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Alt 20.04.2016, 21:08   #1  
Detlef Lorenz
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Nummer 20


Die Türken vor Wien – Eine Stadt verteidigt Europa





So ganz abwegig ist der Untertitel „Eine Stadt verteidigt Europa“ nicht von der Hand zu weisen: wer weiß, wie die Geschichte nach 1529 weitergegangen wäre, wenn den Türken unter Sultan Süleyman ll, im Heft Soliman genannt, die Einnahme Wiens gelungen wäre.

Der Reihe nach: 1453 gelingt den Türken die Eroberung Konstantinopels und damit ist das Oströmisch/Byzantinische Reich Geschichte. Die Angriffskraft des Osmanischen Reiches (nach Osman l, dem Gründer des türkischen Staates), ist danach ungebrochen. Als die Türken am 27.September Wien komplett eingeschlossen hatten, standen den inklusive Tross rund 150 000 Angreifern, nur etwa 17 000 Verteidiger gegenüber. Streitigkeiten, religiöser und politischer Art, was kaum zu unterscheiden ist, verhinderten eine größere Anzahl von Hilfstruppen des Reiches. Trotzdem gelang den Türken nirgends eine Überwindung der schon etwas brüchigen Stadtmauern. Auch unterirdische Attacken schlugen fehl, große, mit Wasser gefüllte Bottiche zeigten mit leichten Wellenschlag Vibrationen, die durch die Grabungsarbeiten verursacht wurden. Dann gingen die Verteidiger in den Untergrund und schlugen die türkischen Mineure zurück. Selbst die an Zahl weit überlegene Artillerie (300 gegen gut 70 wienerische) war nicht ausschlaggebend, da es sich türkischerseits nur um leichte Geschütze handelte. Die starken Belagerungskanonen waren im herbstlichen Schlamm der sich im schlechten Zustand befindlichen ungarischen Straßen steckengeblieben. Diese waren auch der Grund für den überaschenden Abzug nach noch nicht mal einem Monat (15. Oktober) Belagerung und vergeblichen Angriffsversuchen, denn Nachschub kam nicht durch.

Im Heft wird das alles recht anschaulich geschildert, wobei das Hauptaugenmerk auf einen Graf Wolfsburg* als handlungstragender Person liegt. Diesen habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden, gehe also erst einmal von einer fiktiven Person aus. Ansonsten stimmt so ziemlich alles, wenn auch Wolfsburg an vielen Aktionen in vorderer Linie beteiligt war – aber was soll´s. Es wird natürlich vieles übertrieben, so dass die Verteidiger besser dastehen, ohne ihre „Leistung“ abwehrten zu wollen.




Das interessanteste am Heft war für mich aber die Beteiligung der es herstellenden Personen: vom Texter abgesehen, der wieder Hans-Jürgen Linden gewesen sein dürfte (immer der selbe Stil, der gleiche Anfang), teilten sich die Zeichnungen die zwei bisher am häufigsten aktiven Zeichner. Lothar Linkert und Helmut Hahn sind die Akteure, erkennbar an den Signaturen beider Zeichner. Deutlich sind sie an der abgebildeten Beispielsseite unten rechts zu sehen. Vom fertigen Produkt ausgehend, vermute ich, dass Linkert die Vorzeichnung erstellt hat und Hahn getuscht.** Warum das so geschehen ist, kann nur spekulativ beantwortet werden. Keine Zeit von einem von beiden, keine Lust, andere besser bezahlte Jobs in Aussicht? Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass von Linkert nur noch ein Heft folgte (die Nr. 21), für Hahn war es das letzte Comic Heft für die Reihe „Abenteuer der Weltgeschichte“.

*Ist das etwa ein Hinweis auf den Wohnort einer der beiden Zeichner – so ganz von der Hand zu weisen ist das wohl nicht.
**Steht so jetzt im Widerspruch zur Illustrierten Deutschen Comic Geschichte, aber ich denke, es ist hier so richtig gedeutet.
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Alt 26.04.2016, 15:34   #2  
Detlef Lorenz
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Nummer 21


Stützpunkt Arktis – Männer im ewigen Eis





In diesem Heft geht es um die Festlegung und Sicherung einer Flugroute über den Nordpol. Mit diesem Kurs würden sich die Zeiten – und Kilometer – von Kontinent zu Kontinent erheblich verkürzen. Also erwartete ich eine, zwar dramatisch geschönte, Schilderung zur Geschichte der heutzutage selbstverständlichen Abkürzung über den Nordpol. Das Vorwort, das für mich immer ein Indiz für die Zuverlässigkeit des kommenden Stoffes ist, versprach auch interessantes. Im Gegensatz dazu musste ich dann ein reines Märchen lesen, einen simplen und, an den Tatsachen weit, weit vorbei geschriebenen Comic!

Da will ein Captain Brand vom Militärflughafen Portland (1) in Alaska bei einem Routineflug über der Polregion eine Insel entdeckt haben. Bei späteren Nachprüfungen stellte man fest, dass diese Insel in Wirklichkeit eine gigantische treibende Eisscholle ist (2). Diese sollte nun als Stützpunkt für die Polarroute dienen, Flugzeuge leiten und als Behelfsflughafen dienen. Einige „dramatische“ Zwischenfälle bei der Errichtung der Basis auf der schwimmenden Eisscholle (ich wiederhole das so gerne), bei der auch große, sehr große Flugzeuge, wie eine viermotorige DC-4, Material dort hin transportierten.




1: Ich habe in ganz Alaska keinen Ort namens Portland gefunden, dabei bin ich auf einer Liste bis zum kleinsten bekannten, mit 2 Einwohnern runter gegangen (Painunit – wenn ich mich nicht verlesen habe). Dabei soll er sich bei Portland um einen Flottenstützpunkt handeln, in dem ein Schlachtschiff, die Missouri, Kreuzer, U-Boote und Zerstörer von einer, auch hier imaginären, Alaskaflotte stationiert sind.

2: Zum Einen erinnert mich das sehr an den Vorkriegsspielfilm „F.P.1. antwortet nicht“, da sollte ein stationärer gigantischer Flugzeugträger als Zwischenlandemöglichkeit im Atlanktik dienen. Ist von der technischen Entwicklung rasch überholt worden. Außerdem, was heißt hier treibende Eisscholle? Wie wir seit Nansen (Heft 12) wissen, ist die ganze Nordpolare Eismasse in stetiger kreisender Bewegung um den Pol herum. Da kann es auch keine bemerkenswerte Eisscholle geben, alles Eis ist irgendwie zusammenhängend.

Der ganze Inhalt ist schlichtweg Unsinn, hat nichts mit „Bilderhefte voll Spannung und Wissen“ (so die Werbung) zu tun. Ist sein Geld nicht annähernd wert, jedenfalls nicht unter dieser Prämisse. Zusätzlich ist das Heft von Lothar Linkert …

P.S. Die ersten kommerziellen Flüge via Polarroute fanden 1954 mit der SAS zwischen Kopenhagen und Los Angelas statt. Nicht nur mit einer, sondern gleich 2 Zwischenlandungen in Söndre/Grönland und Winnipeg/Kanada. Das Heft, vom Februar 1955 war so gesehen ziemlich dicht an Geschehen, wenn auch inhaltlich ziemlich seltsam, aber so steht es auch diesmal geschrieben.
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Alt 29.04.2016, 15:02   #3  
Detlef Lorenz
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Nummer 22 Im Lande des Inka – Pizarro gegen Atahualpa





Das vorliegende Heft, Ende Februar 1955 erschienen, wartet mit gleich mehreren positiven Überraschungen auf: die Wichtigste, endlich sind die unansehnlichen Schmuckfarben rot und blau verschwunden. Der Druck wird ab jetzt mit schwarzer Farbe bewerkstelligt. Zudem ist nach langer Zeit mal wieder Eugen Blumentritt als alleiniger Zeichner vertreten. Im Vergleich zu seinem letzten Heft, der Nummer 18, kommen hier seine teils filigranen Zeichnungen viel besser zur Wirkung. Auch wenn er erneut etliche Anleihen beim Prinz Eisenherz genommen hat, sein Stil ist sicherer geworden.






