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Alt 21.08.2015, 13:09   #1  
Servalan
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Niemand muß etwas. Aber gewisse Dinge lassen sich nicht theoretisch beurteilen, stattdessen muß jemand die durch Versuch und Irrtum herausfinden. Da müssen Erfahrungen gemacht werden, um zu wissen, was jemand wirklich will. Die Literaturszene vor Ort oder Foren sehe ich in dieser Hinsicht als Labore, in denen Leute mit Ambitionen experimentieren können.

Inwieweit sich das Können zur Karriere eignet, das läßt sich nur durch ein Feedback herausfinden, also ein Publikum aus Fremden und Unbekannten. Verwandte, Bekannte oder Freundeskreise scheuen vor einer ehrlichen Meinung zurück, wenn die verletzen könnte.

Qualität setzt sich nicht automatisch durch.
Es gibt keine standardisierten Protokolle, und das führt zu einer Schieflage. Einerseits stapeln sich in den Regale laufende Meter von Titel, bei denen ich es bedauerlich finde, daß dafür Bäume sterben mußten. Andererseits gibt es brillante Manuskripte, die immer im halböffentlichen Bereich bleiben und nie auf den Markt kommen.
Erfahrungen und Erlebnisse in der Literaturszene helfen dabei, seine eigenen Chancen einzuschätzen und sich ein konkretes Bild von der Situation in der Literaturbranche zu machen. Wer sich umgesehen hat, kann sich bewußt dafür oder dagegen entscheiden.

Durch die erweiterten technischen Möglichkeiten (Selbstverlag, Book-on-Demand, eBook, Kickstarter und andere Crowdfunding-Projekte) muß sich heute niemand mehr auf den offiziellen Literaturzirkus einlassen. Dessen Bedeutung ist gesunken. Aber auch in diesem Sektor werden Kenntnisse, Fähigkeiten und Eigenschaften verlangt, die jemand beherrschen sollte.
Wer sich weniger anstrengen möchte, kann ja Lotto spielen oder Lose rubbeln.
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Alt 22.08.2015, 07:34   #2  
G.Nem.
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Niemand muß etwas. (...)
Doch, ab einem gewissem Punkt im Leben musst du. Wenn es in dir ist.

Zwei Buchempfehlungen zu dem Thema:

Stephen King 'Das Leben und das Schreiben'

und unbedingt hinterher lesen

Susanna Tamaro 'Ein jeder Engel ist schrecklich'

Das Buch von der Tamaro ist aktuell (August 2015) in einer günstigen TaBu-Ausgabe erhältlich.
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Alt 22.08.2015, 09:26   #3  
Peter L. Opmann
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Ja, in die Richtung denke ich auch. Das Ideal wäre: Der Autor schreibt etwas, um sich selbst damit auszudrücken - er artikuliert seine unverwechselbare Stimme. Kann sein, daß das keine Leser interessiert und es sich nicht verkauft - schade, aber kommt vor.

Aber wenn das, was er geschrieben hat, gut ist oder jedenfalls mit Hilfe eines Verlags Leser finden würde, aber das Manuskript in der Schublade bleiben muß, weil die Verlage nur auf Autorennamen setzen, die schon eingeführt sind oder auf sonstige Weise nur auf Rendite aus sind oder man gar nur durch Beziehungen und/oder Intrigen in den Literaturmarkt reinkommt, das ginge mir gegen den Strich.

Ich bin übrigens mit meiner Auftragsschreiberei soweit zufrieden. Es ist halt auch eine sichere Sache: Ich bekomme einen Auftrag und weiß von vorneherein, daß ich ihn erfüllen kann. Ich habe auch kein Manuskript in der Schublade, das unbedingt veröffentlicht werden müßte. Aber als Bücherleser interessiert mich der Literaturbetrieb doch.
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Alt 22.08.2015, 11:45   #4  
Servalan
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Deshalb habe ich die Distanz zwischen Schreiben und Veröffentlichungen in der Überschrift betont. Dazwischen liegt eine unheimliche Strecke, bei der nicht immer die Besten zum Ziel gelangen.

Der Schreibimpuls ist das eine: Soweit ich das beurteilen kann, muß das eine uralte Sache sein. Den schon in den ersten Versen der Ilias von Homer sieht sich der Rhapsode als Werkzeug der Musen, denen er hilflos ausgeliefert ist und nachkommen muß.
Aber der muß kontrolliert und gezähmt werden, damit lesbare Werke herauskommen und kein idiosynkratisches Zungenreden. Wer sich in einem Maße auf Sprache eingelassen hat, daß er oder sie anderen nur schwer vermitteln kann, befindet sich in der Lage eines Menschen mit Asperger. In diesem Fall kann es Generationen dauern, bis die Mitwelt das Werk anerkennt: Die berühmteste Dichterin mit Weltliteratur in der Schublade war die Lyrikerin Emily Dickinson ...

