Beiträge von Tilberg

    Seien wir froh, daß Mercedes Jellinek die Namenspatin war, und nicht Elfriede Jelinek, sonst führe man heute stolz im Elfriede durch die Gegend, tapfere Wohlstandsverächter stöhlen Elfriedensterne und auch Janis Joplin hätte singen müssen:

    "Oh Lord, won't you buy me an Elfriede Benz!"

    Jetzt könnte den Erkenntnisgewinn noch jemand auf Wikipedia einspeisen?

    Hab ich natürlich auch schon dran gedacht. Ich befürchte freilich, das Thema ist dort vermint (*know what I mean, nugde, nudge, say no more, say no more*). Und es gibt dutzende reputable Webseiten und Zeitungsquellen, die die falsche Version verbreiten, auf die sich deren Vertreter sehr einfach berufen können, so daß das Ganze zu einem Editwar ausarten könnte. Wer hat darauf schon Lust?

    Aus ihnen geworden? Sie haben eigene Artikel in der WP. Waren beide Rennfahrer und haben eins der väterlichen Unternehmen weitergeführt.

    In der Bertha-Benz-Biographie von Leisner steht, daß die beiden Jungs völlig vernarrt in die frühen Automodelle waren. So oft es ging, sind sie mitgefahren, haben es selbst gelenkt, haben in der Werkstatt mitgeholfen, haben Verbesserungsvorschläge gemacht, haben ihre Freunde mitgebracht und mit denen Autofahrten unternommen, haben den Zaun hinten am alten Wohnhaus niedergerissen, um von dort aus mit dem Auto aufs Feld rauszufahren, als ein extra abgestellter Polizist die Einfahrt auf das Grundstück bewacht hat ...

    Eugen hat kurze Zeit nach der Pforzheimfahrt eine frühe Autobestellung nach Ungarn gebracht, d.h. im Zug begleitet und dort in Budapest vorgeführt. Wenn es jemanden gab, der das Auto annähernd so gut beherrschte wie Carl Benz, dann Eugen.

    Mein Szenario, zumindest als Grundgerüst, in ca 5 min erdacht:

    Abrax begleitet Eugen und Bertha auf der spontanen Fahrt. Eugen-Abrax-Freundschaft sowas wie Floribert und Abrax. Bertha erfrischend mutig und emanzipiert.

    Brabax beruhigt Carl, dann geht man in die Werkstatt und tüftelt am neuen Modell für München. Zwischendurch treffen die Telegramme der Pforzheimfahrer ein. Brabax hat die Idee, wie man deren Erfahrungen für die Verbesserung des Wagens umsetzen kann. Zusammen mit Carl baut er den Wagen um. Carl gerne verkopft und exzentrisch, à la Doc Brown.

    Califax tuckert mit dem tollpatschigen Richard (comic relief) und den beiden Mädchen auf einem der ganz frühen Modelle durch Mannheim und sorgt dafür, daß sich die Pferde und anderen Tiere an den selbstfahrenden Wagen gewöhnen. Das steigert die Akzeptanz bei den Mannheimern.

    Nach der Rückkehr der Pforzheimfahrer große Versöhnung, dann allgemeiner Aufbruch nach München, wo die ganze Familie mitsamt der Faxe bei Rundfahrten mit dem gemeinsam - empirisch und technisch - entwickelten neuen Modell triumphiert.

    Es war auch stundenlanges Schieben angesagt. Da hat sie ordentlich mit zugepackt. Übrigens war die Fahrt auf den Straßen damals durchaus herausfordernd. Insbesondere wenn man auf ein Pferdefuhrwerk oder eine Kutsche stieß, gab es regelmäßig Ärger, weil die Tiere Angst bekamen, sich aufbäumten und teilweise durchgingen.

    Bertha Benz spielt durchaus eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der ersten Benz-Wagen. Umso ärgerlicher, daß diese Rolle mit einer erfundenen Räuberpistole überdeckt und entwertet wird. Wobei ich das Mosaik hier tatsächlich auch eher als Opfer denn als Täter sehe. Etwas mehr Recherche wäre aber sehr wünschenswert gewesen. Ich selbst bin ja bereits nach einer halben Stunde rumgooglen auf die kritischen Zeitungsartikel gestoßen, und mir das Buch zu besorgen und reinzugucken, war auch kein Akt, der besondere Fähigkeiten verlangt oder riesigen Aufwand bedeutet.