Die oben stehende Abbildung der Seite 23 zeigt interessante Aspekte. Der erste Streifen ist aus Prinz Eisenherz, aber aus welcher Sonntagsseite? In der rechten unteren Ecke der ersten beiden Streifen hat er seine Initialen eingefügt, EB. Auf der Abbildung weiter unten, der Seite 29, eine eindrucksvolle ganzseitige und querformatige Schlacht(en)szene finden wir seinen hier ausgeschriebenen Schriftzug ebenfalls unten rechts.
Der Titel des Heftes „Im Lande des Inka“ erfreute mich, immerhin heißt es hier völlig zu recht „des Inka“. Schließlich handelte es sich um einen Titel, der später auf das ganze Volk umgedeutet wurde, aber eben noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Bisher war es in der Reihe des Öfteren üblich, die Geschichten nicht abzuschließen, das behandelte Geschehen wurde nicht zu Ende erzählt. Hier ist es genau umgekehrt: Die Handlung setzt ein, als der Inka Atahualpa bereits von den Spaniern festgesetzt wurde und für seine Freilassung einen ganzen Raum voll Gold anbot, etwas was die Konquistadoren in Südamerika schließlich gesucht hatten. Ich zitiere mich hier ausnahmsweise einmal selber und zwar aus der Sprechblase 148, in der Teil 1 meiner damaligen Beschreibung der Serie schon einmal lief – nur nicht so ausführlich und jedes Heft behandelnd, wie hier. Wenn es mir unpassend erscheint, kürze oder verändere ich den damaligen Text etwas, das wird aber erkennbar sein.

In den bisherigen Heften, z. B. der Nummer 1, wurde zwar die Goldgier der spanischen Eroberer herausgestellt, aber immer wurde versucht, ihnen hehre Motive zu unterstellen. Zitat: „Das inhaltlich völlig anderes möglich war, zeigt der (vorliegende) Band. Hier zeigt Blumentritt unverblümt die Habgier der Spanier, die es ausschließlich auf das Gold der Inkas angesehen haben (der Raub- und Vernichtungszug des Cortez in Mexico war ihnen da ein Vorbild, dieser war schließlich ein Verwandter Pizarros). Er scheut sich auch nicht, den Kulturfrevel zu schildern, die den gesamten Gold- und Silberschatz der Einfachheit halber eingeschmolzen haben, da er so leichter zu transportieren war. Auch die hinterlistige Art und Weise , wie die Spanier mit Atahualpa umgesprungen sind, wird fast genüsslich geschildert. Die spanischen Hauptleute überlegen, wie sie mit dem Inka nach der Zahlung des Lösegoldes weiter verfahren wollen. „Wenn der Inka frei ist, wird er das Volk gegen uns aufrufen und sich die Schätze wieder holen.“ Das macht Pizarro nachdenklich: “Wenn ich ihn aber nicht freilasse, holt sich vielleicht das Volk seinen Kaiser.“ Aber Riquelme hat einen Plan. „Wir bezichtigen ihn des Verrats und stellen ihn vor ein Gericht. Dann wird er zum Tode verurteilt und das Recht ist auf unserer Seite.“ Es versteht sich von selbst, dass der Inka wenige Bilder weiter vor dem Inquisitionsgericht den spitzfindigen Fragen und Winkelzügen der Spanier nicht gewachsen ist … und den Tod durch Erdrosselung erleidet. Weshalb wird nun das spanisch/katholische Raub- und Machtgebaren so anschaulich geschildert, während die zwar zuerst auch katholischen, aber die nach der Reformation protestantisch/preußischen Eroberungszüge eher wohlwollend geschildert werden? Da der selbe Zeichner derart gegensätzliche Texte bearbeitet, drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass die Zeichner zwar die Episoden und wohl auch einen gewissen Text vom zuständigen Redakteur zur Verfügung gestellt bekamen, aber die endgültige Bearbeitung im Verlag stattfand. Und hier war es entweder Hans-Jürgen Linden oder (inzwischen und nicht im Impressum vermerkt) Dr. Knoop. Zitat Ende.

Das war meine damalige Sichtweise der Dinge und ich kann da immer noch zu stehen. Einen Punkt habe ich im letzten Satz in Klammern gesetzt, der damals nicht dort stand. Für die Heftreihe war inzwischen, womöglich mit diesem Heft, ein Wechsel des Redakteures vonstatten gegangen. So weit wie ich informiert war und bin, schied Linden aus und wurde durch Dr. Knoop ersetzt. Die Begrüßung der Leserschaft hier und in anderen Lehning-Heftserien „Euer Hans-Jürgen“ war nur noch ein fake, häufig wurde es auch von Frau Reuter, der Chefsekretärin in Hannover verwendet. Woher ich diese ganzen Infos habe, entzieht sich heutzutage meiner Kenntnis, ich habe damals leider vergessen, entsprechende Quellenangaben zu machen



Bild anklicken vergrößert

Diese Abbildung kommt mir auch irgendwie bekannt vor, eventuell die „Alexanderschlacht“, im Ausschnitt und Hintergrundmäßig bearbeitet natürlich.


Zurück zum Heft: Nach der Zahlung des unglaublichen Lösegeldes wird der letzte Widerstand der „Inkas“ geschildert und die internen Machtkämpfe der Spanier um die Beute um die alleinige Macht im indianischen Reich. Ähnliches war schon in Mexico passiert, warum sollte es hier anders sein. Das Heft endet mit dem Tode Pizarros bei einer Revolte kaltgestellter spanischer Truppenteile. Alles in allem hat es mir gut gefallen und macht Neugierig auf das folgende, das wiederum von Blumentritt gestaltet wurde.

Zum Schluss die üblichen und notwendigen Zahlenangaben: Nachdem Pizarro erstmals 1526-28 im nördlichen Südamerika Raubzüge erfolgreich durchgeführt hatte, erhielt er von Karl V die Erlaubnis für weitere Erkundungen und Eroberungen weiter südlich, also im Inka-Reich durchzuführen. 1532 landete er im Norden Perus mit rund 300 Mann. Atahualpa verfügte über tausende von Kriegern, aber die Spanier waren nicht nur besser bewaffnet, sie hatten auch Pferde, Kanonen und Musketen, die zusammen genommen die Überlegenheit der Angreifer ausmachten. Nach den Siegen auch gegen den letzten Inka, Manco Capac, bekriegten sich die Spanier untereinander. Almagro revoltierte gegen Pizarro, unterlag, aber der Sieger wurde bei einer Meuterei der Unterlegenen 1541 getötet. Soweit die Fakten und nichts anders steht im Heft!

