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Alt 06.07.2023, 06:19   #1326  
Peter L. Opmann
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Wenn man sich durch seine DVD-Sammlung arbeitet, ergeben sich hin und wieder unerwartete Querverweise. In „The Blues Brothers“ (1979) von John Landis stieß ich unvermittelt auf das Peter-Gunn-Thema, von dem in gewisser Weise gerade die Rede war. Außerdem wird Richard Wagners „Walkürenritt“ angespielt, von dem zwar nicht die Rede war, der aber im selben Jahr in Coppolas „Apocalypse Now“ verwendet wurde. „The Blues Brothers“ ist wieder mal ein Kultfilm, was bedeutet, daß er im Kino zunächst ein Fehlschlag war, sich aber durch Wiederholungen und die Video- und DVD-Auswertung mit der Zeit doch noch einen legendären Ruf erwarb und auch kommerziell erfolgreich wurde. Bemerkenswert ist zudem, daß er vor allem in USA nicht sein Publikum erreichte, in Europa jedoch gleich einschlug. Es ist ein Film, der unterschiedliche Musik- und Unterhaltungskulturen deutlich macht.

Meine DVD enthält noch ein einstündiges Making-of; gestern abend hatte ich aber nicht mehr den Nerv, mir das anzusehen. Und so weiß ich nicht sehr viel darüber, wie es zu diesem Film gekommen ist. Bekannt ist aber, daß die Blues Brothers (John Belushi und Dan Aykroyd) für „National Lampoon“ erfunden worden waren und auch in „Saturday Night live“ bereits ihre Fans gefunden hatten. Belushi war zu dieser Zeit ein Star, und so bemühten sich Paramount und Universal um die Filmrechte. Landis, der im Fernsehen schon mit Belushi zusammengearbeitet hatte, war von Anfang an als Regisseur vorgesehen.

Aykroyd, der ein erstes Filmscript verfaßt hatte, und Landis hatten jedoch Vorstellungen, die sie mühsam gegen Universal durchsetzen mußten: Sie arbeiteten mit Legenden der schwarzen Musik, die allesamt schon lange keinen Hit mehr gehabt hatten und in der breiten Öffentlichkeit vergessen waren: Aretha Franklin, James Brown, John Lee Hooker, Ray Charles und Cab Calloway. Aus europäischer Sicht schwer nachzuvollziehen, aber sie sollten eigentlich durch aktuelle Disco-Stars ersetzt werden. Schon die Rolling Stones hatten in den 1960er Jahren Ähnliches erlebt, als sie ihre Vorbilder, darunter ebenfalls John Lee Hooker, auf die Bühne holten, die in ihrer Heimat niemand mehr kannte. Das Studio hatte womöglich recht, aber man kann natürlich nur spekulieren, wie erfolgreich „Blues Brothers“ geworden wäre, wenn etwa Rose Royce aufgetreten wären. In Europa wird einem Künstler, der mal ganz oben war, auch nach vielen Jahren noch zugejubelt – in USA ist das ganz anders. Der Film ist eine Huldigung des Blues, kurz bevor er von Rap verdrängt wurde, und insofern auch ein Zeitdokument.

Als Komödie finde ich „Blues Brothers“ nicht wirklich überzeugend. Die Handlung ist ziemlich dünn. (Zur Erinnerung: Belushi und Aykroyd versuchen, Geld für ein Waisenhaus aufzutreiben, das verkauft werden soll, und reaktivieren dafür „die Band“, die es allerdings erst nach einigen Fehlschlägen schafft, die nötigen 5000 Dollar einzuspielen. Dabei sind sowohl die Polizei, eine obskure Nazi-Organisation als auch eine verlassene Geliebte („Prinzessin Leia“ Carrie Fisher) hinter ihnen her, was ein paar ausufernde Autoverfolgungsjagden nach sich zieht.) Die vielen spektakulären Autostunts und Zerstörungsorgien hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Die Blues Brothers selbst legen eine sehr coole Performance hin, und es gibt etliche ziemlich komische und/oder schräge Szenen. Doch in meinen Augen fügt sich das alles nicht zu einer richtigen Einheit, und ich finde auch diesen Film wieder zu lang. Komödien sollten, finde ich, besser kürzer als 90 Minuten sein als länger – „The Blues Brothers“ dauert 142 Minuten. Trotzdem sollte man diesen Film mal gesehen haben.

