Sammlerforen.net     

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Film und DVD

Neues Thema erstellen Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 08.06.2023, 06:43   #1276  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Meinst Du im Krankenhaus? Die Gelegenheit hat sich nicht ergeben.

Ich erinnere mich aber an ein Gespräch mit einer jüngeren Augsburgerin vor ein paar Jahren. Sie hatte keine Ahnung, wer Roy Black war.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2023, 08:45   #1277  
Phantom
Mitglied
 
Benutzerbild von Phantom
 
Ort: Franken
Beiträge: 694
Wir sind ja in einem Filmthread, deswegen war das eine Anspielung auf den Film "Yesterday" von vor ein paar Jahren. Da hat ein talentierter, aber erfolgloser Straßenmusiker während eines mysteriösen, weltweiten Stromausfalls einen Fahrradunfall. Nachdem er aus dem Krankenhaus kommt, spielt er beiläufig "Yesterday" und denkt, seine Freunde wollen ihn veralbern, weil sie alle so begeistert von "seinem" neuen Lied sind. Es stellt sich aber heraus, dass die Beatles und ihre Musik aus dem Gedächtnis der Welt ausradiert sind, selbst eine Google-Suche nach "Beatles" liefert nur Käferbilder. Nur der Straßenmusiker (und wenige andere, wie sich später herausstellt) weiß noch alles. Er kramt also in seinem Gedächtnis nach den Beatles-Songs, veröffentlicht sie nach und nach, wird ein Star, weil alle von ihm und den Songs begeistert sind. Ed Sheeran (der sich selbst spielt) will ihn erst als Opening Act für seine (Sheerans) Tour, wird aber letztlich in den Hintergrund gedrängt: was ist schon Ed Sheeran gegen Beatles-Songs?

Klingt völlig verrückt, ich habe aber selten in den letzten Jahren so sehr bei einem Film gelacht. Ein Feel-good-Movie, vor allem, wenn man Beatles-Fan ist. In der Kritik kam der Film nicht so gut weg, ein Klassiker wird es vermutlich nicht, ich war begeistert.
Phantom ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2023, 09:06   #1278  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Ah, sorry, das habe ich mißverstanden.

Von dem Ed-Sheeran-Film habe ich gehört, aber der kam erst kürzlich raus, nicht wahr? Aber damit gab's jetzt hier immerhin mal wieder eine Filmkritik.

Vielleicht weiche ich demnächst auch mal von den Klassikern ab. Ich hätte nämlich eigentlich Lust, zum Beispiel über "Birdman" oder "Kick-Ass" (erster Teil) zu schreiben - Nebenprodukte im großen Superheldenfilme-Strom und auch noch nicht so alt.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2023, 09:10   #1279  
pecush
Geisterjäger
 
Benutzerbild von pecush
 
Beiträge: 7.333
Birdman ist ganz, ganz groß.

Und ist ja jetzt eigentlich etwas überholt, weil der Birdman das Batman-Cape wieder übergezogen hat.
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.06.2023, 06:26   #1280  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Jetzt habe ich mir erstmal den dritten Film von der „Black Cinema“-Box angesehen, „Kennwort 777“ (1948) von Henry Hathaway. Es handelt sich um eine Billig-DVD ohne jegliche Zusatzausstattung, und zunächst muß man festhalten, daß alle drei Filme keine Film noirs sind. Doch zwei von ihnen sind nicht schlecht, nämlich „Die Maske runter“, den ich zuletzt besprochen habe, und der, um den es jetzt geht. Er ist auch interessant als Star-Vehikel von James Stewart; jedenfalls habe ich in einer Biografie von Jonathan Coe gelesen, daß Stewart sich damit in Richtung härterer Rollen entwickelte, die er dann bei Hitchcock und Anthony Mann spielte. Insgesamt ist der Film, der wiederum in einem quasidokumentarischen Stil gedreht ist und auf Tatsachen beruht, aber in meinen Augen nicht ganz überzeugend.

In einer Anzeige in der „Chicago Times“ werden demjenigen, der die Unschuld eines verurteilten Polizistenmörders (Richard Conte) beweist, 5000 Dollar geboten. Reporter Stewart schreibt darüber ein paar reißerische Artikel, die große Aufmerksamkeit erregen, aber er glaubt eher, daß Conte schuldig ist. Gespräche mit seiner Mutter, die die Anzeige geschaltet hat, seiner inzwischen geschiedenen Frau und Conte selbst, der seine Unschuld beteuert, bringen kein Licht in den Fall. Der Richter, der von Contes Schuld offenbar selbst nicht ganz überzeugt war, ist inzwischen gestorben. Die einzige Zeugin, die ihn als Täter identifiziert hat, ist unauffindbar. Aber ein Lügendetektor-Test (der vor Gericht nicht als Beweismittel anerkannt wird) deutet darauf hin, daß Conte die Wahrheit sagt. Allmählich sieht Stewart die Sache nicht mehr nur als Story, sondern schlägt sich auf die Seite Contes. Er wird sozusagen zum Detektiv, der den Fall aufzuklären versucht (was kein wirklicher Journalist tut).

