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Alt 19.08.2023, 10:32   #1501  
underduck
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Vielleicht bring SAT1 ja nur noch halbe Sachen.
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Alt 21.08.2023, 06:17   #1502  
Peter L. Opmann
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Nun zum Thema "VHS".

Als erste habe ich eine Videocassette ausgewählt, die ich einmal von einem Freund bekommen habe. Er war von dem Film hellauf begeistert und wollte unbedingt, daß ich ihn mir auch ansehe: „Am Rande der Nacht“ (1983) von Claude Berri. Ich hatte an ihn praktisch keine Erinnerung mehr und muß sagen, es ist ein wirklich ungewöhnlicher Gangsterfilm – sehr französisch, aber auch wieder nicht. Im Original heißt der Film „Tchao Pantin“, was ich zunächst mit „Mach‘s gut, Hampelmann“ übersetzt hätte. Aber Pantin ist der Name einer Pariser Vorstadt – ein Banlieue (dieser Begriff war vermutlich damals in Deutschland noch unbekannt). Man sieht dem Film sein Alter an, denn die Banlieue-Parallelgesellschaft, mit der Frankreich heute fast unlösbare Probleme hat, ist hier erst im Begriff zu entstehen.

Coluche, eigentlich ein berühmter Komiker, spielt einen versoffenen Tankwart, der eines Nachts die Bekanntschaft eines jungen Arabers (Richard Anconina) macht. Die beiden sehr unterschiedlichen Männer, beide Außenseiter der Gesellschaft, freunden sich an. Zuerst erfährt Coluche, daß Anconina von kleinen Drogendeals lebt und von einer skrupellosen Drogenmafia abhängig ist. Dann stellt sich heraus, daß Coluche ein desillusionierter ehemaliger Polizist ist, dessen Sohn den Drogen zum Opfer fiel. Da ist Anconina aber schon tot – ermordet von Handlangern seines Bosses. Über Anconinas Freundin (Agnes Soral) kommt Coluche an die Organisation heran und tötet zuerst den Schläger, der seinen Freund auf dem Gewissen hat, und dann den Boss. Aber der Boss war selbst nur Befehlsempfänger. Coluche kommt auch an den Oberboß heran, verzichtet aber darauf, ihn ebenfalls umzubringen. Als er ihn gestellt hat, spuckt er ihn nur an. Daß er selbst nun auf der Todesliste der Organisation steht, kümmert ihn nicht. Sein Leben hat für ihn keinen Wert mehr. Kurz darauf wird Coluche erschossen, als er gerade sein Haus verläßt. Streng genommen bleibt offen, wer das getan hat. Zweifelhaft ist für mich die Rolle eines Polizeiinspektors (Philippe Leotard): Er läßt Coluche gewähren, weil er, der den Polizeidienst quittiert hat, Methoden anwenden kann, die ihm, Leotard, verwehrt sind (Selbstjustiz).

Die Story dieser kaputten Typen und den Inszenierungsstil finde ich noch immer berührend. Aber es wird klar, daß die kriminellen Netzwerke in den Banlieues noch im Verborgenen agieren. Die französische Polizei hat im Prinzip noch Zugriffsmöglichkeiten. In dem Film gibt es ein paar Grausamkeiten, aber eigentlich wirkt er aus heutiger Sicht zu harmlos. Manche Details der Handlung erscheinen mir zudem konstruiert. Agnes Soral ist ein Punkmädchen (das für meine Begriffe nicht nach Paris paßt). Sie ist zwar extrem spröde, läßt sich aber zunächst von Anconina abschleppen, als er mit dem von seinem Boss „geliehenen“ schweren Motorrad auftaucht. Später landet sie dann mit Coluche im Bett, wobei sich mir nicht so recht erschließt, was sie an ihm findet. Das Urteil von Hans Gerhold in „Kino der Blicke. Der französische Kriminalfilm“, sie sei eine „Frau selbstbewußter, vitaler und erotischer Präsenz“, stimmt nicht so ganz. Ich glaube eher, ein französischer Film ohne Bettszenen (wenngleich hier sehr zurückhaltend inszeniert, aber der Film ist für die ARD leicht gekürzt worden) ist ab den 1970er Jahren kaum mehr denkbar.

