Sammlerforen.net     

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Comics > Sonstiges > Internationale Comics

Neues Thema erstellen Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 27.06.2015, 23:47   #51  
Mick Baxter
Moderator ICOM
 
Benutzerbild von Mick Baxter
 
Beiträge: 3.002
Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Wie Martin Frenzel bin ich der Meinung, daß es sich dabei schlicht um Autorencomics handelt, und die gab es sogar schon in Deutschland, bevor der Marketingbegriff populär wurde. In meinem Vortrag habe ich als Beispiel dafür Birger Thorin Graves Erewhon (Schreiber & Leser 1983), frei nach dem Roman von Samuel Butler, erwähnt: Farbiges Cover, gut 110 Seiten in schwarzweiß und mit Anspruch. (Grob gesagt fiele alles darunter, was damals in der klassischen Zeitschrift (A Suivre) veröffentlicht wurde ...)
Ist es denn ein Autorencomic, wenn Text und Zeichnung nicht aus einer Hand stammen? Gab's bei [À SUIVRE] ja auch ("Ici Même" zum Bleistift). Und ein großer Teil der in Deutschland als GN postulierten Comics sind ja Literarturadaptionen, also auch keine Autorencomics.

Zitat:
Zitat von Ringmeister Beitrag anzeigen
Nur weil eine Story über 200 s/w Seiten geht und wenig Action zeigt, ist sie nicht automatisch eine GN.
Was spräche dagegen? Wobei "wenig Action" natürlich kein Kriterium, sondern nur eine hohe statistische Wahrscheinlichkeit ist.
Mick Baxter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.06.2015, 00:13   #52  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Bei Definitionen bin ich grundsätzlich vorsichtig.
Ohne einen festen historischen Rahmen wird das ziemlich schwammig. Heute scheinen sich alle (Leute im Handel und im Marketing) einig zu sein, woran sich eine Graphic Novel erkennen läst - in fünf oder zehn Jahren könnte der Begriff schon so verwässert sein, daß mal wieder nach einer besseren Alternative gesucht wird ... Menschen sind so: Am liebsten erfindet jeder sein Rad neu.

Mit Autorencomics von mehr als einem Künstler habe ich kein Problem.
Allerdings finde ich es müßig, jetzt jedes Fundstück von Anno Toback mit einem GN-Aufkleber zu verschandeln. Eine wasserdichte, historisch belegte Definition könnte ausführlich werden, wenn alle Wenns und Abers berücksichtigt werden.
Der schwierigste Fall dürften die Konzeptcomic-Serien werden: Hängt es bei denen von der künstlerischen Qualität ab, ob sie Autorencomics sind oder nicht?

Eine widerspruchsfreie Definition von Autorencomic zu finden, das könnte eine unlesbare Aufgabe in einem Märchen sein. Menschliches Leben wird von paradoxen Situationen geprägt.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.06.2015, 00:41   #53  
Schlimme
Nachrichten
 
Benutzerbild von Schlimme
 
Beiträge: 20.649
Bei Autorencomic denke ich an Comicserien, die den Namen des Comiczeichners tragen.
Berthet
Cabanes
Caza
Nicole Claveloux
Gotlib
Schlimme ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.06.2015, 10:44   #54  
Mick Baxter
Moderator ICOM
 
Benutzerbild von Mick Baxter
 
Beiträge: 3.002
Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Mit Autorencomics von mehr als einem Künstler habe ich kein Problem.
Und woran macht sich der Begriff dann fest? Mindestens einen Autor hat ja wohl jeder Comic.
Mick Baxter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.06.2015, 12:56   #55  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Ist die Frage nicht müßig? Außerhalb des Comicfandoms und der Comicforschung, wer bitte schön benutzt das Wörtchen Autorencomic regelmäßig?

Aus meiner Sicht gleicht die Autorenschaft im Comic derjenigen im Film. Besonders wenn es um Regisseure im Hollywood-Studiosystem ging, war explizit von auteurs die Rede. Aufgebracht haben idiese Denkweise die Filmkritiker der Cahiers du cinéma, unter denen sich auch die Regisseure der Nouvelle Vague tummelten: François Truffaut, Claude Chabrol, Éric Rohmer, Jacques Rivette und Jean-Luc Godard.
Für die zeitgenössische Kinokritik war Alfred Hitchcock zum Beispiel nur ein Hack, der sensationelle Massenware abgeliefert hat. Seinen Status als Filmgott bekam Hitch erst durch das Interview mit Truffaut.