Das Veröffentlichen, also der Schritt vom Manuskript zum Buch, verlangt andere Qualitäten. Von daher betrachtete ich einen Agenten in diesem Bereich als einen Coach. Manche Leute haben Glück und finden diese hilfreiche Unterstützung bei ihrem Lebenspartner (die berüchtigte 'Dichterwitwe') oder im nächsten Freundeskreis - siehe Eva Gabrielssons Anteil an Stieg Larssons Millennium-Trilogie.
Djian hat einer solchen Freundin in seiner Titelheldin Betty Blue ein Denkmal gesetzt.

Durch Slam Poetry hat der gesprochene Vortrag noch einmal an Wert gewonnen. Durch Audioblogs und Hörbücher gibt es hier Chancen für Leute, denen an der Sprache Elemente wichtig sind, die im Schriftlichen verpuffen oder überlesen werden.
Insofern gibt es auch den Autor als coole Rampensau, die nach Applaus hungert und erst auf der Bühne auflebt. Solche Leute können im privaten Umgang eher schüchtern sein ...

Wer sich im literarischen Markt nicht auskennt, kann sich verirren.
Was zu mir paßt oder nicht, muß ich am eigenen Leibe herausfinden. Auf dem grünen Tisch der theoretischen Spekulation bringt das nichts.

Geändert von Servalan (29.10.2016 um 15:28 Uhr)
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Alt 22.08.2015, 14:23   #5  
Servalan
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Standard Zum 125. Geburtstag von H.P. Lovecraft

Lovecraft hat eine Menge geschrieben und viel veröffentlicht. Ein umfangreicher Teil seines Werks wurde allerdings erst nach seinem Tod veröffentlicht, und richtig annerkannt wurde er mit erheblicher Verzögerung. (Vor kurzem erschien eine Neuauflage von Houellebecqs Lovecraft-Essay mit einem Vorwort von Stephen King - Was für eine Kombination!)

telepolis gedenkt ihm mit einem alten Artikel:

Claus Jahnel: Das ist nicht tot, was ewig liegt... H. P. Lovecraft im Netz und anderswo - Eine aktuelle Bestandsaufnahme zum Cthulhu-Mythos (08.10.2003)
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Alt 22.08.2015, 14:31   #6  
Peter L. Opmann
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Der kommt dem oben genannten Ideal ziemlich nahe: Hat nur in Fanzines und Pulpmagazinen veröffentlicht und war zufrieden damit. Lovecraft hat allerdings, soviel ich weiß, von einem Erbe gelebt, das trotz anspruchsloser Lebensführung am Ende seines Lebens ziemlich aufgebraucht war. Für ein Alterswerk hätte es nicht mehr gereicht.
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Alt 22.08.2015, 14:50   #7  
Servalan
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Wenn Schriftsteller interviewt werden, fällt des öfteren der Satz: Nicht der Autor habe sich ein Thema gesucht, sondern das Thema habe sich dem Autor geradezu aufgedrängt. Der Autor konnte nicht anders und mußte schreiben ...

Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut, weil es mich überfällt, wenn mich etwas beschäftigt, es aber keine klare Lösung gibt. Ein literarischer Text erscheint dann wie die kürzeste, die prägnanteste und schlüssigste Form.
Auf diese Weise kann ich verschiedene Strategien und Wege (in den Figuren) nebeneinanderstellen und kontrastierenden, ohne platt werten zu müssen. Wegen der damit verbundenen Komplexität ist das eine Expedition ins Ungewisse, von der ich nicht weiß, ob sie mich an einen Schlußpunkt führt. Das Geschehen gewinnt eine eigene Dynamik, die sich kaum kontrollieren läßt, und die Figuren werden 'lebendig'.

Was für den einen Autor falsch und kontraproduktiv wäre, kann ein anderer als Befreiung empfinden. Menschen sind widersprüchlich ...
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Alt 17.03.2016, 13:06   #8  
Servalan
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Standard Suchst du die Geschichte? Oder sucht die Geschichte dich? II

Zitat:
Zitat von G.Nem. Beitrag anzeigen
Doch, ab einem gewissem Punkt im Leben musst du. Wenn es in dir ist.
Rein theoretisch lassen sich zwei verschiedene Ansätze unterscheiden. Ich spreche bewußt von Ansätzen, weil in der Praxis beide Methoden ineinander übergehen können. Teilweise hängt das von der Intensität, dem Aufwand und der verwendeten Zeit ab, welcher Ansatz wann und wo bei wem den Ton angibt.

