Schulen und Sammelbilder

[Burma]

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Südwestpresse, 6.4.2012

Die kindliche Seite der Macht
Star Wars, Fußballer oder die Tiere dieser Welt - die kindliche Sammelleidenschaft kennt keine Grenzen. Manche Eltern verbieten die Bilder, wollen für sinnfreien Spaß nicht zahlen. Andere sind selbst eifrig dabei.

Elternstammtisch, dritte Klasse. Man spricht über den nächsten Ausflug, über das neue Technik-Projekt - und über Sammelbildchen. Kürzlich hat der Klassenlehrer wieder ein Paket Star Wars-Karten eingezogen, weil sich die Jungs mehr für die Besonderheiten des Sando Aqua Monsters als für ihren Aufsatz interessiert haben. "Richtig so", ist die einhellige Meinung der Mütter.

Die Sammelwut, sie kommt und geht in Wellen. "Angefangen habe ich mit Yu-Gi-Oh", erzählt Johannes. Bei Noah waren es nicht die japanischen Manga-Figuren, sondern die Fußball-Heim-WM 2006. Zurzeit sammeln beide Star Wars Force Attax, die dritte Auflage. Die ersten beiden waren mit den Comic-Figuren von Clone Wars bestückt, jetzt sind es die echten Helden aus den George-Lucas-Filmen. Yoda und Obi-Wan Kenobi, Anakin Skywalker, der zu Darth Vader mutierte Jedi, die dunkle Seite der Macht - damit können auch die Eltern etwas anfangen. Schließlich begann der Kampf des Luke Skywalker gegen das böse Imperium in den Wohnzimmern der achtziger Jahre. Jetzt interessieren sich die Kinder für die Helden der eigenen Jugend, da kann man zumindest mitreden, vielleicht sogar gemeinsam die 3D-Versionen im Kino anschauen.

Das Phänomen Sammelbilder gibt es schon lange. Vor mehr als 150 Jahren legte die Firma Stollwerck ihrer Schokolade Bildchen bei. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Jugend ganz wild auf Vögel, Pflanzen oder Schauspieler aus Zigarettenschachteln. Auch die Nazis machten sich den Sammeltrieb zu Nutze: Reemtsma-Alben zeigten Hitler von der privaten Seite, zum Beispiel beim Tiere füttern. Weitaus harmloser sind da die Panini-Bildchen, die 1961 von Italien aus ihren Siegeszug antraten. Sie füllen seither Fußball-Alben in ganz Europa, auch wenn die Bundesliga die Rechte mittlerweile an den Konkurrenten Topps verkauft hat. Bis zur Saison 2014/15 vermarkten die US-Amerikaner die Liga, einzelne Vereinsalben wiederum werden von Panini bestückt. Da fällt es Eltern schwer, den Überblick zu behalten. "Völlig uncool" sind derzeit Yu-Gi-Oh und die Pokemon-Bildchen, das sagen zumindest die Mädchen der dritten Klasse. Sie schütteln ob der männlichen Leidenschaft sowieso nur überlegen die Köpfe. "Das ist total blöd. Da verdient nur jemand viel Geld an den Kindern", klärt Elena auf. Ganz anders sei das im vergangenen Jahr mit den Tierbildchen von Rewe gewesen: "Da hat man viel gelernt, und außerdem haben die nichts gekostet."

Stimmt fast. 2,50 Euro musste man für das Sammelbuch investieren. 1 750 176 davon wurden insgesamt verkauft. Die Sticker gabs tatsächlich umsonst, sofern man sowieso bei Rewe einkaufen wollte. Ein Päckchen pro 10 Euro Einkaufswert. 133 Millionen wurden produziert. Das Ganze war pädagogisch wertvoll, weil die Kinder etwas über schmelzende Eisberge, das Wattenmeer oder den Rio Putumayo gelernt haben und fortan wussten, dass der Gemeine Seestern ein Allesfresser ist. Zudem bekam der WWF 875 000 Euro ab, also auch noch Gutes getan. Das ließ sich mit dem Mutter-Gewissen vereinbaren. Bei Star Wars ist das schwerer. Aber muss alles immer pädagogisch sinnvoll sein? Darf es nicht einfach nur Spaß machen? Manche Eltern sehen es pragmatisch: Die Frage von Großeltern und Tanten nach dem richtigen Ostergeschenk ist schnell beantwortet. Die Karten gibts fast überall, man kann wenig falsch machen, muss nichts umtauschen, und sie verbrauchen wenig Platz. Wer es pädagogisch mag, kann auf die Förderung der sozialen Interaktion und Kommunikation unter Gleichaltrigen verweisen. "Mir ist es tausendmal lieber, sie hocken auf dem Schulhof und tauschen die Karten, anstatt dass jeder schweigend mit Stöpseln im Ohr in sein Handy starrt", meint die Mutter eines Drittklässlers. "Ein bisschen Rechnen ist auch noch dabei." Schließlich wird jeden Tag ergründet, wer mehr hat, wie viele Karten wem noch fehlen.

"Natürlich ist es am Ende Abzocke", meint Manuel realistisch: "Man kriegt nie alle Karten zusammen. Das wären 240, und je mehr man schon hat, umso öfter kommen doppelte raus." Nicht alle zu haben, "ist zwar ärgerlich, aber durchaus verkraftbar", sagt Noah. Den Spaß bringt das Tauschen und das Quatschen darüber. Zwar könne man sich die fehlenden Star Wars-Karten im Internet bestellen: "Aber erst ab 1. Oktober und das ist dann langweilig." Der Reiz ist das Aufreißen der Packung, die Freude, wenn man einen der seltenen "Force Meister" erwischt hat oder der Ärger über den fünften V-Wing-Sternenjäger. Für Star Wars wird es langsam eng, denn die Europameisterschaft rückt näher. Eigentlich hat sie schon begonnen. Die Bestell- und Tauschbörse für Karten und Sticker ist längst Online; über "Sport Bild" werden die Kinder mit Gratis-Päckchen angefüttert, auch wenn das Auftaktspiel Polen gegen Griechenland erst am 8. Juni angepfiffen wird. Die EM-Rechte liegen bei Panini, die deutschen Kicker stecken zudem in Hanuta und Duplo. Für sie muss man nicht extra bezahlen, dafür Unmengen an Süßkram kaufen. Und man darf sich sicher sein: Auch Rewe hat noch was auf Lager. An den Schulen werden die Verbote nach den Osterferien zunehmen. Ebenso die Frequenz in den Sprechstunden, wenn sich Eltern nach den Leistungen in halbschriftlicher Subtraktion erkundigen und nebenbei die eingezogene Sammlung des Sprösslings mitnehmen.