• Wahrscheinlich meinen wir zweierlei: Es gibt sehr wohl gute deutsche Comicforschung, auch in dieser Gruppe. Zum größten Teil wird sie leider immer noch von "Fans" gemacht und nur selten an den Universitäten. An letzteren tummeln sich einige, die nicht wirklich Ahnung von Comics haben, sich der Comics aber bedienen, um ihr wissenschaftliches (manchmal pseudo-wissenschaftliches) Instrumentarium einer Sache überzustülpen, deren Zusammenhänge sie gar nicht beurteilen bzw. einordnen können. Daran ist sicher nur zum Teil die ComFor schuld. Dieses Thema (kurz von Servalan eingebracht) gehört hier aber wirklich nicht hin. Und es hat sehr wohl mit Verschwendung von Steuergeldern zu tun, wenn völlig nutzlose Veranstaltungen von solchen Leuten bespielt werden. Diese "Forschung" hat bisher fast keine relevanten Erkenntnissse hervorgebracht, außer vielleicht die, wie man an Fördertöpfe kommt (Steuergelder!) oder sich dessen, was in der Comciszene so zusammengeschrieben wird am besten "aneignet" und als das seine ausgibt. Und natürlich drehen sich die Diskurse manchmal nur noch um sich selbst. Ich habe selbst ein paar Jahre lang Lehraufträge zum Thema Comics an Universitäten gehabt und durfte dabei das hundertfache, erleichterte Aufatmen derer vernehmen, die endlich einmal konkretes vorgesetzt bekamen... Letztlich ist das aber leider ein Thema, das einer sehr ausführlichen Betrachtung bedürfte, was hier wirklich nicht zu leisten ist. Vielleicht will dazu ja jemand ein eigenes Forum eröffnen?! Schade, daß ich so manchen Text sogenannter Comicforscher nicht aufgehoben habe... Hier mal ein nettes Beispiel dafür, was da so als relevant erachtet wird. Banalitäten klingen "verfremdwortelt" doch so schön...

    Link: http://www.orang-magazin.net/?p=451

    Zitat

    Zum größten Teil wird sie leider immer noch von "Fans" gemacht und nur selten an den Universitäten. An letzteren tummeln sich einige, die nicht wirklich Ahnung von Comics haben, sich der Comics aber bedienen, um ihr wissenschaftliches (manchmal pseudo-wissenschaftliches) Instrumentarium einer Sache überzustülpen, deren Zusammenhänge sie gar nicht beurteilen bzw. einordnen können. Daran ist sicher nur zum Teil die ComFor schuld.


    Und zu welchem Teil ist sie schuld daran?
    Und wieso lastest du deine schlechten Erfahrungen als Lehrbeauftragter der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) an?

  • :nonono: Die Honorare/Gehälter der Professoren werden aus Steuergeldern finanziert, und die haben laut Grundgesetz die Freiheit, danach zu forschen, wonach ihnen der Sinn steht. Solange es in den Universitäten keine Instanzen gibt, nach denen die Kompetenzen beurteilt werden, wird auch die Kontrolle mangelhaft sein, den gröbsten Blödsinn herauszusieben. :flop: :rolleye:
    Aber diese Rahmenbedingungen liegen außerhalb der ComFor, dafür sind weder Burkhard Ihme noch Eckart Sackmann oder andere Mitglieder verantwortlich.

    Außerdem kommt ein gewisser Anteil Ausschuß immer vor - so schade das ist. Wenn aus den Fehlern (denen der anderen und den eigenen) gelernt wird, sehe ich das als produktiv ... :rolleye:

    Ich erinnere mich noch, wie ich um 1978 herum nach einem vernünftigen Buch über Comics gesucht habe. Als ich den rororo-Band von Moliterni hatte, habe ich den studiert und war froh, daß ich endlich eine Grundlage hatte.
    Im Vergleich dazu ist das allgemeine Niveau heute wesentlich höher, Neugierige und Interessierte können zwischen mehreren lieferbaren Titeln wählen und haben sogar spezialisierte Literatur greifbar - entweder in Buchhandlungen und/oder in Bibliotheken. :top: :top: :top:

    Die Comicforschung hat schon einige Fortschritte erreicht, obwohl ein weiter Weg vor ihr liegt ... so sehe ich das. :wink:

  • ... und da wird Professorentum mit Expertenwissen gleichgesetzt, obwohl das manchmal nicht zutrifft, während Leute vom Fach ohne akademische Weihen oft von oben abgemeiert werden.
    Deshalb dauert das in Regel zwanzig bis dreißig Jahre, bis sich endlich die Vernunft durchgesetzt hat - vorher beschützen die Platzhirsche ihr Revier und verhalten sich aggressiv gegen Eindringlinge. :flop: :floet:

  • ... und da wird Professorentum mit Expertenwissen gleichgesetzt, obwohl das manchmal nicht zutrifft, während Leute vom Fach ohne akademische Weihen oft von oben abgemeiert werden.
    Deshalb dauert das in Regel zwanzig bis dreißig Jahre, bis sich endlich die Vernunft durchgesetzt hat - vorher beschützen die Platzhirsche ihr Revier und verhalten sich aggressiv gegen Eindringlinge. :flop: :floet:

    Perfekt zusammengefasst! Danke!

  • Und zu welchem Teil ist sie schuld daran?
    Und wieso lastet du deine schlechten Erfahrungen als Lehrbeauftragter der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) an?

    Wenn Stuergelder für das verschwendet werden, was z. B. eine Frau Bolte absondert, und seien es nur Tagungsräume, die die ComFor für solch fragwürdige Forschung in öffentlich finanzierten Gebäuden auftreibt, ist das verwerflich. Hier hat sich der Wissenschaftsbetrieb verselbstständigt und das auf Kosten von Menschen, die für diese Eskapaden oft hart arbeiten müssen.

    Das ganze hat übrigens noch mehr Facetten: Ich erinnere mich an ein Buch von B. Doelle-Weinkauf, bei dessen lesen, vor allem der Quellen, klar war, daß dieses Buch statt auf eigener Forschung wohl eher auf guter Kenntnis der Comic-Fan-Literatur basiert. Aber zu all dem hat Servalan ja schon grundsätzliches geschrieben. Insofern ist die ComFor keine Ausnahme. Es ist halt so: Was ein Herr Sackmann in seinen Bänden oder andere Comicinteressierte in anderen Comicpublikationen veröffentlichen, ist in den Augen der Wissenschaft nur "Geschreibsel". Wenn man das gleiche aber mit Fachbegriffen einer akademischen Disziplin verklausuliert, gilt es als Erkenntnisgewinnung. ich finde das absolut lachhaft. Besonders perfide wird es übrigens, wenn dann noch aus diesen niederen Quellen abgeschrieben wird. Das ist mir sogar schon direkt passiert. Eines Tages fand ich mein Wissen unter anderem namen in einem Katalog der Maximillian-etc.-Universität in München wieder. Der "Dieb" ist heute bestimmt Professor...

    In diesem Zusammenhang würde mich mal interessieren, wie denn Mike Baxter solch einen Beitrag wie den von Frau Bolte einstuft?! Schließlich hat die ComFor der ja ein Forum geboten.

  • Hier laufen wirklich interessante Diskussionen...

    Da mein Name immer wieder darin auftaucht, möchte ich auf mein Posting im INCOS Forum ("Das offizielle Form der...") hinweisen.

    eck:grins:rt

  • Vor kurzem habe ich einen Band in die Hände bekommen, der eine Vorlesungsreihe an der Universität Göttingen dokumentiert: http://www.uni-goettingen.de/de/79033.html

    Dort ist dieser Herr Chef vons Janze:
    Prof. Dr. Heinrich Detering
    Geschäftsführender Direktor der Komparatistik
    Seminar für Deutsche Philologie

    ... und den kenne ich noch aus Kiel. Der wirbelt überall herum, aber mit besonderem Fachwissen zu Comics ist er mir in den Jahren hier oben nie aufgefallen. Der hat aber für die Forschungsgelder gerade gestanden und dafür gesorgt, daß die Vorträge als Sammelband bei transcript verlegt worden sind.

