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Alt 08.01.2009, 01:23   #1  
Gerhard Förster
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Beiträge: 457
gold01 Bonusbeitrag 213: Einar



Siehe Sprechblase 213 Seite 51


KEINER WIE EINAR
Stephan Hagenow über seine Piccoloserie





Als mir Stephan Hagenow (RATTENMEUTE) per E-Mail mitteilte, dass er jetzt eine Piccoloreihe zeichnet, die ganz weggeht von seinem Splatter-Image und richtig schönes Lesefutter für Nostalgie-Fans bietet (also genau das richtige, um in der SB vorgestellt zu werden) hatte ich den Braten gleich gerochen. Und tatsächlich: EINAR schwimmt weiß Gott nicht auf der Lehning-Welle! Aber das sagt ja noch nichts über die Qualität aus... G.F.

Stephan, wie bist Du auf EINAR gekommen?


Hagenow: Ich bin ja schon länger comicaktiv, genaugenommen ca. 30 Jahre. Da passieren automatisch irgendwann Ermüdungserscheinungen – visuell und autorentechnisch. Da ich mich (im damals jugendlichen pubertären Eifer) zu sehr auf bestimmte Genres wie Horror fixiert hatte, musste dieser Zeitpunkt irgendwann kommen. Ich wünschte allerdings, es wäre früher passiert. Der Horror von heute langweilt mich nur noch... und er hat mir zudem ein schädliches Splatter-Image verpasst, über das ich inzwischen ziemlich unglücklich bin, auch weil es mir gewisse Karrieremöglichkeiten verbaut hat. – Ich wollte also für mich völlig neu ansetzen, etwas bringen was man von mir bisher noch nie gesehen hatte, etwas wo ich mich als Action-Comickünstler voll austoben kann. Und das konnte meiner Meinung nach nur etwas Historisches sein. Außerdem wollte ich mal mittelalterliche Kostüme zeichnen. Somit war der Häuptlingssohn Einar geboren, der sich in einer menschenfeindlichen, brutalen Welt voller Intrigen und des Faustrechts behaupten muss – angesiedelt im 8-9 Jahrhundert, in der Zeit der Wikinger-Raubzüge.

Hast du dich mit dem geschichtlichen Hintergrund beschäftigt?

Hagenow: Ich habe viel zu dem Thema gelesen. Die Wikinger haben in ihren Häusern übrigens mit dem Viehzeug zusammen geschlafen. Hausschweine als Zentralheizung sozusagen. Nichts für empfindliche Nasen, vermute ich mal . Mir wurde schnell bewusst, dass ich die Realität so im Comic nie bringen könnte (das hätte allenfalls nur im realistischen Palacios-Zeichenstil funktioniert). Die Wikinger gingen nämlich damals überaus rabiat zu Werke. Sie wurden deswegen auch häufig nicht als menschliche Wesen, sondern eher als wandelnde Naturkatastrophe betrachtet. Frauen und Kinder hatte man nicht verschont usw.... Wie soll man so etwas in Heldenform anbieten? Ein echtes Problem.

Naja, gar so zimperlich geht´s bei EINAR eh nicht zu, zumindest im Text nicht... – Was ist dir wichtig bei der EINAR-Serie?

Hagenow: Ich wollte den historischen Hintergrund als Fundament für ein menschliches Drama nutzen. In Rückblenden, die Einars Kindheit zeigen, wird deutlich, wie sehr er unter der Gefühlskälte und Härte seines trunksüchtigen Vaters Ragnor zu leiden hatte und noch zu leiden hat. Das sind für mich die wichtigsten Augenblicke, da sie der Serie die nötige Tiefe verleihen. Einar ist (mit gebrochenem Nasenbein) auch kein gutaussehender, strahlender Held aus dem Modejournal, sondern eine eher leicht tragische Figur, die emotional zerrüttet und ständig hin und hergerissen ist. Auch die Beziehung zu seiner selbstbewussten Frau Agnetha ändert daran wenig .Trotzdem ist er ein mutiger Kämpfer, was die Widersprüchlichkeit seines Charakters noch unterstützt .

