die Bude.
Wenn es klappt, wie ich mir das vorstelle, existiert hier bis zum Ferienende das Grundgerüst des Forums mit den wichtigsten Themen, zum Beispiel:
- Serien
- Festivals
- Wichtige Infos
- Über die Kinobranche

Wer kein neues Thema eröffnen möchte oder sich bloß allgemein äußern will, kann hier posten.

So schreibt ein ganz normales Mitglied, klar.

Over and Out :wink:

user06 01.06.2017 05:14

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 548308)
;-)

Ich will ja nicht pedantisch wirken, aber in "Futureworld" hat Yul Brynner auch nicht mitgespielt. Da war er nämlich schon tot, und AIP hat Filmschnipsel aus "Westworld", die nicht verwendet worden waren, eingebaut, um mit Yul Brynner als einem der Hauptdarsteller werben zu können.
.

Immerhin ist er auch bei "Futureworld" die zentrale Figur auf dem gemalten Plakat (und damit heute auf dem Blu-ray Cover) und wird bei den Darstellern erwähnt.

Peter L. Opmann 01.06.2017 08:00

Typischer Fall von Exploitation.

Xury 01.06.2017 10:22

Trotzdem ist der Film nicht übel, weil er sich eben nicht nur auf den Kurzauftritt des Glatzkopfs verlässt. (Und ich denke, man wird ihn mit Honorar "entschädigt" haben.) Nur die deutsche Synchronisation finde ich in der Rückschau nicht besonders gelungen - wie das so bei einigen Filmen der 60er/70er ist.

user06 01.06.2017 10:59

Auch bei Material aus den 80ern... ich habe vor kurzem ein fast unglaubliches Bespiel für schlechte Synchronisation entdeckt: Im Trash Klassiker ABSURD, einem legendären Film aus den Zeiten der Schmuddelvideotheken, wechselt der Synchronsprecher bei einem amerikanischen Kommissar innerhalb der selben durchlaufenden Szene, ohne Schnitt. Dass er dann auch noch mit leichtem hessischen Akzent spricht, und sein farbiger Kollege ihm hessisch antwortet, war noch das Sahnehäubchen :nonono:.

FrankDrake 01.06.2017 12:29

Es geht leider noch schlimmer, "Major League II" ist in der englischen Originalfassung einer meiner Favoriten aus den 1990.
Bei der Synchronisation zu den "Indianer von Cleveland II" muss das gesamte Team voll stramm gewesen sein.

Xury 01.06.2017 14:12

So kommen mir die "Blödel"-Synchronisationen à la "Die Zwei" heute vor. Dass ich mich darüber und über die ganzen Terence Hill/Bud Spencer-Filme seinerzeit halbtot gelacht habe, ist ein schwarzer Fleck in meiner Biografie. :nonono:

Peter L. Opmann 01.06.2017 14:47

Mir ist ehrlich gesagt noch keine richtig schlechte Synchronisation aufgefallen. Das ist ja ein im Ausland nicht so häufiges Phänomen - da hat man bestenfalls Untertitel, oder man kann sich den Film nur im Original anschauen.

Ein Film in der Originalfassung hat ja etwas für sich - will ich nicht bestreiten. Aber ich habe 1993 "Jurassic Park" in Dublin gesehen, und obwohl die Handlung ja nicht so schwierig zu verstehen ist, sind mir da doch viele Feinheiten entgangen. Die Auseinandersetzung zwischen Jeff Goldblum und Richard Attenborough, ob Menschen der Natur ins Handwerk pfuschen dürfen, habe ich nur in groben Zügen mitbekommen. Welche Rolle Wayne Knight spielt und wie es ihm gelingt, das Alarmsystem des Parks auszutricksen, ging mir erst mit einiger Verzögerung auf. Und ich kann eigentlich ganz gut Englisch. Doch in diesen Szenen wurde jeweils viel Fachsprache verwendet. Wäre blöd gewesen, wenn ich den Film nicht nochmal in deutscher Fassung hätte sehen können (das heißt, zuerst habe ich danach den Comic von Gil Kane gelesen).

Ich bin kein ausgesprochener Fan von Moore & Curtis oder Spencer & Hill; Kalauer und Gewalt passen sicher nicht so recht zusammen. Aber ich finde, es ist eine gewisse kulturelle Leistung, die Stimmung eines Films durch die Synchronisierung völlig zu verändern. Die Sprüche sind nicht unoriginell, und sie haben in den 1970er Jahren Millionen Schüler dazu gebracht, so zu sprechen (oder sprechen zu wollen). Die Synchron-Industrie in Deutschland ist hoch entwickelt und zu erstaunlichen Leistungen fähig. Wie gesagt: Es wird niemand daran gehindert, sich die Originalfassung anzusehen - auf einer DVD gleich gar nicht.

user06 01.06.2017 15:16

Ich möchte auch lieber gut synchronisierte Filme sehen, da würden mir sicher sonst mindestens Feinheiten der englischen Sprache, von anderen Fremdsprachen ganz zu schweigen, entgehen.
Dennoch ist nicht jede Synchronisation an jeder Stelle gut. In früheren Jahren hatte eine werkgetreue Übertragung bestimmt keine besondere Priorität.
Auf DVD kann man ja auch nur im Einzelfall zurück gehen und nochmal in Originalsprache (evtl. mit Unterstützung durch die Untertitel) vergleichen. Die Ergebnisse sind manchmal interessant bis haarsträubend :nonono:.

Xury 01.06.2017 16:09

Ein Synchronsprecher - mir fällt partout nicht ein wer - hat die Synchronisation mal als "späte Rache der Deutschen an den Alliierten" bezeichnet. :)

user06 28.06.2017 17:10

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 548561)
Mir ist ehrlich gesagt noch keine richtig schlechte Synchronisation aufgefallen.

Brandaktuell in der Serie TABOO mit Tom Hardy: In einer Folge (2, glaube ich), ist eine kurze Sequenz bei der Synchro einfach vergessen :nonono: worden. Die Lippen von Hardy bewegen sich, aber es kommt nichts.
(Kurze Kontrolle des englischen Originaltons und der Untertitel: Es wurde tatsächlich etwas gesagt.)

user06 28.06.2017 17:17

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 548561)
...Kalauer und Gewalt passen sicher nicht so recht zusammen...

Für meinen Geschmack auch nicht.
Auch, dass beim Kämpfen gegen einen oder mehrere Gegner - sicher körperlich nicht die leichteste Übung - oft vom Helden gequatscht wird, finde ich unpassend. "Nimm das!" geht vielleicht noch, auch die lockeren Sprüche von Spider-Man, aber schon den alten James Bond usw. konnte ich früher nicht ernst nehmen.

Peter L. Opmann 28.06.2017 17:29

Fernsehserien gucke ich nicht.

Sprüche klopfende Kämpfer muß man ja auch nicht ernst nehmen. Dazu ist dieses Genre sicher nicht gedacht.

user06 28.06.2017 17:42

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 550626)
Fernsehserien gucke ich nicht.

Hat das einen speziellen Grund ?
Enorme inhaltliche Tiefe hat es in den letzten Jahren vor allem im TV gegeben.
Man kann manche Geschichten einfach besser beispielsweise über 600 als über nur 100 Minuten erzählen.

Peter L. Opmann 28.06.2017 18:39

Ja, es gibt einen Grund, den ich immer gut verwenden konnte, der bloß heute nicht mehr so ganz stichhaltig ist:

Ich habe keinen Fernseher. :D

user06 28.06.2017 19:03

Du darfst gern auch sachlich antworten.

Zum dauerhaften Nichtbesitz eines Fernsehapparates bist Du höchstwahrscheinlich ja nicht gezwungen worden.

Peter L. Opmann 28.06.2017 23:14

Das ist mein voller Ernst.

Aber mir ist schon bewußt, daß es inzwischen nicht mehr nur sowas wie RTL II im Fernsehen gibt, und ich weiß auch, daß man sich viele Sachen gut am PC angucken kann. Ich habe nur von früher her immer noch eine gewisse Abneigung gegens TV (Nina Hagen: "Alles so schön bunt hier!").

Wenn's sechs Stunden sein sollen, dann lieber ein sechsstündiger Kinofilm. Aber bitte in einem Saal ohne chipsessende Jugendliche... :D

user06 29.06.2017 13:48

Ein theaterähnliches Erlebnis im Kino, das gibt es vermutlich gar nicht mehr.
Daran sind nicht nur die Zusatzgeschäfte der Betreiber - Tabletts voller Nachos, Popcorn und Getränke in XXL-Größe - sondern vor allem die Smartphones schuld.

Peter L. Opmann 29.06.2017 15:04

Tja, ich gehe auch nur noch selten ins Kino und weiß also gar nicht, welchen Ärger ich mir da erspare.

Was ich mache, ist: DVDs gucken und YouTube untypisch nutzen. Will auch wieder häufiger in meine alten Videos reingucken (hab noch einen Rekorder, und meine Videos sind noch funktionsfähig).

Servalan 29.06.2017 19:25

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 550644)
Ich habe nur von früher her immer noch eine gewisse Abneigung gegens TV (Nina Hagen: "Alles so schön bunt hier!").

Wenn's sechs Stunden sein sollen, dann lieber ein sechsstündiger Kinofilm. Aber bitte in einem Saal ohne chipsessende Jugendliche... :D

Mehrteilige Literaturverfilmungen bieten da eine gute Mischung.

