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Alt 22.04.2024, 18:59   #1  
Peter L. Opmann
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Ich hatte "Betty Page"-Comics vor Augen, von denen es ja tatsächlich einige gibt. Aber die kamen dann wohl im Gefolge des "Rocketeer"-Films.

Eigentlich muß es "Bettie Page" heißen. Ihre Pin-ups waren gewagt, aber überschritten - laut wikipedia - gewisse Grenzen nie.
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Alt 24.04.2024, 06:08   #2  
Peter L. Opmann
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Wieder mal eine filmhistorische Kuriosität: „Ich tanze in dein Herz“ (1948) von Phil Karlson. Dieses Beinahe-Filmmusical wäre vergessen, wenn es nicht der erste Film von Marilyn Monroe wäre. Stimmt nicht ganz: Sie war Fotomodell und wurde von der 20th Century Fox sozusagen auf Verdacht unter Vertrag genommen (wie viele andere hübsche Mädchen). Sie spielte in zwei Filmen vor „Ich tanze in dein Herz“. Aus dem einen wurde sie fast komplett herausgeschnitten, in dem anderen spielte sie nur eine kleine Nebenrolle. Damit war der Vertrag zuende, und Columbia engagierte sie für dieses Werk. Ein unbedeutender B-Film, nur 60 Minuten lang, aber da hatte sie eine der Hauptrollen. Offizieller Star des Films ist Adele Jergens, aber nachdem Monroe zur Leinwandgöttin aufgestiegen war, kam er als Marilyn-Monroe-Film erneut ins Kino. Trotzdem faßte Monroe auch bei Columbia nicht Fuß. In Deutschland lief der Film nicht, sondern wurde in den 1990er Jahren von RTL erworben und, weil er nicht mehr zeitgemäß war, schließlich auf SuperRTL gezeigt. „Ich tanze in dein Herz“ hat eine simple und belanglose Story, aber ich habe keine großen Schwächen entdeckt, und ich würde sagen, Marilyn Monroe zeigt im Prinzip schon vieles, was später Filme wie „Wie angelt man sich einen Millionär“ oder „Machen wir‘s in Liebe“ auszeichnete (abgesehen davon, daß sie hier für eine Sexbombe noch viel zu brav ist). Kann freilich sein, daß ich von dem großen Namen geblendet bin.

Sie spielt eine Revuetänzerin, die zur Hauptattraktion ihrer Show aufsteigt und dadurch die Aufmerksamkeit des Geschäftsmanns Rand Brooks auf sich zieht. Er macht ihr den Hof und will sie schließlich heiraten, aber Monroes Mutter (Jergens), selbst eine Tingeltangel-Tänzerin, ist dagegen. Wie sie erzählt, hat sie schlechte Erfahrungen gemacht: Einst hat sie einen Mann mit gesellschaftlicher Position geheiratet, wurde aber von seinem Umfeld immer abgelehnt. Die Ehe scheiterte. Davor will sie ihre Tochter bewahren. Brooks‘ Mutter (Nana Bryant), die durchaus abzuchecken versucht, welche Verbindungen Monroe zur High Society hat, erfährt daher gar nicht, wer dieses Mädchen ist. Als es bei der Verlobungsfeier herauskommt, reagiert die Festgesellschaft schockiert, wie erwartet. Aber da wirft sich Bryant für das Paar in die Bresche: Sie singt eine Revuenummer und behauptet, sie selbst sei ursprünglich auch Varietékünstlerin gewesen. Das ist zwar erfunden, aber nun kann niemand mehr etwas gegen die Hochzeit sagen. Bei dieser Gelegenheit bekommt auch Mutter Jergens einen neuen Mann ab…

