30.04.2024, 07:19 | #2051 |
Nachrichten
Beiträge: 20.764
|
Ich würde mir danach Brian de Palmas "Mission Impossible" (1996) ansehen, ob da außer dem Einbruch noch weitere Anspielungen auf "Topkapi" enthalten sind. Auf mich wirkte es so, als würde Vanessa Redgrave dort den selben Charakter wie Melina Mercouri spielen.
|
30.04.2024, 07:32 | #2052 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Kenne ich leider nicht.
Der kam für mich zu spät im Fernsehen, und ich Kino war ich auch nicht. Aber Brian de Palma habe ich durchaus beim Aufnehmen berücksichtigt: "Carrie", "Dressed to kill", "Der Tod kommt zweimal" und "Fegefeuer der Eitelkeiten". |
03.05.2024, 12:26 | #2053 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Als ich nach den Brian-DePalma-Filmen in meiner Sammlung sah, stellte ich fest, daß ich noch einen habe: „Scarface“ (1983). Diesen Film habe ich spät aufgenommen, es muß 2008 gewesen sein, denn da ist auch noch ein Hinweis auf Andreas Petzolds „Jerichow“ drauf, der in diesem Jahr ins Kino kam. Vor „Scarface“ erschien eine Hinweistafel, wonach der Film für unter 18-Jährige nicht geeignet sei. Er hat bei mir eine Länge von 160 Minuten. Laut wikipedia gibt es die Kinofassung (170 Minuten), eine Fassung ab 18 Jahre, die eine halbe Minute kürzer ist, und eine ab 16 Jahre, die 155 Minuten lang ist. Der Film ist ziemlich gewalttätig, aber explizite Gewalt ist, soweit ich sehe, nicht das Problem.
Irgendwann habe ich auch mal den Original-„Scarface“ (1932) von Howard Hawks gesehen, der damals von Zensurbehörden um einige Gewaltszenen gekürzt wurde. Vielleicht wäre ein Vergleich reizvoll, aber diesen Klassiker habe ich nicht auf Video, und ich kann mich auch nicht in Einzelheiten an ihn erinnern. Jedenfalls zielte Hawks auf den berühmten Chicago-Gangster Al Capone ab. DePalma hat die Figur verändert. Sein Scarface ist ein Kubaner, der als einer von mehr als 100 000 von Castro 1980 in die USA abgeschoben wurde. Viele von ihnen waren Regimegegner, aber es waren auch eine Menge Kriminelle darunter wie Tony Montana, dargestellt von Al Pacino (den man schon als italoamerikanischen Gangster aus der „Pate“-Trilogie von Coppola kannte). Pacino steigt in Florida vom Hilfsarbeiter über den Helfer eines Drogenbosses bis zum mächtigsten Kokaindealer der Gegend auf, der sich weder von Freunden noch von anderen Bossen noch von Polizei, Justiz oder mächtigen Politikern aufhalten läßt. DePalma übernimmt von dem Hawks-Film die Geschichte seiner jüngeren Schwester (Mary Elisabeth Mastrantonio), die er unbedingt „rein“ halten möchte. Den Konflikt mit seiner Frau (Michelle Pfeiffer) erzählt DePalma dagegen anders als Hawks. Er „übernimmt“ sie von seinem früheren Boß, gewinnt aber nie richtig ihren Respekt; sie leidet vielmehr darunter, daß sie immer nur der Besitz eines Gangsters ist. Sie ist jedoch nicht eine femme fatale, die ihn in seinen Untergang führt. „Scarface“ ist meisterhaft inszeniert, und Pacino, aber auch andere Mitwirkende liefern eine beeindruckende Leistung ab. (Von Michelle Pfeiffer habe ich allerdings bessere Darstellungen gesehen.) Die erzählte Story hat nach meinem Eindruck nicht viel Substanz. Der Film zerfällt für mich in zwei Teile. Im ersten Teil geht es schwerpunktmäßig darum, daß Gangster einander bei ihren krummen Geschäften gegenseitig nicht vertrauen (können), was dann mehrmals in einen Gewaltausbruch mündet – wobei DePalma grausame Details größtenteils ausspart. Im zweiten Teil, in dem Pacino alle Konkurrenten in seinem Geschäft aus dem Weg geräumt hat, erlebt er einen Abstieg, das Scheitern seiner Ehe, Probleme wegen Steuerhinterziehung (wie Capone), und er erschießt seinen besten Freund, als er merkt, daß sich seine Schwester in ihn verliebt hat. Fast alle Menschen, die er um sich hat, sind am Ende tot. Schließlich fällt er, der bis dahin quasi unverwundbar erschien und der nie die Nerven verlor, einem Anschlag eines südamerikanischen Gangsters zum Opfer. In Vielem hat mich der Film an Gangster-Rap erinnert, und