    Bizarr fand ich zwei Aufsätze, die leicht überarbeitete Fassungen von Beiträgen aus der "Reddition" waren. Geärgert hat mich daran zweierlei:

    - Haben die Leute so wenig Wissen, daß sie ihre Ergüsse x-mal verwerten müssen? Dadurch wird jeder Leser von Sekundärliteratur behandelt, als ob er sich das erste Mal damit beschäftigt. Irgendwann nervt das.

    - Warum stehen Zeitschriften wie die "Reddition" nicht in häufiger in Unibibliotheken? Dann würde solch ein Wiederkäuen wohl seltener vorkommen. Die erscheinen doch bloß ein- bis zweimal pro Jahr! Verglichen mit den happigen Abos für vor allem medizinische Fachjournale, wo mal rasch vier- bis fünfstellige Summen für wenig Papier fällig werden, ist das preismäßig geschenkt. Und 400 Abos mehr könnten Existenz einer Fachzeitschrift sichern.

  • Der wirbelt überall herum, aber mit besonderem Fachwissen zu Comics ist er mir in den Jahren hier oben nie aufgefallen.

    Das ist bei Unileuten normal. Deswegen haben sie auch nur ein, zwei Themen, auf denen sie immer wieder rumreiten. Im Normalfall ist das nicht selbst erforscht, sondern abgeschrieben und umformuliert. Um die eigene Literaturliste aufzufüllen, reicht das. Kann ja sowieso keiner beurteilen.

    Zitat

    Warum stehen Zeitschriften wie die "Reddition" nicht in häufiger in Unibibliotheken?

    Weil Comics wg. der o.g. Umstände keine echte Lobby haben. Im Kulturbereich wird viel Scharlatanerie betrieben. So steht hier in Hildesheim "Kultur & Gespenster", aber dafür nichts, woraus die Studenten wirklich lernen können. Comics sind an der Uni ein reines Angeberthema. Da ist kaum einer, der sich aus handfestem Interesse da reinhängt.

    eck:Drt


  • Bizarr fand ich zwei Aufsätze, die leicht überarbeitete Fassungen von Beiträgen aus der "Reddition" waren. Geärgert hat mich daran zweierlei:

    - Haben die Leute so wenig Wissen, daß sie ihre Ergüsse x-mal verwerten müssen? Dadurch wird jeder Leser von Sekundärliteratur behandelt, als ob er sich das erste Mal damit beschäftigt. Irgendwann nervt das.


    Das mußt du mir erklären: Ist die REDDITION so toll, daß sie an jeder Uni präsent sein sollte, oder haben die Autoren so wenig Wissen, daß sie ihre Ergüsse x-mal verwerten müssen? Oder wurden da Artikel aus der REDDITION einfach abgekupfert? Aber was hat das dann mit Mehrfachverwertung des bescheidenen Wissens zu tun?

  • Das mußt mal erklären: Ist die REDDITION so toll, daß sie an jeder Uni präsent sein sollte, oder haben die Autoren so wenig Wissen, daß sie ihre Ergüsse x-mal verwerten müssen?

    Bei der Reddition würde ich eine Empfehlung mit Einschränkungen geben: Für den frankobelgischen Bereich, besonders bei den Klassikern wie (Studio) Hergé, École Marcinelle und amerikanische Independent-Sachen legen die ein bewunderswertes Niveau vor. In diesen Stoffen stecken Mietz, Hamann & Co. mit Leib und Seele drin. Das sind passable Grundlagen für Fans, Forscher und Interessierte, die sich selbstverständlich ihre eigene Meinung bilden sollten.

