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Alt 11.03.2024, 06:21   #1926  
Peter L. Opmann
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Ich kehre mal zu konfektionellerer Hollywoodware zurück, bevor ich hier die letzten Leser vergraule: „Wir sind keine Engel“ (1955), eine schwarze Krimikomödie von Michael Curtiz. Aber erneut tun sich überraschende Parallelen auf, nämlich zu dem im gleichen Jahr erschienenen Thriller „An einem Tag wie jeder andere“, den ich bereits besprochen habe. In beiden Filmen nistet sich ein Trio entflohener Sträflinge, beide Male angeführt von Humphrey Bogart, bei einer braven Familie ein. Hier enden aber die Übereinstimmungen. „Wir sind keine Engel“ lief früher öfters im Fernsehen, und ich habe den Film schon als Jugendlicher gesehen. Jetzt war ich überrascht, wie simpel die erzählte Geschichte ist (ursprünglich eine Theaterkomödie). Alles liegt an der Inszenierung und der Schauspielerführung. Bogart hat zwar durchaus ein paar Komödienrollen gespielt, aber wichtig an seiner Darstellung hier ist nur, daß man ihm den Verbrecher sofort abnimmt.

Schauplatz ist die Teufelsinsel in Französisch-Guayana. Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray wollen sich Geld besorgen, um von der Insel fliehen zu können. Dazu dringen sie in einen Kaufmannsladen ein, nehmen die Familie (Leo G. Carroll, Joan Bennett und als Tochter Gloria Talbott) aber nicht als Geiseln, sondern geben vor, das Dach des Hauses reparieren zu wollen. Vom Dach aus bekommen sie mit, daß die sympathische Familie einige Probleme hat: Das Geschäft geht nicht, Carroll erwartet seinen strengen Cousin (Basil Rathbone), der die Bücher prüfen möchte, und Talbott ist in Rathbones Sohn John Baer verliebt, mit dem sie aber sicher nicht glücklich werden kann. Bei den Dreien regt sich das Gerechtigkeitsgefühl, und sie beschließen zu helfen.

Die Sträflinge machen sich auf ihre Art nützlich: Bogart frisiert die Bilanzen und bringt mit kleinen Betrügereien das Geschäft in Gang, Ustinov knackt ein paar Schlösser, und zu dritt bringen sie Rathbone und dann auch seinen Sohn um (mithilfe einer Giftschlange, die sie stets mit sich herumtragen). Erst dann reisen sie, verkleidet als Gentlemen, mit dem nächsten Schiff nach Paris ab. Das war schon die ganze Handlung. Der Film lebt ausschließlich von Kontrasten. Während der Zuschauer stets weiß, daß die Sträflinge im Prinzip skrupellos und gefährlich sind, erscheinen sie der etwas unbedarften Familie als Retter in der Not, und Rathbone durchschaut sie zwar als Lumpen, macht aber den tödlichen Fehler, sie zu unterschätzen. Die Kritiker der 1950er Jahre hatten Schwierigkeiten mit dem schwarzen Humor. Heute dürfte der leichte Zynismus niemanden mehr vom Hocker reißen.

Es ist aber immer noch ein unterhaltsamer und witziger Film. Die anspielungsreichen Dialoge machen Spaß. Und ich finde es sehenswert, wie Bogart, ohne sehr komödiantisch spielen zu müssen, sein altes Gangsterimage parodiert. Peter Ustinov wirkt ja generell ein wenig zwielichtig. Aldo Ray kenne ich glaube ich nur in dieser Rolle. Basil Rathbone, der für Michael Curtiz schon den Guy of Gisbourne spielte, hat leider eine relativ kleine Rolle. Es gibt ein amerikanisches Remake (mit Robert de Niro) und ein japanisches. Der alte Film ist ziemlich günstig als DVD zu erwerben. Aufgeteilt in Clips und auf Englisch kann man ihn auch auf youtube sehen.
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Alt 11.03.2024, 06:34   #1927  
Marvel Boy
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Mich vergraulst du nicht, nur manchmal kann ich nichts zu dem Film schreiben und manchmal nur wenig, wie heute.
Gesehen und Spaß dran gehabt.