P.S. Bei meinen Netzrecherchen zu Pizarro wurde ich überwiegend auf einen gewissen „Claudio“ statt Francisco verwiesen …
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Alt 29.04.2016, 18:16   #4  
user06
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@ Detlef Lorenz: für diesen hochinteressanten Beitrag. Das Heft 22 habe ich mir davon angeregt eben antiquarisch bestellt und freue mich schon auf das Lesen.
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Alt 29.04.2016, 19:43   #5  
Hinnerk
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Das Prinz-Eisenherz-Vorbild für das erste Panel findet sich auf Sonntagseite 127. Allerdings nur die Figur, nicht der Hintergrund.
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Alt 29.04.2016, 20:16   #6  
Detlef Lorenz
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Das befestigte Lager findest du, in besserer Qualität, auf der Seite 140. Sicherlich hat jeder seinen Prinz Eisenherz zu hause und kann die Unterschiede des liegenden Spähers erkennen: Blumentritt hat nicht bloß abgekupfert, er hat seine Figur grafisch den Gegebenheiten angepaßt. Da gab es ganz andere Koryphäen: Fritz Tasche z.B. hat für seine Robinsonfassung bei Nickel - schlecht - abgekupfert und sich nicht die Mühe gemacht, eigenständiges herauszuarbeiten. Da war Blumentritt schon besser.

Aber danke, Hinnerk. Habe mir fast gedacht, dass du am schnellsten bist ...
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Alt 30.04.2016, 12:51   #7  
pirg
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Eine kurze Anmerkung zu Heft 20 mit der ersten Türkenbelagerung Wiens - so überraschend war der Abzug der Osmanen im Nachhinein betrachtet nicht. Süleyman hatte zu diesem Zeitpunkt den Feldzug schon um ca. 2 Wochen über den geplanten Zeitrahmen hinaus verlängert und war damit ein ziemliches Risiko eingegangen. Auf dem Rückmarsch durch Ungarn und den Balkan soll das osmanische Heer auf Grund der schlechten Witterungsbedingungen (noch verschärft durch einen verfrühten Wintereinbruch) noch eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Mensch, Tier und Material verloren haben.
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Alt 19.05.2016, 16:48   #8  
Detlef Lorenz
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Nummer 23
Die Abenteuer des Marco Polo – Durch Unbekanntes Land




Marco Polo dürfte eine der bekanntesten Personen der Weltgeschichte sein. Wer hat nicht von den Geschichten dieses Chinareisenden gehört, der im 13. Jahrhundert mit seinem Vater und Onkel nach Fernost reiste, der die Gunst des Kublai Khan errang und heil nach Europa zurück kehrte. Zu damaligen Zeiten ein nicht unbeträchtliches Abenteuer. Allerdings gibt es auch Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Reiseberichte Polos. Kurioserweise nährt schon das Titelbild die Skepsis: es zeigt den Potala, den Palast des Dalai Lama in Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Zum einen ist der heute bekannte Bau erst im 17. Jahrhundert entstanden und von einem See ist nichts bekannt. Auch die von ihm hinterlassene Reiseroute umrundet das Dach der Welt.

Ein weiterer Punkt in der Liste des Misstrauens gegenüber dem Bericht ist die Chinesische Mauer, die Polo nirgends erwähnt. Im Heftinneren stehen die Polos staunend davor und keiner weiß warum, denn so wie sie hier gezeichnet ist, gibt es sie auch erst ab dem 15./16 Jahrhundert. Mit dem Bau selbst wurde bereits ab dem 7. Jahrhundert v.d.Z. begonnen, Teilbereiche, Fragmente der ständig erweiterten Mauer standen mit Sicherheit noch zu Polos Zeiten.






Auch war Marco Polo beileibe nicht der erste Europäer, der China, das damals von den Mongolen beherrscht wurde, bereiste. Es gab durchaus Berichte und Handelsbeziehungen über die Seidenstraße und über den Seeweg (Indischer Ozean, Persischer Golf, Rotes Meer) pflegten schon die antiken Völker des Mittelmeerraumes mit dem Reich der Mitte kontakte. Schon seine Zeitgenossen nahmen ihn nicht ernst, der „Millionenschwindler“ nach den vielen unglaublichen Zahlenangaben (Städte, Längenangaben, Handelsvolumen und mehr) war noch die harmloseste Titulierung. Auch gibt es über ihn keine Aufzeichnungen in chinesischen Schriften. Falls die Chinesen ihn aber nicht mit seinem eigentlichen Namen geschrieben hätten, ich denke beispielsweise an den Apachen Geronimo, dessen eigentlicher Name Goyaalé war, muss das kein Indiz für Schwindeleien sein. Ich selbst zweifele mehr, als ich an Polos Aufenthalt in China glaube – aber auf mich hört ja keiner …

Gezeichnet hat dieses Abenteuer Eugen Blumentritt. Er hat es für meinen Geschmack sehr gut gemacht, die Prinz-Eisenherz-Adaptionen halten sich in Grenzen.
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Alt 20.05.2016, 06:57   #9  
guenkos
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Von dem dargestellten Potala war im 13. Jahrhundert ist bekannt, ebenso nichts von einem See davor.
Auch die gezeichnete Mauer war im 13. Jahrhundert nicht bekannt.
Der Titel stimmt also.


Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Nummer 23
Auch die von ihm hinterlassene Reiseroute umrundet das Dach der Welt.
... du meinst "umrundet nicht", oder?

Ansonsten meine Anerkennung über diese mit viel Liebe und Mühe erstellten Beiträge. Ich lese sie immer wieder gerne.
guenkos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.06.2016, 12:17   #10  
Aslak
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Keine weitere Ausführung nötig !

Gruß,
Nils
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Alt 07.06.2016, 15:00   #11  
Detlef Lorenz
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Nummer 24
Gefahr am Khaiber-Pass





In Konkurrenz zum Russischen Reich der Zaren, die ihre Eroberungsgelüste weit nach Asien ausdehnten, versuchten die Briten, diesen durch Besetzung weiter Gebiete im Norden Indiens entgegen zu stehen. Nachdem die Russen Buchara mit der Hauptstadt Samarkand erobert hatten, gingen die Briten nach Afghanistan rein. Die Afghanen waren von alle dem nicht begeistert und wehrten sich nach Kräften. Die Folgen waren drei Auseinandersetzungen, die sogenannten Anglo-Afghanischen Kriege (1839-42, 1878-1880, 1919). Nach dem letzten erkannten die Engländer die Unabhängigkeit des heutigen Afghanistans an, aber aktuell wird noch immer um die Herrschaft des Landes gemordet, zerstört und Schlachten geführt.

Im Heft 24 der Abenteuer der Weltgeschichte geht es um eine Episode der Russisch-Britisch-Afghanischen Auseinandersetzungen, damals als The Great Game bezeichnet. Dies kann natürlich nur sehr zynisch gemeint gewesen sein, schließlich kosteten diese Gemetzel abertausende von Menschenleben. Nur weil der Britischen Ostindienkompanie eine Fortsetzung der ersten Auseinandersetzung zu kostspielig geworden war, wurden diese beendet – nicht weil sie bisher so viel Menschenleben gekostet hatten. Im Heft habe ich keinerlei historische Daten gefunden und auch bei den Recherchen um die Handlungstragenden Personen keine Übereinstimmungen mit gelebten Menschen. In der Geschichte wird aus dem dem Pass nahegelegenem britischen Fort mit dem Hauptquartier in Jaipur telefoniert, was erstaunlich ist, den eine der beiden indischen Städte mit diesem Namen liegt im östlichen Assam und das andere in der Nähe von Mumbai, dem früheren Bombay. Also kommen zeitlich gesehen die ersten beiden Kriege wohl so und so nicht in Betracht und das ganze Inventar der Briten 1919 passt nicht zur dritten Auseinandersetzung, denn dort setzten die Engländer bereits Flugzeuge und entsprechende moderne Waffensysteme ein. Also gehe ich mal von einer insgesamt zusammen gesponnenen Story aus, was ich nicht negativ meine.