Stewart sucht die übelsten Ecken Chicagos nach der Zeugin ab, die ihn hinter Gitter gebracht hat, und schließlich findet er sie. Sie weigert sich jedoch kategorisch, ihre damalige Aussage zu widerrufen. Die Sache sollte vor einen Begnadigungsausschuß kommen, aber die Zeitung sieht sich gezwungen, ihren Antrag zurückzuziehen, da ein Unschuldsbeweis fehlt und eine gescheiterte Begnadigung für Conte ungünstig wäre. Stewart gibt jedoch nicht auf, obwohl auch Polizei und Staatsanwaltschaft zunehmend mauern und Beweismittel verschwinden lassen wollen (wohl aus Korpsgeist). Schließlich gelingt es ihm, durch ein Foto die Aussage der Zeugin, sie habe Conte nach dem Mord erst bei der Gegenüberstellung wiedergesehen, zu erschüttern, und er wird doch begnadigt. In dem Film wird also mehrmals für die Zeit neueste Technik vorgeführt: neben dem Original-Lügendetektor von Leonarde Keeler (der sich zudem selbst spielt) eine Methode der Fotovergrößerung und der Fotoübermittlung per Funkbild (heute natürlich alles hoffnungslos veraltet).

Die Zeugin hatte offensichtlich Angst, die Wahrheit zu gestehen. Warum und vor wem, wird in dem Film aber nicht weiterverfolgt. Geschweige denn, warum der Polizist erschossen wurde und wer der wirkliche Täter ist. Da der Mord in der Prohibition in einem Speakeasy geschah, wäre das in meinen Augen nicht uninteressant gewesen. Nicht nur weil er sich in Ermittlungen einschaltet, ist Stewart für mich nicht glaubwürdig. Er ist durch seine eher phlegmatische Art kein Reportertyp (jedenfalls nicht der beste der „Times“, als der er präsentiert wird). Außerdem führt er ein glückliches Eheleben – für einen Journalisten eher untypisch. Trotz dieser Minuspunkte finde ich „Kennwort 777“ ganz annehmbar. Manchmal wird der Film für meinen Geschmack etwas zu melodramatisch, aber ich habe doch gespannt mitverfolgt, ob es gelingt, die Unschuld des Verurteilten zu beweisen.

Vielleicht bin ich zu sehr James-Stewart-Fan, aber obwohl er seine Rolle nicht ganz ausfüllt, habe ich ihn gern gesehen. Man sollte auch noch Lee J. Cobb als Chefredakteur erwähnen, der keinen entscheidenden Part hat und trotzdem auffällig und markant agiert. Die Regie von Hathaway ist ganz geradlinig; trotz zahlreicher Figuren verliert man in der Geschichte nie den Überblick. Allerdings sieht man hier Journalismus, wie ihn sich Hollywood vorstellt. Grinsen mußte ich, als ich sah, wie viel Vertrauen die Leute hier im Allgemeinen der Presse entgegenbringen, egal, ob Stewart eine Boulevardstory schreibt oder sich ernsthaft um die Geschichte kümmert. Das ist aber, denke ich, nicht Hollywood, sondern zeugt von einer Zeit, als man die Medien noch positiver bewertete.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2023, 06:34   #1281  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Jetzt, denke ich, ist die Gelegenheit, mir auch Filme anzusehen, vor denen ich bisher wegen ihrer Länge zurückgeschreckt bin. Zum Beispiel „Der Leopard“ (1963) von Luchino Visconti. Diese DVD war mal eine Beilage, mit der die Süddeutsche Zeitung für ihre Reihe „Cinemathek“ warb. Es fehlten das Booklet und die von der SZ selbst produzierte Einführung zum Film. Aber man bekam die restaurierte, nicht gekürzte Fassung, 178 statt 160 Minuten lang. Allerdings mußte ich feststellen, daß ausgerechnet die nicht synchronisierten Szenen, die mal der Schere zum Opfer gefallen waren, teilweise auch nicht untertitelt sind.

Der Film ist bewegend, aber mir auch ein bißchen fremd geblieben. Es geht um den Niedergang der italienischen Aristokratie in der Zeit des Revolutionärs Garibaldi („Risorgimento“). Die Umwälzungen werden illustriert anhand des Beispiels des sizilianischen Fürsten Don Fabrizio Conbera (Burt Lancaster) und seiner Familie. Soviel ich weiß, folgt Visconti recht getreu der Romanvorlage von Tomasi di Lampedusa. Der Film setzt sehr auf Atmosphäre und vermittelt ein Lebensgefühl, ist aber handlungsarm. Es ist nicht vorrangig eine Familiengeschichte, auch nicht ein Kostüm- und Ausstattungsfilm (obwohl er streckenweise so aussieht), und auch die äußeren historischen Umstände werden nur angedeutet. Im Kern handelt es sich um ein Porträt des Fürsten, der weiß, daß eine neue Zeit anbricht, und keine Kraft mehr hat, wohl auch die Fruchtlosigkeit erkennt, sich dagegenzustemmen. Ein reicher Emporkömmling, der aus den Machtverschiebungen seinen Vorteil zieht, zeigt dagegen, wie man sich die Veränderungen zunutze macht. Neben Lancaster gibt es zwei weitere Stars: Alain Delon als Neffe des Fürsten und Claudia Cardinale als Tochter des Emporkömmlings, die seine Braut wird. Wer letztlich gewinnt und verliert, wird dem Zuschauer nicht explizit vor Augen geführt, aber alles ist überlagert von einem Gefühl von Melancholie.