Ich denke, ich sehe mir heute abend noch die Doku auf der DVD an und füge vielleicht noch die eine oder andere Information hinzu.
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Alt 06.07.2023, 08:53   #1327  
Marvel Boy
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Die Musik ist so genial wie es der Film nicht ist.
So, und jetzt muss ich hier schnell mal weg.

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Alt 06.07.2023, 11:14   #1328  
pecush
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Zu mir?

Aber bei einem stimme ich sofort zu: Das ist ein Kultfilm.
Wenn ich heute lese, was alles "Kult" sein soll, kriege ich oft das gekühlte Übergeben.
Blues Brothers (und Rocky Horror Picture Show) ist aber wirklich Kult. Wenn die Leute da kostümiert ins Kino rennen, das finde ich große Klasse.
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Alt 06.07.2023, 11:40   #1329  
Peter L. Opmann
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Bei "Blues Brothers" gibt's ähnliche Nachspiel-Aktionen wie bei der "Rocky Horror Picture Show"? Wußte ich gar nicht.

Naja, solange nach dem Kino nicht die Autocrashs nachgespielt werden...
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Alt 06.07.2023, 11:44   #1330  
pecush
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Zumindest verkleiden sich die Fans, wenn sie ins Kino gehen. Und auch sonst so sieht man die Fans verkleidet.
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Alt 07.07.2023, 06:10   #1331  
Peter L. Opmann
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Naja, viel Erkenntnisgewinn hat die Doku nicht gebracht. Sie heißt „The Stories behind the Making of The Blues Brothers“ und wurde von Joseph Kenny für Universal Home Video gedreht. Es ist vor allem Promotion für den Film, und alle klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Die Musikstars im Film hatten, wenn man der Darstellung glauben darf, zu der Zeit nicht einmal Live-Engagements und waren froh, als sie angefragt wurden, ob sie mitwirken möchten. Das galt allerdings nicht für Ray Charles, der wohl immer noch gut im Geschäft war. Alle sagen übereinstimmend, daß ihre Karriere nach der Veröffentlichung des Films wieder kräftig Auftrieb bekam. Und interessant fand ich: Cab Calloway, der noch aus der Swing-Ära der 1940er Jahre stammte, hatte seinen Hit „Minnie the Moocher“ schon in allen möglichen Stilen dargeboten und wollte ihn in „Blues Brothers“ am liebsten im Disco-Sound vortragen. Laut Landis war einige Überredung nötig, daß er ihn so sang, wie er ursprünglich geklungen hatte.

Der Film kostete 27 Millionen Dollar und überzog sein Budget kräftig. Da hätte mich interessiert, warum sich Universal darauf einließ – es hatte ja schon zu Beginn Bedenken wegen der ungewöhnlichen Bluesmusik gegeben. Aber es ist klar, daß es angesichts der Kosten nicht leicht war, in die schwarzen Zahlen zu kommen. Teuer waren sicher vor allem die Materialschlachten. Unter anderem hatte ein Scout ein leerstehendes Einkaufszentrum entdeckt, in dem dann eine Autoverfolgungsjagd stattfand. Die Läden wurden wieder mit Waren dekoriert. Es wurde vorab geklärt, welche Läden zerstört werden durften und welche nicht, und das Filmteam machte mit den Händlern aus, daß nur die Waren bezahlt werden mußten, die während des Drehs kaputtgemacht wurden. Dazu erzählt Landis eine witzige Geschichte: Da die Dreharbeiten in dem Einkaufszentrum eine Woche dauerten, wurde eine Wachmannschaft engagiert, damit es nicht zu nächtlichen Plünderungen kam. Trotzdem verschwand einige Ware, und es stellte sich heraus, daß die Wachen die Diebe waren. Landis: „Wir brauchten Wachleute, um die Wachleute zu bewachen.“

