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Alt 30.04.2024, 07:19   #2051  
Schlimme
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Ich würde mir danach Brian de Palmas "Mission Impossible" (1996) ansehen, ob da außer dem Einbruch noch weitere Anspielungen auf "Topkapi" enthalten sind. Auf mich wirkte es so, als würde Vanessa Redgrave dort den selben Charakter wie Melina Mercouri spielen.
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Alt 30.04.2024, 07:32   #2052  
Peter L. Opmann
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Kenne ich leider nicht.

Der kam für mich zu spät im Fernsehen, und ich Kino war ich auch nicht.

Aber Brian de Palma habe ich durchaus beim Aufnehmen berücksichtigt: "Carrie", "Dressed to kill", "Der Tod kommt zweimal" und "Fegefeuer der Eitelkeiten".
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Alt 03.05.2024, 12:26   #2053  
Peter L. Opmann
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Als ich nach den Brian-DePalma-Filmen in meiner Sammlung sah, stellte ich fest, daß ich noch einen habe: „Scarface“ (1983). Diesen Film habe ich spät aufgenommen, es muß 2008 gewesen sein, denn da ist auch noch ein Hinweis auf Andreas Petzolds „Jerichow“ drauf, der in diesem Jahr ins Kino kam. Vor „Scarface“ erschien eine Hinweistafel, wonach der Film für unter 18-Jährige nicht geeignet sei. Er hat bei mir eine Länge von 160 Minuten. Laut wikipedia gibt es die Kinofassung (170 Minuten), eine Fassung ab 18 Jahre, die eine halbe Minute kürzer ist, und eine ab 16 Jahre, die 155 Minuten lang ist. Der Film ist ziemlich gewalttätig, aber explizite Gewalt ist, soweit ich sehe, nicht das Problem.

Irgendwann habe ich auch mal den Original-„Scarface“ (1932) von Howard Hawks gesehen, der damals von Zensurbehörden um einige Gewaltszenen gekürzt wurde. Vielleicht wäre ein Vergleich reizvoll, aber diesen Klassiker habe ich nicht auf Video, und ich kann mich auch nicht in Einzelheiten an ihn erinnern. Jedenfalls zielte Hawks auf den berühmten Chicago-Gangster Al Capone ab. DePalma hat die Figur verändert. Sein Scarface ist ein Kubaner, der als einer von mehr als 100 000 von Castro 1980 in die USA abgeschoben wurde. Viele von ihnen waren Regimegegner, aber es waren auch eine Menge Kriminelle darunter wie Tony Montana, dargestellt von Al Pacino (den man schon als italoamerikanischen Gangster aus der „Pate“-Trilogie von Coppola kannte). Pacino steigt in Florida vom Hilfsarbeiter über den Helfer eines Drogenbosses bis zum mächtigsten Kokaindealer der Gegend auf, der sich weder von Freunden noch von anderen Bossen noch von Polizei, Justiz oder mächtigen Politikern aufhalten läßt. DePalma übernimmt von dem Hawks-Film die Geschichte seiner jüngeren Schwester (Mary Elisabeth Mastrantonio), die er unbedingt „rein“ halten möchte. Den Konflikt mit seiner Frau (Michelle Pfeiffer) erzählt DePalma dagegen anders als Hawks. Er „übernimmt“ sie von seinem früheren Boß, gewinnt aber nie richtig ihren Respekt; sie leidet vielmehr darunter, daß sie immer nur der Besitz eines Gangsters ist. Sie ist jedoch nicht eine femme fatale, die ihn in seinen Untergang führt.

„Scarface“ ist meisterhaft inszeniert, und Pacino, aber auch andere Mitwirkende liefern eine beeindruckende Leistung ab. (Von Michelle Pfeiffer habe ich allerdings bessere Darstellungen gesehen.) Die erzählte Story hat nach meinem Eindruck nicht viel Substanz. Der Film zerfällt für mich in zwei Teile. Im ersten Teil geht es schwerpunktmäßig darum, daß Gangster einander bei ihren krummen Geschäften gegenseitig nicht vertrauen (können), was dann mehrmals in einen Gewaltausbruch mündet – wobei DePalma grausame Details größtenteils ausspart. Im zweiten Teil, in dem Pacino alle Konkurrenten in seinem Geschäft aus dem Weg geräumt hat, erlebt er einen Abstieg, das Scheitern seiner Ehe, Probleme wegen Steuerhinterziehung (wie Capone), und er erschießt seinen besten Freund, als er merkt, daß sich seine Schwester in ihn verliebt hat. Fast alle Menschen, die er um sich hat, sind am Ende tot. Schließlich fällt er, der bis dahin quasi unverwundbar erschien und der nie die Nerven verlor, einem Anschlag eines südamerikanischen Gangsters zum Opfer.

In Vielem hat mich der Film an Gangster-Rap erinnert, und ich lese, daß „Scarface“ der Name von Rappern ist. Insgesamt finde ich ihn zwiespältig, weil seine Handlung keine Überraschungen bietet, sobald man sich in dieses Drogenmilieu hineingesehen hat. DePalma war offenbar der Erste, der das Problem der USA mit dem Drogenhandel mit Südamerika in Hollywood aufgriff. Und es läßt sich nicht bestreiten, daß dies ein wichtiger Film ist, der großen Einfluß auf eine neue Welle von Gansterfilmen in den 1980er Jahren hatte. Ich habe mich immer gefragt, warum Sergio Leone in „Es war einmal in Amerika“ die Gewalt so übertrieben zelebriert hat. Vielleicht liegt die Antwort in „Scarface“.
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Alt 05.05.2024, 06:06   #2054  
Peter L. Opmann
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Western-Time! Schon in meiner Video-Phase vor etwa 30 Jahren habe ich mich den von der Constantin produzierten Karl-May-Filmen eigentlich entwachsen gefühlt, kam aber zu dem Schluß, daß man einen von ihnen doch in der Sammlung haben müßte. Das war natürlich „Der Schatz im Silbersee“. Danach habe ich dann auch noch „Der Ölprinz“ und „Unter Geiern“ aufgenommen. Letzteren habe ich jetzt digitalisiert; er wurde 1964 von Alfred Vohrer gedreht. Ich dachte, dieser Film sei noch am ehesten ernstzunehmen. Ich erinnerte mich noch an den falschen Prediger, den zu Unrecht verdächtigten Indianerstamm und natürlich an Stewart Granger als Old Surehand, der mir als Kind eindeutig besser gefallen hat als der bierernste Lex Barker im Zusammenspiel mit dem ewigen Pierre Brice. Aber ich habe mich getäuscht. Die Story ist wirklich hanebüchen. Doch so hatte ich nun genug Abstand zum Geschehen auf dem Bildschirm, um ein bißchen über die Machart dieses Films nachzudenken.

Mit der Handlung will ich mich gar nicht lange aufhalten. Was ich allerdings nicht mehr wußte: Einen Roman namens „Unter Geiern“ gibt es überhaupt nicht. Unter dem Titel wurden zwei Erzählungen von Karl May zusammengefaßt: „Der Sohn des Bärenjägers“ und „Der Geist des Llano Estacato“. Figuren aus dem Buch tauchen im Film auf, aber sonst hat das Drehbuch keine Ähnlichkeit mehr mit der Vorlage. Die Optik des Films entspricht mehr oder weniger einem Western, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen Abenteuerfilm in einem Fantasieland. Diesem Film fehlt die amerikanische Geschichte als Hintergrund. Würde in einem üblichen US-Western eine Farm im Indianergebiet niedergebrannt, so gäbe es keinen Zweifel daran, daß daran die Indianer schuld sind. Zudem fällt auf, daß in „Unter Geiern“ sehr viel mit Schußwaffen in der Gegend herumgeknallt und in die Luft gefeuert wird. In amerikanischen Filmen gibt es ein gewisses Bewußtsein dafür, daß Revolver und Gewehre gesundheitsschädlich sein können und man daher mit ihnen nicht einfach ziellos herumballert.