KEEP CALM AND DON'T SMASH!
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Alt 11.03.2024, 06:38   #1928  
Crackajack Jackson
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'Wir sind keine Engel' habe ich schon ein paar mal gesehen, meist um die Weihnachtszeit.
Witzige Dialoge und gut aufgelegte Schauspieler + Adolf.
Bezeichnend, dass man die Giftschlange Adolf nannte.
Es macht einen besonderen Reiz aus, dass man die Schlange nicht zu Gesicht bekommt. So bleibt alles familienfreundlich.
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Alt 11.03.2024, 06:50   #1929  
Peter L. Opmann
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Zitat:
Zitat von Marvel Boy Beitrag anzeigen
Mich vergraulst du nicht
War nicht ganz ernst gemeint.

Auf die Idee, die Schlange zu zeigen, wäre ich gar nicht gekommen, weil ja die meiste Zeit über nach ihr gesucht wird.

Ob der Name etwas zu bedeuten hat? Der Film spielt ja um 1900.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2024, 07:23   #1930  
Crackajack Jackson
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Gedreht wurde der 1955. Vorlage war das 1952 entstandene Theaterstück.
Es könnte also einen ziemlich aktuellen Bezug zu Adolf Hitler haben. Hier sehe ich es jedoch nicht als politisches Statement, da die Schlange ja eigentlich nur gutes (für den Fortgang der Handlung auf ein Happy End) tut.
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Alt 11.03.2024, 08:20   #1931  
Nante
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Zitat:
Zitat von Marvel Boy Beitrag anzeigen
Mich vergraulst du nicht...
Mich auch nicht.
Dein letzten Beiträge waren wie immer lesenswert aber da ich die Filme überhaupt nicht kannte, habe ich nur mitgelesen.

Den hier kenne ich und sehe ihn auch heute noch als gute Unterhaltung an. Vor allem gefiel er mir besser als das Remake mit De Niro. Das war irgendwie einfach zu überfrachtet.

Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Ob der Name etwas zu bedeuten hat?
Da bin ich auch bei Crackajack. In der Originalfassung ist es ja die franz. Form Adolphe, ein zumindest damals in Frankreich populärer Name.

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
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Alt 11.03.2024, 08:26   #1932  
Peter L. Opmann
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Wenn der Name in Frankreich populär war, spricht das doch eher dagegen, daß es sich um eine gezielte Anspielung handelt.

Aber ich glaube, wir lassen das jetzt besser, sonst wird der Thread wieder in den Keller verbannt...
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2024, 14:07   #1933  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Nante Beitrag anzeigen
Da bin ich auch bei Crackajack. In der Originalfassung ist es ja die franz. Form Adolphe, ein zumindest damals in Frankreich populärer Name.
Außerdem ist es der Vorname eines Hollywood-Schauspielers, und ich glaube, dass der gemeint war: Adolphe Menjou. Der war zu der Zeit nämlich noch aktiv und eckte bei seinen Kollegen ziemlich an, denn Menjou war ein erzreaktionärer Republikaner, der überall und besonders in Hollywood Kommunisten sah, die er nicht ausstehen konnte. Für ihn waren die Demokraten Sozialisten.
1947 engagierte er sich deswegen im House Un-American Activities Committee (HUAC) und beteiligte sich an Hexenjagden gegen Moskaus Fünfte Kolonnen. Mit John Wayne, Barbara Stanwyck und Robert Taylor gründete er die Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals (MPAPAI), ein rechtsaußen Verband gegen den kommunistischen Einfluß in Hollywood. Wegen seinen politischen Ansichten verkrachte er sich zum Beispiel mit Katharine Hepburn.
Ich interpretier die Giftspritze Adolphe als politisch gemeinten Insider Gag, als Easter Egg für Eingeweihte.