Der Schluß ist natürlich ziemlich unglaubwürdig, um nicht zu sagen: verlogen. Wenn ich jedoch speziell den Auftritt von Monroe betrachte, so ist sie in diesem Film eine naive, aber sehr liebreizende Blondine. Sie ist bereits eine einnehmende Sängerin und Tänzerin, und sie wirkt vor der Kamera völlig natürlich – was in ihren großen Filmen ihre besondere Stärke war. Ihre Figur steht allerdings sehr unter dem Einfluß ihrer Mutter, und sie fügt sich da immer widerspruchslos; das gab es später nicht mehr. Wenn man sich das Verzeichnis der Filme ansieht, die sie gedreht hat, hatte sie bis zum großen Durchbruch noch einen weiten Weg vor sich. Der wird allgemein in dem Henry-Hathaway-Thriller „Niagara“ gesehen. Das war ihr 19. Film.

Interessant finde ich, wie die Öffentlichkeit auf die frühe Monroe reagiert hat. Über die Wirkung des Films habe ich nichts Näheres gefunden, nicht einmal, mit welchem A-Film er zusammengespannt wurde. Im „Motion Picture Herald“ hieß es aber immerhin: „Einer der Vorzüge dieses Films ist Miss Monroes Gesang. Sie ist hübsch und zeigt – mit ihrer angenehmen Stimme und ebensolcher Ausstrahlung – vielversprechendes Talent.“ Da alle Schauspieler in „Ich tanze in dein Herz“ solide Leistungen zeigen, ist es nicht selbstverständlich, daß ein Kritiker auf sie besonders eingeht. John Huston (bei dem sie in „Asphaltdschungel“ mitwirkte) sagte über sie: „Bei mir spielte Marilyn Monroe ihre erste richtige Filmrolle, und ich kann nicht behaupten, daß ich auch nur die leisteste Ahnung hatte, was noch aus ihr werden sollte. Ich fühlte aber, daß sie in diesem Film gut sein würde und habe sie deshalb auch unter einer ganzen Reihe von Mitbewerberinnen ausgewählt. Allerdings hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen, wie weit sie es noch bringen würde.“ Otto Preminger, der sie bereits als Superstar in „Fluß ohne Wiederkehr“ besetzte, sagte dagegen: „Trotz der Tatsache, daß sie auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist, war sie nicht das große Genie, das die Leute gern in ihr sehen. Sie war ein liebes Mädchen mit einem sehr beschränkten Horizont.“

(Alle Zitate aus Conway/Ricci: Marilyn Monroe und ihre Filme. München, 1980)
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Alt 24.04.2024, 13:48   #3  
Peter L. Opmann
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Noch eine Anmerkung:

Wer die ganz junge Marilyn Monroe sehen möchte, findet den Film unter seinem Originaltitel "Ladies of the Chorus" mehrfach bei youtube. Die deutsche Fassung ist da, soweit ich sehe, nicht vertreten.
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Alt 26.04.2024, 06:14   #4  
Peter L. Opmann
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Beim nächsten Film kenne ich das genaue Aufnahmedatum: 1. April 1991. Es erscheint nämlich von Zeit zu Zeit ein Schriftband mit einer „breaking news“, die damals noch nicht so genannt wurde: der Ermordung des damaligen Treuhandchefs Detlev Rohwedder. Im Vergleich zu diesem realen Mord sind die Morde im Film eine gemütliche Angelegenheit. Ich spreche von „Das letzte Wochenende“ (1945) von René Clair. Ich finde diese Kriminalkomödie nicht völlig gelungen, aber man kann aus der Analyse unter verschiedenen Aspekten Nutzen ziehen. Möglicherweise lieferte Clair hier das Muster für alle folgenden Agatha-Christie-Verfilmungen; der Stil ähnelt insbesondere den Miss-Marple-Filmen mit Margaret Rutherford. Es ist einer von vier Filmen, die der Franzose in Hollywood gedreht hat. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs floh er in die USA und arbeitete für die 20th Century Fox. Ähnlich wie Fritz Lang hatte er wenig Schwierigkeiten, sich an die amerikanische Produktionsweise anzupassen, kehrte aber bei Kriegsende sofort nach Frankreich zurück. Er war auch einer der profiliertesten Regisseure, gegen die sich ab Ende der 1950er Jahre die Nouvelle Vague wandte.