Donnerwetter, für so tiefschürfend hab ich die Serie gar nicht gehalten... Agnetha ist aber nicht die einzige Frau in Einars Leben. Da gibt´s doch noch die Kriegerin Weeneh-Tha...

Hagenow: Weeneh-Tha war am Anfang nur als Sidekick gedacht, inzwischen ist sie für mich die psychologisch wichtigste Figur und ein unverzichtbarer Eckpfeiler der Serie. In ihrem mädchenhaften Auftreten vermutet niemand die eiskalte, knüppelharte Kriegerin die sich dahinter verbirgt. Wenn es in Kampfeinsätzen hart auf hart kommt, kennt sie weder Gnade, noch macht sie Gefangene. Wer den Fehler begeht, sie zu unterschätzen, hat sein Leben verwirkt . Wer sie allerdings als Gefährtin an seiner Seite hat, kann sicher sein, dass sie bei Gefahr zur Stelle ist (oder zumindest einer ihrer Pfeile). Einar wäre ohne sie als Schutzengel bereits mehrmals in Walhalla angelangt. Beide verbindet eine tiefe Kameradschaft bis in den Tod (fast vergleichbar mit der Freundschaft zwischen Old Shatterhand und Winnetou)

Und ich Ignorant dachte, sie wäre bloß scharf auf ihn... – Wie läuft das bei Dir: irgendwelche Wurzeln hast Du ja bei Lehning, da Du immer wieder mit der Nostalgieszene kokettierst. Doch anmerken tut man es Deinen Comics nicht...

Hagenow: Ich bin ja alterstechnisch eher ein Kind der Stan Lee - Silverage - Ära, also hauptsächlich 60er und 70er Jahre. Meine Götter heißen Jim Aparo, Gene Colan, Jordi Bernet, John Buscema, Jack Kirby usw.... trotzdem habe ich natürlich auch Comics aus der Zeit davor konsumiert. Lee Falks PHANTOM, TARZAN von John Celardo, Will Eisners SPIRIT, aber auch BUFFALO BILL, NIZAR und ULF von Hansrudi Wäscher.

Das ist ungewöhnlich: jemand, der durch Wäschers Spätphase zum Fan wurde. – Was hat es mit Deinem unverwechselbaren Zeichenstil auf sich?

Hagenow: Durch das viele Zeichnen über mehrere Dekaden, kristallisieren sich die typischen Merkmale irgendwann heraus. Das geschieht über das Bauchgefühl und die Persönlichkeit – ein Prozess, der einem selbst wenig bewusst ist. Ich denke, das geht jedem Zeichner so. Leider war ich häufig zu schnell, weil ich so viele Ideen hatte. Darunter hat dann manchmal die Qualität gelitten. Inzwischen zwinge ich mich mit militärischer Härte zur Langsamkeit. Für ein EINAR-Piccolo brauche ich momentan acht volle Tage bei über hundert Einzelbildern. Für mich eine harte Geduldsprobe, aber letztendlich zählt nur das Resultat... denn letztendlich soll EINAR irgendwann mal meine Rente sichern.

Dass du dich an der Kandare nimmst, finde ich gut, aber dass EINAR deine Rente sichert, dürfte heutzutage nicht so einfach sein. – Mir ist noch eine kleine Kritik am Grafischen eingefallen: ab und zu sind Deine Bilder verwirrend. Wenn die Hintergründe mehr ausgearbeitet wären, würde das auch zur Klarheit beitragen. Was hältst Du davon, diese Aspekte in Zukunft stärker im Auge behalten?

Hagenow: Darüber hab ich auch nachgedacht, aber zuviel Realismus würde meinen Look in eine Richtung lenken, die von mir unerwünscht ist. Im Vordergrund steht für mich die packende Erzählung und dass der Leser mit meinen charismatischen Figuren mitfiebert, wenn sie sich in tödliche Gefahr begeben.