Geändert von Servalan (11.03.2024 um 14:16 Uhr)
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Alt 11.03.2024, 14:14   #1934  
Peter L. Opmann
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Menjou habe ich natürlich in vielen Hollywood-Filmen gesehen. Über sein persönliches Leben wußte ich nichts. Danke für den Hinweis!
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Alt 11.03.2024, 15:06   #1935  
Harvey Specter
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Hallo!

Ich hätte da mal eine Frage in die Runde der Spezialisten:

Aus welchem Film ist dieses Video gebastelt?
https://youtu.be/Td_QYkqDHKA?feature=shared

'The Pale Fountains" haben oft für ihre Videos Filmmaterial genutzt.
"Außer Atem" (Jean-Paul Belmondo) und
https://youtu.be/yVw4uvi5OtM?feature=shared
"The Hot Spot" (Don Johnson und Jennifer Connelly) konnte ich selbst finden.
https://youtu.be/FlcVqmscKww?feature=shared

Den Film kenne ich auch nicht, scheint aber ganz nett zu sein.
https://youtu.be/mDsuwMTdhPU?feature=shared

Vielen Dank im Voraus!

P.S.: Da wir sehr selten ins Kino gehen, ist meine Filmbegeisterung überschaubar. Wenn der Thread aber hochgespült wurde und ich es wahrnehme, lese ich gerne schon einmal quer über die letzte Seite.

P.P.S.: Ich habe nach der Anfrage hier tatsächlich "Hard Eggs" (Mit vollem Einsatz) als mehrteilige Reihe im Original bei YouTube gefunden. Die ersten drei Teile habe ich mir angetan, waren relativ abgedreht und lustig, aber mit der Sprache habe ich so meine Probleme. Reden die Australier ein schwerer verständliches Englisch, so wie z.B. die Schotten?
Harvey Specter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2024, 16:00   #1936  
Peter L. Opmann
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Der Film zu "From across the Kitchen Table" ist in den Kommentaren genannt: "Samstagnacht bis Sonntagmorgen" (1960) von Karel Reisz.

Den Film zu "Abergele next Time" habe ich nicht ermitteln können. Das ist wohl kein offizielles Bandvideo. Ist aber vermutlich auch ein britischer Film, aus den 1980er oder sogar 90er Jahren. Wenn den jemand kennt - das würde mich auch interessieren.

Hoppers "The Hot Spot" kann ich auch noch besprechen. Hat mir damals gefallen; wäre interessant, wie ich den heute finde.
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Alt 11.03.2024, 16:13   #1937  
Harvey Specter
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Wow, vielen Dank!

Blöd, dass ich das in den Kommentaren nicht selbst gefunden habe.

Wenn ich das mal mit dem Busfahrer rausfinde, melde ich mich mal.
Harvey Specter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2024, 16:35   #1938  
Harvey Specter
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Na, das hat dann doch relativ zügig geklappt! Das mit dem Kommentar konnte ich jetzt so nicht hinnehmen. Mit etwas Glück konnte ich den Film mit dem Busfahrer googlen:

LIEBE UND ANDERE TURBULENZEN

Liebe und andere Turbulenzen (Girl on a Bicycle) ist eine Komödie aus dem Jahr 2013 von Jeremy Leven.