Man würde in diesem Film aber auch auf eine große Anzahl von Mitwirkenden kommen, die gezielt erschossen werden. Hier gibt es vielleicht eine gewisse Parallele zu DePalmas „Scarface“, denn auch „Unter Geiern“ galt in seiner Zeit als ziemlich brutal und wurde lediglich ab zwölf Jahren freigegeben (was aber dem Erfolg keinen Abbruch tat). Vohrer wurde als Regisseur ausgewählt, weil er ein paar Jahre jünger als der bewährte Harald Reinl und gewissermaßen aus der nächsten Generation war. Er behielt das Erfolgsrezept bei: Konsequente Schwarz-weiß-Zeichnung der Figuren und eine Mischung aus Action und Humor, aber er schnitt die blutigen und die humorvollen Szenen härter gegeneinander und setzte mehr auf Gewalt. Vielleicht war das schon eine Reaktion auf den aufkommenden Italowestern – „Für eine Handvoll Dollar“ erschien im selben Jahr. Die Altersbeschränkung wurde erst 1972 aufgehoben, als „Unter Geiern“ ins Fernsehen kam.

Stewart Granger hat mich nicht enttäuscht. Ich kenne nur wenige amerikanische Filme mit ihm, aber für mich ist er vor allem die ideale Verkörperung des Old Surehand (dabei hatte ihn sich Karl May völlig anders vorgestellt, und Granger war schon 51 und damit für eine Heldenrolle eigentlich zu alt). In ihm verschmelzen Witz und Brutalität, er beherrscht Understatement mehr als jeder deutsche Schauspieler, und ich hatte jetzt das starke Gefühl, daß er seine Rolle überhaupt nicht ernst nimmt – was bei der Filmhandlung sehr angenehm ist. Über Pierre Brice ist sicher alles gesagt – er hat bei seinem Part leider so gut wie keinen Variationsspielraum. Anstelle von Ralf Wolter und Eddi Arent spielt hier der Kroate Milan Srdoc den Trottel. Elke Sommer hat eine bemerkenswerte Rolle als Mischung aus Sexbombe und Flintenweib, die mal vom Held gerettet werden muß und mal den Männern zeigt, was eine Harke ist. Und schließlich sind Götz George und Mario Girotti, jeweils am Anfang ihrer Karriere, auffällig.

Über die Filmmusik von Martin Böttcher muß nicht viel gesagt werden – sie ist für einen solchen Film unverzichtbar. Ich finde es ärgerlich, wie schwach das Drehbuch ist. Alle Gruppen – der Bärenjäger und seine Familie, der Indianerstamm, die „Geier“, eine Bande ohne erkennbares Geschäftsmodell, ein ehrenwerter Richter mit seinem Gefolge und ein Siedlertreck – werden allesamt so eingesetzt, wie sie gerade gebraucht werden. Ihr Handeln ist weitgehend unmotiviert, abgesehen davon, daß sie sich immerzu gegenseitig eliminieren wollen. Positiv muß ich aber noch vermerken, daß der Film ein paar beeindruckende Massenszenen aufweist, auch mit Pferden, die sicher nicht leicht zu inszenieren waren. Doch spätestens wenn die Siedler eine Wagenburg bilden, die die Banditen einnehmen wollen, woran sie am Ende statt von der Kavallerie von den Indianern gehindert werden, wird es unübersehbar, daß dieser Western eine völlig verkehrte Welt schildert. Wenn Jüngere über diesen Schwachsinn den Kopf schütteln, habe ich dafür volles Verständnis.
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Alt 05.05.2024, 10:48   #2055  
Nante
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Ich würde sagen, außer Winnetou I hat keine Verfilmung viel mehr als den Namen mit der Vorlage gemeinsam. Sowohl in der Hinsicht als auch dem "Phantasie-Westen" hebt sich "Unter Geiern" darin nicht sonderlich von den anderen Verfilmungen ab.

Und was letzteres angeht nicht einmal von den Büchern selbst. Ich habe mich immer gefragt, wie solche riesigen Banden in quasi menschenleeren Gebieten existieren können, zu groß um sich dauerhaft zu verstecken oder zu ernähren, aber zu klein, um einer irgendwann fälligen Aktion der Army zu widerstehen.

Zu Steward Granger kann ich zustimmen. Seine Ironie hebt sich wohltuend von Barker ab. Aber auch wie man Milan Srdoc als "Old Wabble" neu erfunden hat, fand ich nicht schlecht. (Im Buch ist es ja eigentlich eine sehr üble Figur.)

Zitat:
... daß dieser Western eine völlig verkehrte Welt schildert. Wenn Jüngere über diesen Schwachsinn den Kopf schütteln, habe ich dafür volles Verständnis.
Da sind andere Western auch nicht besser. Die Dollar-Trilogie von Leone sollte man in dieser Hinsicht besser auch nicht tiefer hinterfragen.
Aber das ist wohl auch (zumindest damals) kaum möglich gewesen. Denn wenn man es "real" schildern würde, müßte man nämlich ganz klar zeigen, daß die "guten", "einfachen" und "ehrlichen" Siedler eine 100x größere Gefahr für die Indianerstämme waren als es alle Banditen der Welt jemals gewesen wären.

In der Hinsicht unterscheiden sich die Western auch kaum von den entsprechen Comics. (Zumindest den paar, die ich kenne.) In Comanche z.B. wird es ein oder zwei mal zart angedeutet, in Blueberry dagegen glaube ich, gar nicht.

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.05.2024, 14:39   #2056  
Peter L. Opmann
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Also ich finde schon, daß der amerikanische Western eine Auseinandersetzung mit amerikanischer Geschichte ist, speziell der zwei bis drei Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg. Diese Zeit wird immer überschrieben mit "Die Eroberung des Westens", hinzu kommt die Zivilisierung des Westens.

Damit will ich nicht sagen, daß die Western akkurate Geschichtslektionen sind, aber so haben sich das die Amis selbst zusammengereimt und mythologisiert, beziehungsweise wieder entmythologisiert. Man könnte sagen, die US-Western zeigen, wie sie sich selbst gern sehen wollten. Das fehlt in den Karl-May-Western, auch wenn die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg von diesen Träumen ebenso erfaßt wurden (wahrscheinlich sah das in der DDR etwas anders aus, aber ich denke, der Western-Mythos drang sogar dahin).

Das ist für mich kein entscheidender Kritikpunkt, aber ich finde, in den Karl-May-Western wird besonders deutlich, daß da die Eroberung des Westens nicht thematisiert wurde.

Ach so... P.S.: Der Italo-Western war meiner Ansicht nach einen Schritt weiter, indem er mit dem Westerngenre spielte und die Klischees nochmal weitertrieb. Dagegen sehe ich die deutschen Western eher als Heimatfilme mit anderen Mitteln.
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Alt 05.05.2024, 15:00   #2057  
Nante
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Ich habe zwar nicht sooo viele Western gesehen, aber die, die ich kenne zeichnen sich (und hier besonders der Italo-Western) sehr stark durch die ABWESENHEIT der Indianer aus.* In der Hinsicht waren selbst die Winnetoufilme (und zumindest in dieser Hinsicht auch die DEFA-Filme) schon mal weiter, weil sie nicht den grundlegenden Mythos vom "herrenlosen Land" bedienen.
*Und wenn die Indianer schon mal auftauchen (V.a. in den Kavalleriewestern, denn gegen irgend jemand müssen die Jungs in Blau ja schließlich kämpfen) sind sie entweder per se die bösen oder zumindest von "bösen" Weißen gegen die "guten" Weißen aufgehetzt.