Auch am Inhaltlichen habe ich ein wenig zu meckern: ich mag diesen intriganten Engländer nicht, der bei den Wikingern lebt. Der ist so klischeehaft. Was hat der denn überhaupt dort verloren? Seine Anwesenheit ist doch nicht richtig begründet.

Hagenow: Das ist wieder so eine Ansichtssache. Viele Leser lieben genau diese Figur, obwohl oder grad weil sie vor Klischees nur so strotzt . Zwischen den eher real angesiedelten Charakteren wirkt der Engländer fast schon wie eine Karikatur. Das war von mir aber auch von vorneherein so beabsichtigt. Was er wirklich mit den Wikingern vorhat (das ist natürlich nichts gutes) erfährt der Leser häppchenweise. – Klischeehaft sind bei EINAR übrigens auch noch andere Sachen. So musste ich mir z. B. schon mehrmals anhören, dass es die Hörnerhelme bei den Wikingern in Wirklichkeit nie gegeben hat . Aber als WICKIE-Geschädigter weiß ich natürlich auch, dass eine gewisse Erwartungshaltung erfüllt werden muss.

Das wusste ich auch nicht. Was für Helme haben sie denn in Wahrheit gehabt?

Hagenow: Also Trinkhörner gab es schon, aber eben nicht am Helm. Ein typischer Helm für kriegerische Auseinandersetzungen war ein schlicht verzierter Eisenhelm mit schützender Metallmaske, so dass hauptsächlich Augen und Nase geschützt waren. Allerdings war die Kampfausstattung eher leichterer Natur. Ein Wikinger musste sich schnell bewegen können, um seinen Gegnern möglichst fix das Licht auszublasen. Mit Ruhm und Ehre hatte das nur wenig zu tun. Auch ein typisches Kampfschwert wog nur ca. 1100 Gramm. Ich hatte so ein Teil schon in der Hand . Damit könnte auch ein Kind oder eine Frau hantieren. Die Klinge war weder sehr lang noch besonders dick, aber extrem scharf.

Noch mal kurz zu dem Engländer... ich meinte meine Frage anders: warum wurde er von Einars Vater ins Wikingerdorf gebracht und warum duldet man dort ausgerechnet diesen unsympathischen Kerl? Jedem anderen Nicht-Wikinger hätten sie den Garaus gemacht. Das ist doch unlogisch.

Hagenow: Der Engländer hatte Einar's Vater Ragnor das Leben gerettet. Insofern steht Ragnor in seiner Schuld. Das ist der einzige Grund warum der Engländer noch am Leben ist. Nur Einar weiß wirklich was für ein Spiel der Engländer treibt, kann es aber nicht beweisen.

Na sowas... die Lebensrettung ist mir doch glatt entgangen... Was planst Du für die Zukunft? War die Meldung mit den 500 EINAR-Piccolos ein Scherz?

Hagenow: Zur Zeit beschränken sich meine Aktivitäten auf nur noch drei Serien: Kurzgeschichten in der PERRY-Heftserie (Alligator-Farm), MAC TRAP (vormals RATTENMEUTE, Gringo Comics), einer neuen Hardcoverreihe mit Endzeit-Science Fiction in A5 mit je 120 Seiten, und eben EINAR (Gringo Comics).

Dann bitte ich noch um ein schönes Abschlusswort.

Hagenow: Dies ist eine gute Gelegenheit für Neueinsteiger zwischen 14 -80 Jahren, die mal wieder richtige spannende Abenteuer mit charismatischen Helden zu einem fairen Kiosk-Preis lesen wollen . Das hat es ja lange genug nicht mehr gegeben in unserer Teuro - Gesellschaft , oder ? – Liebe grüsse an alle Sprechblase Leser von Workoholic -Stephan .



EINAR 1-13 gibt´s im Fachhandel, im ComicMarktplatz oder bei Gringo Comics (www.gringo-comics.de) um € 1,80 pro Heft.

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