Kunst machen in Filmen und Serien

  • Einen gewissen Einblick in den Kunstbetrieb sollen die vorgestellten Titel schon vermitteln. Spektuläre Kunstdiebstähle oder eingestreute Namen, um eine kleine Szene aufzupeppen, reichen nicht aus.
    Ob die Künstlerinnen gelebt haben oder nur ausgedacht worden sind, spielt keine Rolle. Im Beitrag werden die einzelnen Aspekte genannt, die verhandelt werden, und der Status der jeweiligen Figur.

    Zum Beispiel:

    Arvingerne / The Legacy / Die Erbschaft
    (Dänemark 2014-2017), 3 Staffeln in 26 Episoden, DR1 mit NRK, SVT, Ríkisútvarpið, YLE

    • Veronika Grønnegaard (Erblasserin), weltweit berühmte (fiktive) dänische Bildende Kunstlerin und Bildhauerin
    • Thomas Konrad (Ihr 2. Ehemann), Avantgardemusiker in starken Performance-Elementen
    • Gro Grønnegaard (1. eheliche Tochter), Kunsthistoriker und Galeristin, will eine Stiftung aus dem Erbe gründen und den Gutshof zum Museum umbauen, hat einen Kunstpreis in Kopenhagen ins Leben gerufen
    • Robert Eliassen (norwegischer Galerist), mit Gro befreundet, unterstützt Gro bei der Gründung der Stiftung und des Museums
  • Van Gogh (Frankreich 1948), Regie: Alain Resnais, Drehbuch: Gaston Diehl und Robert Hessens, 20 min

    Anhand seiner Gemälde wird das Leben Vincent Van Goghs (1853–1890) erzählt.


    Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft / Lust for Life (USA 1956), Regie: Vincente Minelli, Drehbuch: Norman Corwin und Irving Stone nach dem Roman von Irving Stone, 122 min, FSK: 12

    Filmbiographie Vincent van Goghs von seiner Entscheidung, Maler zu werden, bis zu seinem Selbstmord.


    Vincent & Theo (USA 1990), Regie: Robert Altman, Drehbuch: Julian Mitchell, 138 min (Kinofassung) bzw. 200 min (Fernsehfassung)

    Schildert die Beziehung Vincent Van Goghs zu seinem Bruder, dem Kunsthändler Theo Van Gogh, von 1883 bis zu Vincents Tod 1891. Im Prolog erzielt sein Gemälde bei einer Auktion von Christie's 1987 einen Wert von 4 Mio Pfund, damals das teuerste Gemälde der Welt.


    Van Gogh (Frankreich 1991), Drehbuch und Regie: Maurice Pialat, 158 min

    Erzählt die letzten drei Monate Vincent Van Goghs von seiner Ankunft am Bahnhof von Auvers-sur-Oise bis zu seiner Beerdigung.

  • Die schöne Querulantin / La Belle Noiseuse (Frankreich 1991), Regie: Jacques Rivette, Drehbuch: Pascal Bonitzer, Christine Laurent und Jacques Rivette nach der Erzählung Das unbekannte Meisterwerk von Honoré de Balzac, 125 min (Divertimento bzw. Kurzfassung) bzw. 229 min

    Edouard Frenhofer (fiktiv) betreibt seine Malerei in einem alten Schloss in der Provence. Im Fokus steht die Beziehung zwischen Maler (altem Mann) und Modell (junger Frau), konzentriert auf fünf Tage. Das Meisterwerk bleibt unbekannt, weil Frenhofer den Akt zwar vollendet, aber in den Mauern seines Schlosses versteckt.

  • Pollock (USA 2000), Regie: Ed Harris, Drehbuch: Barbara Turner und Susan J. Ernshwiller, 123 min, FSK: 12, JMK: 10

    Jackson Pollock (1912-1856) ist 1941 verbittert, weil ihm der Durchbruch bisher nicht gelungen ist. In dem Jahr lernt er auf einer Vernissage die Künstlerin Lee Krasner (1908-1984) kennen, die sich zwar in den neuesten kunstheoretischen Entwicklungen auskennt, sich als Frau auf dem Kunstmarkt keine Chancen ausrechnet. Unter Pollocks Einfluß löst sie sich von der figurativen Malerei.
    Weil Jackson Pollock jedoch mehr Talent hat als sie, zieht sie sich aus ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit zurück und beschränkt sich darauf, Pollock zu fördern.
    Eine Schlüsselsequenz zeigt Pollock, wie er aus einem Patzer (Farbe tropft auf ein Bild am Boden) sein Markenzeichen des Drippings (eine Art des Action-Painting) entwickelt - sein Spitzname lautet fortan "Jack the Dripper".
    Als Peggy Guggenheim seine Werke in ihrer Galerie Art of This Century in Manhattan ausstellt, entdecken ihn Markt und Medien, so daß ihm das Life Magazine als "wichtigsten Künstler" bezeichnet.
    1945 hatte er seine Muse Lee Krasner geheiratet, aber er betrügt sie wiederholt und trinkt. Pollock spürt den Erfolg als Druck, dem er nicht gewachsen ist. Die Filmbiographie endet am 11. November 1956, als Pollocks alkoholisierte Rückfahrt mit seiner Geliebten für ihn tödlich endet.