Ich habe bisher bei den Inhaltsangaben wenig Rücksicht auf Spoiler genommen, aber dieser Film, der auf Christies Roman „Zehn kleine Negerlein“, später geändert in „Und dann gab’s keines mehr“, beruht, ist ein so klassischer Whodunit, daß ich mich diesmal auf die Exposition beschränke (falls jemand den Film noch nicht kennt und nun gern sehen möchte – er ist public domain). Sechs Männer und zwei Frauen werden von einem Mr. U. N. Owen in ein Haus auf einer abgelegenen Insel eingeladen. Es gibt dort zwei Bedienstete; Owen erscheint nicht. Alle zehn Hausbewohner haben sich eines Kapitalverbrechens schuldig gemacht, und nun werden sie einer nach dem anderen, jeder völlig unerwartet, umgebracht, damit dem Recht Genüge getan wird. Die Überlebenden kommen allmählich darauf, daß Owen (seinen Namen kann man auch als „unknown“ verstehen) einer von ihnen sein muß – aber wer? Jetzt mißtraut jeder jedem. Am Ende zeigen sich Abweichungen vom Muster. Ein Gast ist gar nicht der, der er zu sein schien. Gleichzeitig werden falsche Fährten gelegt. Ganz zum Schluß wird das Geheimnis des Mr. Owen gelüftet – zwei Menschen haben überlebt.

Hier wirken mehrere Faktoren positiv zusammen: Das Drehbuch (von Dudley Nichols) faßt die Vorlage prägnant zusammen; die Schauspieler stellen ihre Typen gelungen dar (unter anderem Barry Fitzgerald, Walter Huston, Louis Hayward und June Duprez); und Clair inszeniert das Ganze sehr wirkungsvoll – es kommt eine Mischung aus viel Spannung, leichten Schockeffekten und schwarzem Humor heraus, die sehr unterhaltsam ist. Ich habe den Eindruck, daß der Film zudem eine eher europäische Handschrift hat; ein Gutteil der Schauspieler sind auch keine Amerikaner. Die Konstruktion der Story gibt freilich im Zweifel dem Effekt den Vorzug. Bei genauerem Nachdenken erscheint die Handlung nicht immer logisch; das stört aber nicht.

Clair macht hier handwerklich perfektes Kino. Wirklich zu bedeuten hat die Geschichte nichts – und das ist das, was die jungen Filmemacher der Nouvelle Vague ihren Vorgängern vorwarfen. Ich würde jedoch sagen, daß der Film, weniger sorgfältig gemacht, noch immer seine Wirkung gehabt hätte. Dafür sollte man Clair nicht tadeln, sondern eher loben. Soweit ich gesehen habe, wird der Film von der Kritik auch fast ausnahmslos gelobt, wenngleich er damals nur beim Filmfestival von Locarno einen Preis bekam. Der Filmhistoriker Jerzy Toeplitz vertritt die entgegengesetzte Position und schreibt: „Am schwächsten war René Clairs vierter amerikanischer Film, den der Autor selbst gern aus seinem Schaffen streicht. (Dieser Film) war wahrscheinlich ein Zugeständnis oder ein Kompromiß seitens des Regisseurs. In formaler Hinsicht hat sich René Clair der ihm anvertrauten Aufgabe so gut wie möglich entledigt; er schuf (einen Film), der gut gemacht und interessant war, besser als korrekt gespielt worden ist und zu alledem großen Erfolg hatte. Aber es war zugleich ein leerer Film, dem der individuelle Stempel der Originalität fehlte, es war ein unpersönlicher Film. Jeder Regisseur in Hollywood hätte ihn gedreht haben können…“
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Alt 28.04.2024, 06:07   #5  
Peter L. Opmann
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Ein Fremdkörper im Werk von Charlie Chaplin – so hat das amerikanische Publikum sein Melodram „A Woman of Paris“ (1923) gesehen. Nachdem „The Kid“ 1920 etwa eine Stunde lang war, war dies sein erster Film, der beinahe die Standardlänge von 90 Minuten erreichte; danach brachte er keine Kurzfilme mehr ins Kino. Und es war der erste Film, den er für den schon 1919 gegründeten Verleih United Artists produzierte. Das muß man berücksichtigen, wenn man die ungewöhnliche Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von „A Woman of Paris“ betrachtet. Ich habe den Film 1990 aufgenommen (lief damals ohne deutsche Übersetzung der Zwischentitel) und seitdem nicht noch einmal gesehen. Ich fand ihn enttäuschend und hatte im Gedächtnis, daß es ein sehr handlungsarmer Film sei, mit anderen Worten: ein Langweiler. Das stimmt so gar nicht. Aber es ist ein Werk, bei dem sich Chaplin auf die Arbeit hinter der Kamera beschränkte und keine lustige Trampfigur auftaucht. Weil die Leute von ihm aber nur den Tramp sehen wollten, wurde es ein geschäftlicher Reinfall, und Chaplin hielt den Film dann bis 1976 unter Verschluß.