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Alt 05.05.2024, 15:47   #2058  
Peter L. Opmann
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Wir hatten halt nicht so ein Problem mit den Indianern. Daß das blutrünstige Bestien sind, haben wir zwar halb von den Amis übernommen, aber daneben war auch noch Platz für gute Indianer.

Und vermutlich spielt da auch noch der Rousseausche "edle Wilde" hinein, der in USA nicht so bekannt sein dürfte.
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Alt 05.05.2024, 17:16   #2059  
Phantom
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Indianer waren schon in meiner Kindheit positiv besetzt. Als ich in der Grundschule das erste (und letzte) Mal ein Faschingskostüm haben wollte, war es natürlich ein Indianerkostüm. Ob aber Winnetou oder Silberpfeil daran Schuld waren, weiß ich nicht mehr.

Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind sowohl die deutschen Karl-May-Filme als auch die deutschen Edgar-Wallace-Filme sehr mochte. Schon seit einigen Jahrzehnten kann ich diese Filme aber nicht mehr sehen, und das liegt zum großen Teil an den trotteligen Nebenfiguren, die von Eddi Arent, Ralf Wolter und anderen gespielt werden. Das ist alles aus heutiger Sicht weder witzig noch richtig albern (wie etwa Monty-Python-Sketche), sondern nur zum Fremdschämen. Die dünnen Plots durchschaut man mittlerweile natürlich auch, und es fällt auf, dass die Schauplätze eben nicht stimmen (Hamburg statt London, Kroatien statt USA).

Richtig gut fand ich hingegen später die Parodie "Der Schuh des Manitu". Und ich erinnere mich daran, wie Pierre Brice bei "Wetten dass?" völlig unentspannt kein gutes Haar an diesem Bully-Herbig-Film lassen konnte, weil er angeblich diese wertvollen Filme der sechziger Jahre entweihen würde.
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Alt 05.05.2024, 17:23   #2060  
Peter L. Opmann
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Ja, aber Pierre Brice ist das Musterbeispiel dafür, wie positiv Indianer hierzulande gesehen wurden (nicht alle natürlich). Diese Rolle machte ihn zu einem der beliebtesten Schauspieler dieser Zeit in Deutschland. Und das hielt auch noch lange an.

Bully Herbig habe ich mir nicht angetan, aber Brice wäre sicher besser damit gefahren, "Der Schuh des Manitu" als eine Art Hommage an seinen Winnetou zu sehen.

Übrigens habe ich gelesen, daß Karl May ein großer Anhänger der Idee des edlen Wilden war (James Fenimore Cooper auch).
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Alt Heute, 10:00   #2061  
Peter L. Opmann
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Ich habe eine Dokumentation, die hierher paßt. Damit man sich durch den Text durchfindet, habe ich Zwischentitel eingefügt:

Oliver Schwehm: „Winnetou darf nicht sterben“ (2007)

Zu Beginn der 60er Jahre ist das deutsche Kino fest in indianischer Hand. Gerade erst hat Hollywood den Western für tot erklärt, da überrollt wie aus dem Nichts die Karl-May-Filmwelle das Land und sorgt für ungeahnte Rekorde an den Kinokassen. Ob jung oder alt – die „Western made in Germany“ stecken eine ganze Gesellschaft an. Landauf landab grassiert das Indianerfieber. Der Erfolg der Filme katapultiert schlagartig einen jungen Mann in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit: Pierre Brice, ein bis dahin unbekannter französischer Schauspieler. Seine Verkörperung des edlen Apachenhäuptlings Winnetou zieht die Massen in seinen Bann. Die Rolle macht ihn über Nacht zum Star.

Michael Petzel, Experte: Pierre Brice, wie er da steht, wie er sich verhält, wie er einen anschaut, das war etwas durchaus Sinnliches.

Christopher Barker, Sohn von Lex Barker: Bei ihm war alles eine Sache des Instinkts. Ein Blick, ein Schritt, und das genügte.

Christiane Krüger, Schauspielerin: Man fand den vom Typ her in diesem Outfit, mit diesem Stirnband und alldem, einfach ideal besetzt.

Marie Joseé Nat, Schauspielerin: Die Deutschen waren einfach klug, Pierre die Rolle anzubieten. Und so wurde Pierre zum Star.

Eigenartiger Starruhm

Pierre Brice ist ein Star geworden, eine Leinwandlegende. Winnetou – das war Pierre Brice, und Pierre Brice – das war Winnetou. Er fesselte die Massen wie kein Zweiter, und irgendwann war er selbst gefangen in der eigenen Legende. Einer deutschen, wohlgemerkt. Denn es gibt ein Kuriosum im Leben des Pierre Brice: In seiner Heimat ist der Franzose so gut wie unbekannt.

Brice: Ich habe ein Leben, wenn ich in Deutschland bin, und ein anderes in Frankreich. In Deutschland kann ich nicht auf die Straße gehen, ohne daß mich jemand erkennt und auf mich zukommt. In Frankreich, wo ich nicht arbeite, habe ich meine Ruhe.

Biografie

Geboren wird Pierre Brice am 6. Februar 1929 als Baron Pierre Louis le Bris in Brest am äußersten Rand der Bretagne. Eine Karriere als Schauspieler ist ihm alles andere als in die Wiege gelegt.

Brice: Als kleinerJunge träumte ich davon, zur Marine zu gehen. In meiner Heimatstadt gehörten Seekadetten zum festen Stadtbild. Und für meine Familie war klar: Pierre wird Marineoffizier.

Pierre besucht eine Marineschule und meldet sich bald als Freiwilliger zum Kolonialkrieg in Indochina. Als Mitglied einer kleinen Kommandoeinheit nimmt er an zahlreichen Spezialeinsätzen teil. Mehr als vier Jahre kämpft er fernab der Heimat. Im Winter 1952 schließlich kehrt Pierre Brice nach Frankreich zurück. Er ist nun 23 Jahre alt. Ohne einen festen Plan für seine Zukunft begibt er sich in die französische Hauptstadt.

Brice: Paris war für mich etwas völlig Neues. Ich war noch nie dagewesen. Es war ein Sprung ins Unbekannte, und nun war ich da, allein, ein junger Kommandosoldat, der keine Ahnung hatte, was ein Scheck ist. Das war überhaupt nicht meine Welt. Das erste, was ich tat: Ich ging in ein Viertel, von dem ich gehört hatte, das Quartier Latin. Dort lernte ich nach und nach Leute kennen, die zwar nicht in der gleichen Lage waren wie ich, aber im gleichen Alter und auch auf der Suche nach einem Job. Ich mußte eine Beschäftigung finden. Im Grunde wußte ich überhaupt nicht, wofür ich gemacht war.

In Paris ist nichts zu spüren von den Kämpfen im fernen Indochina. Nach Jahren der deutschen Besatzung lebt und blüht die Stadt wieder auf. Doch die Party findet ohne Pierre statt. Mühsam versucht er, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Paris leuchtet. Pierre ist angezogen von den Stars und Sternchen auf den Kinoplakaten. Er träumt von einer Karriere als Schauspieler. Über einen Umweg soll sein Traum schließlich Wirklichkeit werden.

Brice als Dressman

Brice: Ich wurde von der „Vogue“ für Modefotos engagiert, und von da an hatte ich ein bißchen Geld in der Tasche. Ich machte Modefotos, Werbefotos, und wir waren auch bei den großen Modeschauen dabei. Aber es gefiel mir nicht besonders. Die Arbeit im Studio, das ging noch, da war ich mit dem Fotografen allein. Aber Aufnahmen auf der Straße zu machen, das haßte ich regelrecht. Die Pariser spotten gern, und ein junger Mann, der Modefotos macht, wurde ziemlich schief angesehen. Das war ein Grund, weshalb es mich zum Film zog.