Vielleicht lag es an Gerhard Försters Bericht in der Sprechblase, aber seit meiner zweiten Begegnung mit Allein gegen die Mafia bin ich vorsichtiger geworden. Deshalb schaue ich alte Serien von gestern mit Vorbehalt.
Bei den John le Carré-Verfilmungen mit Alec Guinness als George Smiley habe ich erwartet, daß die mächtig Staub angesetzt haben. Das Gegenteil ist der Fall.

Smiley's People | Agent in eigener Sache, das Finale mit dem Showdown an der Oberbaumbrücke funktioniert heute noch. Möglicherweise sogar besser. Die gut sechs Stunden bilden eine unterhaltsame und anregende Mischung aus Action, Suspense und schönen Bildern in prachtvollen Kulissen.
Im Bonus-Interview erzählt Le Carré, Smiley habe er als Anti-James-Bond aufgebaut. Für die erste Smiley-Serie hat das gestimmt. Aber allein die illustren Schauplätze (aus britischer Sicht): Paris, Hamburg, Thun am See - das hat Kinoqualität.

Tinker Tailor Soldier Spy | Dame, König, As, Spion empfehle ich eher zum Binge-Watching. Der Plot ist ziemlich vertrackt - wie ein Rätsel in der Times oder wie Matrjoschka-Puppen, in der immer noch eine steckt. Der Rhythmus ist langsam, und die Geschichte baut sich erst langsam auf. Die ersten beiden Episoden wird ein Nebenstrang nach dem nächsten in den Ring geworfen, so daß manche wohl den Überblick verlieren.
Die Miniserie ähnelt in vielem einer Staffel von The Wire, mehr Arthouse als Action. Vom Optischen ist das auch ein Stück Zeitgeschichte. Mich hat es von den Socken gerissen. Das fühlt sich an wie verfilmte Hochliteratur, keine Unterhaltung für zwischendurch.

user06 30.06.2017 08:24

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 550631)
Ich habe keinen Fernseher. :D

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 550644)
Das ist mein voller Ernst.

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 550680)
Was ich mache, ist: DVDs gucken ... Will auch wieder häufiger in meine alten Videos reingucken (hab noch einen Rekorder, und meine Videos sind noch funktionsfähig).

DVDs und Video anzusehen, ohne einen Fernseher zu besitzen, fände ich frustrierend :kratz:.
Man schaut ja dann immer nur auf die silberne Disc oder betrachtet die Verpackung. Bei den Videos kannst Du wenigstens noch mit der Hand das Band auf der Spule ein wenig hin- und her drehen.

Mir würde das trotzdem auf Dauer keinen Spass machen.

underduck 30.06.2017 12:10

Kannst du dir vorstellen, dass man DVDs auch über einen PC-Monitor anschauen kann, Eymen? :floet:

FrankDrake 30.06.2017 12:30

Klar geht das aber das ist doch nur eine Notlösung.

Nicht gegen dich Andreas aber Menschen ohne Fernseher sind mir suspekt.

Peter L. Opmann 30.06.2017 12:52

Ja, einen PC habe ich, muß ich gestehen. Daran führt beruflich kein Weg vorbei.

Ich glaube, jeder ist letztlich irgendwem suspekt - unumgänglich. :D

Servalan 09.07.2017 13:48

Welche Rolle spielt eigentlich das eigene Alter, wenn wir Verfilmungen sehen?

Menschen können ja nur das sehen, was sie wissen. Wenn das nicht der Fall ist, werden solche Dinge entweder ausgeblendet oder übersehen. Im schlimmsten Fall reimt sich das Hirn selbst was zusammen, was zu den eigenen Erfahrungen und dem Wissen über den Lauf der Welt paßt.
Je mehr jemand weiß, umso mehr läßt sich erkennen.
Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 550691)
Im Bonus-Interview erzählt Le Carré, Smiley habe er als Anti-James-Bond aufgebaut. Für die erste Smiley-Serie hat das gestimmt. Aber allein die illustren Schauplätze (aus britischer Sicht): Paris, Hamburg, Thun am See - das hat Kinoqualität.

Ich muß gestehen, daß ich als Kind von der Serie Dame, König, As, Spion kaum etwas verstanden habe. Das war nur eine merkwürdige Welt, das Treiben der Spione im Kalten Krieg.

Mit Agent in eigener Sache konnte ich schon mehr anfangen. Einerseits war ich älter, andererseits war der Plot kompakter. Allerdings merke ich erst heute als Erwachsene, wie dicht der Stiff gewebt ist.
Jetzt schaue ich das Original natürlich auch, um Alec Guinness, Barry Foster, Michael Gough, Curd Jürgens und Mario Adorf im Original zu hören.

Zum Beispiel fiel mir auf, daß sich Smiley in der Schweiz unter dem Decknamen Mr. Standfast ein Quartier gemietet hat. Dabei mußte ich schmunzeln, denn Standfast ist hier deutlich mehr als ein simples Wortspiel: Klar, Smiley wird seine Position verteidigen und keinen Millimeter zurückweichen.
Hinzu kommt die Anspielung auf einen anderen Klassiker der britischen Spionageliteratur, nämlich den dritten Roman in John Buchans Serie um Richard Hannay: Mr Standfast (Hodder & Struoghton 1919).
Die bekannteste Hannay-Verfilmung dürfte wohl Afred Hitchcocks Version des ersten Romans (1915) sein: The Thirty Nine Steps | Die neununddreißig Stufen (1939) ...
Kindern entgehen solche feinen Anspielungen.

Servalan 28.08.2017 13:37

Literaturverfilmung ist ja nicht gleich Literaturverfilmung.
Hinzu kommt, daß der Status je nach Kulturkreis variiert.
Die zeitnahe Umsetzung eines umstrittenen Bestsellers (Feuchtgebiete, Schoßgebete) ist schon etwas anderes als die Verfilmung eines Klassikers aus dem Kanon, der sowieso auf dem Lehrplan der meisten Schulen steht.

Sichtbar wird das Beispiel an Dickens-Verfilmungen: Roman Polanskis Oliver Twist konnte weltweit vermarktet werden, weil die Story international zu den Standards gehört.
Der Stoff konzentriert sich (wie ein Pitch) gewissermaßen in einer ikonischen Szene, die schon im Trailer ausgespielt wird: Oliver Twist bittet im Armenhaus um Nachschlag und erntet von den Honoratioren an der übervollen Tafel bloß höhnisches Gelächter.

Dickens Spätwerk Our Mutual Friend | Unser gemeinsamer Freund (1864-1865), wurde von der BBC seit den Kindertagen des Fernsehens für jede Generation neu verfilmt: 1958, 1976 und zuletzt 1998.
Außerhalb des angelsächsischen Sprachraums fällt diese Verfilmung durch das Raster und dürfte eine deutlich geringere Verbreitung erfahren haben. Der Stoff ist zu sperrig und zu unbekannt, da er nicht reflexhaft mit Dickens verbunden wird.

Servalan 01.09.2017 23:35

Kennt jemand von euch die Ivanhoe-Miniserie von 1997?

Die britisch-us-amerikanische Koproduktion setzt den Stoff als historische Erzählung aus dem Jahre 1192 um. Dabei verzichtet die Produktion auf Hochglanz und zeigt ein ärmliches England, in dem nicht nur Robin von Locksley und seine Bande in Lumpen herumlaufen.
Einerseits fand ich den Realismus schon beeindruckend (ohne den Erfolg wäre Game of Thrones möglicherweise zahmer umgesetzt worden), aber bei dem riesigen Ensemble fiel es mir in der Episode schwer, die einzelnen Charktere voneinander zu unterscheiden.
Die gesamte zweite (der sechs) Episode(n) dreht sich um das Turnier mit Tjosten und Pfeilschießen - für mich der eigentliche Höhepunkt. Insofern bleibt die Hollywood-Version von 1952 mit Robert Taylor und Elizabeth Taylor einer der Filmklassiker, weil sie ihre künstlerische Freiheit für prächtige Bilder nutzt.

Danach habe ich auch J.R.R. Tolkiens und Peter Jacksons Herr der Ringe mit anderen Augen gesehen. Sir Walter Scott muß Tolkien geprägt und Spuren in seinem Unterbewußtsein hinterlassen haben.

Servalan 02.12.2017 00:42

Dennis Schecks Interview mit Sven Regener in der Novemberausgabe von Druckfrisch liefert interessante Anhaltspunkte. Scheck fragt Regener nämlich, ob sich der Autor eine Verfilmung seines neuesten Romans um Herrn Lehmann vorstellen könne, und erhält eine Antwort, die tief blicken läßt.
Wegen der zahlreichen reflexiven Passagen hat Regener starke Bedenken und meint, das ließe sich nur durch etliche Kommentare aus dem Off umsetzen.

Aus meiner Sicht spricht da die Betriebsblindheit des Spracharbeiters.
Film hat zahlreiche Register, und wenn die gut genutzt werden, kann der Film als Medium sogar das Unmögliche vollbringen. Casting, Ausstattung, Lichtregie, Tondesign, ein subtiler Einsatz von Musik - was damit auf die Beine gestellt werden kann, liegt für Regener im toten Winkel.
Er hat schlicht und einfach keine Vorstellung davon.
Muß er auch nicht.
Das Drehbuch sollte jedoch jemand schreiben, der filmische Qualitäten einsetzt, um etwas Neues über Herrn Lehmann zu erzählen, das die Romanvorlage nicht kann.