Was die Handlung betrifft: Edna Purviance, Partnerin in vielen seiner Slapstickfilme, steht als junge Französin zwischen zwei Männern. Zunächst will sie Carl Miller heiraten, einen einfachen Jungen vom Lande. Aber sowohl ihre als auch seine Eltern sind gegen die Verbindung. Sie wollen gemeinsam fliehen, doch während sie am Bahnhof wartet, stirbt sein Vater, und er kann nicht weg. Sie fährt allein nach Paris und lernt dort den reichen Dandy Adolphe Menjou kennen, dessen Geliebte sie wird. Sie hat nun ausgesorgt. Zufällig begegnet sie später in Paris Miller wieder, der sich hier als Kunstmaler durchschlägt. Beide haben sich durch die Fährnisse des Lebens verändert. Sie erinnern sich zwar an ihre alte Liebe, aber begegnen sich distanziert. Purviance merkt durch die Begegnung jedoch, daß ihr Luxusleben sie nicht befriedigt.

Als sie aber Miller erneut aufsucht, wird sie Zeugin eines Gesprächs von ihm und seiner Mutter, bei dem er ihr versichert, er werde sie nie heiraten. Sie war zuvor nicht so sehr gegen die Heirat wie sein Vater, sieht sie aber nun als zwielichtige Gesellschaftsdame. Purviance kehrt enttäuscht zu Menjou zurück, der sich sicher war, daß sie auf seine Versorgung nicht verzichten wird. Miller will sich noch einmal mit Purviance im Vertrauen aussprechen. Als er aber merkt, daß sie Menjou über seine Absichten informiert hat, erschießt er sich. Purviance kommt endlich zur Besinnung, verläßt ihren Gönner und kümmert sich nun um Millers Mutter. Sie merkt: Nur wenn man für andere da ist, kann man Zufriedenheit und Glück finden.

Ein paar abgedrehte Restaurant- und Partyszenen zeigen deutlich Chaplins Handschrift; sie sind durchaus komisch. Er macht sich über manche Verrücktheit der 1920er Jahre lustig. Laut der Biografie von David Robinson ließ er sich von eigenen Erlebnissen und realen Personen in Hollywood zu der Filmhandlung inspirieren. Insgesamt ist das ein zu Herzen gehender, tragischer und trauriger Film, der vor allem zum Ausdruck bringt, daß man den richtigen Moment, eine Entscheidung zu treffen, verpassen kann. Die Figuren in „A Woman of Paris“ sind vielschichtig angelegt. Sowohl Miller als auch Menjou haben gute und schlechte Eigenschaften; es gibt keine eindeutige Schwarz-weiß-Zeichnung. Purviance ist eine Frau, die sich durch eine verlockende Glitzerwelt von ihrem eigentlichen Lebensplan abbringen läßt und dann lange hin und her schwankt. So etwas war damals im Kino ziemlich neu. Man muß allerdings sagen, der Hintergrund der Figuren wird nicht aufgehellt. Warum die Eltern gegen die Heirat sind, ist unklar. Und bevor man Miller in seinem Atelier sieht, weiß man nicht, daß er sich fürs Malen interessiert. Noch mehr ist Purviance eine Frau ohne Vergangenheit. Es ist ein früher psychologischer Film, aber die Psychologie wurde in der Filmgeschichte später noch verfeinert.