A) Die systematische Recherche

Wenn ich mir den Zugang zu einem neuen Wissensgebiet erarbeiten muß, bleibt mir nur die systematische Recherche. Denn ich muß Fachtermin wie Vokabeln büffeln, mir grundlegende Gedanken und Methoden aneignen sowie ein fundiertes Grundwissen verinnerlichen.
Gerade zu Beginn eines solchen Unterfangen sind Mentoren oder Tutoren hilfreich. Basis-Handbücher und Nachschlagewerke für Berufsanfänger stehen häufig in den Regalen der Buchkaufhäuser, wo sie sich durchblättern lassen. Ringvorlesungen an Universitäten bieten vergleichbare Einblicke in verschiedene Studienfächer.
Die ersten Referate vor der Schulklasse fordern als erste die Fähigkeiten heraus. Dabei geht es darum, sich selbst mit dem Stoff so vertraut zu machen, daß es gelingt, ihn in eigenen Worten an Dritte zu vermitteln.

Wer sich mehrere solcher Gebiete erobert hat, dem stellen irgendwann offene Fragen. Obwohl bestimmte Details für das Referat, den Artikel oder das Manuskript keine Rolle spielen, möchte ich die Antwort wissen. Das liegt möglicherweise daran, daß ich dieses Thema weiterhin verfolgen möchte oder mich gewisse Antworten verstören können.

Denn manchmal verlangt eine Geschichte ein Wissen, das heute obsolet ist. Ein gutes Beispiel dafür sind veraltete Heilmethoden: Über etliche Jahrhunderte war die sogenannte Säftelehre im Schwange. Krankheiten wurden den vier antiken Temperamenten und ihren entsprechenden Körpersäften (Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle) zugeordnet.
In einem historischen Roman muß eine glaubwürdige Medikus-Figur aus heutiger Sicht falsch handeln und seinen Patienten, wie es die Mode verlangt, zur Ader lassen - obwohl er damit den Zustand verschlechtert.

B) Allgemeine Neugier: Ständige Recherche

Je länger und je intensiver ich mich mit etwas beschäftige, desto vertrauter wird mir der Stoff. Das menschliche Gehirn denkt assoziativ, nicht logisch. Und häufig genutzte Verschaltungen in den Synapsen wachsen sich zu gebüschartigen Clustern aus.

Häufig überschneiden sich eigentlich grundverschiedene Disziplinen (wie Medizin und Geschichte im Beispiel oben). Im Gegensatz zum festen Curriculum während des Studiums gibt es im Selbststudium keinen verbindlichen Fahrplan.
Vielmehr führen Antworten zu neuen Fragen.

Durch die ständige Recherche lese ich eigentlich immer und überall etwas. Vorlesungen und Fachbücher ziehe ich dabei populärwissenschaftlichen Zeitschriften vor. Ab und zu wird ein Abgleich mit dem aktuellen Kenntnisstand eines Sachgebiets nötig, denn in unregelmäßigen Abständen können sich einzelne Disziplinen komplett verändern. Was gestern üblich war, gilt heute als veraltet.
Der Fachbegriff dafür lautet Paradigmenwechsel.

Im Laufe der Zeit gewinnt dieser Prozeß eine eigene Dynamik, die sich der bewußten Kontrolle entzieht. Unbewußt denkt das Hirn weiter, verknüpft dieses mit jenem und etwas anderen - und irgendwann überfällt mich die Idee für eine Geschichte oder ich sehe eine Szene vor meinem inneren Auge, die ich unbedingt zu Papier bringen muß.

Geändert von Servalan (19.03.2016 um 16:17 Uhr)
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Alt 24.03.2016, 14:57   #9  
Servalan
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Standard Fürs Storytelling recherchieren

In der Theorie klingen die Ratschläge einfach, in der Praxis ist jedoch Vorsicht geboten: Für einen Roman oder eine Kurzgeschichte muß ich anders zuwegegehen als bei einem wissenschaftlichen Artikel oder einem Beitrag für eine Enzyklopädie. Das Erzählen selbst steht im Vordergrund, also entweder die Story mit ihren Charakteren oder der Rhythmus der Sprache, der faszinieren muß.

Wenn das Mittel falsch dosiert wird, kann ich mich auch mit den besten Vorsätzen zutode recherchieren - dann komme ich nie zu Potte. Oder ich vergeude zuviel Zeit (die mir dann beim Schreiben fehlt) mit winzigen Details, die eigentlich überflüssig sind - und als Geschwätz im Lektorat spätestens gestrichen werden.