Servalan 25.01.2018 18:24

Als Fan der Geschichten von Stanisław Lem konnte ich der Verfilmung seines genialen Romans Der futurologische Kongreß natürlich nicht widerstehen. Den Roman habe ich jedenfalls gelesen. Als damals ein Schuber mit allem, was sich um Ijon Tichy dreht, erschien, habe ich mir das Teil gegönnt.
Lem sprüht nur so vor Ideen, gleitet gern ins Philosophische ab und verliert sich gern mal in verstiegenen Theorien - allerdings nutzt er dafür teilweise ein überschaubares Register von Erzählweisen, das sich nach einer Weile förmlich aufdrängt.
Deshalb lese ich ihn am liebsten in geringen Dosen, hier mal einige Kurzgeschichten, dort mal ein Roman. Wegen seiner theoretischen Fülle gehört eine Portion Mut dazu, daraus ein Drehbuch zu machen.
Als klassische Verfilmung ist mein Favorit bislang Testflug zum Saturn | Der Testflug des Piloten Pirx | Test pilota Pirxa (Polen / Sowjetunion 1978, Regie: Marek Piestrak). Von der Dramaturgie gibt es deutliche Parallelen zum Androiden-Subplot in Ridley Scotts Alien (1979).

Lem hätte Ari Folmans Neuinterpretation The Congress (Israel 2013) wahrscheinlich nicht gefallen, tippe ich. Wenn Lem schon Tarkowskis Solaris (1972) seine Gnade versagt hat, hätte er sich für The Congress wohl geschämt.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, Tarkowskis Solaris halte ich für ein filmisches Meisterwerk - auch weil es etwas Eigenes ist. Am besten wirkt der Klassikier auf einer riesigen Kinoleinwand.
The Congress empfinde ich eher zwiespältig. Die Einleitung finde ich ein wenig zu lang, aber dann wird die Vorlage deutlich. Aus meiner Sicht ist der Film nicht zu Ende gedacht und wirkt dadurch zu plakativ. Als ob Folman das Publikum überwältigen will, damit es ja nicht auf eigene Gedanken kommt.
Im Gegensatz den eher leeren Sets im Real-Life-Teil haben die Animationssequenzen Wimmelbildcharakter: prima Futter für Fans, die im Freeze-Frame-Modus jedes Einzelbild analysieren wollen. Der VFX-Orgie steht jedoch ein dürrer Plot gegenüber.

Und Folman macht meines Erachtens den gleichen Fehler wie Tarkowski: Was bei Lem eine Leerstelle bleibt, wird pseudoreligiös zugekleistert. Bei Tarkowski habe ich vollstes Verständnis, nicht zuletzt wegen der historischen Situation in der atheistischen Sowjetunion.
Aber bei Folman wirkt die Masche platt, pathetisch und oft nur peinlich. Wenn dann in einer Schlüsselszene ein Horus am Nebentisch sitzt, ist das Gnostik mit dem Holzhammer.
Da gefielen mir die Szenen besser, die aus Mamoru Oshiis Avalon – Spiel um dein Leben | アヴァロン (Polen / Japan 2001) hätten stammen können. Found Footage und echte Filmzitate wären aus meiner Sicht eine Alternative gewesen.

Servalan 13.06.2018 14:39

Zitat:

Zitat von Xury (Beitrag 544888)
Ich bin großer Liebhaber der alten Advents-Vierteiler und habe mir nach und nach so gut wie alle auf DVD zugelegt. Damals habe ich bei fast allen gebannt vor dem Fernseher gesessen. Aus heutiger Sicht sind einige deutlich besser gealtert als andere.

Meine Favoriten, die ich immer wieder sehen könnte:
"Die Schatzinsel"
"Tom Sawyer und Huckleberry Finn"
"Der Seewolf"
"Robinson Crusoe"

(...)

Mit großem Wohlwollen:
"David Balfour"
"Lockruf des Goldes"
"Don Quijote"

(...)

Die Abenteuer des David Balfour haben für mich immer noch einen gewissen Reiz, dem ich mich nicht entziehen kann. Der Vierteiler macht es dem Publikum aber wesentlich schwieriger, in die Geschichte zu kommen, als Die Schatzinsel. Bei der Story um den Piratenschatz bildet jede Folge eine Einheit mit einem klassischen Episodenhöhepunkt - quasi die Etappen einer Schnitzeljagd.

Im Gegensatz dazu kann die erste Folge der Abenteuer des David Balfour ziemlich verwirrend sein: Abwechselnd werden vier verschiedene Backstories erzählt, die sich zum Schluß zwar annähern, aber kein übersichtliches Ganzes werden. Daraus ergeben sich gewisse Parallelen zu den anspruchsvollen Serien von heute, bei denen ja auch oft erst nach Folge 3 klar ist, worum es eigentlich geht.

Der pubertierende Ekkehard Belle | David Balfour wird unfreiwillig zum Sidekick des schottischen Freiheitskämpfers | Terroristen (für die Engländer) Allan Breck Stewart. Allan Breck hat heftige Abgründe, obwohl Stevenson ihn als einen von den Guten darstellt.
David Balfour ist düsterer und erwachsenerer als die Jagd nach dem Piratenschatz. Sie verlangt vom Publikum, daß es mitdenkt, sonst verläuft es sich. Insofern kann ich verstehen, daß Die Schatzinsel mehr Sympathien hat als Die Abenteuer des David Balfour.

Nun ja, die Geschmäcker sind verschieden.

Servalan 13.06.2018 23:47

So, jetzt habe ich alle vier Teile gesehen.

Nun ja, eigentlich läuft die Geschichte erst ab der dritten Folge richtig rund.
Die zweite Episode besteht nämlich aus einer 90-minütigen Verfolgungsjagd durch Heide, Moore und Wälder Schottlands. Dabei treten zwar neue Figuren auf, für einen Durchblick sind die jedoch eher hinderlich.
Zu den ersten anspruchsvollen Filmen, die ich im Fernsehen genießen konnte, gehörte wenige Monate später Joseph Loseys Figures in a Landscape | Im Visier des Falken nach einem Roman des Schauspielers Robert Shaw. Über 103 Minuten erzählt Losey, wie ein alter und ein junger Gefangener durch eine schier endlose Landschaft flüchten. Verfolgt werden sie von einem Hubschrauber, in dem ein Pilot und ein Beobachter sitzen. Ich empfand das als Déjà-Vu.

Durch den Bechdel-Test fällt Die Abenteuer des David Balfour mit Pauken und Trompeten durch.
Für eine Fernsehserie von 1978 fand ich die Frauenrollen positiv, obwohl sie eindeutig 18. Jahrhundert sind. Kein hysterisches Gekreische wie bei Allein gegen die Mafia, und im Rahmen der damaligen Konventionen waren die jungen Frauen aktiv und handelten, ohne jedesmal loszuflennen.

Der dritte Pluspunkt war die Musik von Vladimir Cosma (Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh, La Boum - Die Fete). Die legte noch klassisch Wert auf Melodie, Rhythmus, Instrumentierung. Am besten gefiel mir die Titelmelodie "David's Song" auf der Maultrommel.

Servalan 20.06.2018 16:32

Zitat:

Zitat von Xury (Beitrag 544888)
(...)

Meine Favoriten, die ich immer wieder sehen könnte:
"Die Schatzinsel"
"Tom Sawyer und Huckleberry Finn"
"Der Seewolf"
"Robinson Crusoe"

Mit gewissen Abstrichen:
"Lederstrumpf"
"Michael Strogoff"

Mit großem Wohlwollen:
"David Balfour"
"Lockruf des Goldes"
"Don Quijote"

Gar nicht mehr gehen:
"Zwei Jahre Ferien"
"Cagliostro"

In den letzten Wochen habe ich mir noch mal einige Abenteuervierteiler gegönnt.

Am besten gehalten, hat sich aus meiner Sicht Der Seewolf.
Bei der Erstausstrahlung war ich zu jung, um die Story zu kapieren: Wie Wolf Larsen die Kartoffel zerquetscht und die Reisen nach Hobo-Art auf den Güterzügen sind mir in Erinnerung geblieben.
Der Vierteiler führt durch das Jack-London-verse (obwohl es schon früher andere Verfilmungen von Londons Stoffen gegeben hat), das auch für Erwachsene seinen Reiz hat. Bei zahlreichen Szenen mußte ich daran denken, was Joseph Conrad aus dem Stoff gemacht hätte.

Die volle Punktzahl erreichen ebenfalls:
- Die Schatzinsel
- Die Abenteuer des David Balfour

Gute Unterhaltung:
- Die Lederstrumpf-Erzählungen

Zäh und vom Zahn der Zeit zerfressen:
- Tödliches Geheimnis nach Die Dinge wie sie sind oder Die Abenteuer des Caleb Williams (1794) von William Godwin
- Cagliostro nach Joseph Balsamo (1853) von Alexandre Dumas

Peter L. Opmann 20.06.2018 18:30

Sieht so aus, als wären die bekannteren Stoffe auch die besser verfilmten. Nicht ganz ins Bild paßt "David Balfour", sicher eins der unbekannteren Werke von Stevenson. Bei "Cagliostro" habe ich zunächst gedacht, da gebe es eine bekannte Oper, aber dieser Titel scheint doch ins Bild zu passen.