Man müßte Sizilien und seine Geschichte besser kennen, um das Geschehen einordnen zu können. Die Landschaft im Film ist schön; von der Armut der Bevölkerung, von der hin und wieder die Rede ist, bekommt man nicht viel mit – obwohl ich von Visconti, der Kommunist war, anderes erwartet hätte; am ehesten wird noch die afrikanische Hitze auf Sizilien spürbar. Aber es ist klar, warum sich der Regisseur für den Stoff interessierte: Er stammte selbst aus dem Adel und fühlte sich insofern als Teil einer untergehenden Welt. Doch man kann auch das damalige Filmgeschäft ein wenig wiedergespiegelt finden. „Der Leopard“ ist eine europäische Großproduktion, wie sie nach dem Zusammenbruch des Studiosystems Hollywoods möglich wurden. Deshalb sehen wir auch Lancaster in der Hauptrolle – ursprünglich wollte Visconti sogar Marlon Brando haben, der vielleicht schon etwas für seine Paten-Rolle hätte üben können, aber die Resignation des Fürsten wohl nicht so gut rübergebracht hätte. Lancaster indes brachte nichts mit, um seine Rolle in der europäischen Adelswelt glaubhaft zu machen – aber es gelingt.

Manches am Verhältnis von Bürgern und katholischer Kirche hat mich an „Don Camillo und Peppone“ erinnert, was ich amüsant fand. Jedenfalls wird klar, daß sich für die Kirche durch die politischen Veränderungen sicherlich nichts verändern wird. In einer Nebenrolle fällt Mario Girotti auf (alias Terence Hill). Das war etwas störend – irgendwie war ich dauernd darauf gefaßt, daß gleich Bud Spencer um die Ecke biegt. Aber an dieses Duo hat damals noch niemand gedacht. Alles in allem habe ich die drei Stunden nicht bereut. Aber man sollte sich „Der Leopard“ wirklich nur ansehen, wenn man genug Zeit dafür hat.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2023, 09:57   #1282  
Nante
Eckensteher & Mosaik-FF Mod
 
Benutzerbild von Nante
 
Ort: Nürnberch, Frangen
Beiträge: 6.581
Klingt wie ein italienisches "Buddenbrooks" oder "Krieg und Frieden" (nur ohne Schlachten). Werde ich wohl auch weiterhin die Finger von lassen.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2023, 13:03   #1283  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
"Buddenbrooks" nicht, denn die einzelnen Familienmitglieder spielen keine so große Rolle.

Eine Schlacht zwischen königlichen und Garibaldi-Truppen kommt vor, aber ohne diesen Abschnitt würde dem Film nichts Wesentliches fehlen.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.06.2023, 06:14   #1284  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Wird mal wieder Zeit für einen Western. „Der schwarze Reiter“ (1947) von James Edward Grant präsentiert John Wayne und Gail Russell in den Hauptrollen. Es ist nicht eines von Waynes maßgeblichen Werken, und ich habe die DVD auch eher wegen Russell gekauft, einem Star der 1940er und 50er Jahre, die jung starb, mutmaßlich am Alkohol. Der Schwarzweiß-Film ist einerseits sehr holzschnittartig inszeniert (allerdings mit einer ziemlich untypischen Story), andererseits wegen seines Humors gut anzusehen. Aber er hinterläßt bei mir eine ganze Reihe von Fragen.

Wayne ist ein berüchtigter Revolverheld (enger Kumpel von Pat Garrett), der verletzt von einer Quäkerfamilie aufgelesen und gesundgepflegt wird. Schon bei Erwähnung seines Namens schlottert jeder vor Angst, was nicht sehr glaubwürdig ist, da er an seiner Schußwunde beinahe gestorben wäre. Wayne hatte offenbar mit einer dreiköpfigen Bande einen Streit wegen Landerwerbs. Während er fiebernd auf der Farm der Quäkerfamilie liegt, verliebt sich die fast erwachsene Tochter (Russell) in ihn. Auch Wayne fühlt sich zu ihr hingezogen, ist sich aber nicht sicher, ob er diese Verbindung will. Seltsam: Die Eltern haben gegen die sich anbahnende Beziehung überhaupt nichts einzuwenden, obwohl sie Nächstenliebe bis zum Äußersten praktizieren und Wayne aus einer ganz anderen Welt kommt und offenbar schon eine Menge Menschen auf dem Gewissen hat. Immerhin bringt er einen Nachbarn dazu, einen aufgestauten Bach wieder zu den Quäkern weiterzuleiten.