Das wird deutlich, sobald es im Comic um berühmte Szenaristen geht: Wenn Goscinny, Lee, Moore, Gaiman oder Peeters mit Jemandem zusammenarbeiten, ergibt es ähnlich bei einer Jekyll-&-Hyde-Verwandlung etwas Neues. Eine dritte Persönlichkeit (auteur) entsteht, der eine eigene Handschrift besitzt und vom Publikum erkannt werden kann. Dann wird die Kombination der beiden Namen zum auteur: Goscinny/Uderzo ist etwas anderes als Goscinny/Morris oder Goscinny/Tabary, Lee/Kirby hat andere Stärken als Moebius/Lee, Moore/Gibbons nimmt die Welt anders wahr als Moore/Campbell ...
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.12.2017, 16:47   #56  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Falls jemand glaubt, der Rest der Bevölkerung hätte inzwischen kapiert, was es mit Graphic Novels und Comics auf sich hat.

Peter Adler hat sich da offenbar seine eigenen Gedanken gemacht:
Zitat:
Die Vorlagen dafür holte sich der Autor aus genau den Reiseberichten, denen der Film nachspürt, aufwändig und eindrucksvoll in Szene gesetzt zum Beispiel durch Graphic Novels. Dies sind besondere Bildeffekte, die an Comics erinnern und einen direkt eintauchen lassen in die Welt eines Mythos', in die Welt von Winnetou.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.03.2018, 17:30   #57  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Die mexikanische Serie Vidas Ilustres (Ediciones Recreativas s.a. de c.v. / Editorial Novaro 1956 - 1974) bietet schon eine interessante Mischung. Die meisten Ausgaben sind Comicbiographien berühmter Persönlichkeiten von Napoleon und Alexander dem Großen über Plinius und Pasteur bis zu Pablo Picasso und Frank Lloyd Wright, kompakt auf 32 Seiten. Die letzten Ausgaben ab Heft 314 sind allerdings Illustrierte Klassiker | Obras Immortales.

In der Spätphase wurden ältere Ausgaben nicht nur einfach nachgedruckt. Nein, in den 1970ern erhielten besondere Persönlichkeiten Comicbiographien, die sich teilweise über acht Hefte erstrecken (8 x 32 Seiten = 256 Seiten) - und das entspricht schon einer handelsüblichen Graphic Novel.
- Honoré de Balzac (Nummern 219-226, 8 Hefte)
- Napoleon Bonaparte (Nummern 227-230, 4 Hefte)
- Frédéric Chopin (Nummern 231-234, 4 Hefte)

Neben Monty Wedds Comicbiographien australischer Buschranger in den 1970ern und 1980ern finden sich etliche weiße Flecken, besonders abseits der klassischen Comichochburgen.
Jedenfalls gab es das Konzept der Graphic-Novel-Comicbiographie schon Jahrzehnte, bevor es sich zu einem Marktsegment entwickelt hat. Über solche scheinbaren Kuriosa stoplern natürlich eher hartnäckige Fans als Forscher, die sich auf handliche Sekundärliteratur verlassen ...

Bin gespannt, was sich als nächstes anfindet.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2020, 17:47   #58  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Die Diskussion geht weiter. Im Moment wird ein gewisses Fazit gezogen, zu dem der deutsche Historiker und Kulturwissenschaftler Alexander Dunst einen einflußreichen Beitrag in dem linken Kulturmagazin Jacobin geleistet hat. Sein englischsprachiger Artikel "Graphic Novels Are Comic Books, But Gentrified" erschien am 31. Dezember 2019. Unsere französischen Kollegen in Comicfachmagazinen wie bei actuabd reagieren darauf mit einer dreiteiligen Beitragsserie, von der gerade der erste Teil online gestellt wurde.