Ich kann mich noch an den Vierteiler "Der Kurier des Zaren" mit Raimund "Seewolf" Harmsdorf erinnern, den ich damals, in den 70ern, auch sehr gelungen fand. Auch wieder eine bekannte Vorlage.

Servalan 20.06.2018 23:07

Die Luschen haben verschiedene Gründe:

Cagliostro ist die Verfilmung eines Geheimbundromans, und die Intrige schwirrt heutzutage dutzendfach durchs Internet: Der "Zirkel der Erleuchteten" (sprich: Illuminaten) will in Frankreich die Bourbonendynastie (mit dem Lilienwappen) stürzen, indem sie eine künstliche Hungersnot verursachen und ansonsten Zwist und Hader säen. Cagliostro versucht es bei Ludwig XV. und Madame Dubarry, scheitert aber, weil es keine Revolution gibt.
Den Dreiteiler habe ich als plump empfunden. Die Perspektive und die erzählte Geschichte liefen ziemlich auseinander. Ich habe mich öfter gefragt: Durch wessen Augen erlebe ich die Geschichte? Ich kam auf keinen gemeinsamen Nenner, die Intrige lief eher sprunghaft und willkürlich.

Caleb Williams funktioniert über weite Strecken wie eine philosophische Parabel darüber, ob der Mensch nun gut oder böse ist. Psychologisch bleiben die Figuren blasse Pappkameraden. Ich kann mir vorstellen, daß viele Erstseher Tödliches Geheimnis mit ziemlichem Stirnrunzeln ansehen.
Der Bauernjunge Caleb Williams wirkt treudoof. Durch einen zynischen Trick eines Gutsbesitzers läßt er sich einen bescheuerten Schwur aufzwingen, mit dem er nicht nur den Mörder seines Vaters deckt - nein, er wandert auch selbst ins Gefängnis, wo ihm der Galgen droht.
Der Stoff müßte gründlich durchlüftet und neu überarbeitet werden: Entweder so, daß er psychologisch überzeugt - oder komplett bizarr und absurd. Bei der Prozeßszene im letzten Teil erscheint der Bösewicht nämlich als grinsender Vorläufer des Jokers oder von Pennywise.

Servalan 25.06.2018 16:19

Ende der 1970er Jahre liefen häufig Stoffe von Jack London über den Bildschirm.
Ob und wann Der Seewolf damals wiederholt wurde, daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.
1975 wurde Lockruf des Goldes über den Goldrausch am Klondike ausgestrahlt, 1977 wurde der Vierteiler wiederholt, und 1978 gab es das Spin-off, den 5. Teil Das verschollene Inka-Gold als eigenständigen Film.

Und 1979 wurde Martin Eden gesendet, Jack Londons fiktionalisierte Autobiographie. Darin finden sich deutliche Parallelen zu Der Seewolf. In meiner Erinnerung haben sich die beiden Verfilmungen gegenseitig verstärkt. Das scheint beabsichtigt gewesen zu sein.
Die Adventsvierteiler habe ich als Reihe wahrgenommen. Martin Eden läutet die Spätphase mit den historischen Stoffen (Wettlauf nach Bombay, Der Mann von Suez) ein - der fällt nämlich in beide Schemata: sowohl eine Literaturverfilmung als auch ein historischer Stoff.

Aus dem klassischen Abenteuergenre war wohl irgendwann in den 1980ern die Luft raus. Der neue Ansatz mit ironischem Augenzwinkern und CGI kam dann in der Indiana-Jones-Trilogie, Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten und Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil mit Michael Douglas.
In der australischen Komödie Crocodile Dundee – Ein Krokodil zum Küssen mit Paul Hogan in der Hauptrolle wird der Abenteurer im Outback endgültig zur Lachnummer ...

Peter L. Opmann 25.06.2018 16:31

Ich habe "Crocodile Dundee" damals in Köln in der Pressevorführung gesehen, und ich war von dem Film durchaus angetan. Aus heutiger Sicht ist er natürlich reichlich sexistisch - ein Großteil der Komik rührt von der unfähigen und ziemlich beschränkten Journalistin her, die Dundee immer wieder aus Schwierigkeiten retten muß und die sich zum Dank dafür unsterblich in ihn verliebt.

Was ich im Kino gut fand, waren die Bildführung und der Ton. Es war eine sehr große Leinwand, und die Lautsprecher wurden voll aufgedreht. Es vermittelte sich irgendwie die Wildheit des australischen Outbacks, und somit wirkte Dundees Agieren sehr überzeugend. Ich dachte: Ein neuer Typ Held.

Als ich "Crocodile Dundee" ein paar Jahre später nochmal im Fernsehen sah, war der Effekt fast völlig weg. Der Film hatte kaum noch etwas Abenteuerliches, er machte einen einfallslosen und abgeschmackten Eindruck. Bei kaum einem Kinofilm habe ich diesen Effekt so stark wahrgenommen, obwohl in gewissem Maß jeder Kinofilm im Fernsehen verliert (selbst auf den neuen Großbildschirmen).

Servalan 25.06.2018 16:57

Das scheint in den 1980ern häufiger vorgekommen zu sein: Aus dem Kerl wurde ein neuer Typ Held, bloß mit den Frauenrollen schienen die Drehbuchautoren und Regisseure wenig bis nix anfangen zu können.
Besonders Indiana Jones und der Tempel des Todes im indischen Kali-Tempel ist eine eindrucksvolle Achterbahnfahrt von einem Cliffhanger zum nächsten. Leider ist die Story äußerst dünn, und Steven Spielbergs spätere Ehefrau Kate Capshaw darf kreischen, was das Zeug hält. Die Michael-Douglas-Abenteuerfilme dürften ähnliche Szenen enthalten.

Martin Eden ist in der Hinsicht erwachsen und bietet Frauenrollen mit einem gewissen Anspruch - Andrea Ferreol (Das große Fressen, Die letzte Metro), Mimsy Farmer und Capucine sorgen für eine weiblich-frauliche Note, die über Klischees und Stereotypen hinausgeht.

Beim Abenteuergenre fällt mir auf, wie harte körperliche Arbeit betont wird: Seeleute, Fabrikarbeiter und Lastwagenfahrer. Solche Helden der Arbeit, die meist nichts mehr zu verlieren haben, sind hinter Digitalisierung und Automatisierung verschwunden.

Servalan 26.06.2018 23:58

Tödliches Geheimnis nach Die Dinge wie sie sind oder Die Abenteuer des Caleb Williams (1794) von William Godwin hätte eigentlich ein klassischer Thriller werden können, wenn der Stoff ausgemistet worden wäre.
William Godwin (1756 - 1836) war mit der Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Mary Wollstonecraft (1759 - 1797) verheiratet, beide sind die Eltern der Erfinderin von Frankenstein or The Modern Prometheus | Frankenstein oder Der moderne Prometheus (1818), Mary Shelley (1797 - 1851). William Godwins Roman gilt als Vorläufer der Detektivgeschichte, aber literarisch kann er seiner Tochter nicht das Wasser reichen.

Die Fehde zwischen benachbarten Gutsbesitzern Tyrell und Ferdinand Falkland in ersten Teil von Tödliche Geheimnisse wirkt an den Haaren herbeigezogen. Der bösartige, dumme und stolze Tyrell tyrannisiert als sadistischer Patriarch seine Umgebung - ein Psychopath aus dem Bilderbuch.
Ferdinand Falkland hingegen unternimmt eine Italienreise, von der er mit etlichen Gemälden, Statuen und Antiquitäten heimkehrt. Der Schöngeist schwärmt von Rousseau, hat ein Faible für wissenschaftliche Geräte und läßt sich von seinen Schranzen als Schöngeist feiern.
Die müssten beide ambivalenter dargestellt werden. Valentine Forester mokiert sich nämlich zu Beginn des zweiten Teils, daß sich Falkland durch seine Sucht, sich selbst zu verbessern, unweigerlich zum Monster entwickeln wird.
Caleb Williams' Vater wird von Falkland als Mörder Tyrells verurteilt.

Weniger wäre mehr gewesen: Falklands Geständnis unter vier Augen nützt Caleb Williams nichts, weil er belastende Indizien oder ein schriftliches Geständnis braucht, um seinen vermeintlichen Gönner zu überführen.
In zweiten Teil taucht plötzlich Valentine Forester auf, Falklands Halbbruder, der im Ausland als Spion unterwegs gewesen war. Forester und Falklands ehemalige Dienerin Jane Alcott, die Caleb liebt, werden seine Verbündeten.
Foresters Motive bleiben dabei im unklaren. Das Verhältnis scheint eine gewisse Ähnlichkeit mit der Rivalität von Sherlock Holmes und Mycroft Holmes aufzuweisen.
Der Stoff hat Potential, das geschickt genutzt werden müsste, dann funktioniert eine Verfilmung auch.