Als Wayne in die Gemeinschaft der Quäker eingeführt werden soll und dazu eine Bibel geschenkt bekommt, wird ihm klar, daß er hier nicht hergehört, und verläßt die Familie und Russell. Er hat erkannt, daß sie einen Quäker-Verehrer hat, und versucht noch, die beiden zusammenzuführen. In der nahen Stadt nimmt er dann seinen früheren Lebensstil wieder auf mit Viehdiebstahl, Glücksspiel, Alkohol, losen Frauen und Saloonschlägereien. Er merkt aber, daß er daran nicht mehr so viel Spaß hat wie früher – Russells Einfluß hat sich ausgewirkt. Also kehrt er zu ihr zurück und will sie nun doch heiraten (der andere Kandidat ist völlig in der Versenkung verschwunden). Mehrmals taucht allerdings Sheriff Harry Carey auf der Farm auf und droht Wayne an, ihn an den Galgen zu bringen (Tenor: „Du wirst dich nie ändern“). Als Wayne einmal mit Russell im Pferdewagen unterwegs ist, nimmt die Bande (Anführer Bruce Cabot) die Verfolgung auf – das Gespann stürzt in einen Fluß, und Russell stirbt beinahe. Wayne ist nun entschlossen, Rache zu nehmen. In der Stadt treffen er, Cabots Bande, (die blitzschnell wieder genesene) Russell und der Sheriff aufeinander. Wayne hat soeben seinen Revolver bei Russell abgeliefert, als das Trio ihn zum Duell fordert. Der Sheriff erschießt Cabot und seine Kumpane, um einen Mord zu verhindern. Sein trockener Kommentar: „Es kommt immer anders, als man denkt.“ Wayne verspricht zu Russells Freude, Farmer zu werden und nie wieder eine Waffe anzurühren.

Zunächst mal frage ich mich, warum man gemeinhin so wenig über diese Tradition der Gewaltlosigkeit in den USA hört, nur immer von Schulmassakern und bewaffneten Bürgerwehren. Aber mich hätte auch die Entstehungsgeschichte dieses Films näher interessiert. Wayne hatte seine eigene Produktionsgesellschaft Batjac gegründet. Dies war sein erster selbst produzierter Film. Vertrieben wurde er von dem kleinen Studio Republic, vielleicht weil auch John Ford für Republic arbeitete und das Studio für Western bekannt war. Wikipedia schreibt, daß „Der schwarze Reiter“ sehr erfolgreich war, aber gibt weder Produktionskosten noch Einspielergebnis an. Es war Waynes erste Zusammenarbeit mit Gail Russell. Sie hatten beim Drehen ein sehr gutes Verhältnis, und Waynes Ehefrau verdächtigte ihn später, eine Affäre mit ihr gehabt zu haben, aber es gibt keinen Beweis. Sie spielte anschließend auch in „Im Banne der roten Hexe“ neben ihm die weibliche Hauptrolle. Regisseur Grant war ein erfolgreicher Drehbuchautor, der hier zum ersten Mal Regie führte. Es gibt nur noch eine weitere Regiearbeit von ihm, aber Wayne hielt wohl große Stücke auf ihn.

„Der schwarze Reiter“ war eine Anregung für Peter Weirs „Der einzige Zeuge“ (habe ich oben schon besprochen). Grant beschränkt sich allerdings darauf, die Quäker als friedliebend zu zeigen, und läßt ihre Lebensweise und Bräuche ganz im Hintergrund (im Gegensatz zu Weir). Wie erwähnt, durchzieht den Film Ironie und Humor, und nur deshalb ist er heute noch in gewissem Sinn sehenswert (für Western-Puristen ist er sicher nichts). Wayne bringt es fertig, seinen Gunman mit einem Augenzwinkern darzustellen. Gail Russell wirkt auf mich am Anfang etwas gekünstelt, wird dann aber sehr überzeugend zur Frau, die weiß, was sie will, und die sich ihren Mann erfolgreich nach ihren Bedürfnissen zurechtbiegt (soll in der Realität nicht immer so richtig funktionieren). – Weiß jemand noch mehr über diesen seltsamen Film?
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 06:09   #1285  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Beim Ansehen von „Der schwarze Reiter“ ist mir ein anderer Film eingefallen. Den hätte ich sonst hier wahrscheinlich nicht behandelt, weil ich ihn ziemlich schwach finde. „Für eine Handvoll Geld“ (1952) hat Kirk Douglas nur deshalb gemacht, weil er vertraglich dazu verpflichtet war; Regie führte Felix E. Feist. Der Originaltitel war „The Big Trees“, und auf meiner DVD heißt er nun „Under Big Trees“. Er ist für mich jetzt interessant, weil es darin – wie im Fall John Wayne – um die Begegnung eines ziemlich harten Amerikaners mit einer Quäkergemeinschaft geht. Bisher dachte ich, Peter Weirs „Der einzige Zeuge“ (in dem eine Amish-Gruppe porträtiert wird) sei ein Film ohne Vorbilder, aber vielleicht gibt es ja in USA ein ganzes Genre von Filmen über religiöse Außenseiter. Mir fällt auf jeden Fall noch „Lockende Versuchung“ von William Wyler ein, eine Innensicht von Quäkern.