  • Camille Claudel (Frankreich 1988), Regie: Bruno Nyutten, Drehbuch: Reine-Marie Paris, Bruno Nuytten und Marilyn Goldin, 168 min, FSK: 12

    Die Malerin und Bildhauerin Camille Claudel (1864-1943) war die Schwester des Dichters Paul Claudel (1868-1955).
    Die Filmbiographie beschränkt sich auf Claudels künstlerisches Schaffen. Folgerichtig beginnt er, als Camille 1883 in das Atelier des damal 43 Jahre alten Auguste Rodin (1840-1917) eintritt. Das Verhältnis des Meisters zu seiner Schülerin verwandelt sich in eine Liebesbeziehung, während Rodins monumentale Skulpturen entstehen. Als Camille merkt, daß Rodin seine Frau nie verlassen wird, bricht sie mit ihm und zieht in eine billige Souterrainwohnung.
    Ihr künstlerisches Schaffen schwankt zwischen einem unbändigen Schöpfungsdrang und einem Gefühl ihrer Unzulänglichkeit. In diesen Phasen zerstört sie ihre Werke. Am 2. März 1913 stirbt ihr Vater. Kurz darauf lassen sie ihr Bruder Paul und ihre Mutter in eine psychiatrische Anstalt einwiesen - womit der Film endet.

  • Andrej Rubljow / Андрей Рублёв (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 1966), Regie: Andrei Tarkowski / Андрей Арсеньевич Тарковский, Drehbuch: Andrei Kontschalowski | Андрей Сергеевич Михалков-Кончаловский und Andrei Tarkowski, 185 min

    Im Mittelpunkt des Films steht der Ikonenmaler Andrei Rubljow / Андрей Рублёв (ca. 1360-1430) der russisch-orthodoxen Kirche.
    Tarkowski zeichnet in seinem Bild ein düsteres Bild des russischen Mittelalters, in dem Tartarenheere Landstriche verwüsten und religiöse Sekten durch die Gegend streifen, weil sie vor der Obirgkeit fliehen.
    Wie seine Begleiter Danila und Kirill ist Andrej Rubljow ursprünglich ein Mönch im Andronikow-Kloster. Die drei Mönche brechen auf, weil Andrej vom berühmten Theophanes, dem Griechen (ca. 1330 - ca. 1410) das Handwerk des Ikonenmalens erlernen will, Die drei Mönche fristen ihr Dasein, indem sie Kirchen und Klöster mit Fresken versehen, was ausführlich dargestellt wird.
    Tarkowski stellt das künstlerische Schaffen einerseits zwischen Vorformen wissenschaftlicher Experimente (Zu Beginn geht ein Heißluftballon in Flammen auf) und andererseits dem Handwerk, das auf überlieferten Rezepten und Techniken beruht, aber eine gehörige Portion Glück verlangt (Der Sohn eines Glockengießers bewährt sich bei seinem ersten Auftrag, kann es aber selbst kaum fassen).

  • Klar, aber eine endlose Liste bringt wenig bis nichts.

    Wenn es so klappt, wie ich mir das vorstelle, wird das nach und nach eine Art Einführung für Leute, die sich für Kunst interessieren und sich das Thema selbst erarbeiten wollen - quasi eine Einführung ohne akademische Protzerei.
    Sie ist auch für Leute gedacht, die sich zur Abwechslung mal einen Künstlerfilm ansehen wollen.

    Deshalb sollte im Post eine kurze Beschreibung stehen.
    Der kleine Kommentar macht deutlich, daß der Schreiber des Beitrags den Film gesehen hat - und kein Namedropping betreibt.
    Mir ist es lieber, wenn die Liste langsam wächst, die Posts aber fundiert sind.

  • Le Mystère Picasso / Picasso (Frankreich 1955), Drehbuch, Produktion und Regie: Henri-Georges Clouzot, 78 min

    Der Franzose Henri-Georges Clouzot hat Filme gedreht, die Klassiker geworden sind: In Lohn der Angst transportieren Lastwagenfahrer, die nichts mehr zu verlieren habe, eine explosive Fracht durch den südamerikanischen Dschungel. Die Teuflischen Hauptfiguren in seinem gleichnamigen Film (nach dem Roman von Boileau/Narcejac) befinden sich in einen Liebes- und Eifersuchtsdreieck aus zwei Frauen und einem Mann, das in einer bitterbösen Pointe kulminiert.

    Clouzots Dokumentarfilm über Pablo Picasso ist natürlich eine Inszenierung für den Meister, ein Hochamt für ein künstlerisches Genie. Vor der Kamera deckt eine Leinwand das Blickfeld ab. Im Zeitraffer sieht das Publikum, wie der Pinsel Picassos über die zunächst leere Fläche huscht. Hier und da entstehen Figuren und kleine Kompositionen, aber solange Picasso nicht zufrieden ist, übermalt er, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Nach und nach entstehen auf diese Weise 20 Gemälde.

    Der Film lief zweimal auf dem Filmfestival in Cannes: 1956 erhielt er den Spezialpreis der Jury, 1982 lief er außer Konkurrenz.

  • The Fountainhead / Ein Mann wie Sprengstoff (USA 1949), Drehbuch: Ayn Rand nach ihrem gleichnamigen Roman Der ewige Quell (1943), Regie: King Vidor, 114 min

    Ayn Rand ist die Säulenheilige der Extremlibertären, und ihr Roman über einen Architekten zählt mit einer Auflage von über 6,5 Millionen Exemplaren zu den Longsellern. Rand feiert Künstler und Unternehmer als bessere Herrenmenschen, die sich über gewöhnliche Gesetze hinwegsetzen dürfen sollten, denn der Plebs wird als dumm und stumpf verachtet.
    Obwohl Rand als vehemente Predigerin des "Show, don't tell!" unter anderem von Vince Gilligan (Breaking Bad) bewundert wird, ist der Roman für das überlange Plädoyer seines Helden am Ende (10 eng bedruckte Seiten) berüchtigt.

    1922 versiebt der Architekturstudent Howard Roark sein Examen an der Hochschule, weil er die konventionellen Prüfungen verachtet, die sich an vergangenen Epochen orientieren und die Möglichkeiten moderner Baustoffe (Zement, Glas, Plastik) nicht erkennen wollen.
    In den nächsten 20 Jahren wirkt Roark teilweise als Pionier, muß aber immer wieder heftige Rückschläge (auch finanzieller Art) inkaufnehmen.
    Dennoch bleibt er stur und ordnet sich niemandem unter, sondern tut, was er für richtig hält.