Nora Tschirner - Greta
Vincenzo Amato - Paolo
Louise Monot - Cécile
sowie auch Stefanie Stappenbeck und Thomas Heinze
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Alt 11.03.2024, 16:35   #1939  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Harvey Specter Beitrag anzeigen
P.P.S.: Ich habe nach der Anfrage hier tatsächlich "Hard Eggs" (Mit vollem Einsatz) als mehrteilige Reihe im Original bei YouTube gefunden. Die ersten drei Teile habe ich mir angetan, waren relativ abgedreht und lustig, aber mit der Sprache habe ich so meine Probleme. Reden die Australier ein schwerer verständliches Englisch, so wie z.B. die Schotten?
Die Australier sprechen schon ein besonderes Englisch, und besonders in britischen Filmen und Serien werden Aussies als skurrile Figuren eingesetzt.
Das liegt wohl daran, dass Australien zunächst eine Strafkolonie gewesen ist, in der sich Engländer aus der Unterschicht, Iren und Schotten zusammenraufen mußten. In der Unterschicht gibt es den Soziolekt des Cockney English, der schon speziell ist, weil er häufig Wortspiele nutzt. Dazu kamen dann noch die Ureinwohner, die Aborigines, und denen wurden bis vor wenigen Generationen die Kinder geraubt, um sie in einer weißen Umgebung aufwachsen zu lassen.
Das Aussie English dürfte das Pendant zum Schwyzerdütsch sein. Auf uns würde das auch komisch wirken, wenn zum Beispiel ein eiskalter Killer solch einen breiten Dialekt spricht. Entsprechend schwer fällt es anderen, den Dialekt zu überhören. Es ist ein sehr eigenwilliges Englisch.
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Alt 11.03.2024, 16:39   #1940  
Harvey Specter
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Oh, das mit der Strafkolonie war mir bewusst. Die sprachlichen Genauigkeiten jedoch nicht in der Form.

Vielen Dank!

BTW: Ich habe mich oben vertan: Der Film heißt im Original "Bad Eggs".
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Alt 11.03.2024, 17:03   #1941  
Peter L. Opmann
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Der Ausschnitt von "Girl on a Bicycle" sieht eigentlich ganz vielversprechend aus. Aber der Film ist sehr schlecht besprochen worden:

Zitat:
Stupidity is an international condition.
In der deutschen wikipedia kommt er gar nicht vor, obwohl er in Deutschland zuerst im Kino war. Schade um Nora Tschirner.
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Alt 11.03.2024, 17:21   #1942  
Harvey Specter
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Stimmt, die Kritiken sind nicht vorteilhaft.

Zitat:
Fazit: „Liebe und andere Turbulenzen" überzeugt weniger als beschwingte Verwicklungsfarce, denn als unterhaltsamer Nora-Tschirner-Film. Der „Keinohrhasen"-Star bewahrt die romantische Komödie mit seinem Charme vor dem Absturz.
Das ging ja noch gerade so.

Zitat:
„Italienische Männer halten Treue für eine Krankheit, die man sich im Rentenalter einfängt“, heißt es an einer Stelle, doch das ist noch der lustigste Spruch dieser plüschigen Komödie im Stil des Hamburger Ohnsorg-Theaters.
Das ist eher ein heftiges Urteil.
Harvey Specter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2024, 18:45   #1943  
Fauntleroy
Apokalyptischer Elefantenreiter
 
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Moin,
„Wir sind keine Engel“ ist mein Lieblingsfilm zu Weihnachten.
Aber auch ohne Weihnachten kann ich den immer wieder gucken.

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Alt 13.03.2024, 06:07   #1944  
Peter L. Opmann
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Noch einmal ein Werk eines unabhängigen Filmemachers, aber aus einer ganz anderen Ecke als die Filme der letzten Zeit. „Mudhoney“ (1965) von Russ Meyer ist ein Sittenbild aus den amerikanischen Südstaaten, eigentlich ein Film fürs Blue Movie, doch im Jahr 1965 sah ein Sexfilm noch nicht so aus, wie wir uns das heute vorstellen. Das entnehme ich dem Sekundärwerk „Der pornographische Film“ von Georg Seeßlen von 1990 (selbst habe ich in diesem Genre nur sehr wenig gesehen). Demnach fielen die Tabus in der Nachkriegszeit nur zögernd. Zunächst gab es zunehmend (weibliche) Nacktheit zu sehen (die „Nudies“), und als dies seine Anziehungskraft verlor, kam Gewalt hinzu (die „Roughies“). Sex im eigentlichen Sinn, selbst markierter, kam da noch kaum vor, dafür viel vulgäre Sprache und Aggessivität – anders konnten die Männer mit weiblicher Sexualität offenbar nicht umgehen. In diese Phase ist auch "Mudhoney" einzuordnen.