Als aalglatter und knallharter Holzunternehmer kommt Douglas in ein Gebiet, in dem Quäker leben. Er ist auf betrügerische Weise dabei, Landrechte zu erwerben, und will vor allem riesenhafte Rotbuchen (laut DVD: Sequoia-Bäume) fällen, die für die Quäker als Zeichen der Schöpfung große Bedeutung haben. Darüber verhandelt er mit Eve Miller, einer attraktiven Witwe. Er lockt sie zunächst vergeblich mit der Aussicht auf enormen Gewinn und will sie dann mit seinem Charme einwickeln, aber die fromme Frau ist sowohl für Geld als auch für Komplimente unempfänglich. Sie leistet aber nur moralischen Widerstand. Douglas‘ Partner Edgar Buchanan schlägt sich jedoch aus Gewissensgründen auf die Seite der Quäker und wird Marshal. Zusammen mit dem örtlichen Richter versucht er, die juristischen Winkelzüge, derer sich Douglas bedient, zu vereiteln.

Indes macht sich Douglas seinen Vorarbeiter Harry Cording zum Feind; den Arbeitern hat er monatelang keinen Lohn mehr gezahlt. Cording erschießt Buchanan bei einem Attentat, das eigentlich Douglas gilt. Außerdem wird Millers Vater getötet, als ein gefällter Baum auf sein Haus stürzt. Das bringt Douglas endlich zur Besinnung. Während das Holzunternehmen noch auf die letzten Lizenzen wartet, wollen die Quäker so viele kleinere Bäume fällen, wie möglich, das Holz verkaufen und damit ihre Landrechte zurückerwerben. Cording verhindert das zunächst, indem er einen Damm baut, so daß die Stämme nicht mehr über Wasser transportiert werden können. Als die Quäker stattdessen eine Bahnlinie errichten, soll auch die sabotiert werden. Douglas rettet Miller und besiegt schließlich im Entscheidungskampf Cording. Die Quäker greifen am Ende ebenfalls handgreiflich in die Schlacht um die Bäume ein, was wohl vor allem ein Zugeständnis an den möglichst actionreichen Filmschluß ist.

Wieder haben wir ein ungleiches Paar, das sich allerdings nicht von Beginn an liebt. Das Quäkerleben wird hier etwas detaillierter geschildert, dafür fehlt der Humor in diesem Film fast ganz. Und die pazifistischen Quäker werden diskreditiert, indem sie am Ende auf Cordings Leute einprügeln (man merkt nur, daß sie dabei reichlich ungeübt sind). Beim zweiten Sehen fand ich „Under Big Trees“ nicht einmal so schlecht, aber die Handlung ist doch sehr konstruiert, und das Verständnis leidet erheblich darunter, daß unklar bleibt, welches Bundesgesetz erlaubte, daß Holz überall eingeschlagen werden darf, auch wenn sich die Bäume auf fremdem Grund befinden. Der Film spielt um das Jahr 1900.

Auf jeden Fall verändert sich auch Kirk Douglas unter religiösem Einfluß völlig und sieht einer gemeinsamen Zukunft mit Eve Miller entgegen. Mehr als der Held in „Der schwarze Reiter“ steht er zwischen zwei Frauen. Seine frühere Freundin ist Patrice Wymore (bekannt als zeitweilige Ehefrau von Errol Flynn), eine vergnügungssüchtige Städterin, die Douglas‘ Geschäftspraktiken übernimmt und ihm dann den Laufpaß gibt. Als Douglas dann solide wird, kann er die sehr spröde Miller für sich gewinnen. Wiederum verwundert, daß die Quäker dem Geschäftsmann, der anfangs überhaupt nicht zu ihren Prinzipien und ihrem Lebensstil paßt, mit großem Zutrauen begegnen. Es ist letztlich keine Geschichte über eine Glaubensgemeinschaft, denke ich, sondern gewissermaßen über die Zivilisierung eines wilden Westernhelden. Kirk Douglas selbst sagte über den Film, man könne ihn in seinem Schaffen überspringen.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 12:56   #1286  
LaLe
Dr. Znegilletnirepus
 
Benutzerbild von LaLe
 
Ort: Lübeck
Beiträge: 17.879
Zu den Amish fielen mir als Filme die Komödie "Zum Teufel mit den Millionen" und das Drama "Wie auch wir vergeben - Amish Grace" ein. Letzteren fand ich sehr ... eindringlich.
LaLe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 13:52   #1287  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Danke für den Hinweis. Ich kenne beide Filme leider nicht.

In "Zum Teufel mit..." geht es um ein Ehepaar, das bei den Amish untertaucht und versucht, wie sie zu leben. Bekam anscheinend gemischte Kritiken.

"Amish Grace" ist ein TV-Film und nicht in wikipedia verzeichnet. Muß mal sehen, ob ich über den trotzdem was finde.