    Angelpunkt der Story in Film und Roman ist der Bau eines Hochhauses in New York City. Als sich der Bauherr über Roarks Pläne hinwegsetzt, schleicht sich Roark nachts auf den leeren Bau und sprengt ihn.

    Ayn Rand hat den fiktiven Howard Roark erkennbar an den Architekten Frank Lloyd Wright (1867-1957) angelehnt. Der jüdische Architekturkritiker Ellsworth Monkton Toohey wurde von Harold Laski (1893-1950), Lewis Mumford (1895-1990) und Clifton Fadiman (1904-1999) inspiriert.

  • Basquiat (USA 1996), Drehbuch: Lech Majewski, John F. Bowe und Julian Schnabel, Regie: Julian Schnabel, 102 min (deutsche Fassung) bzw. 106 min, FSK: 12

    Julian Schnabel ist selbst ein bildender Künstler und wählte für sein Filmdebüt das Leben eines anderen Künstlers, Jean-Michel Basquiat (1960-1988).

    Basquiat war der Sohn eines Haitianers und einer Puertoricanerin, der in der Lower Eastside des Big Apple aufwuchs. Wie Keith Haring gehörte er zur wilden Graffitti-Szene in New York City. Aufgrund seines frühen Todes an einer Überdosis Koks-Heroin ("Speedball") zählt der schwule (oder bisexuelle) Basquiat zu den Popstars des legendären Club 27. Von Selbstzweifeln zerfressen, hatte er Angst davor, wie seine Mutter in der Psychiatrie zu enden.
    Nachdem ihn 1976 das Stadtmagazin Village Voice featurete, gelang ihn der Durchbruch: eine legale Karriere in Galerien und der Künstlerszene. Besonders Andy Warhol und seine Factory gaben ihm seelischen Halt. Warhols Tod machte in verwundbar, so daß das Verhängnis seinen Lauf nehmen konnte.

    Schnabels Biopic ist etwas Besonderes, nicht nur weil Schnabel sich gewisse poetische Freiheiten erlaubt. Der Film lief auf dem Filmfestival von Venedig und gilt als erster Film eines Bildenden Künstlers, der kein Verlustgeschäft war. Neben Julian Schnabel treten noch sein Vater, seine Mutter und seine Tochter als Familie des fiktiven Albert Milo auf.

    Schnabel gelang das mit einer prominenten Besetzung: David Bowie (als Andy Warhol), Dennis Hopper, Gary Oldman, Christopher Walken, Benicio del Toro, Parker Posey, Courtney Love, Tatum O'Neal, Willem Dafoe ... der Soundtrack mit Songs von Iggy Pop und David Bowie bis zu Tom Waits, Jim Cale und Peggy Lee triggert Erinnerungen.

  • Alles Schwindel (Österreich / Deutschland 2012), Drehbuch: Uli Brée, Rupert Henning und Gabriel Castaneda Senn, Regie: Wolfgang Murnberger, 88 min

    Dreh- und Angelpunkt der Komödie ist Gustav Klimts (1862-1918) berühmtes Gemälde "Der Kuss" (1908/09), das in einem Wiener Museum hängt.

    Als das Gemälde gestohlen wird, beginnt der Ärger. Museumswärter Albert Wolf bemerkt den Diebstahl und bekommt einen Herzinfarkt. Denn er weiß, dass das Bild im Museum eine Fälschung gewesen ist, weil sie von ihm stammt. Das Original versteckt in seinem Schlafzimmer.
    Das Bild ist eine Dauerleihgabe der hochherrschaftlichen Grafenfamilie von Hohensinn, die allerdings bis zur Halskrause verschuldet ist. Onkel Nicki will die Bilanzen durch das Mafiageld eines usbekischen Adoptivsohns ausgleichen, wodurch er dessen Adoptivvater, den Grafen Leopold von Hohensinn, in die Bredouille bringt. Als Leopold erfährt, dass das Werk 100 Millionen Euro wert ist, glaubt er, endlich aus dem Schneider zu sein.
    Aber das Museum ist leider nicht versichert ...

    Trotz der vorzüglichen Besetzung (Ursula Strauss, Benno Fürmann, Bibiana Zeller, Udo Samel, Karl Fischer) gehört diese klassische Komödie zu den schwächeren Werken von Wolfgang Murnberger. Obwohl der Kunstbetrieb zwischen Kujau und Beltracchi gut getroffen ist, sind die Figuren zu überkandidelt. Manchmal läuft die Geschichte leider im Leerlauf. Ich hatte das Gefühl, hier wurde ein gescheitertes Theaterprojekt verwurstet.
    Leider keine Schtonkiade! Schade.

  • Goya en Burdeos / Goya (Spanien / Italien 1999), Drehbuch und Regie: Carlos Saura, 106 min bzw. 102 min oder 99 min (gekürzte Fassungen), FSK: 12

    Der Film konzentriert sich das Spätwerk des Malers und Graphikers Francisco Goya (1748-1828), besonders auf die Pinturas Negras (Le Pitture nere): Los Caprichos (1799) und I disastri della guerra (1810, erstmals 1863 veröffentlicht).

    Durch die Napoleonischen Kriege und den sogenannten Befreiungskrieg auf der Iberischen Halbinsel (1807-1814) verfinstert sich die Weltsicht Goyas immer mehr, der schließlich im hohen Alter wie König Lear im Nachthemd durch die Straßen irrt.