Allerdings nahm Meyer seinen Film offenbar zu ernst. Er hatte einen richtigen Roman als Vorlage („Streets paved with Gold“ von Raymond F. Locke) und beschränkte die damals üblichen Sexfilm-Versatzstücke auf ein Minimum. Das Publikum merkte die Absicht und war verstimmt… Der Film, hergestellt für 60 000 Dollar, floppte an der Kasse. Er wurde dann zu einem richtigen Kultfilm, das heißt, die Cineasten entdeckten ihn für sich, erklärten ihn zu einem Kunstwerk und sorgten dafür, daß „Mudhoney“ mit einiger Verspätung sein Geld wohl doch noch einspielte. 1980 war Meyer zum Beispiel Ehrengast der Hofer Filmtage. Er selbst sagte jedoch, er hätte den Film nicht machen sollen.

Meyer entwirft ein teilweise ziemlich stimmiges Bild der Depressions- und Prohibitionszeit. John Furlong hat eine fünfjährige Gefängnisstrafe abgesessen und findet nun auf einer einsam gelegenen Farm Arbeit. Die Farm gehört Stuart Lancaster, dessen baldiges Ableben erwartet wird. Hal Hopper, mit Lancaster verschwägert, freut sich bereits auf das Erbe. Er ist jedoch ein haltloser Säufer und Frauenschänder, was in dieser Gegend als ein bißchen exzentrisch durchgeht. Furlong freundet sich sowohl mit Lancasters Frau (Antoinette Christiani) als auch mit den beiden Töchtern einer kupplerischen Alten aus der Nachbarschaft (Lorna Maitland, Rena Horten) an. Hopper möchte ihn so schnell wie möglich wieder loswerden, aber auch Lancaster lernt Furlong zunehmend zu schätzen. Der beginnt, die Frauen vor Hoppers Übergriffen zu schützen.

Diese Konstellation führt zu etlichen handgreiflichen Konflikten. Dann kommt ein verbohrter christlicher Prediger (Frank Bolger) in die Gegend. Hopper denkt, er kann endgültig die Oberhand gewinnen, indem er sich mit ihm zusammentut. Nachdem er sich zum Schein bekehrt hat, ergreift der Prediger tatsächlich seine Partei. Nachdem Lancaster gestorben ist, vergewaltigt und tötet Hopper im Vollrausch die Gattin des Geistlichen (Lee Ballard) und zündet die Farm an. Darauf wird er von aufgebrachten Bürgern gelyncht. Der Sheriff kommt zu spät, um das Schlimmste zu verhindern. Furlong und Christiani wollen nach Kalifornien gehen, um dort neu anzufangen. Zum Schluß wird die Moral der Geschicht‘ eingeblendet: „Das Böse eines Mannes kann zum Fluch für alle werden.“