Aktualisierung: In der englischen wikipedia ist "Amish Grace" doch drin. Da geht es darum, daß die Gemeinschaft dem Mörder von zwei jungen Amish-Frauen vergibt. Scheint ein guter Film zu sein, aber es gab natürlich eine Kontroverse darüber, ob man sowas sozusagen auf Kosten der Amish fiktionalisieren sollte.

Ich würde mir beide Filme gern mal ansehen.

Geändert von Peter L. Opmann (16.06.2023 um 13:58 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 14:00   #1288  
LaLe
Dr. Znegilletnirepus
 
Benutzerbild von LaLe
 
Ort: Lübeck
Beiträge: 17.879
Nimm die US-Wikipedia.

Ansonsten ganz interessant zu wissen, dass der Film auf Tatsachen beruht. Die wiederum findest du auch in der deutschen Wikipedia -> https://de.wikipedia.org/wiki/Massak...n_Nickel_Mines
LaLe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 14:01   #1289  
Crackajack Jackson
Comic Tramp & Nuff!-Mod
 
Benutzerbild von Crackajack Jackson
 
Ort: Gemütliche Gartenlaube
Beiträge: 12.345
'Zum Teufel mit den Millionen' ist eine leichte Komödie. Gefiel mir damals sehr gut.
Es geht darum, wie ein verheiratetes, auseinandergelebtes Paar wieder zueinander findet, nachdem es bei den Amish untergetaucht ist.
Crackajack Jackson ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 14:19   #1290  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Sie ist Kirstie Alley. Ist natürlich vielversprechend...

(Damit will ich nicht darauf hinaus, daß sie Scientologin und Trump-Unterstützerin war.)

Geändert von Peter L. Opmann (16.06.2023 um 18:33 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 19:55   #1291  
Phantom
Mitglied
 
Benutzerbild von Phantom
 
Ort: Franken
Beiträge: 694
Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Gail Russell wirkt auf mich am Anfang etwas gekünstelt, wird dann aber sehr überzeugend zur Frau, die weiß, was sie will, und die sich ihren Mann erfolgreich nach ihren Bedürfnissen zurechtbiegt (soll in der Realität nicht immer so richtig funktionieren).
Da muss ich an Tucholsky denken: "und darum wird beim Happy-End im Film jewöhnlich abjeblend't". Kann mir nicht vorstellen, dass in der Realität der Wayne-Charakter auch nur ein Jahr in seinem neuen Leben aushalten würde.

Ich habe den Film vor langer Zeit gesehen und hatte keine große Erinnerung mehr daran. Auf youtube gibt's eine s/w- und eine kolorierte Fassung. Waffen und Bibeln, die zwei großen heiligen Kühe der USA in einem Film. Aber das mit der Gewaltlosigkeit ist so eine Sache. Nachdem Wayne seine Waffe abgegeben hatte, wäre er ohne den Sheriff sofort erschossen worden. Das ist ja gerade das Argument der Waffenfans: man braucht eine Waffe, um sich gegen die Waffen der Bösen verteidigen zu können. Und im dünn besiedelten Westen ist ein Sheriff nur im Film immer rechtzeitig zur Stelle.

In einem John-Wayne-Buch glaube ich mal gelesen zu haben, dass die Quellen nicht eindeutig sind bei der Frage, ob "Angels and the Batman Badman" nun ein Plus oder ein Minus gemacht hat. Ein Riesenerfolg beim Publikum war er wohl zunächst nicht.

Schon im Vorspann wird durch's Monument Valley geritten, was will man mehr als Utah-Liebhaber. Später kommt auch noch die Gegend um Sedona vor. Ach, war das schön, als die Hintergründe noch nicht computergeneriert waren.
Phantom ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2023, 20:28   #1292  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Klar, Wayne und seinen Freunden war ja schon "High Noon" zu pazifistisch, obwohl Gary Cooper am Ende auch den Bösen umlegt.

Ich komme doch immer wieder auf "Der einzige Zeuge" zurück. Harrison Ford hat zwar eine Dienstwaffe, aber erledigt seine Gegner am Ende ohne Schußwaffengebrauch. Und er glaubt wohl tatsächlich nicht so recht, daß er mit Kelly McGillis glücklich werden könnte.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.06.2023, 16:34   #1293  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Mein Freund, der hier mitliest, aber sich nicht anmelden will, hat noch einen Kommentar zu den "religiösen Gemeinschaften" abgegeben:

Zitat:
Amish People tauchen gern in Milieukrimis auf, mehr oder weniger gut gemacht: "Zum Teufel mit den Millionen" und "Der einzige Zeuge" treffen das Milieu ziemlich gut. Diverse andere Versuche verkehren die rigide Gemeinschaft ins Alptraumhafte oder aber ins Unstimmige wie zum Beispiel eine Folge von "Mike Hammer". Ein richtiges Genre ist das nicht, eher die Thematik "Stranger in a strange Land", in der ein Detektiv oder ähnlich in eine Enklave gerät. Das kann auch Chinatown oder ein jüdisches Viertel sein, die Resultate sind ähnlich...