Ich denke, Chaplin wollte für die United Artists (ein Zusammenschluß der Stars Douglas Fairbanks, Mary Pickford, Chaplin und des Regisseurs D. W. Griffith) etwas Anspruchsvolleres machen als das, was er sonst ablieferte. Vielleicht war ihm nicht klar, daß er bereits ein Markenartikel war, und wenn „Chaplin“ draufstand, mußte für das Publikum auch Chaplin drin sein. Dadurch erreichte er auch nicht, was er sich vorgenommen hatte, nämlich seine ehemalige Freundin Edna Purviance zu einem ernstzunehmenden Star zu machen. Sie beendete bald darauf ihre Karriere. Zum Star wurde dagegen Adolphe Menjou. Er fand durch diesen Film zu der Rolle, mit der er von da an identifiziert wurde. Chaplin behielt seine Unabhängigkeit von Hollywood, wurde aber in allen folgenden Filmen bis zum „großen Diktator“ wieder zum Hauptdarsteller und verließ sich nicht mehr allein auf große Gefühle. „A Woman of Paris“ hatte indes auf viele Regisseure, europäische wie amerikanische, großen Einfluß.
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Alt 30.04.2024, 06:07   #6  
Peter L. Opmann
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Zuerst dachte ich, ich hätte hier etwas Ähnliches vor mir wie „Das letzte Wochenende“ von René Clair. Aber Jules Dassin ist gewissermaßen das Gegenteil von Clair: ein Amerikaner, der wegen McCarthys Kommunistenjagd nach Europa gehen mußte. Leider kenne ich weder sein Big-Caper-Movie „Rififi“ noch das folgende „Sonntags nie“. Hier bespreche ich nun „Topkapi“ (1964), der allgemein als Persiflage auf „Rififi“ gilt. Ich kann diese Gaunerkomödie nur mit einer neueren Variante, Steven Soderberghs „Ocean’s Eleven“, vergleichen. Dabei zeigt sich jedoch, warum „Topkapi“ eher eine Parodie ist. Die Bande, die in den Sultanspalast von Istanbul eindringt, um einen smaragdbesetzten Dolch zu stehlen, besteht nicht aus Super-Könnern wie bei Soderbergh, sondern aus Spezialisten, die ab und zu Mist bauen. Darin liegt die Komik. „Topkapi“ wurde anläßlich des Todes von Melina Mercouri (also 1994) wiederholt, die in dem Film eine frühe starke Frau verkörpert.

Mercouri trommelt die Gauner zusammen. Jeder, der mitmacht, muß für die Polizei ein unbeschriebenes Blatt sein, und dadurch bekommt sie nicht die besten Leute. Durch ihren Sex-Appeal schafft sie es, alle Teilnehmer zu motivieren, aber ihre Liebe gilt eigentlich nur dem größten Smaragd auf dem Dolch, der unschätzbaren Wert besitzt. Maximilian Schell (zu dieser Zeit noch ziemlich jungenhaft) arbeitet für sie den Plan aus. Robert Morley ist der Techniker, der die Alarmanlage analysiert und für Dunkelheit während des Einbruchs sorgt. Gilles Segal ist ein Akrobat, der den Dolch angeln soll, ohne daß der Alarm losgeht, und Jess Hahn läßt ihn an einem Seil vom Dach des Palasts herunter. Unfreiwillig spielt Peter Ustinov bei dem Coup eine große Rolle. Er soll für die Bande eigentlich nur ein Auto in die Türkei überführen, in dem sich die Einbruchswerkzeuge befinden. Dabei geht er aber der Polizei ins Netz. Die denkt freilich, ein Attentat sei geplant, und macht Ustinov zu ihrem Spion, um die Absichten der angeblichen Terroristen aufzudecken.

