Die Reise des Marcel Grob
Marcel Grob wird im Alter von 83 Jahren als ehemaliges Mitglied der Waffen-SS entlarvt. Ihm wird vorgeworfen an der Verübung von Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Aus diesem Grund wird eine eingehende Untersuchung angestrengt, bevor der ehemalige Soldat von einem Tribunal abgeurteilt wird. Im Rahmen dieser Untersuchung verstrickt sich der Angeklagte schnell in Lügen und Ungereimtheiten, bevor er doch beschließt uns die Wahrheit über seine Vergangenheit zu berichten.
So beginnt die Reise des Marcel Grob in seiner Heimat, im von Deutschland besetzten Elsass. Nach der Einberufung folgt die Grundausbildung, wo er schon Zeuge der Hinrichtung von Fahnenflüchtigen wird, aber mit dem Herrn Untersturmführer auch einen zukünftigen Freund und Gönner kennenlernt. Im Anschluss zieht seine Einheit nach Italien, wo die ersten grausigen Erfahrungen im Gefecht auf ihn warten und Herr Grob mit dem Massaker von Marzabotto schließlich in eines der vielen grausigen Kriegsverbrechen des zweiten Weltkrieges verwickelt wird.
Wie die Reise für den Mann schließlich sogar über Dresden bis nach Stralsund und wieder zurück in den Elsass führt und, dass Marcel Grob am Ende die Kriegswirren trotz aller Wiedernisse überlebt, tja, das ist schon eine besondere Geschichte, die auch viel mit Glück und Fußball zu tun hat. Glück hatte der Mann auf alle Fälle deutlich mehr als die Menschen, die seiner Einheit zum Opfer fielen, ebenso wie deren Angehörige, die ihres Lebens vielleicht nie mehr froh wurden.
Ja, das Ganze ist schon ein zweischneidiges Schwert. Glaubt man dem Mann jetzt, dass er in jungen Jahren quasi verschleppt wurde? Dass seiner Familie Gefahr gedroht hätte, wenn er sich nicht „freiwillig“ gemeldet hätte? Hat er tatsächlich nicht aktiv an den Gräueltaten seiner Einheit teilgenommen, sondern nur so getan, um nicht selbst erschossen zu werden und nur im äußersten Notfall getötet? Das ist doch aber auch die Geschichte, die ein jeder auftischen würde, wenn er seine Haut würde retten wollen. Vielleicht war der Mann zuerst ein Feigling, der dann zum blutrünstigen Sadisten wurde, vielleicht ist er aber auch wirklich ein weiteres, im Grunde unschuldiges Opfer des Krieges, dem keine andere Wahl blieb. Enorm schwierig und ich möchte sicher nicht der Haut einer Jury stecken, die darüber nach so langer Zeit ein Urteil fällen soll.
Eine packende, treibend erzählte Geschichte, die man kaum aus der Hand legen mag. Mit den unterschiedlichen Zeichenstilen für die aktuellen Ereignisse und für die Schilderungen des Herrn Grob hervorragend umgesetzt. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass das Artwork viel zu schön ist, um solch schreckliche Ereignisse zu zeigen. An der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas zu glatt geraten, aber es ist ja die Erzählung des Marcel Grob. Was er uns da auftischt ist schwer zu beurteilen, doch durchweg fesselnd. Dafür ist der Anhang mit dem historischen Dossier von Christian Ingrao äußerst gelungen, bietet eine kleine Geschichtsstunde mit vielen Details, die mir bis dato unbekannt waren. Das Massaker von Marzabotto kannte ich zuvor auch noch nicht.
8-8,5/10
Ich glaube ich muss mal wieder Das Urteil von Nürnberg schauen.
VG, God_W.