  • The Draughtsman’s Contract / Der Kontrakt des Zeichners (Großbritannien 1982), Drehbuch und Regie: Peter Greenaway, 103 min (ursprüngliche Fassung ca. 180 min), FSK 16

    • englische Landschaftschaftsmalerei des späten 17. Jahrhunderts am Beispiel des fiktiven Mr Higgins
    • englischer Landschaftsgarten des britischen Landadels: Das aristokratische Ehepaar Herbert hat ihren Landsitz Compton Anstey in der Grafschaft Wiltshire (im Süden Englands) so angelegt, dass er wie eine natürlich gewachsene Landschaft aussieht - und nicht wie die geometrischen Parks im absolutistischen Frankreich. (Siehe auch den Englischen Garten in München)


    Wie Julian Schnabel (siehe #11) ist Peter Greenaway ein Bildender Künstler, der mit Malerei anfing, aber dann rasch zum Dokumentar- und Experimentalfilm wechselte. Allerdings blieb der Erfolg bei Greenaway aus, weil das Publikum keinen Zugang zu seinen sperrigen Werken fand.
    Mit Der Kontrakt des Zeichners gelang ihm endlich der Durchbruch.

    Hier spielt Greenaway postmodern mit Genres, die sich am klassischen Erzählkino orientieren.
    Die Herberts sind so stolz auf ihren idyllischen Landsitz, weshalb sie den Landschaftsmaler Mr Higgins engagieren, um die Idylle auf einen Zyklus von Leinwänden zu bannen. Bei dieser Gelegenheit erlebt das Publikum quasi live mit, welche Hilfsmittel der Maler beim realistischen, perspektivischen Zeichnen einsetzt.
    Allerdings ist Mr Higgins von seiner eigenen Kunst derart gebannt, dass er erst zu spät merkt, welcher Fehler ihm unterlaufen ist: Sein Zyklus zeigt nämlich einen Mord, wodurch der Maler zu einem ärgerlichen Mitwisser geworden ist ...

    In einem Pitch ließe sich der Plot zur Schlagzeile verdichten: Antonionis Blow Up wird mit den Mitteln von Kubricks Barry Lyndon neu inszeniert - mit freundlicher Unterstützung von Agatha Christies Whodunits.

  • Niki de Saint Phalle: Wer ist das Monster – Du oder ich? (Deutschland / Schweiz 1995), Produktion, Drehbuch und Regie: Peter Schamoni, 93 min, FSK: 0

    Peter Schamoni gehörte 1962 zu den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests, die mit dem gewohnten Erzählkino radikal brechen wollte. Neben Spielfilmen inszenierte er fast vierzig Jahre lang immer wieder Dokumentarfilme, häufig über Künstler: Max Ernst, Friedensreich Hundertwasser oder Fernando Botero.

    Die französisch-schweizerische Bildhauerin und Malerin Niki de Saint Phalle (1930-2002) wurde 2002 Ehrenbürgerin der Stadt Hannover. Seit 1974 stehen einige ihrer berühmten "Nana"-Skulpturen am Leibnizufer, wo sie mittlerweile zu einem Teil der Skulpturenmeile geworden sind. Wenige Tage nach ihrer Ehrung vermachte sie der Stadt einen Vorlaß von 400 Werken, die in einem Ergänzungsbau des Sprengelmuseums eine Dauerausstellung bekommen sollen.

    Der Dokumentarfilm zeichnet die künstlerische Karriere der höheren Tochter aus einem der vornehmsten Adelsgeschlechter von ihren Anfängen nach, wodurch es zu einem Porträt eines Künstlerpaares wird.
    Nike de Saint Phalle begann als Aktionskünstlerin und machte 1956 mit ihren Schießbildern Furore. Seit 1965 entstanden ihre übergroßen "Nanas", üppige weibliche Figuren in bunten Farben, in denen sie das Trauma verarbeitete, dass sie als Kind von ihrem Vater sexuell mißbraucht worden war.
    In den frühen 1960er Jahren lernt sie den Schweizer Bildhauer und Maler Jean Tinguely (1925-1991) kennen und lieben, der sinnlose Maschinen konstruiert, bewegliche Plastiken als kinetische Kunst. 1971 heiraten die beiden.
    Beide stellen mehrfach gemeinsam aus.

  • Русский ковчег / Russian Ark – Eine einzigartige Zeitreise durch die Eremitage (Russland / Deutschland 2002), Drehbuch: Anatoli Nikiforow, Boris Chaimski und Swetlana Proskurina, Regie: Александр Николаевич Сокуров / Alexander Nikolajewitsch Sokurow, 96 min, FSK: 0

    Wegen seines künstlerischen Konzeptes ist dieser Dokumentarfilm mit Spielfilmelementen eine technische Meisterleistung und eine Pioniertat, die mit insgesamt acht Filmpreisen gewürdigt wurde.
    Zum einen besteht der Film aus einer einzigen Einstellung, in der ein unsichtbar bleibender Erzähler durch sämtliche Säle der Sammlung geht und dabei historische Figuren aus 300 Jahren russischer Geschichte trifft.
    Zum zweiten ist das der erste Film in HDTV, der komplett auf einer Festplatte gespeichert wurde. Probleme mit Akkus und dem begrenzten Speicherplatz stellten hohe Anforderungen an den Kameramann Tilman Büttner. (Der Ton wurde wegen des hohen Pannenrisikos nachträglich aufgenommen.)

    Denn die Russische Arche ist das berühmte Kunstmuseum Eremitage im Winterpalast in Sankt Petersburg (gebaut 1711). Zar Nikolaus I. trennte am 17. Februar 1852 in einem feierlichen Akt organisatorisch den Winterpalast von der Eremitage-Gemäldesammlung. 2002 jährte sich dieser Festakt zum 150. Mal, was in Russland und der Kunstwelt entsprechend zelebriert wurde.