In der Geschichte "Der Nagel" ist ja Superman bei einem Amish-Paar aufgewachsen und als überzeugter Pazifist nie aktiv geworden, was für die ganze restliche Superhelden-Community argen Stress bedeutet...
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.06.2023, 16:50   #1294  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.323
Blog-Einträge: 3
Das könnte auch damit zusammenhängen, daß die Amish ein lockeres Verhältnis zur Außenwelt haben. Wenn es um Sekten und Extremismus geht, liegt das Problem bei religiösen Kleingruppen ja darin, daß die sich von der Außenwelt abschotten und isolieren. Kontakte zum Rest der Welt sind dann entweder schlecht angesehen oder werden kategorisch untersagt.
Soweit ich weiß, gestehen die Amish ihren Jugendlichen zwischen dem 16. Lebensjahr und ihrer Heirat zu, sich einmal in der Welt umzuschauen und sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden. Diese Phase heißt „Rumspringa“, in der Krimiserie „Großstadtrevier“ gibt es in Staffel 29 eine Episode mit dem Titel „Der Amisch“ (2016), in der das thematisch verhandelt wird.

Ob die Amish die Einzigen sind, die das so handhaben, oder ob die Quäker oder Mennoniten ähnliches praktizieren, weiß ich nicht. Mir gefällt der lockere Umgang, der eigene Erfahrungen und gegebenenfalls einen Ausstieg erlaubt. Ich halte das für eine Stärke der Amish, der ich höchsten Respekt zolle. Ich finde das vorbildlich.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.06.2023, 17:21   #1295  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Man muß da wohl zwei Dinge auseinanderhalten: Diese Leute halten sich von der "Welt" fern, und sie halten sich aber auch von modernen Entwicklungen fern. Ich glaube, die Amish haben schon Kontakte zu ihren nicht-gläubigen Nachbarn, aber durch ihre Lebensweise isolieren sie sich selbst. Beim "Rumspringa" dürfen die Jugendlichen einmal den modernen weltlichen Lebensstil ausprobieren, und man hofft, daß sie das danach nie wieder machen...

Ich habe ein interessantes Buch über die Hutterer (eine ähnliche Gemeinschaft), das sie wohl ziemlich authentisch porträtiert: "Das vergessene Volk" von Michael Holzach, einem ZEIT-Journalisten.

Man sollte aber auch unterscheiden: Wie sind diese Gemeinschaften? Und wie werden sie in Speilfilmen dargestellt? Mir ging es eigentlich nur um das letztere. Und darauf hat sich auch mein Freund bezogen.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.06.2023, 06:14   #1296  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Aus Anlaß des 17. Juni habe ich mir gestern „Die Legende von Paul und Paula“ (1973) von Heiner Carow angesehen. Das war der wohl populärste DDR-Film mit drei Millionen Zuschauern. Was mir beim ersten Ansehen an ihm merkwürdig vorkam, kann ich jetzt glaube ich etwas besser benennen. Ich habe aber natürlich einen westlichen Blick auf ihn und will respektieren, daß viele damalige DDR-Bürger davon angesprochen waren und sich darin wiederfanden.

Der Film hat drei ziemlich klar gegliederte Teile. Zuerst sieht man, wie es Angelica Domröse und Winfried Glatzeder erging, bevor sie sich kennenlernten. Sie hatte wohl mehrere kurzzeitige Affären, aus denen auch zwei Kinder hervorgingen. Von ihrem letzten Freund, einem Karussell-Schausteller, wird sie schon nach kurzer Zeit betrogen. Er ist verheiratet und hat einen Sohn, war drei Jahre lang in der Armee und stellt nach seiner Heimkehr fest, daß seine Frau sich inzwischen ebenfalls anderweitig getröstet hat. Sie hätte die Möglichkeit, einen schon älteren, aber recht wohlhabenden Handwerker zu heiraten, will aber vorher doch der Liebe noch einmal eine Chance geben. Er muß seine Ehe aufrechterhalten, weil er ein höheres Parteiamt bekleidet (etwas ähnliches gab es auch in „Spur der Steine“).

In einer Disco, in der beide mit anderen Partnern sind, bemerken sie schlagartig, daß sie sich lieben. Sie beginnen eine mehr oder weniger heimliche Beziehung. Domröse lebt anfangs ungeheuer auf, Glatzeder wirkt zunächst eher etwas gefühllos. Sie vereinbaren, daß sie sich lieben wollen, solange es eben geht. Das ist der zweite Teil des Films. Das Ende kommt, als Domröses kleiner Sohn tödlich verunglückt. Ab da redet sie mit ihm nicht mehr und wendet sich nun ihrem Handwerker zu, der unverdrossen weiter um sie wirbt. Glatzeder merkt nun, daß er sie mehr liebt, als er gedacht hat, und tut alles, damit sie ihn wieder beachtet. Dabei verwahrlost er zunehmend und verliert seine gute Stelle. Am Ende schlägt er mit einer Axt ihre Wohnungstür ein (eine Szene, die das Motto „No means no“ widerlegt…). Die Ärzte sagen Domröse, daß eine weitere Schwangerschaft für sie sehr riskant wäre, aber das ist ihr egal. Sie stirbt tatsächlich bei der Geburt, Glatzeder bleibt mit den Kindern – und der Erinnerung an sie – zurück.