Bemerkenswert finde ich die Schauplätze – das scheint tatsächlich Paris zu sein, obwohl die Ecken, die Touristen bevorzugen, hier nicht vorkommen. Paris ist hier ein einsamer, heruntergekommener, aber doch irgendwie magischer Ort, der mich ein bißchen an das Los Angeles in „Blade Runner“ erinnert. „‘Tchao Pantin‘ machte auf die neue Armut und Massenarbeitslosigkeit (in Frankreich) aufmerksam“, so Gerhold. Der Film war in unserem Nachbarland sehr erfolgreich, gewann fünf Cesars und war auch für den Oscar nominiert. Ich glaube, der Regisseur Claude Berri ist hier in Deutschland eher für die Filme bekannt, die er produziert („Der Liebhaber“, „Die Bartholomäusnacht“, Schlöndorffs „Der Unhold“ oder „Willkommen bei den Sch’tis“), als für die, die er selbst inszeniert hat.

Geändert von Peter L. Opmann (21.08.2023 um 19:49 Uhr)
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Alt 21.08.2023, 19:38   #1503  
Horatio
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Das ist ein moderner Film Noir. Der wird auch in Werken zum Genre geführt. Daher weiß ich auch von dem Film, habe ihn aber leider, leider noch nie gesehen.
In Frankreich gab es seinerzeit mehrere bemerkenswerte neue Films Noirs, z. B. auch Der Mond in der Gosse.

Übrigens, eine Vorstadt ist eine Banlieue, der Begriff ist weiblich.
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Alt 21.08.2023, 19:46   #1504  
Peter L. Opmann
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Ja, mein Französisch ist leider sehr schlecht - fast gar nicht vorhanden.

Ich möchte jetzt nicht energisch bestreiten, daß "Am Rande der Nacht" ein film noir ist; er hat schon ein paar Elemente, die in die Richtung gehen. Aber ich finde, er ist doch näher an der Wirklichkeit dran und damit längst nicht so stilisiert wie ein film noir.
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Alt 21.08.2023, 19:51   #1505  
Horatio
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Noch schnell ein kleiner Exkurs zum Stichwort Banlieue, die dt. Wikipedia:

Die Leuge (lat. leuga/leuca) ist eine antike Längenmaßeinheit, die in römischer Zeit mit der Meile konkurrierte und nach üblicher Rechenweise anderthalb römische Meilen betrug. Fraglich ist der keltische Ursprung dieses ausschließlich in den römischen Nordwestprovinzen verbreiteten Wegemaßes. Die Leuge lebte in verschiedenen „großen Meilen“ besonders im westlichen Mittelmeerraum und in Lateinamerika fort („Legua“) und wurde dort bis ins 19. Jahrhundert verwendet. Übliche Größen lagen zwischen 2 km und 7 km.
In der Rechtssprache bezeichnete der vulgärlateinische Begriff Bannleuca (auch Bannleuga oder banni leuga) einen Bezirk von 1 Meile um eine Stadt, innerhalb dessen einige Städte die Gerichtsbarkeit ausüben durften. Der Begriff war in der angelsächsischen gelehrten Literatur in der Schreibweise ban lieue gebräuchlich, eingedeutscht Bannmeile.

https://de.wikipedia.org/wiki/Leuge

Die englische Bezeichnung ist League, wie z. B. in 20000 Leagues Under The Sea.
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Alt 21.08.2023, 19:55   #1506  
Horatio
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Ja, mein Französisch ist leider sehr schlecht - fast gar nicht vorhanden.

Ich möchte jetzt nicht energisch bestreiten, daß "Am Rande der Nacht" ein film noir ist; er hat schon ein paar Elemente, die in die Richtung gehen. Aber ich finde, er ist doch näher an der Wirklichkeit dran und damit längst nicht so stilisiert wie ein film noir.
Tja, habe ihn wie gesagt noch nicht gesehen, aber ich habe mehrmals in Büchern über Film Noir über diesen Film gelesen.
Horatio ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.08.2023, 20:20   #1507  
Horatio
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Ich möchte jetzt nicht energisch bestreiten, daß "Am Rande der Nacht" ein film noir ist; er hat schon ein paar Elemente, die in die Richtung gehen. Aber ich finde, er ist doch näher an der Wirklichkeit dran und damit längst nicht so stilisiert wie ein film noir.
Dazu möchte ich auch noch ein Zitat bringen:

Norbert Grob mit dem Anfang seiner Einleitung im Buch Filmgenres – Film noir von Reclam:

„Film noir – das impliziert unabwendbar Stil und Stimmung, aber zuallererst eine besondere Sichtweise auf die Welt, eine pessimistische, zynische oder nihilistische Sichtweise. Die Filme entwerfen ein Universum der Verdammnis, das durchdrungen ist von einer Aura der Vergeblichkeit. Alles Tun – wie auch das Fühlen und Denken – mündet in Katastrophen, in Fehltritten oder Niederlagen. Das Vertrauteste wird fremd, das Lichte düster und schwarz. Die schönsten Träume verwandeln sich in Albträume. Und nirgends ein Ausweg.“
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Alt 21.08.2023, 22:06   #1508  
Peter L. Opmann
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Ich habe schon ein paarmal gelesen, daß der film noir kein fest definiertes Genre ist. Man kann also bestimmte Filme dazuzählen oder auch nicht.