Servalan 28.06.2018 11:52

  • John Wyndham: The Day of the Triffids (Michael Joseph 1951), deutsche Ausgaben: Die Triffids (Süddeutscher Verlag 1955, Heyne Science Fiction 1960, überarbeitete Neuausgabe im Verlag Heinrich und Hahn 2006)
  • The Day of the Triffids | Die Triffids - Pflanzen des Schreckens (BBC One 2009), Drehbuch: Patrick Harbinson, Regie: Nick Copus, 180 min in zwei Teilen
Von John Wyndham (1903 - 1969) gab es zwei Romane, die ich unbedingt lesen wollte. Ich nehme an, wenn die nicht verfilmt worden wären, hätte ich die beiden britischen Science-Fiction-Klassiker aus den 1950ern übersehen. Eines Tages fiel mir im Antiquariat ein dicker Band mit Wyndhams sämtlichen Veröfflichungen aus den 1950ern in die Hände. Den günstigen Omnibus habe ich mir geschnappt.

Der erste war Wyndhams Vorlage zu Village of the Damned | Das Dorf der Verdammten (1960): The Midwich Cuckoos | Kuckuckskinder (1957). Selbst auf dem kleinen Bildschirm hat mich die Schwarzweißversion das Fürchten gelehrt. Die hatte es echt in sich.
John Carpenters Remake von 1995 fand ich hingegen eher soso lala.

Die Mörderpflanzen wollte ich bei erster Gelegenheit sehen, weil die regelmäßig in der Sekundärliteratur erwähnt wurden. Irgendwann in den frühen Nuller Jahren habe die BBC-Fernsehserie von 1961 auf youtube sehen können und war schwer beeindruckt. Die Effekte hatten etwas von einem guten Jack-Arnold-Film, die mittlerweile überholt sind, aber vor dem Hintergrund von damals überzeugend wirkten. Das lag am fabelhaften Storytelling.

Danny Boyles und Alex Garlands postapokalytischen Thriller 28 Days Later (2002) und dessen Sequel 28 Weeks Later (2007) habe ich seinerzeit im Kino gesehen. Die beiden lassen sich großzügig von Wyndhams Triffid-Roman inspirieren, ersetzen die Mörderpflanzen aber durch Zombies.
Aufgrund der zeitlichen Nähe war ich bei der Miniserie von 2009 skeptisch. Denn im Gegenzug mußten Drehbuchautor Patrick Harbinson und Regisseur Nick Copus einiges ändern, damit der Stoff nicht wie ein unfreiwilliges Plagiat von 28 Days Later wirkt.

In dier modernisierten Fassung stammen die Triffids aus dem Dschungel von Zaire. Ein Forscherehepaar brachte die fleischfressenden Pflanzen nach Großbritannien, wo sie jetzt in Zuchtanlagen gehalten werden. Mit dem Produkten der Triffids konnte die Ölkrise ohne Klimaschock bewältigt werden.
Bill Masen ist der Sohn der Biologen und arbeitet in einer dieser Anlagen. Triffids wehren sich, indem sie zustechen, so daß ihr Opfer erblindet. Masen wird rechtzeitig gerettet und findet im Krankenhaus sein Augenlicht wieder.
Weil Tierschutzaktivisten Triffids als ausgebeutete Kreaturen befreien wollen, können die Triffids aus der Anlage ausbrechen ...

Die Spezialeffekte sind erste Sahne, und die neuen Triffids können einem schon das Gruseln beibringen. Bei der Neufassung fühlte ich mich an Peter Jackson frühe, neuseeländische Zombiefilme aus den 1980ern erinnert.
Das Remake ist unterhaltsam, ich persönlich ziehe die Version von 1961 vor.

Servalan 29.06.2018 13:42

  • Frank Herbert: Dune (Chilton Books 1965) - erstes Buch der Wüstenplanet-Hexalogie
  • Dune | Der Wüstenplanet (USA 1984), Drehbuch und Regie: David Lynch, 137 min, FSK: 16
Damals ist das erste David-Lynch-Film gewesen, den ich im Kino gesehen habe. Aus dem Fernsehen kannte ich The Elephant Man | Der Elefantenmensch (1980), der mich schwer beeindruckt hat. Eraserhead (1977) habe ich während meines Studiums später in Kommunalen Kinos und Arthousekinos mehrmals gesehen.

Die Verfilmung erntete seinerzeit geharnischte Kritiken und wurde landauf, landab verrissen. Ich war damit zufrieden; was wohl auch daran lag, daß ich die Romane nicht gelesen habe. Da kamen etliche positive Faktoren zusammen.
Zum einen war da die Begeisterung des Neuinitiierten, der über handwerkliche Fehler gnädig hinwegsieht. Durch den Kinostart konnte ich ab jetzt Lynchs künstlerische Entwicklung live mitverfolgen. Obwohl die Aufführung damals bloß in einem Schachtelkino gelaufen ist, war die Leinwand doch um einiges größer als in unserem lumpigen Schwarzweißfernseher.
Sicherlich gab es auch einen gewissen Lynch-Chauvinismus, der dem Meister einen Hohe-Kunst-Bonus verlieh, also der Dünkel, etwas Besseres zu sein als der übliche SF-Space-Soap-Fan.

Auf der DVD befand sich ebenfalls die dreistündige TV-Fassung, von der Lynch sich distanziert hat.
Ich schaue mir das Ding aus nostalgischen Gründen an: Ich mag Kyle MacLachlan, Jürgen Prochnow, Sting und Patrick Stewart, weil ich ihre schauspielerischen Leistungen schätze. Je öfter ich mir das antue, umso mehr Schwächen fallen mir auf.
Ja, es gibt einige gute Szenen, aber der Film wird nie rund. Mir vergeht eher die Lust, mich auf Frank Herberts Dune-Universum einzulassen.

Servalan 01.07.2018 12:21

  • J.R.R. Tolkien: The Lord of the Rings | Der Herr der Ringe (Houghton Mifflin 1954 - 1955, deutsche Ausgabe Klett Cotta 1969 -1970)
  • The Lord of the Rings | Der Herr der Ringe (USA 1978, Saul Zaentz für United Artists), Drehbuch: Peter S. Beagle und Chris Conkling, Regie: Ralph Bakshi, 132 min, FSK: 12
Während meiner Schulzeit habe ich mit Tolkiens Meisterwerk gefremdelt. Ich habe mir zu Weihnachten, die Trilogie gewünscht und dann auch den grünen Schuber mit den drei Taschenbüchern bekommen.
Das lag vermutlich an zwei Faktoren: Von Hobbits hatte ich vorher nie gehört. Insofern gehörte ich zu Tolkiens Zielgruppe für seinen umständlichen Prolog, in dem er ein Panorama seines Universum gibt. Ich habe sehnlichst darauf gewartet, daß die Geschichte endlich Fahrt aufnimmt - und das erste, was mir gefallen hat, war das Geburtstagsfest.
Letzten Endes bin ich bis zur Schlacht um Helms Klamm gekommen, bis Merry und Pippin sich auf ihrer Flucht vor den Orks im Wald der Ents verlaufen habern. Meine Mutter hatte die leidige Eigenschaft, mich immer wieder in meiner Lektüre zu unterbrechen. Irgendwann bin ich dabei aus dem Takt gekommen und habe den Draht zur Story verloren.
Vor einigen Jahren fiel mir einem Antiquariat eine englische, gebundene Omnibusausgabe in die Hände. Und obwohl ich tagsüber beschäftigt war, habe ich jeden Tag 200 Seiten gelesen und jedes Wort von Tolkien genossen.

Wie Lynchs Version von Herberts Wüstenplanet Dune habe ich Ralph Bakshis Verfilmung im gleichen Schachtelkino gesehen. Der war damals Teil eines besonderen Sommerprogramms, in dem Klassiker aus Fantasy und Science Fiction jeweils eine Woche lang neu aufgeführt wurden. Star Wars, Rocky Horror Picture Show, Little Shop of Horrors | Der kleine Horrorladen und Kubricks 2001 - Odyssee im Weltall zum Beispiel.
Die Verfilmung bleibt vergleichsweise dicht an der Vorlage, bricht jedoch mitten in der Erzählung ab. Bakshi war durch seine Zeichentrickfilme für Erwachsene bekannt: in erster Linie Fritz the Cat nach Robert Crumb. Erotik kommt im Mittelerde weniger vor.
Damals war ich zufrieden, weil Bakshi elliptisch erzählt und eine Menge passiert. Die Tricktechnik hat mir gefallen, obwohl Gandalf und die Hobbits sich problemlos in einen Disney-Film aus derselben Zeit (Bernhard und Bianca) eingefügt hätten. Der erste Auftritt der Nazgûl hat mir Gänsehaut eingejagt: Ich habe mit Frodo, Sam, Merry und Pippin mitgefiebert, daß sie der Reiter sie im Dickicht nicht entdeckt.

Der Film hat sicherlich seine Schwächen und kann seine Entstehungszeit nicht leugnen. Aber heute gefällt er mir besser als damals. Die rotoskopierten Orks wirken immer noch modern: Stilistisch erinnern sie mich an Moebius'/Jodorowskys Bösewichte in der Incal-Saga. In Corbens DEN-Universum passen sie ebenso gut wie in Mike Mignolas Hellboy-Universum.
Das Storytelling hat jedenfalls keinen Staub angesetzt. Chapeau, Mister Bakshi!

