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Alt 16.05.2024, 11:40   #2076  
Servalan
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Kennst du die Bücher von Frans Masereel? Die sind zur selben Zeit entstanden wie der Film von Ruttmann und zwischen beiden finden sich erstaunliche Parallelen, zum Beispiel der Beginn mit dem einfahrenden Zug. Eigentlich gibt es mehr als genug gleiche Motive und Rhythmisierungen der Bilderfolgen, aber wie es aussieht, sind „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ und Masereels „Die Stadt. Hundert Holzschnitte“ oder „Mein Stundenbuch“ unabhängig voneinander entstanden. Da muß etwas in der Luft gelegen haben, das ähnliche kreative Vorgänge so dicht beieinander ausgelöst hat. Trotz frappierender Motivketten sind das Entwicklungen gewesen, die nichts miteinander gemein hatten - das nennt sich wohl Zeitgeist.
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Alt 16.05.2024, 12:04   #2077  
Peter L. Opmann
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Danke für den Hinweis.

Hab' mich mit Masereel schon mal beschäftigt, aber ich wußte gar nicht, daß er mit Holzschnitten gewissermaßen sequentielle Kunst machte. Die Parallele zu Ruttmann habe ich auch nicht gesehen. Gut, ich kenne vermutlich nur einen kleinen Ausschnitt aus seinem Werk.

"Berlin. Die Sinfonie der Großstadt" wird in meinen Filmbüchern teilweise der Neuen Sachlichkeit zugerechnet, was durch die Distanziertheit gegenüber Menschen plausibel wäre. Bei Masereel finde ich dagegen nichts, was auf Neue Sachlichkeit hinweist. Was aber nicht heißt, daß es da nicht eine Inspiration gegeben haben könnte.
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Alt 16.05.2024, 14:28   #2078  
Servalan
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Antiquarisch habe ich mir die Masereel-Gesamtausgabe von Zweitausendeins zugelegt; das sind drei Schuber und ein Interviewband von Pierre Vorms. Wann immer mir einer begegnet ist, habe ich zugeschlagen; und ich fand die für den Umfang ziemlich günstig. Einzeln sind die Werke sicherlich teurer.
Für meinen Geschmack liegen Masereels Bilderfolgen irgendwo zwischen Stummfilm und Comic. Das meiste sind sequentielle Erzählungen im Sinne Will Eisners, allerdings gibt es darunter auch einige klassische Bilderzyklen.
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Alt 16.05.2024, 14:57   #2079  
Peter L. Opmann
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Klingt so, als müßte man diese Gesamtausgabe schon haben zur Vervollständigung der Comicsammlung.
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Alt 18.05.2024, 08:37   #2080  
Peter L. Opmann
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Weil ich jetzt zu Pfingsten viel unterwegs bin, muß ich mich auf eine Not-Besprechung beschränken. Dieser Kurzfilm fiel mir ein, als ich „Berlin Alexanderplatz“ sah: „Unter Null“ (1930) von James Parrott, ein Laurel-und Hardy-Film. Er hatte im Fernsehen sehr unterschiedliche Titel, etwa „Unterschlagene Noten“, „Dick und Doof als Musikanten“ oder „…in tausend Nöten“. Es ist etwas schwierig, diese Groteske zutreffend zu benennen, weil es eine ziemlich logikfreie Aneinanderreihung von – allerdings ungewöhnlichen und wirklich witzigen – Gags ist. Mir hat „Unter Null“ eigentlich nicht so gut wie einige andere Laurel-und-Hardy-Filme gefallen, aber wenn man akzeptiert, daß der Film im Ganzen keinen Sinn ergibt, ist er doch ziemlich anrührend – und dazu originell.