    Schauspielerisch geht diese wunderbare Besichtigungstour in Richtung Re-enactment (wie bei Guido Knopps Zeitgeschichtsserien) oder Tableaux vivants (Lebenden Gemälden).
    Das gemeinsame russisch-deutsche Projekt stammt aus einer Zeit, in der beide Staaten um Versöhnung bemüht waren und war in ein langwieriges Projekt der Provenizenzforschung eingebunden: Kunsthistorische Experten bildeten eine Kommission, die in den Jahrzehnten zuvor die rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Erben ermittelte, damit die Raubkunst zurückgegeben werden konnte.
    Diese Provenienz betraf beide Seiten, sowohl die von Nazis geraubte russische Kunst als auch die von den russischen Besatzern geraubte Kunst aus deutschen Museen und Sammlungen.

  • Love Is the Devil: Study for a Portrait of Francis Bacon (Großbritannien 1998), Drehbuch und Regie: John Maybury, 91 min, FSK: 16

    Der irische Francis Bacon (1909-1992) lebte zeitweise in Berlin und Paris, verbrachte aber die meiste Zeit in London. Wie sein Freund und Kollege Lucian Freud (1922-2011) verweigerte sich Bacon der Mode des westlichen Kunstmarkts, abstrakt und nichtfigurativ zu malen.
    Der belesene Intellektuelle Bacon war von der Körperlichkeit, vom menschlichen Leib besessen, und stellte ihn in einer Weise dar, in der sich Schmerz und Schönheit zu einer verwickelten Einheit verbinden.
    In mehr als einer Hinsicht entsprach er dabei Künstlerklischees: Zum einen liebte er Männer, zum anderen war er ein unsteter Spieler, der erst spät zur Malerei fand.

    Der Film entstand für die BBC, lief aber auf Filmfestivals. In Edinburgh erhielt das Biopic drei Auszeichnungen: eine für das Best New British Feature, eine für den besten Haupdarsteller (Derek Jacobi als Francis Bacon) und die dritte für die beste Nebenrolle (der junge Daniel Craig als George Dyer). Darüber hinaus lief die Filmbiographie 1998 auf dem Internationalen Filmfestival in Cannes (in der Reihe "Un Certain Regard").

    Die bildgewaltige Montage konzentriert auf die Beziehung zwischen dem Kleinkriminellen George Dyer und Bacon. 1964 bricht Dyer in einem Atelier in South Kensington ein, wodurch Bacon eher zufällig zu einem Modell und einer Muse kommt.
    Zum ersten Mal war der Maler der Ältere in einer Beziehung, allerdings war auch Dyer ein Alkoholiker mit Borderline-Syndrom wie Bacon. 24. Oktober 1971 findet diese Liebe ihr plötzliches Ende, als Dyer mit einer Überdosis Barbiturate tot in einem Pariser Hotelzimmer aufgefunden wiurde. Eigentlich sollte er am nächsten Tag bei Bacons Vernissage seiner Retrospektive in der französischen Hauptstadt zu den Gästen gehören.

    John Maybury stammt aus der schwulen Szene der britischen Hauptstadt. Neben kurzen Dokumentar- und Experimentalfilmen profilierte er sich in den 1980er mit Videoclips, unter anderem für Boy George. Sein berühmtester Clip ist Sinéad O'Connor's Hit Nothing Compares 2 U (1990 mit Lyrics von Prince). Außerdem stattete er die Filme von Derek Jarman aus.
    Dietrich Kuhlbrodt (epd) rechnet es Maybury hoch an, dass er lieber einen optischen Bilderreigen statt einer platten Nacherzählung bietet:

    Zitat

    Der Film entzieht sich jedoch dem Plakativen. Einander Verletzungen zufügen, das gäbe noch keine Auskunft über das, was Bild wird. Man möchte Maybury dafür umarmen, daß er nicht ins Ober-/Unterschicht-Drama abirrt, Sado/Maso-Riten vorzeigt, Psychologie betreibt. Der Film beläßt es beim narrativen Minimum, verstreuten Plot-Fragmenten. „Study für a Portrait of Francis Bacon" ist der Zweittitel.

    Maybury versucht mit filmischen Mitteln einer Malkunst nahezukommen, die nicht erzählt, sondern fühlt, und die nicht repräsentieren, sondern Kräfte einfangen will. Sein malerischer, sensibler, ungestümer Film kommt dem Kraft-Maler Bacon näher als es dem gleichgesinnten Philosophen Gilles Deleuze gelingt, der die berühmte Studie zu Francis Bacon geschrieben hatte - aber naturgemäß aufs Wort rekurrieren mußte.

  • Fluß der Zeit / Rivers and Tides – Andy Goldsworthy Working With Time (Großbritannien / Deutschland 2001), Drehbuch, Kamera, Schnitt und Regie: Thomas Riedelsheimer, Musik: Fred Frith, 90 bzw. 92 min, FSK: ohne Altersbeschränkung

    Die Kunstbände des Land Art-Künstlers Andy Goldsworthy (Jahrgang 1956) gehörten zu den Bestsellern bei Zweitausendeins. Der Brite Goldsworthy dokumentiert als Fotograf seine vergänglichen Skulpturen in faszinierenden Einstellungen.

    Im Gegensatz zu Christo und Jean-Claude benutzt er dabei keine künstlichen Materialien (wie Plastik), vielmehr bedient sich aus dem, was die jeweilige Landschaft hergibt: Blätter und Äste, Steinbrocken und Eisschollen.
    Seine nachhaltige Kunst variiert eines der ältesten kunstgeschichtlichen Motive: die Vergänglichkeit alles Lebendigen (Vanitas).