Ein Captain Grant leistet seinen Militärdienst in Indien ab, rettet einen Elefanten aus einer Tigergrube (sein Kollege wollte diesen sogleich abknallen), befreit ein Dorf von einem Tiger, der ihr Vieh dezimiert und gerät in einen Hinterhalt von aufständischen Pathaner*. Diese wollen ihn in einer großen Volksbelustigung von einem Elefanten zertreten lassen, was dieser verweigert. Es ist, wie man sich denken kann, der von ihm gerettete, und wie dieser in der erstaunlich kurzen Zeitspanne aus den Dschungeln Indiens in das sehr weit nördlich gelegene Afghanistan gekommen sein mag, weiß wohl nur der Autor … wenn überhaupt. Grant wird vom Elefanten, dem die Paschtunen aus Wunderglauben heraus nichts antun, in ein nahe gelegenes Dorf gebracht. Dort versorgt sich Grant mit Waffen und gelangt an den Khaiber Pass. Inzwischen sind die Engländer ausgerückt und geraten in Gefahr, auf eine nicht vermutete Übermacht zu stoßen. Grant erkennt von einer Anhöhe aus die Situation und morst mittels eines Handspiegels die Stellungen der Aufständischen zu seinen Kameraden, die mit ihren Kanonen die Paschtunen und ihre Verbündeten zusammen schießen. Grant reitet mit seinem Elefanten und den Kameraden wieder in die Garnison ein und die englische Herrschaft über Indien ist für weitere Jahrzehnte gesichert …






Gezeichnet hat die Geschichte Eugen Blumentritt und wenn man gelegentliche – auch häufigere – Anleihen bei Foster akzeptiert, kann auch dieses Heft grafisch gefallen.






Gelegentlich nahm sich Blumentritt auch Wäscher als Vorbild, jedenfalls sahen wir das Motiv dieser Szene bereits im Piccolo Sonderband 7 „Peterle, Feinde im Dschungel“.






Wäscher wiederum hat sich den Tiger bei Hogarth geliehen (Seite 919) und diese Verknüpfungen sind für mich insgesamt Interessant, amüsant und akzeptabel.






*Pathaner ist eine persische Bezeichnung für Paschtune, wie der größte Bevölkerungsteil Afghanistans bei uns bekannt ist.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.06.2016, 15:32   #12  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Im Heft 24 der Abenteuer der Weltgeschichte geht es um eine Episode der Russisch-Britisch-Afghanischen Auseinandersetzungen, damals als The Great Game bezeichnet. Dies kann natürlich nur sehr zynisch gemeint gewesen sein, schließlich kosteten diese Gemetzel abertausende von Menschenleben. (...). Also gehe ich mal von einer insgesamt zusammen gesponnenen Story aus, was ich nicht negativ meine.
Soweit ich das beurteilen kann, erkenne ich folgende Quellen für den Stoff:
Der heldenhafte Captain erinnert mich einerseits an den Vater des Titelhelden in Rudyard Kiplings Roman Kim. Ein Engländer, der sich in Afghanistan zum Helden über die dortige Bevölkerung aufschwingt, findet sich Kiplings berühmter Erzählung "The Man Who Would Be King" / "Der Mann, der König sein wollte".
Und den Strang mit dem Elefanten verdankt der Stoff wohl dem Elefanten-Boy, dem Kinofilm und Kiplings Geschichte über "Toomai von den Elefanten" im Dschungelbuch.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2016, 08:26   #13  
Detlef Lorenz
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Ich habe mir im abgebildeten Filmprogram die Inhaltsangabe durchgelesen: außer Indien und einem Elefanten konnte ich keine Ähnlichkeit mit dem Comic finden. Und für den Kinofilm "The Man Who Would Be King" / "Der Mann, der König sein wollte" kann ich so aus der Erinnerung heraus auch keinen inhaltlichen Zusammenhang herstellen. Beide spielen in Afghanistan und ein Europäer ist der „Held“, aber das war´s dann auch.

Aber auf die genannten Beispiele kommt es nicht an, ich suche hier immer Vergleiche mit historischen Begebenheiten und nicht mit literarischen Vorlagen
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.06.2016, 14:39   #14  
Detlef Lorenz
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Als nächstes Heft wäre die Nummer 25 an der Reihe: sie wird auch beschrieben, aber nicht nur diese Ausgabe, sondern gleich noch die Hefte 26, 29 und 30 mit. Diese schildern in Fortsetzungen die Lebensgeschichte des Dschingis Khan, des Gründers des Mongolenreiches. Diese Form der Geschichtserzählung stellt einen einmaligen Vorgang innerhalb der Abenteuer der Weltgeschichte dar.

Zwischen dem Erscheinen der Nummer 24 und 25 lagen ganze zweieinhalb Monate (vom März bis Mitte Juni 1954. Aber nicht nur diese Heftreihe war davon betroffen, der ganze Lehning Verlag schlidderte zu diesem Zeitpunkt am Rande einer totalen Pleite entlang: Walter Lehning genügten seine erfolgreichen Roman- und Comicserien nicht mehr, er wollte im Konzert der „richtigen“ Verleger mitspielen. Der Stern, die Quick, Frankfurter Illustrierte, das schwebte ihm vor. Für die Produktion einer ähnlich gearteten Zeitschrift zeigte er sich nicht, wie sonst üblich, finanziell knauserig, das Projekt Wir Zwei, später umbenannt in Moderne Illustrierte, versuchte er dauerhaft und in Konkurrenz zu den vorgenannten Blättern an den Kiosken durchzudrücken, koste es was es wolle. Allerdings ging im bald die Puste aus, die Käufer ignorierten sein „Kind“. Es verursachte sogar immense Schulden und brachten den Verlag in arge Finanzierungsprobleme. In einem Vergleichsverfahren konnte Lehning die endgültige Pleite grade abwenden, die übrige Produktion musste aber stark reduziert, eingestellt oder verzögert werden. Lizenzen wurden zurück gegeben, deutsche Autoren bekamen weniger Geld, was nicht alle akzeptierten und meist endgültig in die Werbung abwandern lies.

Um die Serie Abenteuer der Weltgeschichte am Leben zu erhalten, sie war wegen der lehrreichen Inhalte eines der erfolgreichen und angesehenen Produkte, musste eine Pause im Veröffentlichungszeitraum eingelegt werden. Damit die Serie nicht aus dem Gedächtnis der Leser entschwindet, wurde ein Thema gewählt, das gut in die Reihe passte, und zudem in Fortsetzungen präsentiert werden konnte. Das Konzept einer bebilderten Geschichtserzählung, ähnlich der Prinz-Eisenherz-Bücher aus dem Badischen Verlag, diente als Vorbild (ohne in den Zeichnungen nur mehr als etwas besseres Amateurniveau zu erreichen). Das Leben und Wirken des Dschingis Khan war die Wahl. Hier erst einmal die 4 angesprochenen Titel:


Nummer 25
Dschingis-Chan, Der Fahle Steppenwolf





Nummer 26
Dschingis-Chan, Das Flammende Schwert






Nummer 29
Temudschin, Der Herr Der Nujakins






Nummer 30
Dschingis-Chan, Die Geisel Asiens










Diese Seite aus dem Heft 25 sollte insgesamt als Beispiel für die Qualitäten der Illustrationen reichen. Die Titelbilder, obwohl nicht besser gezeichnet, suggerieren allein durch ihre Farbgebung einen höheren Standard, sie sind sogar, dem Thema entsprechend, beeindruckend und dämonisch. Wer sie gezeichnet hat, entzieht sich meiner Kenntnis, gefunden habe ich nichts darüber.