    Ich habe die Bertha-Benz-Biographie von Barbara Leisner konsultiert. Das Buch ist ganz normal lieferbar, kann man in jeder Buchhandlung bekommen. Die Darstellung der Fahrt dort ist mit mehreren Quellen unterfüttert, aus denen umfangreich und wortwörtlich zitiert wird:

    *Memoiren von Carl Benz von 1925 ("Lebensfahrt eines deutschen Erfinders")

    *Interview mit Bertha Benz 1933 zur Einweihung eines Carl-Benz-Denkmals

    *Interview mit Bertha und Eugen Benz 1936

    *Interview mit Bertha, Eugen und Richard Benz 1938 anläßlich des 50jährigen Jubiläums der Fahrt

    *Interview mit Eugen Benz 1956


    Bei allen Gelegenheiten heißt es unmißverständlich, daß die Fahrt eine Idee von Eugen und Richard war, und weil sie zurecht davon ausgingen, niemals Carls Erlaubnis zu bekommen, überredeten sie die Mutter, sie zu begleiten.

    Am Steuer saß hauptsächlich der ältere Eugen, nur wenn es zu steil war und Eugen und Bertha schoben, steuerte der jüngere Richard. Bertha saß ausdrücklich während dieser Fahrt zu keiner Zeit am Steuer. So betont sie es auch selber: Sie habe sich lieber kutschieren lassen.

    Die Reparaturen mit Hutnadel und Strumpfband werden von mehreren Beteiligten erwähnt, doch nie, wer sie ausführte. Man darf davon ausgehen, daß es Eugen war, da der sich mit dem Wagen sehr gut auskannte.

    Auf den Absatz der Wagen hatte die Fahrt keine Auswirkungen. Erst Carls Rundfahrten durch München während einer dortigen Technikmesse im September/Oktober 1888 brachten den Durchbruch.

    Echte zeitgenössische Quellen zur Fahrt (1888 oder kurz danach) gibt es nicht, die Überlieferung beginnt erst mit Carls Memoiren 1925 - also knapp 40 Jahre später. Keine Zeitungsberichte, keine Briefe, keine Tagebucheintragungen, keine Notizbücher, keine technischen Unterlagen. Das ist durchaus ungewöhnlich, weshalb die Historizität der Fahrt von berufener Seite bezweifelt wurde. Zumindest das Fehlen von Zeitungsnotizen aus Pforzheim läßt sich erklären: Es gibt schlicht keine erhaltenen Ausgaben der entscheidenden Pforzheimer Zeitung aus diesem Jahrgang. Insgesamt schließlich sprechen die übereinstimmenden Berichte der Beteiligten doch eher für eine tatsächliche Fahrt. Und ja, wenn Bertha nicht zugestimmt hätte, wäre sie unterblieben. Insofern war sie also von eminenter Bedeutung für dieses Abenteuer.

    Die Pforzheimfahrt war nicht die erste längere Autofahrt. Schon zuvor hat Carl Benz, begleitet von verschiedenen Familienmitgliedern und Mitarbeitern, mit den frühesten Modellen seines Wagens in der Gegend von Mannheim eine ganze Reihe von Fahrten unternommen, teils über 20km lang, dazu mehrfach durch den Odenwald. Bei diesen Gelegenheiten haben auch schon die beiden Jungen am Steuer gesessen - und vereinzelt Bertha (wenn Carl bergauf schieben mußte). Sie hat also tatsächlich bereits am Steuer der allerersten Autos gesessen - aber eben nachweislich nicht bei der Pforzheimfahrt.


    Die Darstellung der Fahrt und ihrer Folgen im Mosaik, sowohl in der Handlung als auch Mittelteil, ist also in ihren zentralen Punkten irrig - sprich in jenen Punkten, die überhaupt erst dazu führten, daß man diese Geschichte erzählt hat. Darüber hinaus ist die Darstellung Carls als Angsthase und Dödel, der nicht mal in der Innenstadt von Mannheim bei einer Apotheke etwas Waschbenzin besorgen kann, wenn ihm der Treibstoff ausgeht, sehr ... seltsam. Und die Behauptung im Mittelteil, Bertha habe ihre Söhne bei der Fahrt "auch mal" ans Steuer gelassen, ist schon recht ... gewagt. Leider hat man sich im MOSAIK auf die ständig voneinander abschreibenden Webseiten und Marketingbüros verlassen und ist daher einer Fälschung aufgesessen. Wer die zuerst in die Welt gesetzt hat, ist mir zumindest nicht bekannt.

    Natürlich kann man sagen, daß das Ganze einfach eine schöne, erhebende Geschichte über eine moderne, emanzipierte Frau ist, aber wenn man das im MOSAIK schon so darstellen möchte, dann wäre zumindest eine vernünftige Recherche und eine deutliche Aufarbeitung des Themas im Mittelteil wünschenswert. Immerhin betont man ja immer gerne und durchaus berechtigt, daß man nicht nur Spaß und Unterhaltung, sondern auch Wissen vermitteln möchte. Wenn man stattdessen ein Märchen erzählt, sollte das entsprechend kenntlich gemacht werden.