Servalan 28.10.2019 15:23

  • Margaret Mitchell: Gone with the Wind (1936) | Vom Winde verweht (1937 und 1947)
  • Gone with the Wind | Vom Winde verweht (USA 1939, David O. Selznick für Selznick International im Verleih von MGM), Drehbuch: Sidney Howard und Ben Hecht, Regie: Victor Fleming, George Cukor, Sam Wood, 238 min
Im zweiten Anlauf ist es mir endlich gelungen, den dicken Roman durchzulesen. Er verlangt eine Menge Geduld, außerdem war die Übersetzung schon deutlich veraltet (häufig das heute verfemte N-Wort für Afroamerikaner). Die Verfilmung läßt sich heute besser genießen als der Roman.

Mitchell glorifiziert Georgia und wäscht die Sklavenhalter ziemlich weiß. Als handelnde Figuren kommen überwiegend Haussklaven vor, die zur Familie gehören; die übler behandelten Feldsklaven eher am Rande. Auf diese Weise bildet sie verschiedene Arten von Rassismus ab.
Die Yankeefrauen im besetzten Georgia beschweren sich, daß sie keine Nannys für ihre Kinder finden. Scarlett O'Hara findet die Aussage lächerlich, denn es gibt viele ehemalige Sklavinnen, die Kinder erziehen können. Aber die Yankees verlangen weiße Kindermädchen, deutsche oder irische Nannys.
Am schlechtesten kommen bei Mitchell ehemalige Sklaven weg, die Abgeordnete geworden oder in die Politik gegangen sind. Den Ku-Klux-Klan schreibt sie schön, was den Roman schwer verdaulich macht. Die Verfilmung weicht dem KKK eher aus, was ihm zugute kommt.
Mitchell setzt mit ihrem langatmigen Roman dem Bundesstaat Georgia ein Denkmal, dabei erscheint das alte Georgia am Vorabend des Bürgerkrieges als Idylle aus der Sicht Scarlett O'Haras - und Margaret Mitchells.

Servalan 29.12.2019 16:29

  • Theodor Fontane: Effi Briest. Roman (Vorabdruck in Deutsche Rundschau Band 81 und 82 Oktober 1894 bis März 1895, Buchausgabe 1896)
  • Fontane Effi Briest oder Viele, die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und ihren Bedürfnissen und trotzdem das herrschende System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten und es somit festigen und durchaus bestätigen, Bundesrepublik Deutschland 1974, Drehbuch, Produktion und Regie: Rainer Werner Fassbinder, 136 min, FSK: 12
Fassbinders eingängigste Verfilmung dürfte Welt am Draht sein. Erzählerisch nutzt in Fontane Effi Briest dieselben filmischen Mittel wie in Berlin Alexanderplatz: Textinserts, eine Erzählerstimme aus dem Off und Weißblenden. Der Vorspann zum Schwarzweißfilm läuft ohne Musik, ohne Ton. Die ersten Einstellungen sind sehr starr. Mit Berlin Alexanderplatz bin ich leichter zurande gekommen. Statt eines Dreiecksverhältnisses in einem Schmachtfetzen liefert Fassbinder hier distanziertes Anti-Hollywood.

Mittlerweile dürfte Fontanes Roman leichter zugänglich sein als diese Verfilmung. (Von Fontane habe ich in der Schule nur Unterm Birnbaum als Lektüre gehabt, andere Fontanes habe ich nicht gelesen.)

Irgendwie hat Fontane Effi Briest dennoch einen eigenen Sog entfaltet. Ich habe ihn wie eine Märchenverfilmung für Erwachsene gesehen. Bei Märchen wird der Plot ja auch als bekannt vorausgesetzt, so daß Spoilern nichts am Film ändert.
Fassbinder schließt manchmal das Erzählen kurz: Das Duell von Innstetten gegen Major Crampas zeigt er erst, als Major Crampas nach dem Schußwechsel schon im Sterben liegt. Der Seitensprung von Effi Briest mit Major Crampas wird bloß mit Strandszenen und einem Sitz in einer gemeinsamen Kutsche angedeutet.
Kinder dürften dem Film wohl als langweilig empfinden, auch viele Zwölfjährige.

Peter L. Opmann 29.12.2019 17:41

"Effi Briest" habe ich in den 80er Jahren als Reclam-Bändchen gelesen. Den Faßbinder-Film habe ich auch vor etlichen Jahren zuletzt gesehen, aber er hat mir sehr gut gefallen. Gustaf Gründgens hat den Stoff bereits 1939 mit seiner Frau Marianne Hoppe in der Hauptrolle als "Der Schritt vom Wege" verfilmt, aber er kommt an Faßbinder, finde ich, bei weitem nicht heran. Was mir gefallen hat, war die Kühle und Distanziertheit des Faßbinder-Films. Das paßt sehr gut zur Vorlage.

Der Clou an der Geschichte ist: Es gibt gar keine Affäre zwischen Effi und Crampas. Sie haben nur daran gedacht und sich entsprechende Briefe geschrieben. Es wäre also für Instetten ein Leichtes gewesen, den Vorfall abzutun und zu vergessen. Aber die Konvention verlangte, daß er so reagierte, wie er reagierte. Obwohl das nur Leid brachte.

Servalan 01.01.2020 18:00

  • Theodor Fontane: Unterm Birnbaum (Vorabdruck in Die Gartenlaube 1885, Buchausgabe Verlag Müller-Grote 1885)
  • Unterm Birnbaum (Deutschland 2019), Drehbuch: Léonie-Claire Breinersdorfer, Regie: Uli Edel, 89 min
Die Verfilmung von arte und ZDF verlegt die Handlung in die Gegenwart, bleibt aber sonst eng an der Vorlage. Als ich die Kriminalnovelle als Schulstoff gelesen habe, hatte ich ein engeres Verständnis von Krimis, und da das keine Whodunit war, bin ich enttäuscht gewesen.
Von der Atmosphäre her erinnert der Stoff an Chabrol-Krimis oder Nicht-Maigret-Simenon-Krimis. Das sind schon unterhaltsame anderthalb Stunden. Großes Kunstkino ist das nicht, eher handwerklich gutes Erzählkino. Die Darsteller tragen die Erzählung, obwohl die starke Rolle des Pfarrers etwas Provinzielles hat. Ein Krimi für Erwachsene, die sich mal von Polizeikrimis erholen wollen.
Die Faßbinder-Verfilmung Fontane Effi Briest spielt in einer anderen Liga, einer höheren Liga als dieses Fernsehspiel.

Schlimme 01.01.2020 23:31

In diesem Jahr erschien "Unterm Birnbaum" auch als Comic:

http://www.comicguide.de/index.php/c...long&id=129902

http://www.comicguide.de/pics/medium/129902.jpg

Servalan 03.01.2020 19:22

  • William S. Burroughs: The Wild Boys: A Book of the Dead (Grove Press 1971)
  • Les Garçons sauvages | The Wild Boys (Frankreich 2017, Ecce Films), Drehbuch und Regie: Bertrand Mandico, 110 min, FSK: 18
Die Verfilmung habe ich letztes Jahr im Kino gesehen, in einer einmaligen Spätvorstellung, zu der sich insgesamt ein Publikum von acht Personen eingefunden hatte. Die Fassung war ein französisches Original mit deutschen Untertiteln. Mich hat der Film so beeindruckt, daß ich ihn am liebsten sofort ein zweites Mal gesehen hätte. Aber diese Gelegenheit gab es zu meinem Leidwesen nicht.
Die Filmfachzeitschrift Les Cahiers du cinéma kürte ihn zum "besten Film des Jahres", meiner Meinung nach zu recht.
Der größte Teil des Films ist schwarzweiß, aber immer blitzt kurzzeitig ein farbiges Bild auf. Die Kulissen sind bewußt künstlich und stilisiert, die Verfilmung verweigert jeden billigen Realismus, umso echter und überzeugender wirkt das Schauspiel. Die Pointe läuft auf einen Trick in der Besetzung hinaus, der etwas Geniales hat, deshalb besteht der Vorspann bloß aus dem lakonischen Filmtitel.

Die wilden Jungs heißen Tanguy, Jean-Luc, Hubert, Sloan und Romuald und leben auf der Insel La Réunion. Ihre letzte Missetat war die Vergewaltigung und Ermordung ihrer Literaturlehrerin. Weil sie ein ellenlanges Register an üblen Schandtaten haben, werden sie in einem bizarren Femegericht verurteilt.
Abhilfe verspricht ein Holländer, der der Kapitän genannt wird. Der verspricht den Eltern, aus den Jungs bürgerliche Erwachsene zu machen - daß alle die Erziehung überleben, kann er nicht garantieren. Außer Tanguys Eltern stimmen alle Eltern ihm zu und geben ihm Schmuck als Lohn. Weil Tanguy seine Kumpels nicht im Stich lassen will, stiehlt bei seinen Eltern Wertsachen und bietet sie dem Kapitän an. So landet die Gang auf der Jolle "Cold World".
Der Kapitän beginnt seine Erziehung, indem er jedem der Jungs einen Strick um den Hals legt. Als Verpflegung gibt es komische bittere Haarfrüchte. Nach einer Frist schneidet er die Stricke durch und entläßt die Jungs in die Freiheit.
Später landet er mit seiner Jolle an einer nach Muscheln und Fisch stinkenden Insel, die die wilden Jungs nur widerwillig betreten. Die exotische Vegetation ähnelt menschlichen Körpern und Körperteilen, bietet aber reichlich Früchte. Aber als der Kapitän diese Etappe beenden, rebelliert Jean-Luc als Einziger. Auf der Jolle kommt es wenig später zur Meuterei, bei der der Kapitän ermordet wird. Danach fahren die wilden Jungs wieder zur Insel zurück.