Der geschichtliche Inhalt der Hefte beruht auf mehreren Publikationen, die im letzten Heft (Nr. 30) in einem Literaturverzeichnis aufgeführt werden, was so auch noch nicht vorgekommen ist. 4 Bücher – oder Broschüren – werden genannt: LUX-Lesebogen, Nr. 117*, Jabonah, Abenteuer in der Mongolei von Haslund Christensen, Tschingis-Chan, von Michael Pradwin, Taki, Abenteuer eines jungen Wildpferdes in der Mongolei von Niels Meyn. Das Buch von Michael Pradwin scheint mir das bedeutendste zu sein, gibt es doch eine große Anzahl von Hinweisen über ihn im Netz. Zusätzlich gibt es im Heft Tafeln und Abbildungen, in denen Wörter und Begriffe erklärt werden. Alles in allem ein interessanter Versuch, Geschichte in anderer Form zu vermitteln – wenn nur die grausigen Zeichnungen nicht wären.

Den damaligen Käufern/Lesern wurde das neue Konzept auf der „Liebe Jungen und Mädel!“ – Seite vorgestellt, bzw. schmackhaft gemacht. Es erfolgte der Hinweis zum Wunsch einiger Leser, doch auch einmal etwas über Dschingis-Chan und zu bringen und, Zitat**: „ob nicht rote, gelbe oder schwarze Menschen auch einmal die Helden unserer Reihe sein könnten.“ Wenn es stimmt und daran zweifele ich nicht, ein bemerkenswerter Wunsch. Zusätzlich wird die Bitte um Fortsetzungs-Geschichten angeführt, der man mit dem vorliegenden Konzept nunmehr nachkam. Es wird seitens Hans Jürgens, des Lesebriefonkels (nicht despektierlich gemeint), um Reaktionen auf dieses neue Art in den Abenteuern der Weltgeschichte gebeten. Das Heft 26 enthält dazu keine Leserbriefseite, dafür wird in der Nummer 27 „Kampf mit dem Bären“ (von Hansrudi Wäscher und dazu später mehr) um Geduld gebeten, Zitat: „Wenn auch schon viele geantwortet haben, so möchte ich doch das Ende der Ferien abwarten, bis ich mich an dieser Stelle über Eure Meinungen äußere.“ Am Ende der Seite wird der Brief eines Berliners abgedruckt. Dort heißt es, er habe sich das Heft über Fernando Cortez (Nr. 1) gekauft und in der Schule habe der Lehrer gesagt: „Erzähle mir etwas über Fernando Cortez.“ Und ich erzählte aus dem Heft. Der Lehrer sagte: „Ich würde mich sehr freuen, wenn Du sonst auch soviel wüßtest.“ (Zitat Ende) Grinsen musste ich dabei schon, denn es erinnerte mich an meine eigene Schulzeit.

Auf der Leserbriefseite des Heftes 29 geht „Hans Jürgen“ dann auf die Diskussionen zur Veröffentlichungsform der Dschingis-Chan Ausgaben ein: Ein Teil der Leser möchte doch die alte Form beibehalten, was der Verlag schon mit den Heften 27 und 28 getan hatte. Einige Leser fanden die Versuchsausgaben besser, was ein >>erwachsener Leser aus Sechten/Rhld. in seiner Zuschrift zum Ausdruck bringt<<: „Die allzuvielen Bilder machen doch wohl auch die Kinder denkfaul, statt sie anzuregen. Daß sie die ´Abenteuer der Welt´ (alten) Geschichte unseren Kindern kurz und interessant vermitteln wollen, finde ich lobenswert.“ Ein Leser aus Berlin (ich nicht), der ungenannt bleiben möchte, meinte, wir sollten keine Fortsetzungsgeschichten bringen, sondern in jedem Heft nur eine in sich abgeschlossene Geschichte. Ein Leser aus Hamburg dagegen forderte: „(…) Ich hoffe, daß du die Hefte so weitergestaltest“. Aus Kulmbach kam dann die letzte – heftige – Meinungsäußerung: „Ich protestiere gegen die Einstellung der Serie Dschingis-Chan. Zwar mag die Überzahl der Meckerer Recht behalten. Sie sind natürlich von Schundromanen her an Bilder und wenig Text gewöhnt. Aber ich möchte gerne das nächste Heft „Temudschin, der Herrscher der Nujakins“ lesen. Wenn die anderen es aber so, wie es bisher war, wollen, dann bitte. Aber ich will die Fortsetzung von „Dschingis-Chan“. Wie Hans Jürgen dann in seiner Antwort richtig bemerkt, ist es nicht einfach „einem jeden von euch gerecht zu werden.“

Auf der Seite 3 der Nummer 30, des letzten Dschingis-Chan Heftes, wird noch einmal auf die allgemeine politische und gesellschaftliche Situation des 12. Jahrhunderts in Europa eingegangen. Das Kaisertum jener Tage wird heroisierend als Retter des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation*** gewürdigt. Genauso wie das Rittertum, das als militärischer Bewahrer vor den angreifenden Arabern und Ungarn gerühmt wird. Gemäß seinem Stand wird am Ende dieser Betrachtung „der Deutsche Bauer zum Mittelpunkt politischen Geschehens“ hervorgehoben. „Er vollbrachte seine größte Leistung: die Wiedergewinnung des deutschen Ostens.“ Sollte hier das Jungvolk damaliger Tage auf die Revision der Ergebnisse des 2. Weltkrieges vorbereitet werden. „Nur dort konnten der erblose Jungbauer Land finden (das anderen gehörte) und der unfreie Bauernsohn freier Bauer mit eigenem Hof werden (auf deutscher Scholle fehlt hier noch). Ritter und Mönche folgtem den gewiesenen Weg (diese Eroberungen bekamen vom Klerus den Status eines Kreuzzuges verpasst), und bald war aus der wilden Naturlandschaft eine Kulturlandschaft geworden (weil, wie im Heft 28 beschrieben, nur wilde, mit Keulen bewaffnete Kerle das Land lange vor den Rittern und Bauern aus dem Westen besiedelt hatten).