    Was die Behandlung von Mangas betrifft, empfinde ich das zwiespältig: Jens R. Nielsen versucht zwar das nachzuholen, was einige Jahrzehnte zuvor mit den US-Independents inklusive Underground passiert ist (von Art Spiegelman, Los Bros Hernandez bis zu Drawn & Quarterly). Dieses selbst verordnete Nachsitzen hat nach meinem Empfinden bei den US-Sachen noch geklappt, obwohl da nicht so viel Herzblut zu spüren ist wie bei den Frankobelgiern.
    Bei den Mangas geht das meiner Meinung nach in die Hose. Was Nielsen vorbringt, hat zwar Hand und Fuß; nach meiner Kenntnis nutzt er jedoch die These der amerikanischen Japanologin Susan J. Napier, ohne sie je zu zitieren. (Das ist das beklagte Abschreiben, über das Eckart und Carsten klagen ... zu Recht!)
    http://ase.tufts.edu/faculty-guide/….gerrusasia.htm
    Und für die junge Generation, die mit Mangas aufgewachsen ist, sind seine Ergebnisse aus zweiter Hand zu dürftig, denn die kennen sich bestimmt besser in der japanischen Kultur aus als Herr Nielsen.

    Oder wurden da Artikel aus der REDDITION einfach abgekupfert?

    Ja. Die wurden einfach nachgedruckt - um zwei oder drei Absätze ergänzt und um einige Fehler bereinigt. :nonono: :nonono: :nonono:

    Aber was hat das dann mit Mehrfachverwertung des bescheidenen Wissens zu tun?

    Gerade die Nachdrucke des Manga-Textes müssen in den Bändchen als Feigenblatt herhalten, frei nach dem Motto: um Mangas kommen wir nicht herum und damit ist das Thema meist auch abgehandelt. :rolleye:
    Im Zusammenhang mit anderen Beiträgen wirkt das dürftig, zumal ich auch die Manga-Reddition extrem schwach finde. Nielsens Beitrag betont gerade shojo-Mangas als spezifisch japanisch, doch in der gesamten Ausgabe findet sich kein Beispiel, an dem das durchexerziert wird. Da stehen mehrere Beiträge nebeneinander und ergeben ein schiefes Bild. Frédéric Boilet mußte da mit seinem Manifest noch erwähnt werden ... kurzum, diese Ausgabe empfand ich als zu oberflächlich, und gerade die wird jetzt "xerografiert"! :heul:

  • Und für die junge Generation, die mit Mangas aufgewachsen ist, sind seine Ergebnisse aus zweiter Hand zu dürftig, denn die kennen sich bestimmt besser in der japanischen Kultur aus als Herr Nielsen.


    Können aber Manga nicht in die Historie der Comics einordnen. Nach deiner Argumentation kann man auch die Paläontologie den Achtjährigen überlassen, denn die kennen jeden Dinosaurier.

  • Der Vergleich hinkt ein wenig
    1.) auch wenn du gern Mangaleser/sammler immer auf Kinderniveau runterschraubst, gibt es da viele Erwachseneleser, auch viele Studenten.
    2.) muss ich nicht studieren, kein Latein lernen, keine Fachabhandlungen durchkauen um die Werke, die Künstler, die Storys und alles was eben ein Manga ausmacht zu kennen
    3.) Wenn sich jemand intensiv mit einem Thema befasst, was ein Fan tut, dann hat er einfach mehr Ahnung, als einer der es nur nebenbei tut


    und 4.)
    Manchmal haben kleine Leute mehr Ahnung als Möchtegernintelektuelle, die krampfhaft darauf bemüht sind Form zubewahren. :top:

  • Vielleicht nicht das lesende Publikum. Bei den Autorinnen sieht das anders aus: Ein Beispiel wäre Christina Plaka, die sich ja schon Meriten erworben hat. Mittel- bis langfristig kann mir von ihr Werke über Manga vorstellen, die sich thematisch ähnlich bewegen wie die von Will Eisner und Scott McCloud.

    samedi 9 janvier 2010
    retour du Japon (4) : world manga
    http://neuviemeart.citebd.org/spip.php?page=blog_neufetdemi

    ... also abwarten und eine Teezeremonie einlegen.

  • Bei der Reddition würde ich eine Empfehlung mit Einschränkungen geben

    Hallo Servalan! Danke ... Zuviel der Ehre ...

    Für den frankobelgischen Bereich, besonders bei den Klassikern wie (Studio) Hergé, École Marcinelle und amerikanische Independent-Sachen legen die ein bewunderswertes Niveau vor. In diesen Stoffen stecken Mietz, Hamann & Co. mit Leib und Seele drin.