Dunsts Fazit lautet: Graphic Novel sind Comics, aber eben ästhetisch gentrifizert. Ihre Zielgruppe ist das gebildete, finanziell gut gepolsterte Publikum der bürgerlichen Mittelschicht, nicht mehr das Genrepublikum von Jugendlichen oder Leuten aus der Arbeiter- und Unterschicht. Der höhere Preis gegenüber Heften und Alben macht die Graphic Novels zu einem ästhetischen Statussymbol.
Ähnliches läuft in der Literatur mit dem Science Fiction-Genre ab, dort unter dem Label Speculative Fiction; und im Fernsehen mit den anspruchsvollen Fernsehserien, Stichworte HBO und Game of Thrones. Kostengünstig und einfach so zum Vergnügen für jeden, der mal Lust auf solche Unterhaltung hat, ist damit nicht mehr.
Graphic Novels sind im Buchhandel der Comic-Mainstream; Superhelden und klassische 48cc-Alben fristen eher ein Nischendasein und haben sich nie so wirklich beim breiten Publikum durchsetzen können.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2020, 19:17   #59  
Ringmeister
Moderator Preisfindung
 
Benutzerbild von Ringmeister
 
Ort: Reutlingen
Beiträge: 7.549
Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Ihre Zielgruppe ist das gebildete, finanziell gut gepolsterte Publikum der bürgerlichen Mittelschicht, nicht mehr das Genrepublikum von Jugendlichen oder Leuten aus der Arbeiter- und Unterschicht. Der höhere Preis gegenüber Heften und Alben macht die Graphic Novels zu einem ästhetischen Statussymbol.
Die meisten Graphic Novels haben einen deutlich niedrigeren Seitenpreis als Alben; und die Meinung, die Leserschaft bestimmter Comics auf bestimmte Gesellschaftsklassen zu reduzieren, ist doch schon längst überholt...

Und Jacobin ist genauso wenig ein Kulturmagazin wie z.B. die "Zeit" oder "FAZ"; nur weil es ein Feuilleton gibt.
Zitat Wikipedia: "...explizit werden sozialistische Perspektiven auf Wirtschaft, Politik und kulturelle Zusammenhänge entfaltet. Der Aufbau einer sozialistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten sei das Ziel und Grund für die Existenz der Zeitung..."

Wenn man weiß, wo man ist, kann man sein, wo man will... (alter Fliegerspruch)

Geändert von Ringmeister (29.04.2020 um 19:24 Uhr)
Ringmeister ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2020, 21:28   #60  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.194
Blog-Einträge: 3
Es kommt auf die Menge der Seiten an, und bei den Graphic Novels gibt es bei einigen 400 bis 600 Seiten am Stück. Rein theoretisch sind Alben und Hefte natürlich billiger (da stimme ich dir zu), aber kaum jemand bezahlt seine Graphic Novels in Raten.
Die Comics von den Kiosken und aus den Bahnhofsbuchhandlungen wurden von den jungen und jüngsten Kunden selbst vom eigenen Taschengeld gekauft, aber zu der Zeit gab es Comics im Laden um die Ecke. Wer heute seine Graphic Novels vom Taschengeld kauft, muß erstens den Comicfachhandel oder einen Buchladen aufsuchen und die entsprechende Summe zum Kauf dabei haben. Die Spontaneität ist dabei hopps gegangen.

Vielleicht wird andersherum ein Schuh daraus: Comics für Kinder gibt es, die sind aber nicht so allgegenwärtig wie damals, als wir groß geworden sind. Und mit weiten Teilen der Graphic Novels wären Kinder und Jugendliche schlicht überfordert, also lassen sie die Finger davon. Die interessieren andere Dinge ... Comics kommen da eher unter ferner liefen vor.

Dr. Alexander Dunst ist Anglist und Amerikanist, also ein Geisteswissenschaftler aus dem Elfenbeinturm, sicher kein Fan. Deshalb bin ich auf die folgenden Beiträge bei actuabd gespannt. Gentrifizierung ist an der Uni ein Thema, vielleicht ist Dunst dabei in einen Honigtopf gestolpert.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Neues Thema erstellen Antwort

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Comics > Sonstiges > Internationale Comics

Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist dir nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist dir nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 05:56 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Copyright: www.sammlerforen.net

Das Sammler-Netzwerk: Der Sammler - Sammlerforen
Das Comic Guide-Netzwerk: Deutscher Comic Guide - Comic Guide NET - Comic-Marktplatz