Eine Szene oder eine Idee liefern nur die Anregung für einen komplexen Prozeß, in dem sich beide Elemente - das Schreiben und das Recherchieren - ineinander verzahnen und sich miteinander abwechseln.
Deshalb ich wissen, wofür ich recherchiere. Was muß ich wissen, was darf ich wissen und was sollte ich eher beiseite lassen, um den Erzählfluß nicht zu unterbrechen.

Sich für eine Figur, zum Beispiel einen Profiler oder eine Pathologin im Krimi, Wissen anzueignen, dürfte eher eine leichte Übung sein. Falls es sich um eine Hauptfigur handelt muß ich intensiver zuwerkegehen als bei einer Nebenfigur. Schreiben bedeutet Drama, im Gegensatz dazu verläuft der realistische Alltag in den meisten Berufen und Disziplinen eher unspektakulär.
Außerdem möchte das Publikum nicht belehrt werden, sondern sich seinen Teil selbst denken. Lassen wir ihm das Vergnügen. Wissen sollte bewußt und gezielt eingesetzt werden, um etwas durch den Text im Text selbst zu verdeutlichen. Heute wissen meiner Ansicht nach sogar die "bildungsfernen Schichten" mehr als die gewöhnlichen Leute vor 100 Jahren.

Für solche Standards gibt es häufig Nachschlagewerke, die in den Handapparat auf dem Schreibtisch oder neben das Keyboard gehören:
  • Der Pschyrembel oder ein anderes Medizinlexikon.
  • Aktuelle MINT-Zeitschriften und -Fachbücher (offline oder online).
Ihr müßt euch nicht jedes Buch kaufen. Stadtbibliotheken und Unibibliotheken bieten ein reichhaltiges Sortiment, das meist nutzen kann, wer in den kommunalen Grenzen seinen Wohnsitz hat.

Als ich mein Abi gebaut habe, wollte ich auf Shakespeare geprüft werden. Um mich vorzubereiten, habe ich eines seiner Dramen per Hand abgeschrieben, weil ich wissen wollte, wie es funktioniert. Diese Übung hat mich fast einen Monat gekostet, aber danach habe ich verstanden, daß
(1) kein Wort - der Schlegel/Tieck'schen Übersetzung - überflüssig ist;
(2) jeder Satz eine Bedeutung hat und das Verhältnis der Figuren untereinander exakt definiert;
(3) es keinen Leerlauf, kein Geschwafel, kein Zeilenfüllsel gibt, und was in ungeschulten Ohren zunächst hochtrabend und aufgesetzt klang, wirklich das Geschehen extrem verdichtet hat;
(4) Regieanweisungen doppelt gemoppelt wären: Das Drama konnte darauf verzichten, weil jede der geschliffenen Sentenzen durch Wortwahl, Rhythmus und Satzbau offenlegt, wie die Figuren zueinander stehen;
(5) jede Figur ihre eigene Art zu reden hat.

Wenn ihr das einige Mal bei Geschichten macht, die euch gefallen, lernt ihr eine ganze Menge. Sobald ihr ein Feeling dafür habt, könnt ihr das Konzept für eure eigenen Geschichten ausarbeiten.

Ohne Konzept bleibt die beste Recherche fruchtlos.

Wie bei einem langen Weg die eigenen Schritte, sollten sich die Konzepte für Recherche und Schreiben wieder und wieder abwechseln.

Laßt euch nicht einschüchtern.

Zur Not schreibt irgendwas, um einen Anfang zu finden. In der Rohfassung ist alles erlaubt. Der erste Satz im gedruckten Roman ist nicht immer der erste Satz, der geschrieben wurde.
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Alt 24.03.2016, 16:30   #10  
Peter L. Opmann
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Das ist schon fast alles richtig und lobenswert.

Aber das mit der Recherche ist doch eine knifflige Sache. Wenn man von Medizin keine Ahnung hat, nützt es auch nichts, wenn man im Pschyrembel nachschlägt. Man braucht einen Überblick über medizinische Zusammenhänge, sonst nützt einem auch das richtige Fremdwort am richtigen Ort nichts. Das gilt genauso für alle anderen Naturwissenschaften - und für die Geisteswissenschaften vermutlich erst recht.

Da würde ich lieber von Fachbegriffen die Finger lassen, wenn ich mich mit dem Fach eigentlich nicht auskenne. Oder wenn das extrem wichtig für meinen literarischen Text ist, dann würde ich mich richtig informieren. Etwa bei einem Freund, der sich in dem Fachgebiet auskennt. Oder ich würde mal einen richtigen Kurs machen, der mich in das Gebiet einführt.