"Am Rande der Nacht" kann man ja als DVD bekommen, nur nicht unbedingt preisgünstig.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.08.2023, 07:53   #1509  
Phantom
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Bin etwas enttäuscht, daß anscheinend niemand eine Meinung zu "My Week with Marilyn" hat. Oder sehen das einfach alle genauso wie ich?
Jetzt habe ich "My week with Marilyn" doch noch gesehen, wenn auch im Flugzeug und nicht im Kino. Lufthansa hat den Film tatsächlich unter "Filmklassiker" einsortiert.

Na ja, was soll ich sagen: ich kann Deine Begeisterung nicht ganz nachvollziehen. Skeptisch bin ich, was den Wahrheitsgehalt von Clarks Buch angeht. Eine kurze Romanze zwischen dem jungen Filmmitarbeiter und dem verheirateten Superstar, natürlich auf echtem Verständnis füreinander basierend; der junge Mann schweigt über den "Vorfall", erst 40 Jahre später, als alle Zeitzeugen tot sind, berichtet er davon in zwei Büchern. Aus Diskretion gegenüber allen Beteiligten? Oder um von niemandem mehr korrigiert werden zu können? Wir wissen es nicht. Das hat mit dem Film nicht direkt zu tun, aber natürlich sieht man eine wahre Geschichte mit anderen Augen als eine erfundene (oder erträumte).

Ich finde, dem Film fehlt ein Höhepunkt, ein Twist, eine Katharsis, was auch immer. So schleppt er sich relativ vorhersehbar dahin. Michelle Williams hat sich ganz bestimmt sehr gut auf die Rolle vorbereitet, hat Gesten, Posen, Tonfall von Marilyn einstudiert. Trotzdem sehe ich keine Seite von Marilyn, die wir noch nicht kennen, kein Ausloten ihrer Gefühle, das eine neue Sicht auf ihre Persönlichkeit böte. Sie ist die ängstliche, unsichere und durchaus auch naive Blondine, die sich von diesem jungen Mann (und eigentlich nur von ihm) verstanden fühlt. (So richtig klar ist mir nicht geworden, was genau sie eigentlich an ihm findet.) Ist eine schöne Männerphantasie, aber mir etwas zu oberflächlich.

Die besten Szenen im Film sind die, in denen er sich nicht ganz ernst nimmt, meistens in Szenen mit Branagh als Olivier. Ein weiser Spruch von ihm ist bei mir hängengeblieben:
Zitat:
Remember, boy, when it comes to women, you are never too old for humiliation.
Unterm Strich für mich ein ganz unterhaltsamer Film (zumal im Flugzeug, wenn man sowieso nichts anderes zu tun hat), den ich aber nicht unbedingt ein zweites Mal sehen muss. (Im Gegensatz dazu habe ich mir, weil ich gerade die Niagara-Fälle besucht habe, am Wochenende zum x-ten Mal "Niagara" angesehen. Es geht doch nichts über die echte Marilyn.)
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Alt 22.08.2023, 08:08   #1510  
Peter L. Opmann
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Danke für den Kommentar. Ich kann das, was Du kritisierst, gut nachvollziehen - bin nur froh, daß Dir der Film nicht noch den Flug verleidet hat...

Nichts geht über die echte Marilyn - da stimme ich völlig zu.

Nun war sie schon ein paar Jahre tot, als ich geboren wurde. Ich werde keine Chance mehr haben herauszufinden, wie sie als Mensch wirklich war. Aber diese Interpretation lasse ich mir gern gefallen.

Männerfantasie - nun ja, ich ordne das lieber als Coming of Age-Geschichte ein. Es ist ja keine wirklich erotische Geschichte, sondern Colin Clark bekommt nur die Gelegenheit, MM viel besser kennenzulernen, als er sich das jemals erträumt hatte. Ob es wirklich so war? Wer kann das sagen? Aber mich hat das angesprochen, wobei mir völlig bewußt ist, daß das ein mehrfach gebrochener Blick auf sie ist. Zunächst durch die Augen von Clark, dann durch das Spiel von Williams und die Machart des Films.
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Alt 23.08.2023, 06:21   #1511  
Peter L. Opmann
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Diesmal geht es um Hollywood-Starkino der alten Schule. „Perlen zum Glück“ (1936) von Frank Borzage ist allerdings nach meiner Einschätzung weitgehend vergessen, auch wenn die Stars Marlene Dietrich und Gary Cooper heißen. Es ist eine Gaunerkomödie, aber in erster Linie ein Marlene-Dietrich-Film. Für sie war er mit einem Imagewechsel verbunden, nachdem sie nun nach längerer Zeit nicht unter der Regie von Josef von Sternberg stand. Sie spielt zwar auch hier eine selbständige und eigensinnige Frau, aber nur phasenweise eine femme fatale: Der damaligen Komödienkonvention entsprechend muß der jugendliche Held sie am Ende aus den Klauen ihrer Bande befreien und führt sie dann vor den Traualtar. Mir hat der Film insgesamt ganz gut gefallen, was wohl daran liegt, daß Ernst Lubitsch, der zu dieser Zeit Produktionschef bei Paramount war, ihm den letzten Schliff gab.