    Roland Mietz schreibt schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr für die Reddition.

    Ja. Die wurden einfach nachgedruckt - um zwei oder drei Absätze ergänzt und um einige Fehler bereinigt.

    Hast du davon Kopien und/oder Links? Das würde mich sehr interessieren. Und es beweist ja, dass die Reddition sehr wohl in einigen wenigen Uni-Bibliotheken zu finden ist. Neben Hamburg, Leipzig, Berlin, Rotterdam kenne ich allerdings keine. Jemand anderes?


  • In diesem Zusammenhang würde mich mal interessieren, wie denn Mike Baxter solch einen Beitrag wie den von Frau Bolte einstuft?! Schließlich hat die ComFor der ja ein Forum geboten.


    Im Gegensatz zu Carsten hab ich den Vortrag gehört. Der war nicht weltbewegend, bot für den in den südamerikanischen Comicmarkt nicht bewanderten Zuhörer durchaus Neues und Interessantes und war keineswegs in Wissenschafts-Neusprech gehalten. Ob das auch für die schriftliche Version im Tagungsband der Comfor (erscheint im Mai) gilt, wage ich nicht zu prognostizieren. Müßte Dietrich Grünewald beantworten, und der ist nicht forenkompatibel.

  • ...und war keineswegs in Wissenschafts-Neusprech gehalten.


    Ich kann mich erinnern, dass sie am Schluß ihres Vortrages irretiert in die Runde geschaut hatte und sagte:"...eigentlich hatte ich noch auf die "Genderfrage" gewartet! Da sie nicht kommt, werde ich sie trotzdem beantworten."
    Bitte nagelt mich nicht auf jedes einzelne Wort fest, aber so ungefähr spielte es sich ab!
    Und damit werde ich mich für die Nacht verabschieden und in die Heia gehen :wink:

  • :kratz: So reflexhaft läuft das bei mir aber nicht. Außerdem sollten Leute, die mehr als einen Vortrag in ihrem Leben gehalten haben, wissen, daß es für Plaudereien noch die Zeit zwischen dem Tagesprogramm gibt: Ich finde es ärgerlich, sobald es Großkopferte darauf anlegen, das Publikum grob vorsätzlich zu langweilen, bloß um sich selbst beim Monologisieren zuzuhören ...

  • Moin allerseits.

    Ein bisschen spät vielleicht, aber da das Web ja angeblich nie etwas vergisst, möchte ich die folgenden Aussagen zu meiner Person dann doch nicht unkommentiert lassen ...


    Was die Behandlung von Mangas betrifft, empfinde ich das zwiespältig: Jens R. Nielsen versucht zwar das nachzuholen, was einige Jahrzehnte zuvor mit den US-Independents inklusive Underground passiert ist (von Art Spiegelman, Los Bros Hernandez bis zu Drawn & Quarterly). Dieses selbst verordnete Nachsitzen hat nach meinem Empfinden bei den US-Sachen noch geklappt, obwohl da nicht so viel Herzblut zu spüren ist wie bei den Frankobelgiern.
    Bei den Mangas geht das meiner Meinung nach in die Hose. Was Nielsen vorbringt, hat zwar Hand und Fuß; nach meiner Kenntnis nutzt er jedoch die These der amerikanischen Japanologin Susan J. Napier, ohne sie je zu zitieren. (Das ist das beklagte Abschreiben, über das Eckart und Carsten klagen ... zu Recht!)
    http://ase.tufts.edu/faculty-guide/….gerrusasia.htm
    Und für die junge Generation, die mit Mangas aufgewachsen ist, sind seine Ergebnisse aus zweiter Hand zu dürftig, denn die kennen sich bestimmt besser in der japanischen Kultur aus als Herr Nielsen.


    Ehrlich gesagt ... ich habe keinen wissenschaftlichen Artikel mehr geschrieben, seit ich aus der Uni raus bin - also seit fast 20 Jahren.
    Die REDDITION ist ja auch kein akademisches Fachmagazin, sondern - wenn sie denn ein Label benötigt - ein "Coffeetable"-Produkt und damit eher dem Feuilleton zuzuordnen als der Universität.