ich lese, daß „Scarface“ der Name von Rappern ist. Insgesamt finde ich ihn zwiespältig, weil seine Handlung keine Überraschungen bietet, sobald man sich in dieses Drogenmilieu hineingesehen hat. DePalma war offenbar der Erste, der das Problem der USA mit dem Drogenhandel mit Südamerika in Hollywood aufgriff. Und es läßt sich nicht bestreiten, daß dies ein wichtiger Film ist, der großen Einfluß auf eine neue Welle von Gansterfilmen in den 1980er Jahren hatte. Ich habe mich immer gefragt, warum Sergio Leone in „Es war einmal in Amerika“ die Gewalt so übertrieben zelebriert hat. Vielleicht liegt die Antwort in „Scarface“. |
05.05.2024, 06:06 | #2054 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Western-Time! Schon in meiner Video-Phase vor etwa 30 Jahren habe ich mich den von der Constantin produzierten Karl-May-Filmen eigentlich entwachsen gefühlt, kam aber zu dem Schluß, daß man einen von ihnen doch in der Sammlung haben müßte. Das war natürlich „Der Schatz im Silbersee“. Danach habe ich dann auch noch „Der Ölprinz“ und „Unter Geiern“ aufgenommen. Letzteren habe ich jetzt digitalisiert; er wurde 1964 von Alfred Vohrer gedreht. Ich dachte, dieser Film sei noch am ehesten ernstzunehmen. Ich erinnerte mich noch an den falschen Prediger, den zu Unrecht verdächtigten Indianerstamm und natürlich an Stewart Granger als Old Surehand, der mir als Kind eindeutig besser gefallen hat als der bierernste Lex Barker im Zusammenspiel mit dem ewigen Pierre Brice. Aber ich habe mich getäuscht. Die Story ist wirklich hanebüchen. Doch so hatte ich nun genug Abstand zum Geschehen auf dem Bildschirm, um ein bißchen über die Machart dieses Films nachzudenken.
Mit der Handlung will ich mich gar nicht lange aufhalten. Was ich allerdings nicht mehr wußte: Einen Roman namens „Unter Geiern“ gibt es überhaupt nicht. Unter dem Titel wurden zwei Erzählungen von Karl May zusammengefaßt: „Der Sohn des Bärenjägers“ und „Der Geist des Llano Estacato“. Figuren aus dem Buch tauchen im Film auf, aber sonst hat das Drehbuch keine Ähnlichkeit mehr mit der Vorlage. Die Optik des Films entspricht mehr oder weniger einem Western, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen Abenteuerfilm in einem Fantasieland. Diesem Film fehlt die amerikanische Geschichte als Hintergrund. Würde in einem üblichen US-Western eine Farm im Indianergebiet niedergebrannt, so gäbe es keinen Zweifel daran, daß daran die Indianer schuld sind. Zudem fällt auf, daß in „Unter Geiern“ sehr viel mit Schußwaffen in der Gegend herumgeknallt und in die Luft gefeuert wird. In amerikanischen Filmen gibt es ein gewisses Bewußtsein dafür, daß Revolver und Gewehre gesundheitsschädlich sein können und man daher mit ihnen nicht einfach ziellos herumballert. Man würde in diesem Film aber auch auf eine große Anzahl von Mitwirkenden kommen, die gezielt erschossen werden. Hier gibt es vielleicht eine gewisse Parallele zu DePalmas „Scarface“, denn auch „Unter Geiern“ galt in seiner Zeit als ziemlich brutal und wurde lediglich ab zwölf Jahren freigegeben (was aber dem Erfolg keinen Abbruch tat). Vohrer wurde als Regisseur ausgewählt, weil er ein paar Jahre jünger als der bewährte Harald Reinl und gewissermaßen aus der nächsten Generation war. Er behielt das Erfolgsrezept bei: Konsequente Schwarz-weiß-Zeichnung der Figuren und eine Mischung aus Action und Humor, aber er schnitt die blutigen und die humorvollen Szenen härter gegeneinander und setzte mehr auf Gewalt. Vielleicht war das schon eine Reaktion auf den aufkommenden Italowestern – „Für eine Handvoll Dollar“ erschien im selben Jahr. Die Altersbeschränkung wurde erst 1972 aufgehoben, als „Unter Geiern“ ins Fernsehen kam. Stewart Granger hat mich nicht enttäuscht. Ich kenne nur wenige amerikanische Filme mit ihm, aber für mich ist er vor allem die ideale Verkörperung des Old Surehand (dabei hatte ihn sich Karl May völlig anders vorgestellt, und Granger war schon 51 und damit für eine Heldenrolle eigentlich zu alt). In ihm verschmelzen Witz