Dietrich ist eine gewerbsmäßige Juwelendiebin. Dabei hat sie eine ausgefallene Masche. Einem Pariser Juwelenhändler und einem bekannten Psychiater macht sie als falsche Gräfin wechselseitig vor, sie sei mit dem jeweils anderen verheiratet, und läßt die beiden dann über die Bezahlung einer kostbaren Perlenkette verhandeln, während sie sich mit ihr aus dem Staub macht. Auf der Flucht von Frankreich nach Spanien lernt sie Cooper kennen, einen naiven Amerikaner, der zum ersten Mal in Europa Urlaub macht. Beim Zoll versteckt sie das Collier in seinem Jackett und bringt es so unbemerkt über die Grenze.

Er verliebt sich in sie, sie dagegen läßt sich nur deshalb auf die Romanze ein, um ihre Klunker wiederzubekommen, was sich als nicht so einfach erweist. Mit der Zeit merkt sie jedoch, daß sie sich ihrerseits in ihn verliebt hat; sie will nun ihr betrügerisches Leben aufgeben, aber ihr Chef (John Halliday), der inzwischen zur Übergabe der Perlen aufgetaucht ist, hat allerdings etwas dagegen. Er bemüht sich, Cooper loszuwerden, nachdem er die Perlen wieder an sich gebracht hat. Doch Dietrich gesteht ihm schließlich, daß sie ihn die ganze Zeit für ihre Betrügereien benutzt hat, und er kämpft um sie. Er entwaffnet Halliday und schlägt ihn k.o., und dann suchen er und Dietrich den Juwelier auf und geben ihm sein Geschmeide zurück. Am Ende heiraten sie.

Der Film war für mich wie eine Torte: viel Sahne und wenig Substanz, aber trotzdem köstlich. Auch wenn diese Art Komödie mit hemmungslos hochstapelnden falschen Adligen ziemlich aus der Mode gekommen ist, finde ich sie zeitlos unterhaltsam. Laut Dietrich (in der englischen wikipedia) brachte er einiges Geld ein, was sie nicht den Schauspielerleistungen, sondern der perfekt ausgearbeiteten Story zuschrieb. Cooper spielt auf jeden Fall lebendiger und variabler als in „Marocco“, wo er schon einmal mit Dietrich ein Paar gebildet hatte. Dietrich ist etwas gewöhnungsbedürftig – man kennt sie nicht so aus Komödien. Sie selbst hatte aber wohl die Nase voll von den Sternberg-Vamps.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2023, 06:43   #1512  
Nante
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Den Film kenne ich nicht. Aber so, wie Du den Plot beschreibst, ähnelt er in der Grundkonstellation (natürlich in anderen Kulissen) ihrem Film "Die Abenteurerin" ( The Flame of New Orleans) fünf Jahre später.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2023, 07:11   #1513  
Peter L. Opmann
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Ich hatte überlegt, was für Dietrich-Komödien es eigentlich gibt; da fiel mir nur "Der große Bluff" ein, der aber praktisch nur wegen ihr komödiantische Aspekte hat. "Die Abenteurerin" kenne ich leider nicht.

Da scheint es mir aber vor allem darum zu gehen, daß sie den Richtigen heiratet. In "Perlen zum Glück" stehen Gaunereien im Mittelpunkt, und die Hochzeit fällt nur so nebenbei ab.