Rena Horten war zu dieser Zeit Meyers aktuelle Freundin. Er gab ihr eine besondere Rolle. Sie ist nämlich taubstumm und dazu Männern gegenüber völlig arglos. Durch den schockierenden Anblick des am Strick baumelnden Hopper gewinnt sie schließlich ihre Stimme zurück, beginnt jedenfalls plötzlich zu schreien. Der eigentliche Grund, weshalb die Rolle so gestaltet wurde, war, daß Horten für Meyers Geschmack einen zu starken deutschen Akzent hatte. Die Handlung des Films wirkt noch heute ziemlich überdreht. Hier werden eine Menge Klischees vom ländlichen Amerika ausgebreitet und zudem maßlos übertrieben. Meyer hat sich beim Inszenieren wirklich Mühe gegeben, so daß vieles dennoch realistisch wirkt. Für Liebhaber von „Roughies“ dürfte das allerdings nicht das gewesen sein, was sie sehen wollten. Drr Film ist deshalb sehenswert, weil Meyer seine Vorstellungen völlig frei von Produktionsregeln und Marktzwängen umsetzte. So ist tatsächlich ein Filmkunstwerk daraus geworden. Youtube bietet den Trailer.
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Alt 15.03.2024, 06:26   #1945  
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Kehren wir zum gewohnten Hollywood-Stil zurück. „Schmetterlinge sind frei“ (1972) von Milton Katselas ist eine Mischung aus Komödie und Melodram, die ich schon ziemlich früh gesehen und schließlich auch aufgenommen habe. Ein Grund dafür war Goldie Hawn, die die weibliche Hauptrolle spielt. Ihre meist etwas übertriebene Naivität, bei der man nicht weiß, ob das nur gut dargestellt ist oder auch ein bißchen ihrem Wesen entspricht, mag ich noch heute. In meiner Jugend habe ich manches an dem Film noch nicht verstanden, nämlich daß da die Hippiekultur von San Francisco den Hintergrund bildet, und auch nicht, daß Hollywood mit Behindertendramen schon immer gut gefahren ist. Aber auch wenn ich den Film heute aus größerer Distanz sehen kann, finde ich ihn noch immer gut gemacht. Allerdings weist er zum Ende hin einen Bruch auf, und den Schluß finde ich inzwischen ziemlich verlogen.

Ein blinder Junge (Edward Albert) und ein Hippiemädchen (Hawn) leben in billigen Wohnungen direkt nebeneinander. Weil die Wand sehr hellhörig ist, kommen sie in Kontakt. Er ist sein Leben lang von seiner Mutter (Eileen Heckart) betüdelt worden und möchte nun als Liedermacher auf eigenen Füßen stehen. Sie will Schauspielerin werden, hat aber vorerst nur einen Vorsprechtermin bei einem Off-Theater. Hawn merkt erst spät, daß er blind ist, weil er alles so organisiert hat, daß er sich ohne sehen zu können in seiner Wohnung zurechtfindet. Dann muß er ihr beibringen, daß sie ihn nicht zu bemitleiden braucht. Er will kein Mitleid, sondern als normaler Mensch akzeptiert werden. Sie ist lebhaft und einfach liebenswert, und so kommen sie sich immer näher. Schön finde ich die Szene, in der er ihren Kopf abtasten darf, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sie aussieht. Dabei hält er zu seinem Erschrecken erst ihr künstliches Haarteil und dann ihre falschen Wimpern in den Händen. Worauf sie sagt: „Ab meinen Wangen ist alles echt. Meine Brüste auch.“ Sie verbringen die Nacht zusammen (was in diesem Film natürlich übersprungen wird).