Noch eine Bemerkung zu „The Blues Brothers“ selbst: Manche Gags haben mich an alte Slapstickfilme erinnert. Die Autoverfolgungsjagden, bei denen Elwood und Jake von Unmengen von Polizeiwagen verfolgt werden, sind für mich eine Referenz an Buster Keatons „Cops“ von 1922. Einmal steigen sie aus ihrem Auto, das dann zusammenbricht – eine Laurel-und-Hardy-Routine. Und als sie sich unverletzt aus den Trümmern ihrer Absteige wühlen, die Carrie Fisher gerade mit ihrer Bazooka zusammengeschossen hat, oder den Flug und Absturz einer Telefonzelle unversehrt überstehen, die in die Luft gejagt wurde, liegt der Ursprung dieser Gags auch im Slapstickfilm. – Das soll keine Mäkelei sein. Daß Landis diese alte Filmkunst wiederbelebt, finde ich ebenso verdienstvoll, wie James Brown oder John Lee Hooker wieder vor die Kamera zu holen.
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Alt 07.07.2023, 06:28   #1332  
Marvel Boy
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Die meisten Dokus die man auf den Scheiben findet lohnen nicht den Zeitaufwand sie anzuschauen, alles immer nur Sprüche, schaut wie toll wir sind. Ich hab bisher nur wenige lohnenswerte Ausnahmen gesehen.

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Alt 07.07.2023, 06:37   #1333  
Peter L. Opmann
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Völlig nichtssagend fand ich dieses Making-of nicht, aber es war halt nur vielleicht ein Drittel des Films interessant, und den Rest hätte ich mir schenken können.
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Alt 07.07.2023, 08:24   #1334  
Marvel Boy
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Ein drittel ist schon mehr als die meisten Scheiben zu bieten haben.

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Alt 07.07.2023, 10:30   #1335  
Peter L. Opmann
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Grob geschätzt.
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Alt 07.07.2023, 12:52   #1336  
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Lese ich hier verhaltene Kritik an den Blues Brothers? Da muss ich aber reingrätschen.

In meiner Jugendzeit lief der Film in einem Nürnberger Kino endlos (ich glaube, fast 10 Jahre lang, wenn auch am Ende nur noch einmal pro Woche). Da musste man einfach regelmäßig hin. Viele Leute kamen da auch wirklich mit schwarzen Anzügen und schwarzen Sonnenbrillen ins Kino (ich nicht, ich hatte für so etwas kein Geld).

Ich bin also nicht ganz objektiv, aber ich kann mich heute auch beim x-ten Sehen noch vor Lachen wegwerfen. Ja, manche Szenen sind etwas albern. Die Story ist natürlich auch eher dünn, aber, hey, das ist quasi ein Musical, und welche Musical-Handlung ist nicht dünn? Nein, nein, das ist der Film, für den der Begriff "Kultfilm" erfunden wurde. Die Musik-Acts sind grandios, Jake und Elwood sind sowas von cool, einige Sprüche haben es in meinen Alltagswortschatz geschafft ("wir bringen die Band wieder zusammen", "wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs").

(Und Spielberg hat einen kleinen Auftritt als Finanzbeamter, das habe aber erst vor ein paar Jahren mitbekommen.)
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Alt 07.07.2023, 12:57   #1337  
underduck
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Jupp! ... sind wir nicht alle im Auftrag des Herrn unterwegs?


Oh, Heilige Mutter der gesegneten Beschleunigung, verlass mich jetzt nicht!"
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Alt 07.07.2023, 13:52   #1338  
Crackajack Jackson
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Um es mit Aretha Franklin zu sagen: Denkt noch mal darüber nach.
Für mich ist es auch ein Kultfilm mit einer tollen, anspruchsvollen Handlung, die auf vielen Ebenen fuktioniert.
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Alt 07.07.2023, 14:07   #1339  
Peter L. Opmann
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Hab' ich's also doch geschafft, ein paar Reaktionen zu provozieren...