Servalan 13.01.2020 19:55

  • Erich Kästner: Das fliegende Klassenzimmer. Ein Roman für Kinder (Dressler 1933)
  • Das fliegende Klassenzimmer (Bundesrepublik Deutschland 1954), Drehbuch: Erich Kästner, Regie: Kurt Hoffmann, 88 min, FSK: 0
Die erste Verfilmung des Jugendbuchklassikers, der in 30 Sprachen übersetzt wurde, in schwarzweiß stammt von Kurt Hoffmann, der auch Hauffs Das Wirtshaus im Spessart auf die Leinwand brachte. Autor Erich Kästner spielt sich in der Rahmenhandlung selbst und bürgt für Werktreue. Weitere Verfilmungen erschienen 1973 und 2003. Die Nazis verb(r)annten das Buch 1936.

Der Schul- beziehungsweise Internatsroman ist ein britischer Standard. Erich Kästners Variante spielt in einer Kleinstadt von 20.000 Einwohnern, so daß alles schön übersichtlich bleibt. Wie in der Zeit üblich, nimmt das Internat nur männliche Schüler und Lehrer. Außer der Krankenschwester Beate gibt es keine weiblichen Rollen. Lehrer sind männliche Autoritätspersonen.
Mit der Schulfehde in der Provinz gibt es Überschneidungen mit dem französischen Klassiker La guerre des boutons | Der Krieg der Knöpfe (Roman von Louis Pergaud 1912, Verfilmung 1962, Regie: Yves Robert, 91 min, FSK: 0), die beide eine ähnliche Atmosphäre schaffen.
Der Film ist gut gealtert, Erich Kästner als er selbst erzählt die Geschichte teils aus dem Off. Durch das nostalgische Schwarzweiß wirkt er wie ein historisches Dokument aus jener Zeit, den 1950er Jahren.

Die Verfilmung von 1973 muß ich vor Jahr(zehnt)en mal im Fernsehen gesehen haben, aber genaueres erinnere ich nicht. Die von 2003 habe ich nie gesehen.

Peter L. Opmann 13.01.2020 20:51

Der Film von 1973 lief früher öfters im Fernsehen (also noch in den 80er Jahren). Ich habe damals aber Filme noch nicht kritisch betrachtet. Mir ist vor allem in Erinnerung geblieben, daß Joachim Fuchsberger den Klassenlehrer spielte.

Daß Erich Kästner Kinder überhaupt nicht mochte, dürfte weithin bekannt sein. Da ist also eine ähnliche Verwechslung von Person und Rolle wie bei einem Schauspieler möglich.

Thinkerbelle 15.01.2020 01:14

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 608105)
Der Film von 1973 lief früher öfters im Fernsehen (also noch in den 80er Jahren). Ich habe damals aber Filme noch nicht kritisch betrachtet. Mir ist vor allem in Erinnerung geblieben, daß Joachim Fuchsberger den Klassenlehrer spielte.

Daß Erich Kästner Kinder überhaupt nicht mochte, dürfte weithin bekannt sein. Da ist also eine ähnliche Verwechslung von Person und Rolle wie bei einem Schauspieler möglich.

Beide Versionen - die von 1954 und die von 1973 laufen auch heute noch öfters im Fernsehen.

Dass Erich Kästner keine Kinder mochte halte ich für ein Gerrücht. Er hielt beispielsweise sehr lange Kontakt zu einem kleinen Fan, dem er auch eine Rolle in "Emil und die Detektive" verschaffte. Er brach den Kontakt dann allerdings ab, als er selbst von den Nazis immer mehr politisch verfogt wurde - aus dem Grund, dass der Junge und seine Familie da nicht mit rein gezogen werden. Der Junge wurde dann später in die Wehrmacht eingezogen und starb an der Front.
Über diese Freundschaft gibt es sogar einen Film namens "Kästner und der kleine Dienstag". Sehr sehenswert.

Crackajack Jackson 15.01.2020 05:37

Ist wahrscheinlich dasselbe Gerücht, wie bei Peter Lustig, dem auch nachgesagt wurde, keine Kinder zu mögen.

Wenn man in der Öffentlichkeit nur einmal keine Zeit hat seinen Fans Rede und Atwort zu stehen, wird das sofort negativ aufgenommen.

Das fliegende Klassenzimmer ist für mich immer im Kern eine Geschichte um die Männerfreundschaft der beiden Erwachsenen (Joachim Fuchsberger und Heinz Reincke).

Super gespielt von den beiden.

Peter L. Opmann 15.01.2020 08:06

Ich muß gestehen, ich kann meine Behauptung auf Anhieb nicht belegen. Aber ich schaue mal nach, wp ich's her habe.

Peter L. Opmann 15.01.2020 10:44

Es ist ganz interessant, sich mit dem Leben von Erich Kästner zu beschäftigen. Meine Aussage, daß er Kinder nicht mochte, ist sicher arg verkürzt, vielleicht sogar falsch. Es gibt aber zwei Indizien, die in diese Richtung weisen:

1. war Kästner in gewissem Sinn ein Kinderbuchautor wider Willen. Eine Verlagsmitarbeiterin hat ihm vorgeschlagen, auch mal ein Kinderbuch zu schreiben. Daraus wurde dann "Emil und die Detektive". In der Folge wurde Kästner als Kinderbuchautor abgestempelt; bis 1957 erhielt er keinen wichtigen Literaturpreis (das war dann der Georg-Büchner-Preis), was ihn gehörig wurmte. 1960 erschien der Sammelband "Kästner für Erwachsene", der darauf hinwies, daß er auch anderes als Kinderbücher schrieb.

2. hatte Kästner recht verwickelte Frauenbeziehungen. So gab es eine Lebensgefährtin in München, Luiselotte Enderle, und eine andere Frau, Friedl Siebert, in Berlin, mit der er einen Sohn (Thomas) hatte. Lange Zeit ist Kästner im Monatsrhythmus zwischen München und Berlin gependelt und war insofern wohl nicht unbedingt ein guter Vater. Kästner hat sein Privatleben aber so weit wie möglich geheim gehalten - man weiß darüber nach meinem Eindruck gar nicht so viel.

Servalan 17.01.2020 16:47

  • Lothar-Günther Buchheim: Das Boot. Roman (1973, Neuauflage 2005) und Die Festung (1995, Neuauflage 2005)
  • Das Boot (Bundesrepublik Deutschland 1981), Drehbuch und Regie: Wolfgang Petersen, diverse Fassungen, FSK: 12
  • Das Boot Staffel 1 (Deutschland / USA seit 2018), Drehbuch: Tony Saint und Johannes W. Betz, Regie: Andreas Prochaska, 8 x 60 min
Aus Neugier habe ich mir die ersten beiden Folgen der Neuverfilmung des Klassikers Das Boot angetan. Im Moment bin ich unschlüssig, ob ich den Rest der Serie sehe. Die funktioniert einfach nicht, ich langweile mich nur.
Wolfgang Petersens Verfilmung war ein großer Wurf und großes Kino. Die ist mir im Gedächtnis geblieben. Das hängt auch mit der Besetzung zusammen, die Schauspieler haben echt ihr Bestes gegeben, da hat Petersen super Leistungen aus den Schauspielern herausgekitzelt (R.I.P., Jan Fedder!). Blut, Schweiß und Tränen kamen überzeugend rüber.
Und der Spionage/Résistance-Plot auf der Festung läuft vorhersehbar durch.
Dagegen bleibt die Besetzung der Sky-Serie äußerst blaß. Tom Wlaschiha als Gestapo-Größe hat wenigstens etwas Profil, aber das reißt das Mittelmaß nicht heraus. Petersens Fassungen gewinnen im Vergleich noch dazu.

Peter L. Opmann 18.01.2020 08:18

Ich glaube, das liegt auch an der Serien-Manie. Was bei den audiovisuellen Medien Wert haben soll, muß heute im Format einer Serie sein. "Das Boot" ist aber im wesentlichen eine Tauchfahrt, eine in sich geschlossene Geschichte (auch wenn das wegen der Länge des Petersen-Films auch schon mal in Teilen gesendet worden ist).

Es gibt sicher Stoffe, die sich zur Serie eignen, dieser aber wohl nicht. Aber ich beobachte, daß jüngere Freunde von mir bereits eine richtige Abneigung gegen Eineinhalb- oder Zwei-Stunden-Filme haben. Wenn es nicht als Serie auf Netflix läuft, dann kann es nichts taugen...