Albert hat mit seiner Mutter vereinbart, daß sie nach zwei Monaten kommen darf, um nachzusehen, ob er doch ihre Hilfe braucht. Sie kommt aber schon am nächsten Morgen, einen Monat zu früh, und trifft Goldie Hawn bei ihm an. Ihre Hippienatur und ihre Vorliebe für freie Liebe stoßen sie ab. Albert hat aber mit Hawn einen Grund mehr, nicht zu seiner Mutter zurückzukehren. Heckart hat die Befürchtung, daß sie ihn verletzen wird, weil sie sich sehr schnell verliebt und die Männer ebenso schnell sitzenläßt. Am Ende fährt sie Hawn zu ihrem Vorsprechen. Anschließend haben sich Hawn und Albert zum Abendessen verabredet – ohne Mutter. Heckart bleibt jedoch bei ihrem Sohn, bis sie kommt, und sie verspätet sich um drei Stunden. Hier wechselt der Film abrupt die Stimmung. Hawn kommt gar nicht zum Abendessen, sondern sie packt in ihrer Wohnung ihre Sachen zusammen. Sie wird zum Regisseur ihres Stücks (Paul Michael Glaser) ziehen, der ihr dafür eine größere Rolle angeboten hat – ein fairer Deal, oder nicht? Hawn tut so, als hätte sie vergessen, daß sie Albert davon noch gar nichts erzählt hat. Das heißt, sie verletzt ihn maximal. Er wirft ihr vor, statt sexuell frei einfach bindungsunfähig zu sein, aber das nützt nichts mehr. Albert ist zutiefst enttäuscht und nun bereit, zu seiner Mutter zurückzuziehen. Dann kehrt Hawn aber doch zurück, weil ihr klar geworden ist, daß sie doch nur Albert liebt. (Großer Seufzer!)

Komischerweise wird der Schluß in keiner der Kritiken, die ich gelesen habe, moniert. Aber ich würde am liebsten empfehlen, den Film nach 75 bis 80 Minuten abzustellen. Der Großteil ist aber wirklich nett und auch witzig. „Schmetterlinge sind frei“ war zunächst ein großer Erfolg am Broadway. Katselas war Theater- und Filmregisseur und Leiter einer Schauspielschule, orientiert am Method Acting. Das Stück ist wirklich gut, die Dialoge sind alltagsnah und tiefsinnig zugleich. Und ich finde einiges wieder, was ich erst nach und nach über Menschen mit Handicap gelernt habe. Vior allem, daß man mehr beachten sollte, was sie können, als was sie nicht können, und daß sie nichts davon haben, wenn ich sie wegen ihrer Defizite bedaure. Die Columbia-Produktion heimste tatsächlich einen Oscar ein, und zwar für Eileen Heckart für die beste weibliche Nebenrolle. Zudem gab es einige weitere Filmpreise.
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Alt 15.03.2024, 06:34   #1946  
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Ich dachte erst was ist das den bitteschön für ein seltsamer Filmtitel, musste aber feststellen das ich den Film gesehen habe.

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Alt 15.03.2024, 06:45   #1947  
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Spielt auf die Figur von Goldie Hawn an: Von Blüte zu Blüte...
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Alt 15.03.2024, 06:47   #1948  
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Macht Sinn.

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Alt 16.03.2024, 07:58   #1949  
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Zurück zum Western. Mindestens zehn Jahre nach der Italowestern-Welle und fünf Jahre, nachdem Michael Cimino mit „Heaven’s Gate“ versucht hatte, das Genre respektvoll zu Grabe zu tragen, entstand 1985 „Silverado“ von Lawrence Kasdan. Dies sollte eher eine Wiederbelebung werden mit üppiger Starbesetzung, einer postmodernen Erzählweise und viel Action und Gewalt. Kasdan gehörte zum Umfeld von George Lucas und hat ein paar „Star Wars“-Filme inszeniert. Aber Hollywood war im Umgang mit Western sozusagen ein bißchen aus der Übung.

Im Detail ist „Silverado“ sehr gut inszeniert. Das Werk paßt zu den neuen Actionfilmen der 80er Jahre. Aber es bleibt anfangs ein Rätsel, worum es bei der Handlung genau geht, und am Ende stellt sich heraus, daß es gar kein großes Motiv gibt, das hinter all den Handlungselementen steckt (oder ich habe es möglicherweise nicht mitbekommen). Zwei Brüder (Scott Glenn, Kevin Costner) wollen in das kalifornische Städtchen Silöverado reiten. Beide sind Revolverhelden; Costner muß erst aus dem Gefängnis geholt werden, weil er einen Gegner getötet hat. Unterwegs liest Glenn zwei weitere Revolverhelden auf: Kevin Kline, den er vor dem Verdursten in der Wüste rettet, und Danny Glover, der rassistisch angegriffen wird. Die Vier bekommen es unter anderem mit Sheriff John Cleese zu tun (eine komische Figur, aber keine ausgesprochene Komikerrolle).