    So sehr ich Servalan in allem, was sie schreibt, zustimmen möchte, so muss ich doch ein paar Dreher in ihrer Argumentation ansprechen ...

    Erstmal: Ich versuche in Sachen "Manga" nichts "nachzuholen". Ich finde, dass die japanischen KollegInnen in den Neunzigern Erzählkonzepte entwickelt haben, die allem, was sonstwo produziert wurde, weit voraus waren. Das ist eine ganz subjektive Einstellung, ich weiß. Aber wenn mir etwas begegnet, das mich fasziniert und für das ich erst einmal keine Worte habe, dann geh ich dem solange nach, bis ich zumindest mich selbst befriedigende Antworten gefunden habe.
    Und dabei interessiert es mich nicht, ob andere "schneller" waren oder vielleicht das, was mich reizt, besser in Worte fassen konnten.
    Ich persönlich halte diese Einstellung für absolut unwissenschaftlich - und ich frage mich, warum ausgerechnet mein Manga-Artikel in der REDDITION qualitativ und quantitativ das heftigste Feedback hervorgerufen hat, das ich je erzielen konnte.
    Einerseits war der Zuspruch von bis dato Manga-fernen Comicinteressierten [aus deren Reihen sich die Leserschaft der REDDITION nach wie vor überwiegend rekrutiert] enorm - andererseits haben mich nacheinander Bernd Dolle-Weinkauff, Jaqueline Berndt und die Veranstalter der Göttinger Ringvorlesung zum "Manga-Experten" aufgebaut, erstere, um den Text umgehend als "unwissenschaftlich" abwatschen zu können.
    Als hätte ich nicht selbst darin genug den Wissenschaftsbetrieb ironisierende Hinweisschilder aufgestellt ...

    Wenn ich hier also beteuern muss, dass mich ausschließlich meine Zuneigung zum Gegenstand - mithin mein Herzblut - beim Schreiben antreibt, dann scheint ja die Rezeption meiner Texte irgendwie von Vorurteilen so verstellt zu sein, dass meine Absichten und Intentionen unsichtbar zu werden drohen ...

    Und das führt dann zu ehrenrührigen Vermutungen wie der, ich würde mich bei anderen AutorInnen bedienen, ohne diese zu zitieren oder auch nur zu erwähnen? Hallo? Ich bin Vorstandsmitglied eines Berufsverbands von Urhebern. Ich lebe von meiner durch das UrhG geschützten Arbeit. Unter jedem meiner Texte finden sich Verweise auf Autoren, die ich nicht zitiert habe, deren Ideen ich aber im Zusammenhang mit meinen Ausführungen für interessant und lesenswert halte.
    Wenn ich Susan J. Napier nicht erwähnt habe, dann aus dem einfachen Grund, dass ich ihre Arbeiten schlicht nicht zur Kenntnis genommen hatte.
    Ja. Das ist unwissenschaftlich. Aber, wie gesagt: Ich schreibe nicht als Wissenschaftler über Comics, sondern als Fan - und manchmal als Praktiker.

    Als solcher habe ich vielleicht nicht den intensivsten Kontakt zur "jungen Generation" - aber zumindest meine Manga-sozialisierten Schülerinnen hatten bisher nichts gegen meine Manga- und Anime-Analysen einzuwenden. Wahrscheinlich, weil diese nicht theorielastig sind, sondern auf ihre individuellen Bedürfnisse als Autorinnen und Zeichnerinnen eingehen.
    Es gibt eben nicht nur den wissenschaftlichen und den Fan-Diskurs, sondern auch noch eine Reihe von beruflichen und Ausbildungskontexten, in denen miteinander geredet wird.
    Und den Erfolg meines Manga-Textes führe ich darauf zurück, dass sich darin genau jene angesprochen fühlen, die nicht dem zuzurechnen sind, was hier "junge Generation" genannt wird - unabhängig vom Lebensalter übrigens: Es gibt auch viele Teenager, die keinen Zugang zum Manga finden.