Ich habe das so geschrieben, wie ich das empfunden habe. Vielleicht muß man den Film zusammen mit vielen Anzugträgern im Kino sehen (was haben da eigentlich die Frauen an?). Ich habe "Blues Brothers" leider immer nur im Fernsehen oder auf DVD gesehen.

Als Musical wird der Film in der Doku auch bezeichnet. Mit dem Genre kenne ich mich zu wenig aus, um sagen zu können, ob das als Entschuldigung taugt.
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Alt 07.07.2023, 14:37   #1340  
pecush
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Ich habe "Blues Brothers" auch nie im Kino gesehen; da ich aber Dan Aykroyd sehr mag und die Musik, die ich im Vorfeld auch schon kannte, waren meine Erwartungen bei der Erstsichtung schon sehr hoch.
Ganz abholen konnte mich der Film nicht, da fand ich "Rocky Horror", um im Kult-Bereich zu bleiben, besser.
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Alt 07.07.2023, 15:01   #1341  
underduck
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Mehr als 30 mal in Köln im Kino gesehen.
Als im Kölner Kino zum ersten mal ein Huhn mit abgeschlagenem Kopf in der Blutszene von Meat Loaf über das Publikum flatterte, hatten viele die Schnauze vom Rocky-Horror voll. Ich auch!
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Alt 07.07.2023, 15:04   #1342  
pecush
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Kann ich verstehen.
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Alt 07.07.2023, 15:16   #1343  
Marvel Boy
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Der Film kann nichts für verstörte Anhänger aber sowas möchte ich im Kino auch nicht erleben.

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Alt 07.07.2023, 16:21   #1344  
Crackajack Jackson
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Rocky Horror wird noch mehr zelebriert und ist schon fast ein interaktiver Film.
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Alt 09.07.2023, 06:28   #1345  
Peter L. Opmann
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H. G. Wells ist bekannt für seine Romane „Die Zeitmaschine“, „Der Krieg der Welten“, „Der Unsichtbare“ und „Dr. Moreaus Insel“. Eine direkte Vorhersage der Zukunft der Menschheit ist ihm etwas verunglückt. Ich rede von dem britischen Film „Things to come“ (1936) von William Cameron Menzies, einer Verfilmung, an der Wells als Drehbuchautor maßgeblich mitwirkte. Er ist offenbar public domain und auf youtube zu sehen. Auch Wells hatte keine Kristallkugel, die ihm die Zukunft enthüllte, aber der Film gab dem Genre wichtige Impulse. Es ist auch interessant, wo er mit Vorhersagen beinahe ins Schwarze traf und wo er klar danebenlag.

In Deutschland war „Things to come“ erst 1977 erstmals, und nur im Fernsehen, zu sehen. Wells wollte einst „Metropolis“ eine realistischere Zukunftsvision entgegensetzen. Aber das Werk von Fritz Lang und Thea von Harbou war immerhin eine Vision, während sich der vorliegende Film eigentlich unnötig mit Vorhersagen abmüht. Er beginnt mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und zwar im Jahr 1940. Wells sah ihn bereits als Bombenkrieg, wozu er tatsächlich wurde, und die idealtypische englische Stadt Everytown wird in Schutt und Asche gelegt. Allerdings dachte Wells nicht an Schutzbunker, und die Flugzeuge im Einsatz sind teilweise noch Doppeldecker. Vor allem fällt auf, daß er sich um mögliche Kriegsgründe und auch die Benennung der kriegführenden Nationen elegant herummogelt. Er greift einfach die Kriegsangst auf, die 1936 bereits in ganz Europa herrschte. Laut dieser Vorhersage dauert der Krieg bis mindestens 1966. Am Ende ist jegliche Zivilisation zerstört, und die Bevölkerung ist um die Hälfte dezimiert, vor allem durch den Einsatz biologischer Waffen, die eine weltweite Seuche auslösen. 1970 sieht die Welt recht mittelalterlich aus; vor allem gibt es keine Treibstoffe und keine Elektrizität mehr. Nun wird England - oder jedenfalls Everytown - von einem Diktator (Ralph Richardson) regiert, der aber mit Vorbildern wie Mussolini, Franko, Stalin oder auch Hitler wenig gemein hat. Er ist ein primitiver und brutaler Warlord – immerhin hat seine Frau (Margaretta Scott) ein bißchen Grips.