Als Hahn seine Hände verletzt, muß Schell seinen Plan ändern. Nun muß Ustinov am Seil ziehen, obwohl er nicht schwindelfrei ist. Dabei enthüllt er, daß er eigentlich ein Polizeispitzel ist, und so kann die Bande dafür sorgen, daß die Polizei trotz Beschattung von der Aktion nichts mitbekommt. Auf dem Palastdach hat Ustinov ein paar Slapstickeinlagen, die ein bißchen an Oliver Hardy in „Liberty“ oder „Hog wild“ erinnern. Die Bande muß verhindern, daß das Palastdach vom Licht eines nahen Leuchtturms erhellt wird. Zu diesem Zweck spielt Mercury mit dem Leuchtturmwärter ein Brettspiel, während Morley die Leuchtturmlampe sich langsamer drehen läßt. Der Coup gelingt, aber durch eine übersehene Kleinigkeit geht der Alarm dennoch los. Da die Polizei den Gaunern ohnehin schon auf der Spur ist, wandern sie kurz darauf ins Gefängnis. Mercouri plant nun unverdrossen, nach ihrer Entlassung aus dem Kreml die Romanow-Diamanten zu klauen.

Dem Film liegt der Roman „Im ersten Morgenlicht“ von Eric Ambler zugrunde. Im Vergleich zu „Ocean’s Eleven“ ist der Einbruchsplan in „Topkapi“ recht simpel. Zur Spannung, ob alles klappen wird, kommt hier eine ordentliche Portion Komik hinzu, weil schon in der Vorbereitung manches schief geht, einiges improvisiert werden muß und die Einbrecher auf ihre Aufgaben nicht optimal vorbereitet sind. Die Hauptfiguren werden prägnant dargestellt (natürlich sind sie nur Typen, und zum Teil komische dazu), und dadurch wird der Film ziemlich anrührend. Die Aufmerksamkeit wird nicht auf die komplizierte Umsetzung des Einbruchsplans gelenkt, sondern auf die scharf charakterisierten Figuren. Übrigens spielt Akim Tamiroff einen etwas schmierigen türkischen Koch, der zwar für die Handlung nur bedingt wichtig ist, aber Tamiroff chargiert, daß es eine Freude ist. Ich denke, die Figurenzeichnung ist der große Vorzug dieser Komödie, die ich als kurzweiliger als die objektive Filmlänge (von knapp zwei Stunden) empfunden habe. Solche Typen gibt es auch in „Ocean’s Eleven“, aber sie treten als absolute Spezialisten auf – darauf kann Dassin verzichten. „Topkapi“ war übrigens ein großer Publikumserfolg, und Ustinov gewann den Oscar als bester Nebendarsteller.

Seit vielen Jahren warnen mich Freunde davor, daß die Farben bei meinen VHS-Cassetten verblassen werden. Das habe ich aber bisher nur selten festgestellt. Hier könnte das passiert sein. Die Farben dieses zweifellos sehr bunten Films flimmern ständig, sind mal greller und mal matter. Es kann allerdings sein, daß der Film von Anfang an nicht gut aufgenommen war. Ich habe zu dieser Zeit (1990er Jahre) meinen Videorekorder teilweise nur mit einer kleinen Zimmerantenne betrieben. Ich weiß nicht mehr, ob die Farben deshalb von Anfang an schlecht waren oder doch im Lauf der Zeit gelitten haben – auch diesen Film habe ich schon lange nicht mehr gesehen.
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