    Abschließend kann ich hier noch eine weitere Versicherung abgeben: Nichts, was ich zum Manga geschriebem habe, stammt aus zweiter Hand. Das alles ist - inklusive zahlreicher nicht zuende gedachter Ideen - gemeinsamer Lektüre und intensiver Diskussion unter Fachkollegen und mit Schülerinnen und Schülern diverser Bildungseinrichtungen [vor allem der animationschool hamburg] erwachsen.


    Ja. Die wurden einfach nachgedruckt - um zwei oder drei Absätze ergänzt und um einige Fehler bereinigt. :nonono: :nonono: :nonono:


    Stimmt.
    Und warum? - Weil von einer Veröffentlichung bei Verpflichtung des Vortragenden nicht die Rede war.
    Der Vortrag, den ich tatsächlich in Göttingen gehalten habe, ist nicht dokumentiert. Ich bemühe mich, in meinen Vorträgen frei zu sprechen und auf die Anwesenden einzugehen.
    In Göttingen gab es sehr viele Fragen zum Markt - auf den ich in meinem ursprünglichen, in Cuenca gehaltenen Vortrag mit keinem Wort eingegangen war [der Cuenca-Vortrag bildet die Grundlage des Artikels in der REDDITION].
    Als dann später um eine schriftliche Version für den Vorlesungsband gebeten wurde, hätte es zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder bekomme ich das Abfassen eines neuen Artikels auf Grundlage des Göttinger Vortrags bezahlt - oder es findet eine Zweitverwertung statt.

    Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das stete Wiederholen von Texten für interessierte Allesleser schnell frustrierend werden muss.
    Für diese Zustände würde ich aber nicht die Urheber verantwortlich machen, sondern Verwerter mit unausgereiften oder von vornherein auf Ausbeutung angelegten Geschäftsmodellen. Und zu letzteren gehört der transkript-Verlag auf jeden Fall, wie schon ein Blick auf die gierigen Formulierungen im Impressum verrät.


    Gerade die Nachdrucke des Manga-Textes müssen in den Bändchen als Feigenblatt herhalten, frei nach dem Motto: um Mangas kommen wir nicht herum und damit ist das Thema meist auch abgehandelt. :rolleye:


    Richtig beobachtet.
    Genau deshalb ist es zur Zweitverwertung im Göttinger Tagungsband gekommen.
    Mein Rat: Nicht bei Aldi und Lidl kaufen - oder in diesem Fall zum "Edition Text+Kritik"-Sonderband greifen ...
    Andreas C. Knigge wollte von mir ebenfalls "etwas im Stil des REDDITIONs-Artikels" - aber weil et+k sich immerhin an die verlegerischen Grundgepflögenheiten hält, gab's darin am Ende etwas Neues zum Thema zu lesen ... wenngleiich wieder an ein Manga-fernes Publikum gerichtet.


    Im Zusammenhang mit anderen Beiträgen wirkt das dürftig, zumal ich auch die Manga-Reddition extrem schwach finde. Nielsens Beitrag betont gerade shojo-Mangas als spezifisch japanisch, doch in der gesamten Ausgabe findet sich kein Beispiel, an dem das durchexerziert wird. Da stehen mehrere Beiträge nebeneinander und ergeben ein schiefes Bild. Frédéric Boilet mußte da mit seinem Manifest noch erwähnt werden ... kurzum, diese Ausgabe empfand ich als zu oberflächlich, und gerade die wird jetzt "xerografiert"! :heul:


    Ja. Es war - für die REDDITION [Redaktion wie Stammleser] - das erste "Eintauchen" in das Thema [von ein paar Zeilen zu '2001 Nights' in der SF-REDDITION mal abgesehen].
    Über die Frage, woran es liegen könnte, dass "gerade die" Ausgabe noch immer gern gelesen wird [und warum es so wenig Texte aus dem Manga-Fandom in die Manga-fernen Publikumsschichten schaffen], würde ich gern einen offenen Diskurs führen.
    Ich halte mich für jemanden, der aus persönlichen und beruflichen Gründen an Graphischer Literatur interessiert ist, der dabei ab und an die eine oder andere interessante Entdeckung macht, und der versucht, möglichst viele andere Interessierte anzusprechen und ein Stück weit "mitzunehmen".
    Dass ich dabei offenbar auch immer mal wieder eine Idee in Worte fasse, die es als Leitthese oder als Kontrastmittel in einen wissenschaftlichen Diskurs schafft, ist schön, aber nicht mein Hauptziel.
    Der letzte wissenschaftliche Text, den ich - zusammen mit Hannes Grote - überhaupt je verfasst habe, ist unsere Monografie über Hugo Pratt für das "Lexikon der Comics" [die dann in der REDDITION zweitverwertet wurde]. Damals hatten wir jede verfügbare Quelle angefasst und interpretiert. Erstaunlicherweise haben sich unsere Erkenntnisse zur Arbeitsweise Pratts bis heute nirgendwo niedergeschlagen - es wurde stattdessen weiterhin fleißig abgeschrieben und kolportiert, was Pratt selbst sich über sein Leben und sein Werk zusammengereimt hatte - obwohl einiges davon nachweislich ins Reich der Legende gehört ...

    Könnte es also sein, dass "wissenschaftlich" immer das ist, was gerade ins eigene Denken passt?

    Comics befriedigen Neugier. Und das Schreiben über Comics auch.

    1000 Grüße,
    Jens R. Nielsen

  • Der Thread liegt seit vier Jahren still, deshalb nutze ich ihn mal, um auf eine Ringvorlesung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hinzuweisen:

    Graphic Novels und ihre Verfilmungen


    Dozentinnen/Dozenten: Dr. Eckhard Pabst, Prof. Dr. phil. Hans-Edwin Friedrich
    Zeit und Ort: Di 18:15 - 19:00 im OS75 - Hans-Heinrich-Driftmann-Hörsaal (ehem. Hörsaal 3), Olshausenstraße 75
    vom 23.10.2016 bis zum 6.2.2017

    Folgendes Programm ist für das Wintersemester 2016/2017 vorgesehen:

    • 25. Oktober 2016: Dr. Eckhard Pabst Tim und Struppi - Von Hergés Ligne claire zu Steven Spielbergs Motion Capture
    • 01. November 2016: Dr. Willem Strank A History of Violence - Gewalt essen Bürgertum auf
    • 08. November 2016: Dr. Kai U. Jürgens The Walking Dead - Kultcomic und Fernseherfolg
    • 15. November 2016: Prof. Dr. Matthias Bauer Hulk im Kino – Bemerkungen zum Wechselspiel von Szenografie und Medienformat
    • 22. November 2016: Prof. Dr. Hans Krah 300 - Das Leonidas-Exempel bei Frank Miller (1999) und Zack Snyder (2007)
    • 29. November 2016: Olaf Koch M.A. Das kleine Arschloch - Gute Unterhaltung durch schlechtes Benehmen
    • 06. Dezember 2016: Dr. Susanne Schwertfeger Black Hole - Im Strudel der teenage angst
    • 13. Dezember 2016: Dr. Francesca Bravi Tex und das Geheimnis der Todesgrotten. Bonellis Westernheld: vom Papier auf die Kinoleinwand
    • 20. Dezember 2016: Dr. Ole Petras Blade - Vampire im technischen Zeitalter
    • 10. Januar 2017: Dr. Veronique Sina Mehr als 'nur' Comic, mehr als 'nur' Film – Die hypermediale Wiederaufführung von Frank Millers Sin City
    • 17. Januar 2017: Prof. Dr. Jan-Oliver Decker Der bewegte Mann / Kondom des Grauens. Patriarchale Aneignung schwuler Subkultur in den 1990er Jahren. Ralf-König-Verfilmungen von Sönke Wortmann und Martin Walz
    • 24. Januar 2017: PD Dr. Andreas Rauscher Captain America - The Winter Soldier: Spuren des Polit-Thrillers im Marvel Cinematic Universe
    • 31. Januar 2017: Prof. Dr. Markus Kuhn American Splendor - ein bewegtes Leben in (un)bewegten Bildern: vom gattungshybriden Biopic zur medienreflexiven Comicadaption
  • Ist "Das kleine Arschloch" jetzt eine graphic novel? :kratz:
    Komische Forschung...

    "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799

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