Wir sind also wieder in der Zeit der Wirtschaftskrise. Laurel und Hardy schlagen sich mitten im Winter als Straßenmusiker (in der Kombination Kontrabaß und Harmonium) durch. Die Instrumente zeigen schon: Diese Männer tun einfach irgendwas, um an Geld zu kommen. Zunächst spielen sie vor einem Taubstummenheim, was erklärt, daß ihnen niemand etwas für ihre Darbietungen gibt. Eine Frau wirft ihnen 50 Cent zu, damit sie woanders hingehen. Ein Schneeschipper (Charlie Hall) will sie mit Schneebällen vertreiben. Ein Blinder findet direkt vor ihnen ein Geldstück im Schnee, das ihrer Aufmerksamkeit entgangen war. In die Auseinandersetzung mit Hall mischt sich eine Frau (Blanche Payson) ein, die Hardy tüchtig einreibt und schließlich ihre Instrumente zerstört. Dann machen sie aber einen Fund: eine verlorene Geldbörse mit einem dicken Bündel Scheine. Ein brutal wirkender Gauner (Leo Willis) verfolgt sie, um sie ihnen abzunehmen, aber ein Polizist (Frank Holliday) springt ihnen bei und warnt sie, in der Gegend wimmele es von Gangstern und Halsabschneidern.

Zum Dank laden sie ihn zum Essen ein. Sie gehen in ein heruntergekommenes Lokal, wo Hardy seine ausgesuchten Tischmanieren und sein perfektes Französisch demonstriert. Immerhin bekommen sie drei offenbar vorzügliche Riesensteaks mit reichlich Beilagen. Hardy nimmt dazu noch eine Brühe und ein Dessert. Als es ans Bezahlen geht, stellt sich heraus, daß die Geldbörse dem Polizisten gehört. Ohne sich eine Erklärung anzuhören, nimmt er sie an sich, bezahlt sein Steak und überläßt Laurel und Hardy, die nun natürlich kein Geld mehr haben, dem sadistischen Oberkellner („Tiny“ Sandford). Wir haben vorher schon mitbekommen, daß es einigen Gästen, die ihre Rechnung nicht bezahlen konnten, schlecht erging. Hier muß noch der Gag mit Stan Laurels Geldbörse erwähnt werden: Sie hat gleichsam unzählig viele Fächer, aber in keinem von ihnen ist auch nur ein müder Cent. Sandford wirft sie raus. Hardy scheint er vorher ordentlich vermöbelt zu haben. Laurel wirft er in ein Faß mit Eiswasser. Der Schlußgag ist extrem absurd: Laurel trinkt sämtliches Wasser im Faß aus und bekommt einen immensen Ballonbauch. Während das Duo noch überlegt, was zu tun ist, beginnt Laurel von einem Bein auf das andere zu hüpfen und zu klagen: „Ich muß mal…“

Mit Fragen wie: Wie kommt ein Streifenpolizist zu so einer dicken Geldbörse? oder: Warum läßt sich ein Polizeibeamter von einer Zufallsbekanntschaft auf der Straße zum Essen einladen? oder: Warum wartet eine Spelunke, in der die Gewalt regiert, mit so exquisitem Essen auf? darf man sich bei diesem Film nicht aufhalten. Die Gags sind aber alle vom üblichen Team mit Leo McCarey und H. M. Walker vorzüglich ausgedacht, und sie sind nicht wiederverwertet, sondern zum Großteil neu und überraschend. Der Film wirkt trotzdem insgesamt ein wenig bitter. Ich denke, weil er die Situation der Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit um 1930 widerspiegelt. Viele mußten sich mit Tätigkeiten im Bereich des Bettelns über Wasser halten – oder mit krummen Touren, ein Restaurantbesuch war für sie normalerweise außerhalb jeglicher Reichweite. Mit Leuten, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen konnten, wurde ziemlich unsanft umgesprungen. Und man fragte dann nicht viel nach Schuld oder Unschuld. Es gibt Laurel-und-Hardy-Filme, über die ich unbeschwerter lachen kann, aber sehenswert ist „Unter Null“ allemal.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2024, 19:56   #2081  
Rusty
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Mit Fragen wie: Wie kommt ein Streifenpolizist zu so einer dicken Geldbörse?
Durch das einsammeln von Bestechungsgeldern. Damals gab es reichlich korrupte Polizisten in den großen Cities der USA.

Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
oder: Warum läßt sich ein Polizeibeamter von einer Zufallsbekanntschaft auf der Straße zum Essen einladen?
Weil es im Film Winter und kalt ist und ein Streifenpolizist einfach mal Aufwärm- bzw. Mittagspause macht.

Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
oder: Warum wartet eine Spelunke, in der die Gewalt regiert, mit so exquisitem Essen auf?
Weil einem Polizisten in einer Halsabschneider-Spelunke kein schlechtes Essen serviert wird, sondern das Beste was man grade auf Lager hat. Bevor einem der Bulle den Laden dicht machen lässt.