    Trotz allem bin ich dem MOSAIK natürlich immens dankbar, daß es mich immer wieder dazu anregt, mich mit derartigen Themen überhaupt zu befassen. Das ist wirklich einmalig.


    PS: Kleinigkeit noch: Im August 1888 wohnten die Benz' nicht mehr in ihrem alten kleinen Haus in T6, sondern waren im Frühjahr in eine großbürgerliche Wohnung am Werk umgezogen. Der Haushalt umfaßte nun auch eine Köchin, mehrere Dienstmädchen und Kindermädchen, wie sich das halt für Fabrikantenfamilien gehörte. Das kann man ebenfalls sehr leicht der Bertha-Benz-Biographie von Barbara Leisner entnehmen.

    Schade, aber danke. Immerhin bestärkt das die Zweifel. Ich habe mal eine Bertha-Benz-Biographie bestellt und nächste Woche kommt noch eine zweite. Zumindest im Buch von Angela Elis klingt es, soweit ich bisher mitbekommen habe, so, als ob es direkte Aussagen von Bertha zur Fahrt gibt. Darauf bin ich gespannt.

    Naaa, in diesem speziellen Fall nicht. Man hat diese Geschichte nicht so erzählt, weil man irgendeine tolle Geschichte erzählen wollte, ganz gleich, ob sie sich so zugetragen hat. In diesem Fall ist man davon ausgegangen, dass die Legende der Wahrheit entspricht. Hab ich bis vorhin ja auch so angenommen.
    Hat halt schön gepasst, mit 'ner Frau als Heldin.

    Schon richtig. Wenn sich ergibt, daß die ganze Sache gar nicht stimmt, wird dem Versuch der Dekonstruktion der Heldenrolle natürlich jeglicher Boden entzogen. Andererseits haben sich die Zweifel an dieser modernen Heldinnenreise bisher nicht rumgesprochen, warum sollten sie es also jetzt tun.

    Ich warte aber erstmal noch auf Max' Antwort. Er hat ja gezeigt, daß er im Thema steckt, er kann sicherlich Wichtiges hierzu sagen.

    Naja, mir geht's hier jetzt weniger ums Mosaik. Dort ist man ja gewohnt frei mit der Sache umgegangen und hat aus dramaturgischen Gründen manches umgebaut oder hinzuerfunden. Das ist wie immer völlig legitim.

    Mich interessiert die Geschichte hinter der Geschichte, insbesondere da meine Befürchtung geweckt ist, daß der Kern der Story nicht stimmt.

    Hier das Kapitel in seinen Memoiren: http://www.zeno.org/Naturwissensch…ren+in+die+Welt!

    Es ist auch bei ihm kein Wort davon, daß seine Frau je am Steuer saß. Er erwähnt, daß beim Start (und damit wohl hauptsächlich) der ältere Eugen fuhr und daß bei starken Steigungen Eugen und Bertha schoben, während Richard (der jüngste und schwächste) steuerte. So bestätigt das auch Eugen 1956, wobei der nochmal extra betont, daß seine Mutter nie am Steuer saß.

    Nun kann man natürlich sagen, daß das ja alles Chauvis sind und einer Frau niemals einen solchen tollen Erfolg gönnen würden, weshalb sie sich verschworen haben und alle lügen. Allerdings bräuchte man dafür irgendeinen Beweis oder Hinweis, z.B. daß irgendein Zeitzeuge erzählen würde, gerne auch Bertha selbst, daß sie tatsächlich gefahren ist. Daran mangelt es nun aber, da es - wie schon gesagt - keine zeitgenössischen Quellen gibt und die ganze Fahrt wie eine alte Familiensage überliefert ist.

    Doch ich bin kein Experte, sondern habe nur so im Internet rumgelesen, was andere berufene Leute dazu sagen. Daher auch meine ernstgemeinte Frage an Max, ob inzwischen belastbare Quellen aufgetaucht sind, die diese Fahrt irgendwie unterfüttern. Daß sie wirklich stattfand, daran zweifle ich nicht. Doch die Details fehlen. Und natürlich die Quintessenz der Story, sprich daß Bertha a) die Initiatorin war und b) selbst fuhr.

    "Frau (39) erste Beifahrerin der Weltgeschichte!" ist halt keine sooo tolle Schlagzeile.