    In Thomas Riedelsheimer hat er eine verwandte Seele gefunden, denn der verdient sich seine Brötchen als Kameramann und Cutter in der Filmbranche. Riedelsheimer kommt von der Kunst und wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt.

    Durch das bewegte Bild gewinnt der künstlerische Prozeß Goldsworthys eine neue Dimension: Wenn auf der Leinwand das Eis langsam schmilzt, verwandelt sich die sonst abstrakte Zeit zu etwas Greifbarem.
    Untermalt wird der Dokumentarfilm durch Free Jazz-Kompositionen von Fred Frith, der inzwischen Musikgeschichte ist.

    Wer Kinder für Kunst begeistern will, dem empfehle ich Fluß der Zeit.

  • Jahrhundertprojekt Museumsinsel: 3sat begleitet die Arbeiten am Museumskomplex (Deutschland / Österreich / Schweiz 2001-2020), ursprünglich auf 10 Teile angelegte Dokumentarreihe über die Museumsinsel in Berlin, diverse Regisseure, Medienpartner sind ZDF und 3sat

    Im Mittelpunkt steht die Museumsinsel in Berlin, auf der sich fonf Museen befinden: Das Pergamonmuseum, das Alte Museum und Neue Museum, das Bode-Museum, die Alte Nationalgalerie. Das Ensemble beherbergt weltberühmte Kunstschätze wie den Pergamonaltar und die Büste der Nofretete. Seit 2001 wird das UNESCO-Weltkulturerbe unter der Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz von Grund auf saniert und mit einem Masterplan unter anderem um das Humboldtforum ergänzt.

    Bislang besteht die Reihe aus folgenden Filmen, die in den Reihen Kulturzeit (3sat) und Terra X (ZDF) ausgestrahlt werden:

    • 2001: Die Rückkehr der Großen Meister
    • 2002: Die neue Museumsinsel
    • 2003: In den Katakomben des Pergamonmuseums
    • 2004: Jahrhundertprojekt Museumsinsel
    • 2005: Nofretete und das Geheimnis von Amarna
    • 2006: Schatzkammer der Könige
    • 2006: Live von der Museumsinsel
    • 2007: Die verlorenen Schätze der Museumsinsel
    • 2008: Die 434 oder das Geheimnis des Bunkers
    • 2008: Die Welt auf einer Insel
    • 2009: Umbau abgeschlossen
    • 2010: Nachts allein mit Nofretete
    • 2011: Schätze des Islam
    • 2012: Der Mann, der Nofretete verschenkte
    • 2013: Unterwegs zu den Kulturen der Welt
    • 2014: Geheimnisvolles Turfan
    • 2015: Die Indianer kommen!
    • 2016: Ein Eingang für die Ewigkeit


    Die Liste wird bei Bedarf auf den neuesten Stand gebracht.

  • Galathea. Das lebende Marmorbild (Deutschland 1935), Animation und Regie: Lotte Reiniger, 11 min

    • Scherenschnittfilm von einer der bedeutendensten Animationsfilmerinnen.
      Die Geschichte erzählt den griechischen Mythos des Bildhauers Pygmalion von Zypern, der schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht hat. Unbewußt meißelt er eine Frauenstatue, eben Galathea, in die er sich nach und nach verliebt.
      Berühmte Fassungen der Sage finden sich bei Ovid und Vergil.


    • Lotte Reinigers Kunst (Großbritannien ca. 1957), Regie: John Isaacs, Louis Hagen, Sprecher: Louis Hagen, 13 min
    • Ein Scherenschnittfilm entsteht - The Art of Lotte Reiniger (Großbritannien 1971), Regie: John Isaacs, 15 min
    • Tanz der Schatten (Deutschland 2012), Regie: Susanne Marschall, Rada Bieberstein, Kurt Schneider, 60 min


    Dokumentarfilme über Lotte Reiniger und die Kunst des Scherenschnittfilms.

  • Caravaggio (Großbritannien 1986), Drehbuch: Derek Jarman, Suso Cecchi d'Amico und Nicholas Ward-Jackson nach einer Idee von Nicholas Ward-Jackson, Regie: Derek Jarman, 93 min, FSK: 12

    Wer durch Milo Manaras Comicbiographie neugierig geworden ist und mehr über den Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610), den Begründer der Barockmalerei, wissen möchte, stößt früher oder später auf Derek Jarmans fiktionalisiertes Biopic.

    Derek Jarman (1942-1994) kam über den Umweg Kunstgeschichte und Kunst ins Filmgeschäft. Er gehört zu den Ikonen des Low-Budget/No-Budget-Films, die mit den Erzählweisen Hollywoods bricht und finanzielle Schwächen in ästhetische Statements verwandelt.

    Caravaggio liebte Männer. Dieser Umstand trug dazu bei, sich diesem Pionier realistischen Malens zu widmen. Durch die HIV/AIDS-Panik (in der Presse auch "Schwulenpest" genannt!) fand die konservative Regierung unter Margaret Thatcher einen Vorwand, um öffentliche Aufklärung von Schwulenverbanden zu behindern und zu unterbinden. Diese protestierten vehement gegen das Gesetz Clause 28, das im Mai 1988 verabschiedet wurde.
    Jarman erfuhr 1986 von seiner HIV-Infektion. Zu dieser Zeit ein klares Todesurteil.

    Caravaggio entspricht den Klischees einer Renaissancebestie. Obwohl er materiell von der Gunst seiner Gönner und Mäzene wie dem Kardinälen Del Monte und Scipione Borghese abhängig bleibt, schert sich nicht um Konventionen und folgt seiner künstlerischen Vision. Modelle seiner lebensechten Figuren sind Arme, Prostituierte, Diebe und Säufer, die er in religiösen Motiven verewigt, häufig als Märtyrer.
    Sein hitziges Temperament entflammt sich bei geringsten Anlässen, Messerstechereien sind an der Tagesordnung ...