Viele der Laurel+Hardy-Gags von damals versteht man heute nicht mehr, weil der Kontext dazu fehlt. Denk ich mir mal so.
Rusty ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2024, 21:22   #2082  
Peter L. Opmann
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Danke für die Aufklärung.

In dem Film steckt also noch mehr Wirtschaftskrise, als ich dachte.

Es gibt ja eine spanische Version dieses Films, und da ist tatsächlich eine Szene hinzugefügt worden, in der Holliday von seinem Polizeichef das Geld zugesteckt bekommt.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2024, 15:19   #2083  
Rusty
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Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Es gibt ja eine spanische Version dieses Films, und da ist tatsächlich eine Szene hinzugefügt worden, in der Holliday von seinem Polizeichef das Geld zugesteckt bekommt.
Danke auch für den Hinweis. Diese spanische Version kenne ich gar nicht.
Generell – in den Laurel+Hardy-Filmen steckt reichlich mehr drin als man denkt.
Sachen die man erst auf den zweiten und dritten Blick sieht.
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Alt 19.05.2024, 22:10   #2084  
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Das habe ich nur bei wikipedia gelesen:

Zitat:
Gedreht wurde zugleich ein spanischer Versionenfilm von Below Zero mit dem Titel Tiembla y Titubea. Dieser ist sogar mit 27 Minuten noch etwas länger und enthält unter anderem zusätzlich eine Szene, in der sich der Polizist mit seinem Vorgesetzten unterhält und von diesem Geld in seine Geldbörse zugesteckt bekommt.
Seltsam ist, daß es keinen Eintrag in der spanischen wikipedia gibt. Denn der Polizist wurde sicher nicht von Frank Holliday, sondern von einem spanischen Schauspieler gespielt. Aber keine Ahnung, wie der hieß. Vielleicht existiert dieser spanische Film nicht mehr.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt Gestern, 15:42   #2085  
Rusty
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Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Vielleicht existiert dieser spanische Film nicht mehr.
In der Tube findet sich vieles.
STAN LAUREL & OLIVER HARDY
EN TIEMBLA y TITUBEA(SPANISH)1930
guckst du unter >
https://www.youtube.com/watch?v=yB73LBWGWpo
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Alt Gestern, 18:21   #2086  
Peter L. Opmann
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Ganz interessant. Es sind wohl nur Frank Holliday, der Polizist, und Tiny Sandford, der Oberkellner, durch spanische Darsteller ersetzt. (Die Frau, die die beiden wegschickt, ist mir noch aufgefallen - sie hat offenbar Zahnschmerzen). Leider kann ich nicht sagen, ob Laurel und Hardy annehmbar spanisch sprechen. Sie haben ihre Dialoge sicher phonetisch von Tafeln abgelesen.

Die Szene zu Beginn kommt mir so vor, als würde der Polizist von seinem Vorgesetzten belobigt und erhalte dafür eine Prämie. Aber vielleicht wird ja im Dialog doch Korruption deutlich.

Manche Szenen sind mehr ausgespielt als in der US-Version. Vielleicht mußte dieser Film auf einen Zweiakter zusammengekürzt werden. Die Story ist aber in meinen Augen tatsächlich eher einen Zwei- als einen Dreiakter wert.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt Gestern, 19:33   #2087  
Rusty
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Die Szene zu Beginn kommt mir so vor, als würde der Polizist von seinem Vorgesetzten belobigt und erhalte dafür eine Prämie. Aber vielleicht wird ja im Dialog doch Korruption deutlich.
Ich vermute das wurde gezielt von den Spaniern eingebaut, um den dicken Geldbeutel zu erklären,
und damit die Polizei generell nicht als korrupt aussehen zu lassen.
Sie bekommen viel Geld und eine Belobigung für treue Dienste, nicht weil sie bestechlich sind.
War ja in Spanien die Zeit der Franco-Faschisten als diese Version entstand.
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Alt Gestern, 20:27   #2088  
Nante
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Nein, 1930 war es noch die Monarchie, die allerdings in den letzten Zügen lag und im Folgejahr gestürzt und durch die zweite Republik abgelöst wurde.

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
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Alt Gestern, 21:20   #2089  
Peter L. Opmann
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War sicher gewagt, die Bestechung eines Polizisten in einem Unterhaltungsfilm zu zeigen.
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