Um dem Image als Dressman zu entfliehen, nimmt Pierre Unterricht bei einem russischen Schauspiellehrer. Und bald darauf: endlich die erste Rolle. Allerdings nicht im Theater oder im Kino, sondern in einem Fotoroman. Die Bildergeschichten für Erwachsene, die ursprünglich aus Italien stammen, sind Mitte der 50er der Unterhaltungsschlager in Frankreich.

Nat: Sie dürfen nicht vergessen: damals gab es noch kein Fernsehen. Jede Woche erschien eine neue Folge: Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Antonella Lualdi. Sie alle haben in Fotoromanen angefangen. Pierre Brice und ich posierten für eine romantische Illustrierte. Wir waren auf der Titelseite, zwei Verliebte – sehr romantisch, sehr poetisch und sehr charmant. Pierre war eben ein junger Schauspieler, der genau wie ich auf Rollen wartete und währenddessen solche Sachen machte.

Pierres Gesicht kommt an und lächelt sich durch sämtliche Mode- und Frauenzeitschriften. Hübsche Auftritte, sicher, aber nicht gerade die ideale Voraussetzung, um als Schauspieler ernst genommen zu werden. Und doch: Was eigentlich ein Hindernis für seine Karriere sein müßte, wird schließlich die Eintrittskarte. Eine der bekanntesten französischen Filmschauspielerinnen wird auf ihn aufmerksam.

Anfänge als Schauspieler

Brice: Michèle Morgan saß gerade beim Friseur und las in einer Zeitschrift, als sie ein Foto von mir sah. „Oh, ein interessanter Junge“, sagte sie zu ihrer Friseuse, worauf die antwortete: „Den kenne ich.“ – „Ach, wenn Sie ihn mal wiedersehen, sagen Sie ihm einen schönen Gruß von mir, und er soll mal bei meiner Agentin Olga Horstig vorbeigehen.“ Olga hatte damals eine große Agentur in Paris. Und so wurde sie meine Agentin.

Bald erhält Pierre Rollenangebote. Sein erster Filmauftritt dauert genau 14 Sekunden. In „Harte Fäuste, heißes Blut“ darf er Eddie Constantine die Tür aufhalten. Als einer der Schützlinge der großen Agentin Olga Horstig zählt Pierre zu den jungen Hoffnungen des französischen Kinos. 1958 spielt er gemeinsam mit dem damals ebenfalls unbekannten Jean-Paul Belmondo eine Nebenrolle in „Die sich selbst betrügen“. Der Film von Marcel Carne wird zu einem Wegbereiter der Nouvelle Vague. Doch neue Talente gibt es im französischen Kino en masse. Darüber hinaus hat Pierre einen Nachteil: Er sieht einem gewissen Alain Delon nicht ganz unähnlich. So richtig kommt seine Karriere nicht in Schwung.

Nat: Damals herrschte eine heftige Konkurrenz unter den jungen Schauspielern. Wenn erstmal einer etabliert ist… die Leute sind eben ziemlich einfallslos. Insofern war der Erfolg von Alain Delon für die Karriere von Pierre wahrscheinlich ein Nachteil.

Brice: Einer der Gründe, warum es für mich in Frankreich nicht lief, war meine Schüchternheit. Ich wurde manchmal zu einer Filmpremiere eingeladen, ging ins Foyer, sah all die Leute, die Schauspieler und Schauspielerinnen, und war wie gelähmt. Und so hockte ich dann zusammengekauert allein in einer Ecke. Ich hatte nicht viele Freunde in der Filmszene. Es war meine Schuld, weil ich keiner Clique angehörte. Es gab die Clique um Roger Vadim, die um Claude Chabrol, die um Truffaut, die um Godard. Für mich stagnierte es jedenfalls. Da beschloß ich wegzugehen, und zwar nach Rom. Das Mekka des Films, wo Filme über Filme gedreht wurden und wohin damals Schauspieler aus der ganzen Welt kamen.

Brice in Cinecitta

Rik Battaglia, Schauspieler: Es herrschte Aufbruchstimmung. Wir waren mitten in einem Boom. Es war kein Problem, Geld aufzutreiben. Alle hatten Geld. Die Großindustriellen, die aus ihrem Milieu ausbrechen und junge, schöne Frauen zum Vorzeigen um sich haben wollten, finanzierten die Filme. Deshalb wurden so viele Filme gedreht – und so viel Müll. Alle improvisierten – Regisseure, Kameraleute, auch die Schauspieler.

In Cinecitta entstehen Anfang der 60er Jahre bis zu 700 Filme pro Jahr. Mindestens ebenso groß wie der Bedarf an Kilometern an Zelluloid ist der Bedarf an Schauspielern und neuen Gesichtern, die sich oft nur leicht bekleidet und in Sandalen in den damals populären Monumentalfilmen bewähren müssen. Der kommerzielle Erfolg dieser Filme ermöglicht den italienischen Produzenten aber auch, anspruchsvollere Regisseure mit eigenwilligen Projekten zu beschäftigen. Einer von ihnen ist Damiano Damiani. Für sein Spielfilmdebüt „Il Rossetto“ engagiert er Pierre Brice, der so, nur kurz nach seiner Ankunft in Italien, seinen ersten Vertrag für eine Hauptrolle unterschreiben kann. In diesem Kriminalfilm spielt Pierre Gino, einen Prostituiertenmörder, der von einem jungen Mädchen bei seiner Tat beobachtet wurde. Allerdings ist das Mädchen verliebt in ihn und will ihn nicht der Polizei ausliefern. „Il Rossetto“ bietet Pierre Brice endlich die Gelegenheit, sich als Schauspieler zu profilieren und ein für allemal das Image des Dressman abzulegen, das ihn in Paris so verfolgte.

Damiani: Dieser junge Schauspieler war genau der, den ich suchte. Schön, gut angezogen, noch dazu sympathisch. Man sollte ihm nicht auf den ersten Blick den Schurken ansehen. Und doch verbarg sich hinter dem eleganten Äußeren ein Charakter, der sehr gefährlich sein konnte.

Brice: Der Film war in Italien ein großer Erfolg. Und der „L‘Araldo della Spettacolo“ wählte mich zum besten Schauspieler des Jahres. Damit öffneten sich mir die Türen.

In nur drei Jahren dreht Pierre Brice nun ein gutes Dutzend Filme in der italienischen Traumfabrik. Er spielt einen jungen Pharao und nimmt es als italienischer Zorro mit dem italienischen Muskelprotz Maciste auf. Später tritt er als Robin Hood für die Armen und Entrechteten ein und spielt schließlich in Giorgio Ferronis Historienepos „Le Baccanti“.

Brice: Die Kostümfilme – das war eine interessante Sache. Ich erinnere mich, daß meine Garderobiere immer sagte: „Du kannst Kostümrollen spielen; dir steht jedes Kostüm.“ Einmal spielte ich Dionysos in einem dieser knappen Röckchen mit nackten Beinen. Da sagte sie zu mir: „Solche Beine – die hat nicht jeder Schauspieler.“

Trotz der wechselnden Kostüme ist Pierre in Cinecitta nun abonniert auf die Rolle des attraktiven Frauenschwarms. Es gelingt ihm, sich als Schauspieler einen Namen zu machen und als verläßlicher Darsteller zu bewähren. Die große, erfolgbringende Rolle, die bleibt jedoch aus. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen begibt er sich 1962 auf die Berlinale. In der Masse der Festivalgäste geht Pierre Brice unter. Niemand nimmt wirklich Notiz von ihm. Gefeiert wird ein anderer französischer Schauspieler; Jean-Paul Belmondo. Mit ihm teilte sich Pierre vor kurzem noch eine Nebenrolle. Seit „Außer Atem“ gehört Belmondo zu Frankreichs Exportschlagern. Pierre will eigentlich schon wieder abreisen. An seinem letzten Abend in der geteilten Stadt besucht er die Abschlußveranstaltung der Berlinale.