    Jarman filmte in einem verlassenen Lagerhaus und spart sich die Kostüme. Intensität ist ihm wichtiger als ein platter Schauwert. Deshalb tragen die (heute berühmten Schauspieler) Nigel Terry, Sean Bean, Tilda Swinton, Michael Gough und Robbie Coltrane Lederjacken, Jeans und andere Alltagskleidung der 1980er.
    Der Bruch zeigt sich auch in den Kulissen und Requisiten: Elektrisches Licht beleuchtet eine Bar, Mopeds und Eisenbahnen sind im Hintergrund zu hören, außerdem werden Zigaretten geraucht. Eine mechanische Schreibmaschine, ein Taschenrechner und ein LKW sind weitere Anachronismen.

  • Les Mystères du Château de Dé | The Mysteries of the Chateau of Dice (Frankreich 1929), Drehbuch und Regie: Man Ray und Jacques-André Boiffard, 27 min

    Man Ray (1890 - 1976) betätigte sich als Bildender Künstler vielfältig und nutzte nicht nur alle Medien, die ihm zur Verfügung standen, sondern experimentierte mit neuen (technischen) Verfahren. Aus dem Prinzip der Fotogramme entwickelt er seine Rayographien. Zeitweise gehörte er zu den Dadisten und den Surrealisten.
    "Die Geheimnisse des Würfelschlosses" (so der wörtlich übersetzte Titel) ist der längste Film, bei dem Man Ray Regie geführt hat.

    Das Würfelschloss ist eigentlich eine hochmoderne Villa, nämlich die Villa Noailles in den Hügeln über Hyères (Provence-Alpes-Côte d'Azur, Départment Var) an der Mittelmeerküste. Errichtet wurde sie zwischen 1923 und 1928 vom Ehepaar Charles und Marie-Laure de Noailles, die als spendable Mäzene unter anderem für Jean Cocteau und Salvador Dalì in die Kunstgeschichte eingegangen sind.
    Charles de Noailles erbte das Grundstück in Hyères seiner Mutter. Der erste Architekt seiner Wahl wäre Ludwig Mies van der Rohe (1886 - 1969) gewesen. Als er den nicht bekam, wäre er auf Le Corbusier (1887 - 1965) ausgewichen, aber auch der Plan zerschlug sich. Zum Zuge kam hingegen der Franzose Robert Mallet-Stevens (1886 - 1945), ein Bekannter von Man Ray.

    Mallet-Stevens ließ sich bei der Gestaltung von den Kunststilen De Stijl und den Konzepten des Bauhauses anregen, die mit der ansonsten prägenden Belle Èpoque brachen. Im Laufe der Jahre wird aus der kleinen Winterresidenz ein verschachteltes Labyrinth von 1.800 Quadratmetern auf mehreren Ebenen, das an einen Haufen Würfel erinnert.
    Ergänzt wird das Ensemble mit einem dreieckigen kubistischen Garten, der von dem armenischen Gartenarchitekten Gabriel Guevrekian (1892? - 1970) gestaltet wurde. Darüber hinaus zeigt Man Rays Film Skulpturen von Pablo Picasso (1881 - 1973) und Joan Miró (1893 - 1983).

    Man Ray nutzt das Motiv des Würfels, indem er die Handlungen seiner namenlosen Figuren mit dem Würfelspiel verknüpft: eine Variation von Wahrheit oder Pflicht.

  • Die Säulen der Erde | The Pillars of the Earth (Deutschland / Kanada / Ungarn 2010), Drehbuch: John Pielmeier nach dem gleichnamigen Roman (1990, deutsche Ausgabe 1992) von Ken Follett, Regie: Sergio Mimica-Gezzan, 8 Episoden à 50 min bzw. 4 Episoden á 100 min, FSK: 12 bzw. 16

    Kunsthistorische Grundlagen der Serie:

    • Vorbild für den Bau der Kathedrale im fiktiven Ort Kingsbridge in Südengland war die Kathedrale von Salisbury | The Cathedral Church of St Mary in Salisbury (Grafschaft Wiltshire), erbaut 1220 bis 1479. Die Grundsteinlegung erfolgte durch Bischof Richard Poore mit dessen Baumeister Nikolaus von Ely.
    • Die zweite Referenz bildet die Kathedrale von Saint-Denis | Basilique de Saint Denis (1137 bis 1238) und dessen Bau unter Abt Suger von Saint-Denis (1081–1151) in den Jahren 1137 bis 1144.


    Sowohl der historische Roman als auch dessen Verfilmung leisten sich erhebliche erzählerische Freiheiten, was schon an den Daten erkennbar wird. Der Bau der Kathedrale bildet den Hintergrund für eine verwickelte Familiengeschichte im Mittelalter, verflochten durch persönliche Eifersüchte, Intrigen in der Kirche und am Königshof sowie Aberglauben und den Anfängen wissenschaftlicher Erkenntnis.

    Einen Streitpunkt zwischen Kirche und weltlichen Fürsten bilden in den ersten Episoden der Steinbruch und die (damit eben nicht verbundenen) Abbaurechte. Dennoch beschränken sich die Gewinnung des Steins und das Zuhauen auf seltene Szenen mit Statisten.
    Wer mittelalterliches Bauen im Detail studieren möchte, den verweise ich auf die Dokumentationen von Reinhard Kungel über die Burg von Guédelon (Département Yonne), an der seit 1997 gebaut wird und die 2023 fertiggestellt werden soll.
    Prächtiger läßt sich hingegen der Bildhauer Jack Jackson inszenieren, der mit Vorliebe Dämonen aus dem Block haut.
    Der Einsturz von Kirchen und Kathedralen kam zu dieser Zeit häufig vor und forderte zahlreiche Opfer. Abt Suger weist Jack Jackson deswegen zurecht auf den antiken Euklid hin, denn ohne Mathematik gibt es keine Statik.
    Wenn Jack Jackson herausfindet, daß die Kathedrale nicht unter ihrem eigenen Gewicht ächzt und stöhnt, sondern vom starken englischen Wind gedrückt und gezerrt wird, findet er eine praktische Lösung. Der frühe Stil der englischen Gotik, Early English, wird durch den an der Fassade angebrachten Stützbogen zu einer Notwendigkeit und charakterisiert die Kathedrale.