Mir kam jetzt in den Sinn: Dieser Film ist wie Brechtsches Theater. Wir sehen hier keine richtigen Menschen und keine emotionale Liebesgeschichte, sondern illustrierte Ideen wie etwa: Liebe ist etwas zeitlich Begrenztes oder: Liebe kann sich gegen die Widrigkeiten des Alltags durchsetzen. Das wird wie bei Brecht durch die Inszenierung dem Zuschauer vor Augen geführt. An den entscheidenden Stellen ist der Film extrem elliptisch: Ein paar Blicke oder Berührungen genügen, um eine Liebesbeziehung zu besiegeln. Und ganz wenige Szenen aus dem DDR-Leben zeigen, was Domröse und Glatzeder an einer idealen Liebe hindert. Andererseits gelingt es Carow sehr gut, die Körperlichkeit dieser Liebe auszudrücken, ohne daß er dafür ineinander verkrallte nackte Körper filmen muß (ganz ohne Nacktheit geht es natürlich nicht, aber ich würde sagen, der Film ist im Vergleich zu dem, was zu dieser Zeit im Westen gezeigt wurde, sehr dezent). Und auch wenn Domröse und Glatzeder nur Schablonen spielen, wirken sie doch interessant und sprechen den Zuschauer irgendwie an.

In wikipedia steht einiges darüber, welchen Eiertanz das Politbüro 1973 aufführte, um sich liberal zu geben und den Film trotzdem scheitern zu lassen (was aber nicht gelang). Der Knackpunkt war, daß hier Menschen nicht wie sonst in DEFA-Filmen die Parteiziele verfolgten, sondern ihr Glück ganz abseits davon suchten. Das war vermutlich das Äußerste, was an Kritik an der DDR möglich war. Statt Planerfüllung ein kleines privates Glück – so haben viele Ost-Menschen ja auch tatsächlich ihr Leben eingerichtet. Die Musik der Puhdys ist auf der Höhe der Zeit, und auch sonst wirkt der Film überraschend 70er-Jahre-mäßig; da stand die DDR, abgesehen davon, daß alles etwas schäbiger wirkt als in der BRD, dem Westen nicht viel nach.

Geändert von Peter L. Opmann (18.06.2023 um 07:47 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.06.2023, 11:04   #1297  
Nante
Eckensteher & Mosaik-FF Mod
 
Benutzerbild von Nante
 
Ort: Nürnberch, Frangen
Beiträge: 6.581
Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
...Was mir beim ersten Ansehen an ihm merkwürdig vorkam,...
Mir kam beim erste Anschauen auch vieles merkwürdig vor.

Vom Namen her kannte ich den Film seit den 70ern. Er war oft zu hören oder zu lesen und natürlich waren auch die Titel der Puhdys ein Begriff. (Wobei wir Knirpse das "Drachen steigen lassen" wohl etwas anders verstanden haben. ) Aber zum Anschauen war ich noch "zu klein".

Als ich in den 80ern dann das richtige Alter gehabt hätte, lief der Film nicht mehr, weil die Hauptdarsteller inzwischen "abgehauen" waren.

So habe ich ihn erst nach "der Wende" angeschaut und war eher enttäuscht. Das war alles soweit her, auch die Musik war inzwischen "mega out", es gab nichts mehr, womit man sich identifizieren konnte.

Zehn Jahre später noch einmal eine zweite Sichtung, die etwas versöhnlicher ausfiel. Aber immer noch mehr ein"dokumentarischer" als ein mitfühlender Eindruck.
Ich kann verstehen, was er bei seinem Erscheinen bei den Zuschauern auslöste aber rein persönlich ist mein Blick darauf eher der eines "Wessies".
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.06.2023, 10:59   #1298  
pecush
Geisterjäger
 
Benutzerbild von pecush
 
Beiträge: 7.333
Ich habe den Film auch vor ein paar Monaten das erste Mal gesehen; bis dato kannte ich nur die Lobeshymnen und die Puhdys-Lieder.

Im Panini-Filmthread hatte ich ein paar Zeilen geschrieben:
https://www.sammlerforen.net/showpos...ostcount=10461
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.06.2023, 11:40   #1299  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.561
Diese Notiz hatte ich übersehen.

Klingt aber so, als würdest Du das für eine DDR-Liebe halten. Ich denke eher, es ist halt ziemlich abstrakt.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.06.2023, 11:54   #1300  
pecush
Geisterjäger
 
Benutzerbild von pecush
 
Beiträge: 7.333
Nö, DDR-Liebe würde ich gar nicht sagen.
Aber hat mich emotional nicht sooo abgeholt, wie andere Romanzen. Ist aber vielleicht auch gar nicht so mein Genre.
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Neues Thema erstellen Antwort

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Film und DVD


Forumregeln
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist dir nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist dir nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 22:09 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Copyright: www.sammlerforen.net

Das Sammler-Netzwerk: Der Sammler - Sammlerforen
Das Comic Guide-Netzwerk: Deutscher Comic Guide - Comic Guide NET - Comic-Marktplatz