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, das Walter Lehning sich nie um die Gestaltung, Inhalt und den Gehalt einer Heftserie gekümmert hatte, dann haben wir ihn her. Der Text im vorherigen Absatz hat schon leichte revanchistische Tendenzen, Lehning muss dies wirklich übersehen haben und zwar nicht nur weil er zu diesem Zeitpunkt mehr mit den Gerichten und dem Insolvenzverwalter seine Zeit verbrachte, sondern es interessierten ihn nicht. Erstaunlicherweise, denn grade er hatte in der Zeit zwischen 1933 und 1945 politische Probleme. 1937 wurde sein Verlag wegen nicht opportunistischem Verhalten dem Regime gegenüber geschlossen – was seiner Familie wirtschaftlich schwer schadete - und erst 1946 wieder gegründet.
Was zeigt uns die Heftreihe über Dschingis-Chan, den wohl größten – und gewalttätigsten - Eroberer aller Zeiten: In 3 ½ der 4 Hefte werden die Erlebnisse des Temudschin, so der Geburtsname des später Dschingis-Chan genannten, geschildert. Dies geschieht in Romanform, die bekannten historischen Daten werden entsprechend verarbeitet. Sicherlich sind die wörtlichen Reden so nicht gefallen, in den wichtigen Passagen aber wahrscheinlich so oder ähnlich. Nach der gewaltsamen Vereinigung der mongolischen Stämme geht es beutesuchend gen Süden, nach China. Dieses hat sich da bereits seit Jahrhunderten mit gigantischen Schutzwällen gegen die immer wieder sporadisch einfallenden Nomaden zu erwehren versucht. Nun steht ihm aber eine geeinte mongolische Nation gegengenüber, deren Reiterheeren die Chinesen nichts entgegen zu setzen vermögen. Die Mauer**** ist kein Hindernis, Peking fällt fast leicht in die Hände der Mongolen. Dann drängen die Mongolen nach Westen, Turkestan, Persien folgen als nächstes. Das südliche Russland kommt danach und für die nächsten Jahrhundert ist es – und die Krim – Herrschaftsgebiet der goldenen Horde. Länger als sie Russland je besessen hat. Vor den Mongolen herrschten hier das Reitervolk der Kumanen, davor Jahrhunderte die Römer, Goten, Griechen usw. Nach dem Tode des Dschingis-Chan wurde noch Nord-Indien erobert, das Zweistromland verheert, und in Schlesien verlor ein deutsch/polnisches Ritterheer 1241 die Schlacht bei Liegnitz. Im Grunde hätte es bis zum Atlantik nur noch wenig gefehlt, aber der Tod des Großkahn Ugedai, des Nachfolgers des Dschingis-Chan und die zu erwartenden Streitigkeiten um die Nachfolge in der fernen Heimat ließen die Mongolen abziehen. Das alles steht aber nicht mehr in den Heften der Abenteuer der Weltgeschichte, ich wollte es nur ein wenig vervollständigen.

*Ist diese Reihe bekannt, wenn nicht und der Wunsch besteht, könnte ich sie hier einmal kurz vorstellen.
**Zitate sind so wieder gegeben, wie gedruckt.
***Zum wiederholten Male wird die Phrase vom Heiligen Römischen Reich >>Deutscher Nation<< hervorgekramt. Diese Bezeichnung entstand erst viele Jahrhunderte später, als sich das einst multistaatliche Gebilde langsam auf den Kern der überwiegend deutsch sprechenden Völker reduzierte.
***Allen Behauptungen zum Trotz, ist sie vom Mond aus nicht zu sehen.
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Alt 19.06.2016, 19:43   #15  
74basti
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Schon perspektivisch ist das Gemälde von Michelangelo nicht vergleichbar.
Ausserdem haucht er Leben mit dem Finger ein und bindet den Leser nicht in die Geschichte ein, als sei er selbst in dem Panel.

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799
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Alt 19.06.2016, 23:31   #16  
Servalan
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Es ging um den Namen der Geste und nur um den.
Für Gott gelten andere Regeln als für gewöhnliche Menschen: Menschen wie Adam und Eva im Garten können mit ihren Worten Dingen Namen geben. Wenn Gott spricht, wird das, was er spricht, zur Realität (siehe Genesis: "Im Anfang war das Wort.") ... Michelangelos "falsche" Perspektive bringt diesen feinen Unterschied plastisch zur Geltung.
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Alt 20.06.2016, 07:37   #17  
74basti
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Und für Dich gelten scheinbar auch andere Regeln.

Die Geste von Michelangelo ist definitiv anders. Daher passte es nicht zu Detlefs Beispielen.

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799
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Alt 20.06.2016, 08:09   #18  
underduck
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Michel & Angelo hin oder her.

Der Drops ist bitte gelutscht.
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Alt 23.06.2016, 08:19   #19  
Detlef Lorenz
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Nummer 31 Troja in Flammen, Griechen gegen Griechen






In dieser Geschichte geht es natürlich um den Raub Helenas durch den trojanischen Königssohn Paris. Hier haben wir keine historisch belegte Geschichte vor uns, sondern die Erzählung des Dichters Homer, der als Person selbst nicht 100%ig greifbar ist. Und das sogar schon in der Antike, wo über den Zeitraum seines Lebens spekuliert wurde – und bis auf den heutigen Tag, ob seine bekanntesten Werke, die ILLIAS, also ein Abschnitt des Trojanische Krieges und die daran anschließende ODYSSEE, die 10 Jahre währende Irrfahrt des Odysseus, von dem die Idee mit dem berühmtesten aller Pferde stammen soll, tatsächlich von Homer bzw. von einem einzelnen Künstler stammt. Also ist aus mehreren Gründen eine kritisch/historische Betrachtung dieses Heftes kaum möglich, da es sich um eine Dichtung handelt, der aber anscheinend ein wahrer Kern zu Grunde liegen kann. Bei Ausgrabungen (u.a. Heinrich Schliemann) hat man für den in Frage kommenden Zeitpunkt, also etwa 1200 v.d.Z. in den verschiedenen Schichten entsprechende Zerstörungsspuren identifiziert.

Getextet hat die Heftgeschichte vermutlich Wilhelm Knoop, jedenfalls nach den Aussagen Wäschers. Knoop hat der Geschichte nicht nur die Ilias zugrunde gelegt, sonder ist auch auf den Anfang des zehnjährigen Gemetzels zwischen Achäern und Trojanern eingegangen: der Raub Helenas durch den geilen Paris (siehe Abbildung weiter unten) und den Aufruf König Menelaus, sie mit Gewalt an seinen Herd oder Hof zurück zu holen. Für diese Liebschaft mussten im Laufe der Jahre hunderte, eher tausende Männer und später, bei der Plünderung und Zerstörung Trojas, auch Frauen und Kinder sterben. Hansrudi Wäscher war für die Zeichnungen verantwortlich, wieder einmal als Helfer in der Not. Ihm sind schöne Bilder gelungen, 2 Seiten mögen dies veranschaulichen.









Abschließend ein Textvergleich von Knoop mit Homer:

„Als Hektor seinen Gegner sieht, vermag er nicht mehr still zu stehen, er flieht. Aber hinter ihm jagt, wie ein Falke der Taube nachsteigt, Achill. Viermal umkreisen sie die Mauern der Stadt, dann verweilen sie. Jetzt stürmt Hektor, sein gewaltiges Schwert in der Rechten schwingend, heran, aber Achills Auge erblickt, geschützt durch seinen
Schild, die Kehle Hektors etwas entblößt. Schnell lenkt er seinen Stoß dahin, und zu Tode getroffen sinkt Hektor in den Staub.“

„So von der Schärfe des Speers auch strahlte es, welchen Achilleus

Schwang in der rechten Hand, wutvoll den göttlichen Hektor,

Spähend den schönen Leib, wo die Wund´ am leichtesten hafte.

Rings zwar sonst umhüllt´ ihm den Leib die eherne Rüstung.

Blank und schön, die er raubte, die Kraft des Patroklos ermordend;

Nur wo das Schlüsselbein den Hals begrenzt und die Achsel.

Schien die Kehl´ ihm entblößt, die gefährlichste Stelle des Lebens;

Dort mit dem Speer anstürmend durchstach ihn der edle Achilleus,

Daß ihm hindurch aus dem zarten Genick die Spitze hervordrang.