    Weil hier gefragt wurde, was die Frau Benz da mit ihrem Strumpfband macht, in diesem Kontext: Sie isolierte die Zündanlage, der aufmerksame Leser wird darüber im Innenteil aufgeklärt (genau so muss Handlung sein: Bisschen Rätselraten im Heft, und weitere Hinweise außerhalb der Story). Aber ja, ich hatte auch zuerst an Ersatz für einen Keilriemen oder so etwas gedacht. Im übrigen ist die Formulierung auf S. 48 "das Kühlwasser kontrolliert und der Tank aufgefüllt" etwas lustig. Tatsächlich war die Reichweite des Patent-Motorwagens nicht primär durch den Treibstoffvorrat limitiert. Dass der Wasserverbrauch 10fach größer war als der Spritverbrauch, ist heute schwer vorstellbar. Hing mit dem prähistorischen Kühlsystem zusammen (Siedekühlung) - die älteren Ossies kennen es vielleicht noch vom Multicar M21

    Da du ja mehr weißt: Was kann man eigentlich sicher über diese Fahrt von Bertha Benz und ihren Söhnen sagen? Nach meinen ersten, noch recht oberflächlichen Recherchen gibt es keine zeitgenössischen Quellen dazu (Zeitungsartikel, Tagebucheintragungen, Briefe, Notizen etc.), sondern die Sache wurde erstmals in den Memoiren von Carl Benz 1925 veröffentlicht und basiert allein auf dessen Angaben als über 80jähriger. Die genauen Ortsangaben und Ereignisse auf der Fahrt sind sehr spärlich. Immerhin scherzt er über Hutnadel und Strumpfband.

    Dann scheint es später noch Aussagen von Eugen Benz zu geben, 1956, also ebenfalls als über 80jähriger. Dabei wurden nochmal ein paar Details bestätigt und ergänzt. Aber auch betont, daß Bertha selbst das Auto nie fuhr, sondern sich Eugen und Richard abwechselten. Überhaupt soll beiden Zeitzeugen, Vater und Sohn, zufolge die ganze Fahrt die Idee der beiden Jungs gewesen sein, und die Mutter ist nur als "Aufsichtsperson" mitgekommen.

    Das alles klingt so, als ob für all die hochspeziellen Details der Fahrt, wie sie gerne überall nachgelesen werden können, praktisch keine Belege existieren, und wenn, dann nur sehr dünne aus der Erinnerung viele Jahrzehnte später. Insbesondere bleibt von der tollen, inspirierenden Story einer taffen, modernen Frau, die Technikgeschichte geschrieben hat, nichts übrig.

    Kannst du das denn bestätigen? Oder gibt es inzwischen doch handfeste Belege? Mein Stand ist der von 2011. Ich war jedenfalls arg irritiert darüber, daß die Quellenlage so dünn sein soll, nachdem ich ziemlich fasziniert von der Geschichte war und mich einzulesen begann.

    Ich denke, es ist einfach die übliche Marketingstrategie des Verlags, die wieder einmal für Irritationen gesorgt hat, die man nun einzufangen bemüht ist. Bekanntlich ist die große Werbestrategie, die schon so oft zum Einsatz kam: "Wir sagen vorher nix! Gar nix! Alle sollen überrascht sein, auch wenn sie nix wissen, weil wir ja auch nix sagen! Dann werden alle unser Heft kaufen, denn sie wissen von nix und wollen alles wissen!"

    Man hätte das natürlich vorher offensiv bvewerben können: Jeden Monat eine einzelne, abgerundete Geschichte, immer woanders in Deutschland, worüber man die regionalen Tourismus- und Marketingabteilungen informieren kann, so daß die rechtzeitig Bescheid wissen und entsprechend an die Öffentlichkeit treten können (natürlich ohne wirkliche Details über die jeweilige Geschichte preiszugeben).

    Hat man nicht getan. Weder die Leser noch die Multiplikatoren wußten vorab etwas, und nun gab es offenbar entsprechende irritierte Rückfragen, so daß man die Erklärung nachreichen mußte. Ich bin mir sicher, daß man insgesamt guten Umsatz macht und daß man auch im Nachgang diese Hefte regional immer noch gut verkaufen können wird (Nebraheft in Nebra und Halle, Benzheft über die Bertha Benz Memorial Route etc), aber man hat sich das alles trotzdem unnötig selber schwer gemacht.

    Es ist nur ein wenig schade, daß man die Funktion der Himmelsscheibe im Mosaik nicht sieht, also das einzge, was man sicher über sie sagen kann - die Ausrichtung zu den Sonnenauf- und Untergängen von Winter- und Sommersonnenwende. Im Mittelteil ist's erklärt, aber in der Handlung kommt es nicht recht vor. Eigentlich hätte man es zu dem Marktfest schön zeigen können.