Ich habe noch ein paar weitere Dietrich-Filme auf Video - neben "Der blaue Engel" und "Marocco" Lubitschs "Engel", "Das Haus der sieben Sünden" und "Zeugin der Anklage". Dann gibt's noch Filme, in denen sie prägnante Nebenrollen hatte: "Eine auswärtige Affäre", "Das Urteil von Nürnberg" oder "Im Zeichen des Bösen". Davon sehe ich mir demnächst auch etwas an.
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Alt 23.08.2023, 07:27   #1514  
Peter L. Opmann
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Übrigens: "Perlen zum Glück" habe ich 1991 im Bayerischen Fernsehen aufgenommen, und die Synchronisation stammt von der DEFA.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2023, 08:03   #1515  
Nante
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Da scheint es mir aber vor allem darum zu gehen, daß sie den Richtigen heiratet.
Na, ja. Sie spielt schon einen knallharten "Gold-Digger" mit immer neuen Tricks und das romantische Ende kommt erst zum Schluss.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.08.2023, 18:59   #1516  
Nante
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Als ob ich es geahnt hätte.
Da schreibt man arglos eine Beitrag über...

Zitat:
Zitat von Nante Beitrag anzeigen
Feuer, Wasser und Posaunen“
und dann kommt das neue MOSAIK raus und heißt:
Mosaik-Heft 573 "Feuer, Wasser und Dromonen"
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.08.2023, 19:31   #1517  
Fauntleroy
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Moin,
Dromonen ? Wollte man das Wort "Kriegsschiff" nicht nehmen ?
Oder ist damit der "Läufer" gemeint ?
Denke mal die Erklärung findet sich im Comic. Da ich kein Mosaik habe/sammel...


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Alt 24.08.2023, 19:59   #1518  
Nante
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Es geht tatsächlich um die byzantinischen Kriegsschiffe und ihren (un-)sachgemäßen Einsatz.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.08.2023, 21:49   #1519  
Peter L. Opmann
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Ach ja, das war der russische Märchenfilm. Den könnten die "Mosaik"-Leute auch kennen.
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Alt 25.08.2023, 06:19   #1520  
Peter L. Opmann
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Jetzt werden zwei ähnliche Filme direkt nacheinander besprochen – sollte ich vielleicht lieber nicht machen, damit es nicht langweilig wird. Aber nach „Perlen zum Glück“ mit Marlene Dietrich kommt nun „Engel“ (1937) mit Marlene Dietrich. Beide Male hatte Ernst Lubitsch seine Finger im Spiel; bei letzterem führte er Regie. Der Grund liegt darin, daß ich beide Filme auf der gleichen Videocassette habe. Es gab damals 195-Minuten-Cassetten, damit man problemlos zwei Standard-Filme drauf bekam, und wer ganz sicher gehen wollte, kaufte sich 240-er Cassetten. „Perlen zum Glück“ lief anläßlich des 90. Geburtstags der Dietrich, „Engel“ ein paar Tage später zum 100. Geburtstag von Lubitsch, der da allerdings schon lange tot war. Es ist vielleicht nicht uninteressant, beide Filme zu vergleichen. „Perlen zum Glück“ ist wesentlich konventioneller als „Engel“; aber an „Engel“ stört mich, daß Lubitsch hier etwas zu erzählen versucht, was er angesichts der damaligen Gesellschaftsregeln nicht erzählen kann.

Dietrich, die Ehefrau eines hochgestellten britischen Diplomaten (Herbert Marshall), taucht in Paris im „Club de la Russe“ einer „Großfürstin“ auf, und sie will sich „amüsieren“. Mit derselben Absicht sucht auch Melvyn Douglas die Großfürstin auf. Er und Dietrich lernen sich zufällig kennen und beschließen, den Abend zusammen zu verbringen. Dietrich scheint von ihrem Mann schwer vernachlässigt zu sein, ist aber in jedem Augenblick eine gute Ehefrau, die ihn nie betrügen, geschweige denn verlassen würde. Trotzdem ist Douglas eine große Versuchung für sie. Sie verrät ihm jedoch nicht ihren Namen, daher „Engel“. Hier muß ich gleich mal einhaken: Was man sich nur zusammenreimen kann, wenn man sowas erwartet: Der Club ist ein Edelbordell, und Dietrich braucht endlich mal wieder Sex. Das muß aber 1937 unmerkbar bleiben. Lubitsch soll Dietrich während des Drehs immer wieder ermahnt haben, daß sie zwar verführerisch, aber nicht aufreizend spielen solle – sie hatte die Rolle des Vamps wohl völlig verinnerlicht. Aber als ehrbare Frau mußte sie ganz anders agieren.