Doch nicht gänzlich den Schlund durchschnitt der eherne Speer ihm,

Daß er noch zu reden vermocht im Wechselgespräche;

Und er entsank in den Staub; da rief frohlockend Achilleus:

Hektor, du glaubtest gewiß, da Patroklos´ Wehr du geraubet,

Sicher zu sein, und achtetest nicht des entfernten Achilleus.

Törichter! Jenem entfernt war ein weit machtvollerer Rächer

Bei den gebogenen Schiffen, ich selbst, zurück ihm geblieben,

Der dir die Knie gelöst! Dich zerren nun Hunde und Vögel,

Schmählich entstellt; ihn aber bestatten mit Ruhm die Achaier.

Wieder begann schwachatmend der herumflatternde Hektor:

Dich beschwör ich beim Leben, bei deinen Knien und den Eltern,

Laß mich nicht an den Schiffen der Danaer Hunde zerreißen;

Sondern nimm des Erzes genug und des Köstlichen Goldes

Zum Geschenk, das der Vater dir beut und die würdige Mutter!

Aber der Leib entsende gen Ilios, daß in der Heimat

Troias Männer und Frauen des Feuers Ehre mir geben.

Finster schaut´ und begann der mutige Renner Achilleus:

Nicht beschwöre mich , Hund, bei meinen Knien und den Eltern!

Daß doch Zorn und Wut mich erbitterte, roh zu verschlingen

Dein zerschnittenes Fleisch für das Unheil, daß du mir brachtest!

So sein fern, der die Hunde von deinem Haupt dir verscheuchte!

Wenn sie dir auch zehnmal soviel und zwanzigfälltige

Sühnung Hervorgebracht darwögen und mehreres noch mehr dir verhießen,

Ja, wenn dich selber mit Gold auch aufzuwägen geböte

Priamos, Dardanos´ Sohn, auch so nicht bettet die Mutter

Dich auf Leichengewand und bejammert, den sie geboren;

Sondern Hund´ und Vögel umher zerreißen den Leichnam!

Wieder begann, schon sterbend, der herumflatternde Hektor:

Ach, ich kenne dich wohl und ahnete, nicht zu erweichen

Wärest du mir; denn eisern ist, oh, dein Herz in dem Busen.

Denke nunmehr, daß nicht dir Götterzorn ich erwecke,

Jenes Tages, wann Paris dich dort und Phoibos Appolon

Töten, wie tapfer du bist, am hohen skaiischen Tore!

Als er dieses geredet, umschloß ihn das Ende des Todes!"

Der oberste Text beschreibt den Zweikampf und die Sterbeszene Hektors aus dem Heft. Die darunterliegenden Zeilen schildern den letzten Zweikampf der Helden und sind aus der deutschen Übersetzung von J. H. Voß, aus dem Taschenbuch Nummer 411 des Goldmann Verlags, und daraus die Verse 315 bis 360 des zweiundzwanzigsten Gesanges. Wilhelm Knoop hat, finde ich, eine ganz passable Übertragung der Sterbeszene Hektors hinbekommen. Zumal sie für jugendliche Leser gedacht war, denen hier, ähnlich wie in den „Illustrierten Klassiker“, das vermutlich älteste europäische Epos, nahe gebracht werden sollte. Der Urtext ist schon in der Ausschmückung, vom Stil mal ganz abgesehen, gewöhnungsbedürftig. Wenn man sich aber einmal eingelesen hat – und das auch durchhält – liest es sich zügig und interessant. Mir kam gelegentlich der Gedanke, dass Homer ein Zeilenhonorar mit dem damaligen Verleger oder Theaterdirektor ausgehandelt hatte … mal ein wenig despektierlich vermutet.

Mein Rechtschreibprogram hat schon normalerweise genug zu tun, aber bei der wörtlichen Übertragung der Originalübersetzung wollte es gelegentlich die Segel streichen …

Geändert von Detlef Lorenz (23.06.2016 um 08:33 Uhr)
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Alt 23.06.2016, 08:42   #20  
FrankDrake
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Herrn Wäschers Kunst ist eigentlich so gar nicht meins, aber Du hast völlig recht, bei den Abenteuern der Weltgeschichte war er richtig gut.

Mehr als ein Westfale kann der Mensch nicht werden!
FrankDrake ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.06.2016, 07:57   #21  
Detlef Lorenz
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Nummer 32


Andreas Hofer, Ein Leben für Tirol







Um Andreas Hofer (1767 – 1810) ranken sich Heldengeschichten und verklärender Volksheldenmythos, der ihn sogar zum Nationalhelden hochstilisiert. Hofer, Wirt im Gasthaus am Sand („Sandwirt“) Kommandant der Passeir Schützengilde und Anführer des Widerstandes gegen die Abtrennung von Österreich und gleichzeitige Einverleibung des Landes nach Bayern. Auch gegen die Einführung von neuen Gesetzen, teils sogar Reformen, die vor allem der Tiroler Kirchenleitung nicht passten, sowie Zwangsrekrutierungen in die bayerische Armee. Hofer wurde zum Oberkommandierenden der Tiroler Freiwilligenarmee gewählt. Kaiser Franz von Österreich schaute von Wien aus interessiert zu, schwächte doch jede Schlacht die Franzosen, den Hauptgegner. Im Laufe des Jahres 1809 kam es zu mehreren Gemetzeln der Tiroler mit den Bayern, Franzosen und den mit ihnen verbündeten Sachsen. Drei Mal siegten Hofers Leute, dann versagten den Tirolern die Kräfte, obwohl sie Hofer zu einem weiteren Waffengang aufforderte. Ein Franz Raffel verriet seinen Landsmann – gegen 1500 Gulden, was einen Batzen Geld für ihn bedeutete, aber ihm die ewige Schmähung der Tiroler einbrachte. Hofer wurde nach Meran verbracht, dort in einem Schnellverfahren am 19. Februar 1810 zum Tode durch erschießen verurteilt. Schon am folgenden Tag wurde das Urteil vollstreckt, die Besatzer wussten um die Gefährlichkeit ihres Gefangenen.










Soweit die Historie, an die sich, mit einer Abweichung, der Comic in stark geraffter Form auch hält. Wie oben geschildert, fordert Hofer einen weiteren Waffengang und im Comic versucht er seine Landsleute von diesem sogar abzuhalten. Das passt dann zur scheinbar unvermeidlichen Deutschtümelei, die sich in solchen Sätzen, wie: „Tapfer erträgt der Passeir Sandwirt die Haft, er schwört seinem Deutschtum nicht ab.“ zeigt. Hansrudi Wäscher hat zwar mit kräftigen Bildern die Texte von Wilhelm Knoop (?) umgesetzt, aber längst nicht so detailliert, wie z.B. im Kampf um Troja. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass er hier nur gescribbelt und das Tuschen jemand anderen überlassen hat. Etliche Bilder sind in der Ausführung flüchtig. Vielleicht fehlte ihm auch die Zeit, denn im Oktober / November 1955 scheint die durch das Vergleichsverfahren erfolgte Verzögerung der Comicproduktion sich langsam wieder zu normalisieren. Als Folge erschienen die Sigurd Piccolos wieder wöchentlich, Wäscher musste außerdem eine neue Serie vorbereiten (Akim Neue Abenteuer sollte die stets von der Zensur bedrohte Pedrazza-Serie ablösen), auch die Abenteuer der Weltgeschichte und ein neuer Piccolo-Sonderband, der aufwändig gezeichnete Sigurd Band Nr. 15 (Das Geisterschiff) stand an. Wie dem auch sei, ich empfinde Andreas Hofer in seinen Zeichnungen zwiespältig.
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Alt 26.06.2016, 14:36   #22  
user06
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Wäschers Bild von der Entführung Helenas in “Troja“ ist für die damalige Zeit ganz schön gewagt...
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Alt 04.07.2016, 13:29   #23  
Pickie
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Ja, nein, ich mein: jein. Zeichentrick ist wieder was anderes. Das ist "Kino" (was großartig sein kann). Beim Comic schließt die Phantasie des Lesers die Lücken zwischen den Panels. Das ist eher "Kopf-Kino" (und macht das Ganze bisweilen noch kurzweiliger als passives Betrachten).
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Alt 08.07.2016, 16:25   #24  
Detlef Lorenz
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Nummer 34


Wallenstein, Feldherr und Rebell






Hier das Original des Titelbildmotives, welches Bood im Hintergrund mit der Ankunft einer dänischen Flotte vor Stralsund ausschmückte. Es ist von Anthonius van Dyck.