Entdeckt von Horst Wendlandt

Brice: Es gab ein Diner im Hotel Intercontinental in Berlin. Ich war mit meiner damaligen Freundin Francoise da. An einem der Nachbartische saß ein Mann – er hieß Horst Wendlandt, wie ich später erfuhr -, der die ganze Zeit zu uns herüberstarrte. Ich dachte, er würde meine Freundin anstarren. Ich war ziemlich gereizt, eifersüchtig und kurz davor, aufzustehen und ihn um eine Erklärung zu bitten. Da sagte Francoise: „Mach keine Dummheiten. Ich glaube, das ist ein Produzent.“

Auf Horst Wendlandt ruhen die Hoffnungen der krisengeschüttelten deutschen Filmindustrie, die nach dem Zweiten Weltkrieg nur mühsam wieder auf die Beine kommt. Der junge Produzent hat mit Edgar-Wallace-Filmen erste Erfolge feiern können. Doch nun hat er Größeres vor. Er will „Der Schatz im Silbersee“ verfilmen, einen Roman von Karl May. Der Schriftsteller aus Sachsen gehört nicht nur zu den meistgelesenen, sondern auch außergewöhnlichsten Gestalten der deutschen Literatur. Seine Abenteuerromane spielen in exotischen Ländern, im Orient, der Südsee und Amerika. In seinen Reiseerzählungen gibt Karl May vor, das von ihm Geschriebene auch selbst erlebt zu haben. Und zum Beweis gibt’s Fotos in den verschiedenen Kostümen seiner Helden. In Wirklichkeit reist Karl May jedoch kaum. Fast alle seine Erzählungen verfaßt er unter Zuhilfenahme seiner Bibliothek am Schreibtisch seiner Radebeuler Villa. Mays beliebteste Romane spielen Mitte des 19. Jahrhunderts in Amerikas Wildem Westen. Seine Leser begeistern sich für die Geschichten von dem edlen Freundespaar Winnetou und Old Shatterhand, die gemeinsam für den Frieden zwischen Weißen und Indianern kämpfen. Horst Wendlandt spürt: Er kann mit seinem Film nur einen Erfolg landen, wenn die Besetzung stimmt und das Publikum seinen Winnetou und seinen Old Shatterhand annimmt. In der Hoffnung, auch international punkten zu können, setzt er zudem auf den Starfaktor ausländischer Schauspieler. Schon bald kann er für Old Shatterhand Lex Barker gewinnen, der Johnny Weissmuller als Tarzan abgelöst hatte. Winnetou zu besetzen, ist schwieriger. Wendlandt sucht einen Schauspieler mit geheimnisvoller, exotischer Ausstrahlung. Zunächst denkt er an Christopher Lee, den er zu einem Casting einlädt. Doch das Dracula-Image von Lee paßt so gar nicht zum Bild des noblen und sanftmütigen Apachenhäuptlings. In Pierre Brice glaubt Wendlandt, endlich seinen Winnetou gefunden zu haben. Er zögert nicht lange mit einem Angebot.

Brice: Ich bekam einen Anruf von Olga Horstig, meiner Agentin in Paris: „Horst Wendlandt interessiert sich für dich und möchte dir eine Rolle in einem seiner nächsten Filme anbieten.“ Ich fragte: „Was für ein Film?“ – „Ein Western.“ – „Und was ist das für eine Rolle?“ – „Ein Indianer.“ Ich dachte daran, wie die Amerikaner die Indianer in ihren Western darstellten, und sagte Olga, daß ich an einer solchen Rolle nicht sonderlich interessiert bin. Da erwiderte sie: „Pierre, wenn Sie das Glück haben, diese Rolle zu bekommen, garantiere ich Ihnen eine große Karriere in Deutschland.“

„Der Schatz im Silbersee“ (1962)

Eher schlecht als recht überzeugt und ohne die Popularität Karl Mays in Deutschland zu kennen, macht sich Pierre Brice auf zum Drehort. Als er am Set eintrifft, sind die Vorbereitungen in vollem Gange.

Brice: Meinen ersten Drehtag werde ich nie vergessen. Damals konnte ich kein Wort Deutsch. Ich stand da, und Harald Reinl erklärte mir die Szene, die wir drehen sollten. Ich war stolz wie ein Pfau – auf mein Indianerkostüm, auf mein herrliches Pferd, eben auf alles. Reinl sagte: „Gut, wir fangen an.“ Ich stand abseits und hörte, wie Reinl rief: „Bitte Ton!“ Verdammt nochmal, meine Figur hieß Winnetou, und das klingt sehr ähnlich. Ich dachte: Verdammt, das ist dein Einsatz! Ich presche also im Galopp vor die Kamera, da hebt Reinl die Arme und ruft: „Pierre, wir müssen drehen. Wir haben keine Zeit für sowas!“ Das ganze Team lachte.

Das Schauspielerteam ist international und nicht immer einfach unter Kontrolle zu behalten. Die Fäden laufen bei Harald Reinl zusammen, einem ehemaligen UFA-Regisseur, der sein Handwerk bei Leni Riefenstahl lernte und sich bisher vor allem mit Kriegs- und Heimatfilmen hervorgetan hatte.

Mario Adorf, Schauspieler: Man nannte ihn damals eine „Bergziege“. Er war sehr fit für sein Alter – er war ja Mitte oder Ende 50 – und sehr robust. Für schauspielerische Feinheiten war er eigentlich nicht so zuständig.

Aber auf die Feinheiten kommt es Produzent Wendlandt auch gar nicht an. Vielmehr will er es den Italienern nachmachen: buntes, turbulentes Kino im Cinemascope-Format mit Massenszenen und viel Action. 3000 Statisten und 2500 Pferde kommen zum Einsatz. Mit 3,5 Millionen D-Mark gerät „Der Schatz im Silbersee“ zum teuersten Film der Nachkriegszeit. Entsprechend groß ist die Anspannung bei den Machern, als der Film am 12. Dezember 1962 im Stuttgarter Universum-Kino seine Uraufführung erlebt.

Brice: Bei der Premiere kam ich nicht aus dem Saal, so groß war der Andrang. Ein Polizist mußte mir seine Uniform leihen, damit ich das Kino verlassen konnte. Es war kolossal, einfach kolossal. Die Leute stürmten die Kinos! Zehn Millionen Zuschauer! Wendlandt war der neue König, die Popularität meines Kollegen Lex Barker bestätigt, und über mich schrieben die Zeitungen: „A Star is born“. Der Erfolg war so groß, daß wir gleich mit dem nächsten Film anfingen.

Karl-May-Film-Reihe

Die Karl-May-Filme sind eine wahre Goldgrube. Die Deutschen drehen jetzt mehrere Western pro Jahr. Ähnlich wie bei James Bond entwickelt sich eine ganze Serie mit dem heldenhaften Doppelpack Winnetou-Old Shatterhand. Die Filme schlagen sämtliche Rekorde und treffen das deutsche Publikum mitten ins Herz.

Petzel: Wenn man sich die amerikanischen Western anschaut, da geht es um Konflikte – Konflikte zwischen Männern, Konflikte zwischen Vater und Sohn oder zwischen zwei Brüdern. Oder Konflikte bei der Landnahme in Amerika. Im Karl-May-Western geht es um die große Männerfreundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand, das große Gefühl, und es geht um das Böse, um den Sieg über das Böse. Das ist sozusagen ein klassisches Märchenmotiv.