Zurück zur Story: Sie läßt offen, ob sie sich noch einmal mit Douglas im „Club de la Russe“ treffen wird. Vorerst kehrt sie zu ihrem Mann zurück. Wir erleben, daß sie mit Marshall eine absolut harmonische Ehe führt – sie sind nicht imstande, sich über irgendetwas zu streiten. Allerdings bleibt sie immer allein zurück, wenn er in irgendeiner diplomatischen Krise gefordert ist. Kurz darauf begegnen sich Marshall und Douglas (sie sind alte Kriegskameraden), ohne zu wissen, daß sie durch Marlene Dietrich sozusagen eine Verbindung haben. Marshall lädt Douglas in sein Haus ein, und Dietrich kommt dazu. Wie das Gespräch verläuft, wird durch die Beobachtungen der Dienerschaft gespiegelt: Dietrich und Douglas sind sehr nervös, der Gatte ist arglos. Marshall wird wieder zu dringenden Staatsgeschäften gerufen; Dietrich bleibt mit Douglas allein, tut aber so, als würde sie ihn nicht kennen. Sie weist ihn ab, weil sie nach eigenen Worten Angst vor Veränderung hat. Douglas besteht jedoch darauf, Dietrich noch einmal in dem Pariser Club zu treffen. Marshall schöpft inzwischen Verdacht, als er erfährt, daß seine Frau kürzlich in seiner Abwesenheit in Paris war (Douglas hatte ihm von einer Frau erzählt, in die er sich da verliebt hatte). Schließlich treffen alle drei dort aufeinander. Marshall zeigt, daß er verstanden hat, daß er seine Frau viel zu wenig beachtet hat. Darauf kehrt sie endgültig zu ihm zurück.

Es ist nicht leicht, diesen Film einem Genre zuzuordnen. Er hat Elemente eines Melodrams, aber teils auch den „Lubitsch-Touch“. Es ist aber wohl der Lubitsch-Film – abgesehen von seinen Frühwerken in Deutschland -, der am wenigsten als Komödie funktioniert. Er ist perfekt gemacht und in jeder Minute unterhaltsam, aber man hat doch das Gefühl, daß die Hauptdarsteller alle Heuchler oder bloße Schaufensterpuppen sind, weil das Dreiecks-Liebesdrama immer nur behauptet oder in geistreichen Gesprächen abgehandelt, aber nie in die Tat umgesetzt wird. Ein Kritiker fühlte sich an Chabrols „Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen“ erinnert, einen Film, in dem das passiert, was Lubitsch nur ganz zart andeuten kann. Was ich noch interessant finde: Drehbuchautor Samson Raphaelson hat mehrmals erfolgreich mit Lubitsch zusammengearbeitet. Von ihm stammen auch die Drehbücher für „Ärger im Paradies“, „Die lustige Witwe“ (die Lubitsch-Version), „Rendezvous nach Ladenschluß“ oder „Die Frau im Hermelin“. Außerdem schrieb er das Drehbuch zu Hitchcocks „Verdacht“. „Engel“ war aber ein Mißerfolg. Die Leute hatten sich offensichtlich an Marlene Dietrich sattgesehen. Sie hatte ihr Comeback zwei Jahre später mit dem schon erwähnten Western „Der große Bluff“.

„Angel“ gibt’s in voller Länge auf youtube, aber nicht auf deutsch und anscheinend auch keine Ausschnitte aus dem Film.
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Alt 27.08.2023, 17:02   #1521  
Peter L. Opmann
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Inszenatorisch überzeugend und überdurchschnittlich, aber von der Handlung her problematisch: „Die Nacht hat tausend Augen“ (1948) von John Farrow. Beim Wiedersehen nach langer Zeit hat mich auch gewundert, daß ich diesen Film mal bei SuperRTL aufgenommen habe. Aber dieser Sender hat damals offensichtlich Sendezeit mit billigen alten Filmen gefüllt. Wahrscheinlich lief er nachts, denn es gab keine Werbeunterbrechung.

Allgemein wird dieses Werk als film noir eingestuft, und optisch trifft das meiner Meinung nach auch zu. Die Story basiert auf einer Vorlage von Cornell Woolrich, würde aber eher in die Serie „Twilight Zone“ passen und geht logisch nicht auf. Das Thema eines unentrinnbaren Schicksals macht sie für mich zur Horrorstory – sowas las ich früher, wenn auch natürlich viel einfacher gebaut, des öfteren in „Horror“ und ähnlichen Comics.

Edward G. Robinson ist ein Varietékünstler, der angeblich die Namen von Menschen im Publikum erraten und ihre in einem verschlossenen Umschlag aufgeschriebene Frage lesen und sogar beantworten kann. Einmal erschrickt er während einer Vorstellung und empfiehlt einer Frau dringend, sofort nach Hause zu gehen. Wie sich herausstellt, hat ihr kleiner Sohn mit Streichhölzern gespielt und beinahe die Wohnung in Brand gesteckt. Von da an (oder vielleicht auch schon früher) kann er künftige Unglücke und Katastrophen voraussehen. Aber das bringt auch Verantwortung mit sich. Einmal warnt er einen Zeitungsjungen, den er auf der Straße trifft, nicht, und der wird gleich darauf von einem Auto überfahren.