  • Die Architekten (Deutsche Demokratische Republik 1990, DEFA Gruppe Babelsberg), Drehbuch: Thomas Knauf und Peter Kahane, Regie: Peter Kahane, 107 min bzw. 97 min (DVD)

    Der Film erlitt ein ähnliches Schicksal wie die leitende Architekt Daniel Brenner auf der Leinwand, der endlich seine lang ersehnte künstlerische Freiheit erhält und dennoch scheitert.

    Thomas Knaufs Drehbuch entstand schon 1987, stieß jedoch auf erhabliche Widerstände bei den Parteifunktionären, und so verzögerte sich das Filmprojekt immer wieder. Als Knauf, Kahane & Co. endlich grünes Licht erhielten und mit den Dreharbeiten beginnen konnte, befand sich 1989 der "Arbeiter-und-Bauern"-Staat im Umbruch.
    Im Gegensatz zu seinem Protagonisten konnte die Filmcrew ihr Werk beenden und Die Architekten im Mai 1990 in die Kinos bringen. Doch die Säle blieben leer, weil die Leute anderes im Kopf hatten. Mit 5.354 zahlenden Besuchern sah die Bilanz enttäuschend aus.
    Wiederentdeckt wurde Die Architekten nach dem Erfolg der Komödie Good Bye, Lenin! mit dem jungen Daniel Brühl. Zehn Jahre nach dem Mauerfall, den ersten demokratischen Wahlen in der DDR und dem Anschluß an die Bundesrepublik lösten sich Berlin-Filme fast lückenlos ab (so meine Beobachtung in den hiesigen Kinos). Das Studio Babelsberg war mittlerweile privatisiert worden und nutzte das Jubiläum für Neustarts von DEFA-Filmen, die noch Publikum ins Kino locken konnten. Hinzu kam eine DVD-Auswertung.

    Der Architekt Daniel Brenner bekommt allerdings keine zweite Chance.
    Zu Beginn kann Brenner zwar kaum über mangelnde Arbeit klagen, aber seine Brotjobs bestehen aus der Konzeption und dem Bau von funktionaler Standardware: Trafohäuschen, Busbahnhöfe und Kaufhallen unterfordern ihn kreativ. Bis sich eines Tages Professor Vesely meldet, der ihm und seinen Kommilitonen damals im Hörsaal das Handwerk beigebracht und ihn mit der Kunst vertraut gemacht hat.
    Der bietet ihm das große Los an: Brenner soll eine ganze Trabantenstadt nach seinen Ideen frei entwerfen dürfen - übrigens derselbe Stadtteil, in dem Familie Brenner wohnt. Das riesige Projekt wird mehrere Jahre dauern und Brenner wird auf die Hilfe von kompetenten Mitarbeitern angewiesen sein. Unter der Bedingung, daß er sich seinen Stab selbst aussuchen darf, willigt Brenner ein.
    Technische Zeichnungen entstehen, während Brenner seine fünf besten Freunde sucht, mit denen er bei Vesely studiert hat. Doch die haben teilweise in den Westen rübergemacht oder sind von der bürokratischen Mühle des Alltags enttäuscht und ausgezehrt ...

  • Zwischendurch mal eine kleine Auswahl aus deutschen Serien, die noch fortgesetzt werden:

    Mord mit Aussicht Staffel 2 Episode 1 (Folge 14): "Die Venus von Hengasch" (Deutschland, Pro TV Produktion GmbH für WDR 2012), Drehbuch: Benjamin Hessler, Regie: Christoph Schnee, 48 min

    Nach der Episode "Fingerübungen" um einen weltbekannten Pianisten in der Eifel ist dies die zweite Folge um einen Künstler im ländlichen Grenzgebiet zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
    Weil beim Start der zweiten Staffel Sophie Haas erst einmal etliche Dinge ordnen muß, eilen Dietmar Schäffer und Bärbel Schmied an den Tatort.

    Dort finden sie den Maler und Bildhauer Paul Egon Sieben erschlagen vor. Siebens Haushälterin und ehemalige Muse Helene Engelbracht verdächtigt einen Mann mit Narben im Gesicht, der sich am Grundstück herumgeschlichen haben soll.
    Weil Dietmar und Bärbel der Name nichts sagt, fragen sie bei Frau Engelbracht nach. Die fühlt sich fast beledigt, setzt eine verdrießliche Miene auf und pocht darauf, daß Sieben ein "weltberühmter Maler" ist. Schließlich habe der Freunde in aller Welt. Ungerührt fragt Dietmar nach, und Frau Engelbracht korrigiert ihre Angaben, berühmt war Sieben in den siebziger Jahren - in der Eifel.

    Zeichnungen spielen eine wichtige Rolle: Siebens letztes Bild liefert Kommissarin Haas das entscheidende Indiz, und Frau Engelbracht fühlt sich von Dietmars Versuchen, ein Porträt des Narbigen zu zeichnen, so beleidigt, daß sie selber freihändig loszeichnet.
    Sophie Haas erweist hier Pater Brown ihre Ehre, denn der Fall gleicht einer Hommage an einen seiner berühmtesten Fälle: "The Hammer of God | Der Hammer Gottes" (1911 von G.K. Chesterton).

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!