Unterwegs begegnen sie noch einem Wagentreck, zu dem Rosanna Arquette gehört; Kline interessiert sich für sie, aber sie will kein Liebesabenteuer, sondern „etwas aufbauen“. In Silverado werden die Revolvermänner in einen Streit um Land mit einem skrupellosen Rancher (Ray Baker) hineingezogen und legen sich mit dem dortigen Sheriff Brian Dennehy an, der in einige illegale Aktivitäten verwickelt ist. Ich überspringe einige Handlungselemente, die zu umständlich wiederzugeben wären. Am Ende wird der Rancher in die Schranken gewiesen und Sheriff Dennehy in einem Showdown getötet. Drei der Revolvermänner ziehen weiter, und Kline übernimmt das Amt des Sheriffs. Man kann noch erwähnen, daß Jeff Goldblum als professioneller Spieler eine Nebenrolle hat, die ich allerdings halbwegs verschenkt finde.

Man sieht also, es geht eigentlich um nichts Besonderes – anders als bei etwa „Spiel mir das Lied vom Tod“, wo alle Konflikte letztlich auf den Bau der Eisenbahnlinie zurückzuführen sind. Mittendrin hat man einige Mühe, die Figuren auseinanderzuhalten und richtig zu verorten; wobei man denkt, das muß so sein, und am Ende werden die Handlungsfäden schon sinnvoll zusammenlaufen. Wenn man sich um die Handlung nicht sehr kümmert, kann man den Film als Actionspektakel ganz gut konsumieren und sich ganz gut nebenbei noch mit etwas anderem beschäftigen. Schade eigentlich, denn Regisseur Kasdan kann was. Sein Film zeigt jedoch, daß man mit der Mythologie des Western zu dieser Zeit wirklich nicht mehr viel anfangen konnte. „Silverado“ hatte dennoch ein ordentliches Einspielergebnis. Etwa zur gleichen Zeit kam Clint Eastwoods „Pale Rider“ heraus, und beide Filme erzeugten tatsächlich ein Western-Revival. Costner machte unter anderem „Der mit dem Wolf tanzt“, und wenig später wurde der Wyatt-Earp-Mythos gleich zweimal neu verfilmt – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Eine größere Zahl gelungener neuer Western sehe ich allerdings in den 1980er und 90er Jahren nicht. Ich nehme an, der amerikanische Traum war zu weit weggerückt, um dem Genre noch eine stabile Daseinsberechtigung zu geben. In jüngerer Vergangenheit hat es auch keine wegweisenden Western im Kino mehr gegeben (oder übersehe ich da was?). Aber egal, es gibt genug gelungene oder vielleicht noch wiederzuentdeckende amerikanische Western aus den 1940er bis 60er Jahren, und ein paar davon habe ich hier auch noch vor mir.
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Alt 16.03.2024, 11:15   #1950  
Servalan
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In der 3sat Mediathek steht eine zweiteilige Dokumentation von Barbara Weissenbeck über den Einfluß österreichischer Musik in Hollywood, die dich interessieren könnte. Natürlich ist das eine österreichische Produktion, in der auch Filmkomponisten erwähnt werden, die nie im Abspann erwähnt wurden, heute vergessen sind oder gerade zu den Anfängern zählen.
„Vienna in Hollywood - Pioniere der Filmmusik“ beginnt mit Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold, spannt aber den Bogen bis in die Gegenwart mit Hans Zimmer.
„Austria in Hollywood - Komponieren für die Traumfabrik“ legt den Schwerpunkt hingegen auf das aktuelle Komponieren für den Kinofilm.
Jede Folge geht knapp eine Dreiviertelstunde.
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