Robinson versucht, vor seiner übersinnlichen Gabe zu fliehen. Er verläßt auch seine Verlobte und verkriecht sich in Los Angeles. Viele Jahre später trifft er die Tochter dieser Frau (Gail Russell), ein Kind aus einer anderen Beziehung. Er sieht ihren Tod voraus, und er glaubt, sich diesmal nicht heraushalten zu können. Russell ist Chefin einer millionenschweren Firma geworden. Ihr Freund (John Lund) glaubt den Prophezeiungen Robinsons nicht und schaltet die Polizei ein. Obwohl der Wahrsager genaue Angaben zu den Umständen des Todes der Frau macht, halten ihn alle für einen Trickser, womöglich die wirkliche Bedrohung für Russell.

Robinson will alles tun, um den Mord, den er voraussieht, zu verhindern, aber die Polizei verhaftet ihn. Tatsächlich ist es ein Teilhaber der Firma, der Russell wegen einer Unternehmensentscheidung umbringen will. Robinson gelingt es, zur bestimmten Zeit zu Russell zurückzukehren, und greift ein, aber die Polizei denkt, er führe nun den Anschlag auf sie aus, und erschießt ihn. Mit seinem letzten Atemzug kann Robinson allerdings den Mord verhindern. In seiner Tasche findet sich ein Zettel, auf dem er den genauen Ablauf der Ereignisse notiert hat – einschließlich seines eigenen Todes.

Das ist eine unglückliche Mischung aus Unerklärbarem und Mordplänen, die Robinsons Hellseherei mit einkalkulieren – ein barer Unsinn, der aber dem Zuschauer angesichts der geschickt erzeugten Hochspannung nicht sofort auffällt. Für die film noir-Atmosphäre ist hier der Kameramann John Seitz hochgradig mitverantwortlich, der zahlreiche Filme der Schwarzen Serie fotografiert hat. Auch die Schauspielerleistungen finde ich sehr gut, vor allem die von Edward G. Robinson, von dem ich eigentlich noch keinen schlechten Film gesehen habe. Gail Russell hat leider weniger Chancen zu glänzen. Das amerikanische Publikum mochte allerdings den abergläubischen Stoff nicht besonders; laut der englischen wikipedia konnte diese Paramount-Produktion ihre Kosten nicht einspielen.
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Alt 27.08.2023, 17:17   #1522  
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Endlich mal wieder ein Film für mein schlichtes Gemüt.
Den hab ich auch noch aufgenommen auf VHS aber an die aufgenommenen Kasetten komme ich schon lange nicht mehr dran und befürchte die sind schon längst zerbröselt.
Egal, zum Film, der gefiel mir damals sehr gut, klar, Logigprobleme aber gut und spannungserzeugend gespielt.
Klar, man muss solche Stoffe lieben und so alte Filme sowiso.

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Alt 27.08.2023, 17:24   #1523  
Peter L. Opmann
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Den Film sehen wir wohl beide ähnlich.
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Alt 27.08.2023, 17:45   #1524  
Marvel Boy
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Ich bin gerade am überlegen ob ich von Edward G. Robinson einen schlechten Film gesehen habe, du meintest ja du eher nicht.
Das würde ich mal so mit unterschreiben wollen mit dem Hinweis das das bei mir schon sehr lange her ist das ich seine Filme geschaut habe.
Mit verklärtem Blick möchte ich noch hinzufügen, wir hatten nur 5 Programme, mit 2x DDR, und kein Streaming, aber eindeutig die besseren Filme.

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Alt 30.08.2023, 12:10   #1525  
Peter L. Opmann
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Im Zusammenhang mit „Elmer Gantry“ ist dieser Filmtitel schon mal gefallen: „Die Nacht des Jägers“ (1955) von Charles Laughton. Den habe ich tatsächlich auch auf Video. Bestimmte Bilder aus diesem Film vergißt man glaube ich nicht so leicht, aber worum es in dem Film geht, wußte ich nur noch in groben Umrissen. Ein schwieriger Fall, finde ich; schwer einzuschätzen, was Laughton damit sagen wollte, wenn es ihm nicht nur um die außergewöhnliche Stilistik ging. „Die Nacht des Jägers“ hat das Publikum der 1950er Jahre durch seine scharfe Religionskritik schockiert. Doch es gibt ja einen krassen Gegensatz zwischen dem „Tartuffe“ Robert Mitchum und der gottesfürchtigen Lillian Gish.