Barker: Es war sehr klug von den deutschen Filmleuten, sich auf das Motiv der Freundschaft zu konzentrieren. Ein Indianer und ein Westmann als Freundespaar, das war neu und hatte etwas Versöhnliches. Der Krieg lag ja noch nicht so lange zurück. Und das kam an in Deutschland, vor allem mit Helden wie meinem Vater und Pierre Brice.

Für die Deutschen, die unter dem Krieg gelitten hatten und sich die Schuld dafür gaben, hatten diese naiven und frischen Filme etwas sehr Wohltuendes. Ein positives Heldenpaar – das war genau das, was sie brauchten.

Petzel: Die Karl-May-Filme traten die Nachfolge der Heimatfilme an. Und die Heimatfilme waren in Deutschland besonders wichtig, weil sie den Nerv des Publikums trafen, weil sie nach dem Zweiten Weltkrieg eben das Bedürfnis nach heiler Welt befriedigten. Und das taten die Karl-May-Filme auf ihre Weise auch, allerdings in verändertem Gewand, sozusagen auf modernisierte Weise. Sie waren Heimatfilme, weil sie das Gefühl der Zuschauer befriedigten, das Bedürfnis nach Sentiment. Und auf der anderen Seite zeigten sie auch Landschaft, schöne Landschaft, die gut für die Seele ist. Nur, es waren eben andere Landschaften, es war nicht mehr die Lüneburger Heide, nicht mehr der Schwarzwald, das kannten die Zuschauer jetzt. Aber Amerika, das kannten sie nicht. Und daß dieses Amerika in Kroatien lag, das war nicht so wichtig. Es sah eben aus wie Amerika.

Wendlandt dreht in Kroatien, weil er sich trotz des vergleichsweise hohen Budgets einen Dreh in Amerika nicht leisten kann. Er koproduziert mit einer jugoslawischen Filmgesellschaft, deren Location-Scouts ein gutes Gespür dafür haben, welche Landschaften den amerikanischen Weiten am nächsten kommen. Wichtiger als die Authentizität der Originalschauplätze ist ohnehin, den Geist Karl Mays nicht zu verraten. Welche Rolle spielt es da schon, daß sich unter dem Winnetou-Kostüm ein Bretone verbirgt?

Brice: Ein Professor hat einmal geschrieben, jeder Leser habe sein Bild von Winnetou. Aber nach diesem Film habe Winnetou für alle Leser nur noch ein Gesicht. Er schrieb auch, ich hätte Winnetou eine Seele gegeben. Tatsache ist, daß ich an den zweiten Film mit wesentlich mehr Begeisterung heranging, weil ich die Figur jetzt kannte. Es war für mich tatsächlich so etwas wie eine Begegnung.

Wie Brice den Winnetou spielt

Film für Film spielt sich Pierre Brice mit seinem Winnetou immer mehr ins Zentrum der Serie. Es gelingt ihm, dem Apachenhäuptling eine ganz eigene Aura zu verleihen. Im Einklang mit seiner Figur feilt er an kleinen Gesten und Charakteristika wie etwa dem geheimnisumwölkten Blick Richtung Horizont, dem Blick in die Ferne.

Brice: Der berühmte Blick in die Ferne wurde mein Markenzeichen. Und auch die Geste, die dann von allen nachgemacht wurde. Sie war eine Erinnerung an meine Pfadfinderzeit und bedeutete: Der Starke, also der Daumen, schützt den Schwachen, den kleinen Finger.

Adorf: Er hat ein Bild geschaffen, ein Bild von sich selber als Winnetou. Das ist manchmal ein bißchen statisch gewesen, aber man schaute gerne hin, weil er war natürlich sehr schön, und dieses Kostüm stand ihm wunderbar. Er hat da sich eingelebt. Er war die Figur.

Marie Versini, Schauspielerin: Für mich ist er in dieser Rolle einfach Winnetou, so wie ich Nscho Tschi war. Wir haben unsere Rollen nicht gespielt, wir haben sie gelebt, durch und durch. Ich glaube, Authentizität zahlt sich immer aus. Sie teilt sich mit, schafft Glaubwürdigkeit.

Petzel: Der Pierre Brice kam vor allem durch seine Körperlichkeit rüber. Damit meine ich jetzt nicht den nackten Oberkörper wie bei Sylvester Stallone, sondern allein durch sein Auftreten und sein Erscheinen. Erstmal sein markantes Gesicht, edel geschnitten wie das von einem Winnetou, seine grünen Augen, die sehr intensiv schauen konnten, und dann seine sparsamen Bewegungen. Man könnte zugespitzt sagen: Der wirkte vor allem durch das, was er nicht tat. Er war sehr zurückgefahren in seinen Bewegungen, und das war sehr eindrucksvoll. Der Winnetou, der steht zuerst mal, der steht da, der muß nicht groß agieren, sondern der wirkt durch seine Persönlichkeit. Den können Sie auf irgendeine Bergklippe stellen, und da muß er stehen mit seinem Gewehr, das ist das Tollste. Besser geht’s eigentlich nicht. Der kann von seiner Wirkung immer nur dann verlieren, wenn er mehr sagt als „Mein Bruder“ oder „Howgh“. Er hat ein paar Schlüsselwörter. Das reicht. Sobald er einen Vortrag halten würde, wäre er nicht mehr der Winnetou, dann würde er nicht mehr wirken.

Brice: Vor allem im ersten Film hatte ich nicht viel Text. Also ging ich zu Reinl, um mich zu beschweren. Ich sagte: „Hör mal, ich finde, ich habe zu wenige Dialoge.“ Er antwortete: „Genau das will ich. Genau so ist es gut.“ Da merkte ich, daß er recht hatte. Winnetou war eine Figur, die nicht zu reden, sondern zu handeln hatte. Winnetou ist die Rolle, die mein Leben verändert hat. Sie hat aus mir einen bekannten und populären Schauspieler gemacht. Und das ist noch heute so. Mein Publikum ist sehr treu.

Werbepartnerschaft mit der „Bravo“

Pierre Brice steigt zu dem deutschen Jugendidol der 60er Jahre auf. Mit beteiligt an seinem Erfolg: die Jugendzeitschrift „Bravo“, die sich nicht ganz uneigennützig zum Sprachrohr der Winnetou-Filme macht. Denn nichts in diesen Jahren steigert die Auflage so sehr wie Berichte und Fotos von dem charismatischen Apachenhäuptling.

Versini: Pierres Erfolg kann nur mit dem verglichen werden, was manche Popsänger erleben. Johnny Hallyday in Frankreich, die Beatles oder Gerard Philippe, als er beim Theatre National Populaire anfing. Einen solchen Erfolg hat nicht jeder Schauspieler. Es ist eine absolut einzigartige Erfahrung.

Petzel: Daß er sich so furios entwickeln würde zum Kassenmagneten, das war, vermute ich, selbst dem Produzenten vorher nicht klar und Pierre Brice sicher nicht.