Ein anderer Diktator (Raymond Massey) taucht mit einem ehrfürchtig bestaunten Flugzeug in Everytown auf. Er ist ein wohltätiger Wissenschaftler und Rationalist, der die Terrorherrschaft im Land beenden und es wieder prosperieren lassen will. Vorerst wird er festgenommen, aber Richardson bemüht sich, mit ihm zusammenzuarbeiten, um sich auch wieder eine Flugzeugflotte zu verschaffen. Er bekommt ihn aber nicht unter Kontrolle und wird, wie auch seine Armee, schließlich durch ein Betäubungsgas außer Gefecht gesetzt. Die Bevölkerung spielt in diesem Konflikt keine Rolle – die Volksmeinung zählt nichts, und im gesamten Film nehmen niemals Politiker, geschweige denn politische Parteien auf das Geschehen Einfluß. Das könnte ein aufschlußreiches Licht auf die Mentalität in den 30er Jahren werfen.

Im letzten Drittel des Films springt Wells weit in die Zukunft. Im Jahr 2036 bereitet sich das wiederaufgebaute und industrialisierte England auf den ersten Mondflug vor. Auch hier ist seine Sicht der Zukunft nicht sehr treffsicher. Er wußte offenbar nicht, daß Pläne eines Raumflugs schon weit gediehen waren. Ich denke, Lang und Harbou waren mit ihrem Film „Die Frau im Mond“ (1929) schon näher an der Wirklichkeit als Wells ein paar Jahre später. Der Film unterstreicht hier noch einmal sein Ideal einer Scientokratie. Ein Aufstand gegen den immerwährenden wissenschaftlichen Fortschritt wird angezettelt, aber Nachkommen von Massey und eines Freundes können mit der Rakete ins All starten, bevor der Mob die Startrampe erreicht.

Insgesamt liegt der Film mit seiner Zukunftsschau öfter weit daneben, als er zutreffende Voraussagen macht. Immerhin ist er einer der wenigen Versuche, die Science Fiction im Kino ernstzunehmen. Man kann allerdings wohl froh sein, daß Wells‘ zentrale Vision, daß nämlich die Wissenschaft die Menschheit in ein neues Paradies führen wird, nicht wahrgeworden ist. Die meisten Wissenschaftler würden eine solche Verantwortung, denke ich, auch dankend ablehnen. Ein Problem liegt darin, daß „Things to come“ eine Geschichte erzählen muß, damit er auch ein Unterhaltungsbedürfnis befriedigen kann. Wenn der Film einen quasi-dokumentarischen Ton anschlägt, gefällt er mir besser. Dennoch ist er für mich in keiner Sekunde langweilig. Allerdings bekommt man in der Regel eine auf knapp 90 Minuten gekürzte Fassung zu sehen. Ursprünglich war der Film 130 Minuten, in der ersten Kinofassung immerhin noch 117 Minuten lang. Was davon gekürzt wurde, ist verlorengegangen und wurde für eine DVD-Fassung mithilfe von Standbildern und Scriptzitaten rekonstruiert. Ich habe nur die gekürzte Fassung.

Regisseur Menzies war hauptsächlich Filmarchitekt, weshalb die futuristischen Bauten besonders gelobt werden. Ich habe den Eindruck, daß er jedoch klugerweise in dieser Hinsicht nicht versucht hat, „Metropolis“ zu übertreffen. Die SF-Kulissen werden relativ zurückhaltend eingesetzt, sehen aber nicht viel anders aus als etwa die in dem gleichzeitig produzierten „Flash Gordon“-Serial. Trotzdem gefällt mir die Optik des Films ziemlich gut. Die Special Effects sind – wenig verwunderlich – überholt; meist werden Modelle und Rückprojektionen eingesetzt. Alles in allem ist „Things to come“ eine auf interessante Weise schiefgegangene Zukunftsvision – für Science Fiction-Fans unbedingt sehenswert.