Servalan 03.02.2020 15:04

  • Jurek Becker: Jakob der Lügner (Aufbau-Verlag 1969, RM Buch und Medien 2007)
  • Jakob der Lügner (Deutsche Demokratische Republik / Tschechoslowakei 1974), Drehbuch: Jurek Becker, Regie: Frank Beyer, 100 min, FSK: 12
Es gibt noch eine weitere Verfilmung, eine Koproduktion der USA, Frankreichs und Ungarns 1999 mit Robin Williams in der Titelrolle. Die habe ich aber noch nicht gesehen.
In der Mediathek stand der Film von 1974, bei dem die Sachlage etwas komplizierter ist. Eigentlich stand das Drehbuch schon für den Jahresplan 1966, wurde aber nicht umgesetzt, weil die polnischen Koproduzenten ausstiegen. Der Regisseur Frank Beyer wurde 1966 wegen seines Films Spur der Steine ans Theater strafversetzt. Jurek Becker entwickelte aus dem Drehbuch seinen ersten Roman. Insofern ist der Film von 1974 keine Romanverfilmung im engeren Sinne - siehe den Vorspann.
(Von Jurek Becker habe ich nur den Roman Bronsteins Kinder gelesen. Der liest sich einfach so weg. Trotz des Anspruchs verhältnismäßig leichte Lektüre.)

Der DEFA-Film ist gut gealtert. Für ein Ghetto sind die Sets knapp bevölkert, alles ist übersichtlich inszeniert. Die Bewacher auf ihren Türmen oder im ersten Stock eines Gebäudes sind günstig platziert, so daß wenige Wachen genügen.
Der Stoff ist eine Tragikomödie: Jakob Heym schnappt auf der Hauptwache eine Radionachricht auf, die er als Durchhaltepropaganda im Ghetto weiterverbreitet. Die Nachricht gewinnt eine Eigendynamik. Irgendwann behauptet er dann, er besäße ein Radio, was im Ghetto für Juden verboten ist. Dadurch entsteht wieder Unruhe, weil einige Razzien der Deutschen fürchten.
Durch Träume von einem besseren Leben oder erzählte Märchen, die mit Schauspielern gedreht werden, entsteht eine zweite Ebene. Auf diese Weise wirkt der Film versöhnlich. Die abrupte Deportation am Schluß läßt hingegen Böses ahnen.

Servalan 02.03.2020 18:50

  • David Mitchell: Cloud Atlas (Sceptre 2004) | Der Wolkenatlas
  • Cloud Atlas | Der Wolkenatlas (USA / Deutschland 2012), Drehbuch und Regie: The Wachowskis und Tom Tykwer, 172 min, FSK: 12, JMK: 14
Allgemein wurde der Film zwiespältig aufgenommen; er wurde sowohl als bester Film gelobt als auch als schlechtester Film verrissen. Ich habe ihn mir aus der ARD-Mediathek zum zweiten Mal angetan. Der Film hat ein interessantes Konzept, weil er ein Ensemble in einer Vielzahl von Settings zeigt. Auch mit Hilfe der Tabelle in der englischen Wikipedia hätte ich die einzelnen Charaktere in ihrer Vielzahl von Rollen nicht überblickt.

Ich fand ihn interessant, aber vom Hocker gerissen hat mich der Film nicht. Darüber hinaus verspüre ich keine Lust, die Romanvorlage zu lesen. Gelockt haben mich die Wachowskis und Tom Tykwer. Die liefern unterhaltsame knapp zweieinhalb Stunden Unterhaltung, das philosophische Brimborum rund um die Besetzung finde ich eher schwach.
Für sich genommen, ist jede einzelne der fünf oder sechs Geschichten kein Juwel im jeweiligen Genre, eher mittelmäßiger Durchschnitt. Die meisten Twists sind eher schwach, obwohl es grandiose Szenen gibt. Tricks und die Inszenierung sind in Ordnung, ich hatte schon ein gewisses Vergnügen. Lust, den Roman zu lesen, habe ich aber noch immer nicht.

Servalan 12.03.2020 21:54

Hat schon jemand etwas vom ZDF-Dreiteiler Unterleuten - Das zerrissene Dorf nach dem Roman von Julie Zeh gesehen? Wie ist der so? Klappt das mit der Übersichtlichkeit mit dem großen Ensemble?
Auf jeden Fall werde ich in den nächsten Tagen da hereinschauen.

Peter L. Opmann 12.03.2020 22:02

In der Süddeutschen Zeitung ist schon eine Menge über "Unterleuten" geschrieben worden. Aber ich habe das bestenfalls überflogen - ich habe keinen Fernseher.

Man braucht zwar ja heute zum Fernsehen keinen mehr, aber es ist immer schwer, von alten Lastern zu lassen... :D

underduck 12.03.2020 22:12

Ich habe eben nur die letzte halbe Stunde vom letzten Teil gesehen.
War wohl viel Blut und Elend pur.
Nix für mich. Brauch ich alles nicht.

Peter L. Opmann 12.03.2020 22:57

Gut, daß wenigstens einer aufmerksam mitliest. :D

Servalan 11.04.2020 16:26

  • Juli Zeh: Unterleuten (Luchterhand Literaturverlag 2016)
  • Unterleuten – Das zerrissene Dorf (Deutschland 2020), Drehbuch: Magnus Vattrodt, Regie: Matti Geschonneck, 3 Teile, 280 min, FSK: 0 + 12
Die Dreharbeiten fanden 2018 statt, deshalb nehme ich an, daß die Verfilmung fast bei Erscheinen des Buches schon geplant wurde. Bei dem Umfang, 640 Buchseiten, dauert das Adaptieren ja eine Weile.
Im Internet gibt eine eigene Webseite zu dem Buch, inklusive eines Lageplanes und kurzen Personenbeschreibungen. Die Verfilmung bleibt eng an der literarischen Vorlage, allerdings wurden einige Charaktere weggekürzt: Karl, der Indianer sowie Oma Rüdiger und Opa Margot (nein, das ist kein Schreibfehler!) zum Beispiel.

Juli Zeh schreibt gehobene Unterhaltung, mit einem gewissen Anspruch, aber ohne verstörende ästhetische Experimente. Die Verfilmung ist ähnlich plakativ und plastisch, und manche Figuren sind nah an der Karikatur, durch die Länge werden jedoch Klischeefiguren und Pappkameraden zum Glück vermieden.
Der rote Faden (ein Dorf zerstreitet sich wegen eines geplanten Windparks) liefert zwar ein high concept (das heißt, der Stoff läßt sich in einen kurzen, knappen Satz fassen) und zum Ende geht es heftig zu. Unterleuten wird aber beileibe kein Broadchurch, insofern ist das kein "Blut und Elend pur".

Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und nie den Überblick verloren. Die Zeit verging recht kurzweilig. Teil 1 und 2 habe ich gebinget, Teil 3 habe ich am nächsten Tag gesehen. Die Miniserie macht nicht süchtig, aber zum Schluß wollte ich doch wissen, wie das ausgeht.
Nicht alles, was passiert, wird geklärt, manche Ereignisse bleiben im Dunkeln oder verlieren sich in Spekulationen, so daß verschiedene Versionen eines Sachverhalts nebeneinander stehenbleiben. Mir hat das gefallen, andere mögen das ärgerlich finden.
International wird sich die Miniserie sicher vermarkten lassen. Ob die eine Menge Preise einheimsen wird, bezweifle ich. Dazu riskiert sie nicht genug.

7/10 Punkten

Servalan 09.05.2020 16:38

  • Günter Grass: Die Blechtrommel (Luchterhand 1959)
  • Die Blechtrommel - Director's Cut (Bundesrepublik Deutschland / Frankreich 1979 / 2010), Drehbuch: Volker Schlöndorff, Jean-Claude Carrière und Franz Seitz junior, Regie: Volker Schlöndorff, 156 min, FSK: 16
Die Literaturverfilmung wurde neben dem Oscar als Bester fremdsprachiger Film auf dem Filmfestival in Cannes mit einer Goldenen Palme ausgezeichnet. - Somit verbindet er allgemeinen Unterhaltungsanspruch mit gehobenem Anspruch.
Das erste Mal muß ich ihn 1984 in der ARD gesehen haben, erinnert habe ich mich nur an einzelne Szenen - zum Beispiel das Aalefangen mit dem Pferdekopf. Oskar Matzerath ist zu eigenwillig, um ihn sympathisch zu finden. Im wahren Leben hätte ich mich mit so jemandem nicht anfreunden können.

In der ARD-Mediathek habe ich ihn wiederentdeckt und wollte mal sehen, wie der Film jetzt auf mich wirkt. Das ist schon großes Kino, was Schlöndorff hier bietet. Und mit Sex, Tod und Nazis fährt er alles auf, das Amerikaner vom deutschen Kino erwarten.
Der Film bleibt zwar nah am Roman, verfilmt wurden aber nur zwei der drei Bücher, aus denen Grass' Werk besteht, und die Rückblenden hat Schlöndorff auch ausgespart. Grass spätes Geständnis als junger überzeugter Nazi überrascht nicht wirklich, denn eines ist Oskar Matzerath keinesfalls: ein Widerstandskämpfer. Eher ist der ein renitentes, teilweise bösartiges und egozentrisches ewiges Kind. Nazis kommen dauernd vor, machen jedoch häufig eine lächerliche Figur und demontieren sich selbst.
Mittlerweile hat sich das Filmhandwerk geändert, so daß der Streifen deutlich gealtert ist. Viele Szenen würden heute anders inszeniert, dennoch läßt er sich locker anschauen. Mit dem Sturm auf die polnische Post in Danzig liefert der Streifen heftige Action mit diversen Explosionen. Die zweieinhalb Stunden Laufzeit vergehen ziemlich kurzweilig.

Den zugrundeliegenden Roman habe ich nie gelesen. Bei mir steht noch Der Butt von Grass im Regal, bislang ungelesen.


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