Pierre Brice wird vom deutschen Publikum zum beliebtesten Schauspieler gewählt. Neun Jahre lang ist er die unangefochtene Nummer eins, weit vor seinen Landsmännern Delon, Belmondo, aber auch vor James Dean, Charlton Heston, Clint Eastwood und Sean Connery. Pierre Brice ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Der sanftmütige Franzose bringt die Deutschen zum Träumen. Ein echter Superstar. Und dementsprechend wird er von den Medien inszeniert. Die Karl-May-Filmserie ist finanziell ausgesprochen lukrativ und rettet die deutsche Kinoindustrie über die 60er Jahre. Winnetou wird zur Ikone, zum Werbeträger und zum Markenzeichen. Nur in einem geht Horst Wendlandts Rechnung nicht auf: Der erhoffte internationale Erfolg bleibt aus. Neben einer gewissen Verbreitung in Osteuropa sind die Karl-May-Filme in erster Linie ein Phänomen in den deutschsprachigen Ländern, und sehr zum Leidwesen von Pierre Brice bleibt er gerade in seinem Heimatland Frankreich ein Unbekannter.

„Winnetou III“ (1965) und der Publikumsprotest

Brice: Meine Lieblingsszene in den Winnetou-Filmen? Mein Tod. Als ich am Ende von „Winnetou III“ sterben mußte, sagte ich mir: Das war’s für mich mit Winnetou. Jetzt kann ich zurück nach Italien, wo ich bekannt bin. Und vielleicht werden mir die Franzosen irgendwann auch eine Rolle geben. Da erhalte ich einen Anruf von Horst Wendlandt: „Pierre, ich nehme das nächste Flugzeug. Ich muß mit dir reden.“

Battaglia: Das deutsche Publikum reagierte auf eine unglaubliche Weise. Nachdem ich Winnetou getötet hatte, schlossen sich für mich alle Türen. Ich hatte auf einmal keine Kontakte mehr. Und sobald ich auf eine Party kam, spürte ich ringsum echte Verachtung. Auch Menschen, die gebildet waren, die einen gewissen sozialen Status hatten, musterten mich verächtlich von Kopf bis Fuß. Das machte mich so verlegen, daß ich nicht mehr ausgegangen bin.

Angeführt von „Bravo“ organisiert das Publikum den Widerstand. Unter dem Motto „Winnetou darf nicht sterben“ tritt das Magazin eine Protestwelle gegen Produzent Wendlandt los. Unter dem Druck muß Wendlandt reagieren. Zur großen Verwunderung von Pierre will er ihn für weitere Filme verpflichten.

Brice: Er sagte: „Wir drehen wieder einen neuen Winnetou.“ – „Das geht doch nicht; ich bin gerade erst gestorben.“ – „Spielt keine Rolle. Wenn du morgen wieder über die Leinwand reitest, wird das Publikum keine Fragen stellen, warum du wiederauferstanden bist.“

Petzel: Karl-May-Filme haben einen religiösen Bestandteil. Und das ist eben der Winnetou. Der Winnetou ist nicht von dieser Welt, zumindest nicht ganz von dieser Welt. Er kommt aus dem Nichts, und er fährt am Ende auch empor, nachdem er sich für den Freund geopfert hat. Er ist eine Erlösergestalt, das ist das Entscheidende, ein bißchen Jesus ähnlich.

Nach dem Ausstieg von Lex Barker

Und wie Jesus auf die Erde, kehrt auch Winnetou auf die Leinwand zurück. Neue Filme entstehen. Doch einiges ist nun anders. Allen voran die Tatsache, daß Old Shatterhand nicht mehr an der Seite von Winnetou reitet. Die Blutsbrüder gehen getrennte Wege. Alternde US-Westernhelden wie Rod Cameron und Stewart Granger ersetzen Lex Barker.

Barker: Mein Vater war Anfang der 50er Jahre schon einmal auf eine Figur festgelegt gewesen. Jetzt hatte er das Gefühl, daß ihm in Deutschland das gleiche passierte. Er sagte sich: Ich spiele diese Rolle schon zum vierten oder fünften Mal. Ich werde in Europa ewig Old Shatterhand bleiben. Also steige ich lieber aus, gehe in die USA zurück und versuche, dort etwas Neues zu finden.

Und noch etwas ist anders: Die Deutschen sind nicht mehr die einzigen in Europa, die Western drehen. Auf der anderen Seite der Alpen, in Italien, interpretieren Regisseure wie Sergio Leone und Sergio Corbucci das Genre ganz auf ihre Weise. Mit den edelmütigen Helden der Karl-May-Filme haben Django und Konsorten allerdings wenig gemein. Wobei es die Spaghetti-Western ohne die Sauerkraut-Western wahrscheinlich nie gegeben hätte.

Petzel: Die Italiener haben gesehen: Die Deutschen haben da großen Erfolg mit ihren Karl-May-Filmen. Laßt uns das auch mal versuchen. Wir können das auch, und wir können das vermutlich besser. Und sie konnten es tatsächlich besser, nämlich auf einer international vermittelbaren Ebene. Die italienischen Westernproduktionen wurden nämlich, anders als die deutschen Karl-May-Western, internationale Erfolge. Später guckte dann auch Horst Wendlandt den Italienern etwas ab. Er wollte dann ein bißchen abkupfern, was die italienischen Filme so erfolgreich machte. Das transportiere ich mal in die deutschen Karl-May-Filme. Er reicherte sie mit Actionelementen an, ein Schuß Brutalität, ein Hauch von Zynismus in den letzten Filmen, und scheiterte damit grandios, denn das wollte kein Karl-May-Fan sehen, das paßte nicht zum romantischen Winnetou.

Die Serie dümpelt vor sich hin. Neu engagierten Regisseuren wie Action-Spezialist Alfred Vohrer gelingt es nicht, die Karl-May-Filme weiterzuentwickeln. Sie sind in einer ästhetischen Sackgasse gelandet.

Brice: Ich glaube, es wäre amüsant gewesen, einen Karl-May-Film mit Sergio Leone zu drehen. Vielleicht wäre ich dann heute so bekannt wie Clint Eastwood.

Ende der Karl-May-Film-Reihe

1968 fällt die Klappe für den letzten Karl-May-Film, für den sogar Lex Barker noch einmal zurückkommt und Harald Reinl die Regie übernimmt. Doch auch der Rückgriff auf die frühere Erfolgsformel bringt nichts mehr.

Petzel: Und 1968 war Schluß. Und da waren diese Filme tatsächlich schon unzeitgemäß. Sie paßten nicht mehr in die Landschaft. In die Zeit rein paßte eben gerade der Protest. Die Jugendlichen standen auf und lehnten die Autoritäten ab, wendeten sich gegen die Väter, und die Karl-May-Filme jener Zeit propagierten ja eher ein rückwärtsgewandtes Menschenbild oder Weltbild, die heile Welt. Das war nicht mehr kompatibel. Und 1968 gingen in die Karl-May-Filme eigentlich nur die Zurückgebliebenen. Die Avantgarde, die hörte die Beatles oder noch besser die Rolling Stones und ging inzwischen in ganz andere Filme.

Pierre Brice nimmt eine Auszeit und zieht sich zurück. Es wird still um ihn. Anfang der 70er stürzt das Farbfernsehen die Kinowirtschaft in eine tiefe Krise. Pierre Brice, der sich nach einer neuen Herausforderung umschaut, versucht, in dem neuen Medium Fuß zu fassen. Er wird für „Star Maidens“ engagiert, eine deutsch-britische Science Fiction-Serie. Für Pierre eine Chance, sein Indianer-Image abzustreifen.

Fernsehserie „Star Maidens“

Krüger: Ich glaube, daß diese „Star Maidens“, also diese Mädchen aus dem Weltall, damals dem Zeitgeist der Mitt-70er-Jahre entsprochen haben, daß Frauen diese dominanten Rollen und Männer die Frauenrollen übernehmen als Resultat der ganzen 68er-Revolution und so weiter. Was wahrscheinlich der Pierre Brice gar nicht wollte: Er war dadurch erneut in einem Trend. Ich weiß gar nicht, ob er mit dem Image des Winnetou brechen wollte. Ich glaube, das war eine Rolle, die man ihm angeboten und die er dann angenommen hat. Ich weiß gar nicht, ob er neben dem Winnetou sehr viele Rollenangebote hatte.