Aber Bescheidenheit - also nicht vorgeben, Fachmann zu sein - ist besser.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.03.2016, 15:33   #11  
Servalan
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Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Aber das mit der Recherche ist doch eine knifflige Sache. Wenn man von Medizin keine Ahnung hat, nützt es auch nichts, wenn man im Pschyrembel nachschlägt. Man braucht einen Überblick über medizinische Zusammenhänge, sonst nützt einem auch das richtige Fremdwort am richtigen Ort nichts. Das gilt genauso für alle anderen Naturwissenschaften - und für die Geisteswissenschaften vermutlich erst recht.

Da würde ich lieber von Fachbegriffen die Finger lassen, wenn ich mich mit dem Fach eigentlich nicht auskenne. Oder wenn das extrem wichtig für meinen literarischen Text ist, dann würde ich mich richtig informieren. Etwa bei einem Freund, der sich in dem Fachgebiet auskennt. Oder ich würde mal einen richtigen Kurs machen, der mich in das Gebiet einführt.
Ehrlich gesagt, ich bezweifle, daß gerade junge Schreibanfängerinnen und -anfänger so abstrakt, formal und zielgerichtet vorgehen.
Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen, von denen jede ihre besonderen Stärken und Schwächen hat.
Aber keine ist per se schlechter als die andere.

Gerade unter Genreautoren finden sich etliche Seiteneinsteiger, die ihr Basiswissen in ihrem (früheren) Brotberuf erworben haben: als Anwälte wie Ferdinand von Schirach, John Grisham und Jens Lapidus, als Pathologin wie Kathy Reichs, als investigative Journalisten wie Stieg Larsson, als IT-Fachleute wie Andreas Eschbach, als Raumfahrttechnier wie Ziolkowski ... die Reihe ließe sich fortsetzen.

Wem der Weg über die Sprache besser liegt, wird sich das Grundwissen wahrscheinlich durch bezahlte Übersetzungen aneignen. Der Eintritt in den richtigen Fachverband (zum Beispiel Syndikat bei Krimiautoren) erleichtert vieles und sorgt dafür, peinliche Schnitzer im vorwege zu vermeiden.

Das Schwierigste dürfte nicht formalisiertes Wissen sein: Leider reicht es nicht, irgendwo Smalltalk zu protokollieren, um einen überzeugenden Dialog in einem Roman zu verfassen. Szenisches Schreiben muß Sachverhalte berücksichtigen, die aus dem Sprachkunstwerk selber kommen. Wenn der Stoff "realistisch" rüberkommen soll, müssen diese Tricks und Kniffe hübsch kaschiert werden, damit die Erzählung im Fluß bleibt.
Oder der Schreibende weicht lieber auf indirekte Rede aus und wendet sich von vornherein an ein anderes Publikum.

Ohne Konzept vergeude ich meine Kräfte.
An dem Punkt kann ich mich entscheiden, ob ich Wissen brauche, und wenn ja, welches.
Durch meine Wahl der Perspektive, des erzählerischen Fokus und des Erzählansatzes schaffe ich mir die Möglichkeit, bestimmten Wissensgebieten weiträumig auszuweichen und mich auf die zu konzentrieren, die mir liegen.
In einem Krimi kann ich komplett auf das scheibar obligatorische Pathologenchinesisch verzichten, wenn ich die polizeiliche und juristische Ermittlung in den Hintergrund schiebe und mich auf Rivalitäten, Verrat und Hierarchien im Gangstermilieu beschränke - wie Jens Lapidus' Easy-Money-Trilogie.

Je besser ich das Schreiben beherrsche, desto mehr Freiheiten habe ich und kann mich subtil mit vagen Andeutungen begüngen. Das Publikum reimt dann schon das Richtige zusammen.

Geändert von Servalan (29.10.2016 um 15:36 Uhr)
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Alt 27.03.2016, 16:59   #12  
Peter L. Opmann
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Je besser ich das Schreiben beherrsche, desto mehr Freiheiten habe ich und kann mich subtil mit vagen Andeutungen begüngen. Das Publikum reimt dann schon das Richtige zusammen.
Das sehe ich genauso. Ist aber was ganz Anderes, als so zu tun, als würde man sich in einem Fachgebiet auskennen. Mir fallen dabei immer die Fehler von Karl May in seinen Reisebeschreibungen ein. May hat ja alles aus Lexika und anderen, echten Reiseberichten abgeschrieben und hatte dabei das Glück, daß auch so gut wie niemand sonst Amerika und Asien aus eigener Anschauung kannte.
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