Wenn man sich die zeitgenössische Kritik der katholischen Filmkommission ansieht, kann man vielleicht nachvollziehen, wie die Zuschauer 1955 „Die Nacht des Jägers“ aufgenommen haben: „Ein geistesgestörter amerikanischer Wanderprediger wird zum geldgierigen Mörder und jagt zwei Kinder. Formal interessant, aber in der Verquickung von Gruselelementen und Sadismus mit perversem religiösem Wahn bedrückend und peinlich. Starke Vorbehalte!“ Aber das betrifft nur die erste Filmhälfte. Der zweite Abschnitt, in dem Gish die Kinder mit allen Mitteln gegen den falschen Prediger verteidigt, wirkt mindestens genauso stark.

Was ist die Story? Der Vater von Billy Chapin und Sally Jane Bruce, ein verarmter Farmer, hat wegen 10 000 Dollar einen Menschen umgebracht. Bevor ihn die Polizei abholt, verrät er seinen Kindern, wo er das Geld versteckt hat, und ermahnt sie, das niemandem zu verraten. Im Gefängnis teilt er sich die Zelle mit Mitchum, der davon lebt, begüterte Witwen zu verführen, zu heiraten und dann zu töten. Mitchum bekommt weder von ihm noch später von seiner Frau (Shelley Winters) das Geldversteck heraus. Er tut so, als nähme er sich liebevoll der vaterlosen Kinder an, aber er weiß, daß er nur noch von ihnen das Geheimnis erfahren kann. Auch Winters ermordet er.

Chapin und Bruce schaffen es eben so, vor Mitchum aus dem Haus zu fliehen und fahren mit einem Boot den Fluß herunter. Mitchum ist hinter ihnen her, aber dann zieht Gish sie aus dem Wasser. Zuerst verprügelt sie die Kinder, aber man merkt schnell, daß sie ein Herz für Waisen hat und sich bis zum Letzten für sie einsetzen wird. Mitchum taucht bald an ihrem Haus auf, aber sie hält ihn mit ihrem Gewehr auf Abstand, bis er von der Polizei abgeholt und zur Hinrichtung geführt wird. Die letzten beiden Szenen des Films wirken auf mich etwas angeklebt: Die Masse, die bisher von dem frommen Prediger hingerissen war, fordert nun erbarmungslos seinen Tod. Und dann feiert Gish mit den Kindern Weihnachten, und man sieht noch einmal, daß sie ihr wirklich wichtig sind.

Die kurzzeitige Ehe von Mitchum und Winters ist eine grelle Karikatur des christlichen Ideals, die extreme Leibfeindlichkeit ins Zentrum rückt. Mitchum wird den ganzen Film über eine große Wirkung auf Frauen unterstellt; wenn das seiner Religiosität zugeschrieben wird (wird für mich nicht deutlich), dann ist das auch eine krasse Verzeichnung. Von der Mitchum-Figur führt aber zweifellos eine direkte Linie zu Samuel L. Jackson in „Pulp Fiction“, der einen Bibelspruch zitiert, während er eiskalt einen Kleingangster erschießt. Man sollte auch Lillian Gish beachten. Sie war ein großer Stummfilmstar, galt als grande dame des amerikanischen Kinos, schaffte aber den Übergang zum Tonfilm nur mühsam. Dennoch hatte sie eine lange Karriere; ihr letzter Filmauftritt war 1987, und sie hatte auch nach 1928 bemerkenswerte Auftritte. In "Die Nacht des Jägers" ist sie als sehr bibelgläubig gezeichnet - sie erzieht die Kinder durch Bibelgeschichten.

Heute gilt „Die Nacht des Jägers“ als verkanntes Meisterwerk, weil man inzwischen vor allem die formalen Aspekte des Films und nicht den Inhalt betrachtet. Hier wird wiederum der Begriff „film noir“ ins Spiel gebracht. Aber Laughton verwendet Schwarz-Weiß-Effekte, die sich davon doch etwas unterscheiden. Besonders gern arbeitet er mit Silhouetten. Die Geschichte ist absichtlich holzschnittartig gestaltet; hier geht es nicht um Realismus, sondern um ein möglichst drastisches, zugleich irgendwie märchenhaft-unwirkliches Geschehen. Dafür war das Publikum der 50er Jahre wahrscheinlich noch nicht reif. Laughton hat neue Darstellungsmittel erkundet und stellenweise höchst wirkungsvoll angewendet. Noch ein Wort zu ihm: Dies ist zwar seine einzige Regiearbeit (und zwar für United Artists), aber er hatte daneben auch eine große Theaterkarriere, und ich kann mir vorstellen, daß er da auch Regieerfahrungen sammeln konnte.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
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