Gerade das deutsche Publikum kann mit seiner Entscheidung, sich in fremde Galaxien abzusetzen, wenig anfangen und straft seinen Versuch, die Rolle zu wechseln, mit Ignoranz. An seine früheren Erfolge zumindest kann er nicht anknüpfen. Pierre Brice spürt: Um sein Publikum, seine Fans wieder zu fesseln, bleibt ihm nur eine Wahl.

Petzel: Naja, das ist schon eine gewisse Tragik für einen Schauspieler, so auf eine Rolle festgenagelt zu sein, der er praktisch nicht mehr entfliehen kann. Das hat ihn sicher belastet, und er hat nach anderen Herausforderungen gesucht, aber die eben leider nicht gefunden. Dafür war der Erfolg zu stark. Er wurde zu sehr identifiziert, und das Publikum sah eben hinter jeder Rolle den Winnetou.

Brice: In Deutschland bin ich in einer Art goldenem Käfig. Für die Filmleute war ich immer nur der Winnetou, was natürlich auch sehr bequem für mich war. Ich habe eine negative Seite, aber die positive überwiegt doch bei weitem.

Brice bei den Karl-May-Festspielen und in „Mein Freund Winnetou“ (1980)

1976, acht Jahre nach seinem letzten Film, kommt es endlich zu Winnetous heiß ersehntem Comeback. Brice wird von den Karl-May-Festspielen im sauerländischen Elspe engagiert. Den ganzen Sommer über spielt er auf einer großen Freilichtbühne bis zu zweimal am Tag den großen Apachenhäuptling. Der neue Winnetou ist ein Winnetou zum Anfassen. Der Leinwandheld ist Fleisch geworden.

Brice: Ich war neugierig, ob Winnetou noch immer so populär war. Auch die Vorstellung, wieder auf einem Pferd zu sitzen und die alte Rolle zu spielen, reizte mich. Und ich wollte wissen, wie das Ganze bei einem Live-Publikum ankommen würde – auf einer 100 Meter breiten Freilichtbühne mit 200 Laiendarstellern. Und schon bei der ersten Vorstellung merkte ich, daß Winnetou immer noch ein Erfolg und die Begeisterung für Karl May ungebrochen war. Danach habe ich Winnetou zehn Jahre lang gespielt. Der Applaus war sagenhaft. Ein außergewöhnlicher Triumph. Eines Tages kam ein französischer Produzent, um sich die Vorstellung anzusehen. Das brachte ihn auf die Idee, eine Fernsehserie zu drehen, die in Mexiko spielen sollte, also dort, wo die Apachen wirklich lebten. Und so drehten wir dann in Mexiko inmitten herrlicher Landschaften. Da die Serie von einem Franzosen gemacht wurde, nahm sie natürlich eine andere Dimension an, weit weg von der Naivität Karl Mays. Alles war viel realistischer und zeigte das echte Leben der Indianer. Auch die Kostüme waren viel authentischer. Für mich war diese Serie ein großer Erfolg. Die Deutschen mochten sie weniger, weil der naive Charakter der Karl-May-Filme fehlte. Trotzdem: Es bleibt meine Lieblingsserie.

Bis Anfang der 90er Jahre gibt Brice weiterhin auf Freilichtbühnen den Winnetou. Nach Elspe spielt er ab 1987 im norddeutschen Bad Segeberg. Dank Brice, der sich nur noch um Buch und Regie kümmert, verzeichnen die Bühnen Zuschauerrekorde. Denn Brice ist das Original. Neben ihm gibt es keinen anderen Winnetou. Er allein garantiert volle Ränge.

Barker: Für Pierre hatte es nur Vorteile. Dadurch blieb er ein Star, und die Legende lebte weiter. Er surfte eben auf der Welle, die ihn bisher getragen hatte. Als Schauspieler sage ich mir doch: Wenn ich irgendwo so populär bin und damit Geld verdiene und auch noch als Held verehrt werde, regelmäßige Arbeit habe und in Bad Segeberg die Bücher schreiben und Regie führen kann, da würde doch jeder, den man fragt, sagen: Na klar, warum denn nicht? Mach es! Er tat es, und ich glaube, viele Menschen sind ihm dafür sehr dankbar.

Brice als TV-Serien-Darsteller

Daneben etabliert Brice sich in deutschen Fernsehproduktionen. Er tauscht Silbersee gegen Wörthersee, wird ein gefragter Seriendarsteller und der Deutschen liebster Vorzeigefranzose. Auch in der Rolle des Pariser Pferdehändlers Blondeau schlägt er sich wahrlich tapfer. Wobei – es muß gesagt werden – durch die Herzen dann doch wieder Wehmut nach Winnetou weht.

Krüger: Hier haben die Leute gesagt: Wir können ihm keine andere Rolle geht, die völlig gegen den Typus geht. Daß er das selber logischerweise gern getan hätte, ist klar, aber das wollen alle Sympathieträger. Das gelingt ganz selten. Da müssen Sie schon sehr vielseitig sein, aber dann sind Sie auch nicht so der totale Star. Diese totalen, wirklichen Stars, die spielen in erster Linie immer sich selber oder letztlich immer die gleiche Rolle.

Petzel: Pierre Brice – er verkörperte diesen Winnetou, und das ist für einen Schauspieler ein großes Glück, eine große Gnade, also diese Rolle überhaupt einmal im Leben zu ergattern. Er verkörperte diesen Winnetou, er war ihm auf den Leib geschneidert. Ein Beweis dafür mag sein, daß es keinen Schauspieler bisher gegeben hat, der sich in dieser Rolle durchsetzen konnte, weil im Hintergrund… im Hinterkopf hat das Publikum immer nur Pierre Brice. Und gegen diesen Winnetou von Pierre Brice anzuspielen, das ist bis heute schier unmöglich.

„Winnetous Rückkehr“ (1998)

Pierre Brice hat als Winnetou jeden Kampf gewonnen. Er hat tapfer das Böse ausgeschaltet und für die Deutschen den Glauben an das Gute wiederhergestellt. Nur einen Kampf hat er verloren: Pierre Brice konnte machen, was er wollte – er blieb immer Winnetou. Und dafür wurde er verehrt und geliebt. 1998 heißt es dann: Spiel ihn noch einmal, Pierre. In dem Zweiteiler „Winnetous Rückkehr“ gibt Pierre Brice dem Wunsch seines Publikums nach und schlüpft im Alter von 68 Jahren noch einmal in die Rolle seines Lebens.

Brice: ich stehe jetzt im Herbst meines Lebens. Ich habe nicht alles gemacht, was ich gern getan hätte. Ich gehörte zu Beginn meiner Laufbahn keiner Clique an, und am Ende gehöre ich noch immer keiner an. Ich gehöre nicht ins Filmmilieu. Im Grunde habe ich eine sehr seltsame Karriere. Im Endeffekt hat das Schicksal meine Karriere bestimmt, ohne mein Zutun. Und weil ich an das Schicksal glaube, kann vielleicht noch jemand kommen und mir das anbieten, worauf ich warte.

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Peter L. Opmann
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Hm, ich habe hier schon mehrere Dokumentationen mehr oder weniger wörtlich wiedergegeben. Ein paar Dinge, die ich nicht so wichtig finde, kürze ich immer raus. Aber daß der Text aus der Dokumentation "Winnetou darf nicht sterben" stammt, steht ja oben drüber.
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Ich kann nicht alle Texte lesen, aber wir sollten hier wirklich jeden Fremdtext in Zukunft als Zitat kennzeichnen.
Zitat:
Das geht ganz einfach.
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