Wallenstein (Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein) war ein tschechischer Adliger, der durch Heirat zu einem beträchtlichen Vermögen gelangte. Im 16. und 17. Jahrhundert war Böhmen und Mähren ein Teil des Heiligen Römischen Reiches und Prag ein Hauptsitz der Habsburger. In den Jahren ab 1610 entzweiten sich die Brüder Rudolf (Kaiser) und Matthias. Der Kaiser schickte Truppen nach Mähren und Mähren, sie besetzten kurzzeitig Prag, aber die erzwungene Abdankung Rudolfs beendete den Zwist (Matthias wurde später Kaiser). Dessen ungeachtet gingen die religiösen Auseinandersetzungen, Katholiken vs. Protestanten, in Böhmen und Mähren weiter. Sie führten schließlich zum sogenannten „Prager Fenstersturz“ *, der 1618 als Auslöser des 30jährigen Krieges betrachtet wird. Wallenstein stellte sich auf die Seite des Kaisers, bekam von diesem eine sogenannte Bestallungsurkunde und lies seine Werber Soldaten anwerben. Kurz danach weitete sich der ursprünglich tschechische Aufstand immer mehr aus, bis schließlich nicht nur die Schweden, sondern auch Dänen, Franzosen, Engländer mit Hilfskontingenten oder ganzen Armeen in den Krieg eintraten.

Die Bevölkerung im Reich litt am schlimmsten unter diesen Auseinandersetzungen, in denen es nur Vordergründig um Religion ging: das Festigen der Macht, die Ausdehnung derselben, egal ob persönlicher oder wirtschaftlicher, war der Hauptgrund. Die Furie des Krieges führte dazu, das die Bevölkerung von Anfangs rund 16 Millionen auf knapp die Hälfte schrumpfte. Ganze Landstriche wurden verwüstet, so das am Schluss, 1648, fast nichts mehr da war, um was es zu kämpfen lohnte. Man einigte sich auf einen Frieden, der schon viel früher hätte erreicht werden können.







Das vorliegende Heft, im Januar 1956 erschienen, behandelt die Rolle Wallensteins im 30jährigen Krieg bis zu seiner Ermordung im Februar 1634 in Eger, Böhmen. Einleitend wird der Prager Fenstersturz sehr richtig als Auslöser des kommenden Schlachtens vorangestellt. Allerdings fällt Bood auf die nicht mal annähernd sichergestellte Anekdote vom unter dem Fenster liegenden Misthaufen herein: direkt unter dem Fenster, im Burggraben, dürfte kaum ein solcher angelegt worden sein. Entstanden scheint sie mit der Behauptung der Katholiken von einer „göttlichen Fügung“ für die Unversehrtheit der in die Tiefe gefallenen Opfer entstanden zu sein. Die daraus aufkommende Replik seitens der Protestanten, die den Misthaufen an Stelle „Gottes“ setzten, setzte sich schließlich im Volksmund durch.

Ein weiteres Panel zeigt Wallenstein sein Horoskop – von Johannes Kepler erstellt – studierend und suggeriert damit einen abergläubischen künftigen Befehlshaber der kaiserlichen Truppen. Das ist natürlich insofern unsinnig, da nicht nur zur damaligen Zeit der Aberglauben ein nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die meisten Menschen ausübte: Glauben gebiert Aberglauben, das eine kann ohne das andere nicht existieren. Ansonsten wird der Lebensweg Wallensteins, seine Schlachten und Entscheidungen, seine beginnenden Gegensätze zum kaiserlichen Hof in Wien, abermaliges Erheben zum Generalwachtmeister der katholischen Liga, zwar knapp, dem begrenzten Platz des Heftes geschuldet, aber recht anschaulich geschildert und gezeichnet. Seinen Tod durch eine Gruppe schottisch/irischer Offiziere wurde nie gesühnt, sein Vermögen unter ihnen Aufgeteilt (Jahre später erhielt seine Witwe einen kleinen Teil zuerkannt).







Diese Seite zeigt die Erstürmung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen General Tillys. Dieses Ereignis, eher Gemetzels, markiert eines der schrecklichsten Geschehnisse in diesem von unsäglichen Gräuel nicht armen Krieges: etwa 30 000 Menschen fielen diesem zum Opfer, die Stadt völlig zerstört.

Auf der Seite 3, 4 und 31 beschreibt Knoop (vermutlich) unter dem Titel „Bombardiere Musketiere – Pikeniere, Soldaten im dreissigjährigen Krieg“ die Eigenarten, die Bewaffnung und Kampfesweise der Armeen in dieser Zeit. Im Nachwort an die „Lieben jungen Freunde“ erklärt „Euer Hans Jürgen“ diese Neuheit in der Heftgestaltung. Er habe das absichtlich so gemacht: „(…) denn wenn man die furchtbaren Jahre (1618-48) mit ihrem Unglück, das sie über unser Land gebracht haben, verstehen will, muß man auch wissen, welche verschiedenen Arten von Soldaten es gab, wie sie ausgerüstet waren, und wie sie ihre Zeit außerhalb des Dienstes verbrachten.“ Wenn denn auch gelegentlich über das Leben der Bevölkerung genau so ausführlich berichtet wird, kann man damit leben sein. Wir werden sehen …

Dann kündigt Hans Jürgen noch einen neuen Erscheinungstermin an, der nunmehr auf den Anfang eines jeden Monats stattfindet. Außerdem erteilt er Wünschen der Leser nach Tagesaktuellem, aber auch Geschehnissen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg eine Absage, weil sie seiner Meinung nach genügend und ausführlich in den Illustrierten behandelt werden.

*Das war bereits der zweite, der erste fand im Juli 1419 statt und löste die „Hussitenkriege“ aus.
Ein dritter, 1948, führte zum Tode des tschechischen Außenministers Jan Masaryk, der der Tschechoslowakei bis 1990 eine kommunistische Regierung bescherte.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2016, 17:44   #25  
Pickie
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Beiträge: 497
Nein, ich halte diese Art der Geschichtenerzählung nicht nur für "Comic-like" - also nicht nur für Comic-ähnlich oder Comic-typisch (ich weiß nicht genau, was Du mit "Comic-like" meinst) -, sondern sie fällt für mich direkt unter den Begriff "Comic".

Prinz Eisenherz auch.

Aufgrund der Qualität der Zeichnungen bietet der ein wiederum anderes, ganz eigenes Leseerlebnis. "That´s all."
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