Geändert von Peter L. Opmann (09.07.2023 um 07:27 Uhr)
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Alt 09.07.2023, 13:58   #1346  
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Ich schätze Wells Bücher, die Verfilmungen dazu häufig weniger, Things To Come war nicht schlecht aber auch nichts was sich lange ins Gedächtniss brennt.

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Alt 09.07.2023, 14:59   #1347  
Peter L. Opmann
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"Die Zeitmaschine" mit Rod Taylor habe ich in positiver Erinnerung (müßte ich mir auch mal wieder ansehen). Zu "Krieg der Welten" gibt es das phänomenale Hörspiel von Orson Welles, das ich auch als Tondokument besitze. "Der Unsichtbare" gehört zu den klassischen Universal-Horrorfilmen.

"Dr. Moreau" habe ich leider nie als Film gesehen. Dann gibt es natürlich noch etliche weitere Wells-Verfilmungen, sicherlich teils ganz gut, teils weniger.
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Alt 09.07.2023, 17:14   #1348  
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Die Zeitmaschine mit Rod Taylor ist für mich ein Kultfilm, Krieg der Welten / Kampf der Welten von 1953 auch. Der Krieg der Welten von 2005 hat schauwert entfernt sich aber des Spektakels wegen vom Original.
Der Unsichtbare von Universal ist ebenfalls Kult und hatte ja einige Fortsetzungen. Die Version mit Chavy Chase ist klasse allerdings auch nur dem Namen nach mit dem Original verbunden.
Dr. Moreau, da finde ich den ersten Film Die Insel der Verlorenen Seelen interessant, ist aber nicht in der ersten deutschen Syncro zu bekommen und wenn man auf das original zurückgreift ist die Bildqualität recht schlecht. Es mag da aber besseres geben das ich noch nicht in die Finger bekommen habe.
Alle weiteren Moreau Filme haben mich nicht begeistern können.
Zu den ersten drei genannten Titeln gibt es ja auch noch einige weitere Verfilmungen, zum Unsichtbaren auch noch eine TV Serie, alles leidlich gut bis richtig schlecht.

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Alt 09.07.2023, 18:06   #1349  
Peter L. Opmann
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Es ist natürlich schwierig, ein ganzes Filmgenre über einen Kamm zu scheren. Aber SF-Filme waren lange Zeit eher Trash, besonders in den 1950er Jahren. Und da sticht "Things to come" etwas hervor, weil H. G. Wells sich da wirklich Gedanken gemacht hatte und nicht bloß ein paar Jugendliche erschrecken wollte.

Du kennst eindeutig mehr Filme nach Wells-Stoffen als ich. Doch mir scheint es, daß sein Name öfters für einen interessanten Film steht, auch wenn man das differenziert betrachten muß und die Filme sicher nicht immer das waren, was er sich vorgestellt hätte.
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Alt 09.07.2023, 18:18   #1350  
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Ich liebe den Trash der 50er!
Aber genauso die die Öko-SF Filme der 1970er.
Von daher, anspruchsvolle SF mit Zukunftsversion ist nie verkehrt. Ich lese auch sehr gerne noch die Romane der 60er und 70er auch wenn die inhaltlich natürlich längst überholt sind.
Also wenn ich die Summe der Welles Verfilmungen bzw. der Verfilmungen nehme die sich auf ihn beziehen ist die der gelungenen Filme eher in der Minderheit was aber auch daran liegt das heutzutage "Filme" noch billiger zu produzieren sind als früher, siehe The Assylum.
Andererseits gibt es aber auch ein paar wirklich gute Filme die auf Welles fußen.
Mit Things To Come war er sicherlich seiner Zeit vorraus im Bezug darauf sich wirklich Gedanken über eine realistische Zukunft zu machen.

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