und Brutalität, er beherrscht Understatement mehr als jeder deutsche Schauspieler, und ich hatte jetzt das starke Gefühl, daß er seine Rolle überhaupt nicht ernst nimmt – was bei der Filmhandlung sehr angenehm ist. Über Pierre Brice ist sicher alles gesagt – er hat bei seinem Part leider so gut wie keinen Variationsspielraum. Anstelle von Ralf Wolter und Eddi Arent spielt hier der Kroate Milan Srdoc den Trottel. Elke Sommer hat eine bemerkenswerte Rolle als Mischung aus Sexbombe und Flintenweib, die mal vom Held gerettet werden muß und mal den Männern zeigt, was eine Harke ist. Und schließlich sind Götz George und Mario Girotti, jeweils am Anfang ihrer Karriere, auffällig. Über die Filmmusik von Martin Böttcher muß nicht viel gesagt werden – sie ist für einen solchen Film unverzichtbar. Ich finde es ärgerlich, wie schwach das Drehbuch ist. Alle Gruppen – der Bärenjäger und seine Familie, der Indianerstamm, die „Geier“, eine Bande ohne erkennbares Geschäftsmodell, ein ehrenwerter Richter mit seinem Gefolge und ein Siedlertreck – werden allesamt so eingesetzt, wie sie gerade gebraucht werden. Ihr Handeln ist weitgehend unmotiviert, abgesehen davon, daß sie sich immerzu gegenseitig eliminieren wollen. Positiv muß ich aber noch vermerken, daß der Film ein paar beeindruckende Massenszenen aufweist, auch mit Pferden, die sicher nicht leicht zu inszenieren waren. Doch spätestens wenn die Siedler eine Wagenburg bilden, die die Banditen einnehmen wollen, woran sie am Ende statt von der Kavallerie von den Indianern gehindert werden, wird es unübersehbar, daß dieser Western eine völlig verkehrte Welt schildert. Wenn Jüngere über diesen Schwachsinn den Kopf schütteln, habe ich dafür volles Verständnis. |
05.05.2024, 10:48 | #2055 | |
Eckensteher & Mosaik-FF Mod
Ort: Nürnberch, Frangen
Beiträge: 6.751
|
Ich würde sagen, außer Winnetou I hat keine Verfilmung viel mehr als den Namen mit der Vorlage gemeinsam. Sowohl in der Hinsicht als auch dem "Phantasie-Westen" hebt sich "Unter Geiern" darin nicht sonderlich von den anderen Verfilmungen ab.
Und was letzteres angeht nicht einmal von den Büchern selbst. Ich habe mich immer gefragt, wie solche riesigen Banden in quasi menschenleeren Gebieten existieren können, zu groß um sich dauerhaft zu verstecken oder zu ernähren, aber zu klein, um einer irgendwann fälligen Aktion der Army zu widerstehen. Zu Steward Granger kann ich zustimmen. Seine Ironie hebt sich wohltuend von Barker ab. Aber auch wie man Milan Srdoc als "Old Wabble" neu erfunden hat, fand ich nicht schlecht. (Im Buch ist es ja eigentlich eine sehr üble Figur.) Zitat:
Aber das ist wohl auch (zumindest damals) kaum möglich gewesen. Denn wenn man es "real" schildern würde, müßte man nämlich ganz klar zeigen, daß die "guten", "einfachen" und "ehrlichen" Siedler eine 100x größere Gefahr für die Indianerstämme waren als es alle Banditen der Welt jemals gewesen wären. In der Hinsicht unterscheiden sich die Western auch kaum von den entsprechen Comics. (Zumindest den paar, die ich kenne.) In Comanche z.B. wird es ein oder zwei mal zart angedeutet, in Blueberry dagegen glaube ich, gar nicht. Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht. |
|
05.05.2024, 14:39 | #2056 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Also ich finde schon, daß der amerikanische Western eine Auseinandersetzung mit amerikanischer Geschichte ist, speziell der zwei bis drei Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg. Diese Zeit wird immer überschrieben mit "Die Eroberung des Westens", hinzu kommt die Zivilisierung des Westens.
Damit will ich nicht sagen, daß die Western akkurate Geschichtslektionen sind, aber so haben sich das die Amis selbst zusammengereimt und mythologisiert, beziehungsweise wieder entmythologisiert. Man könnte sagen, die US-Western zeigen, wie sie sich selbst gern sehen wollten. Das fehlt in den Karl-May-Western, auch wenn die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg von diesen Träumen ebenso erfaßt wurden (wahrscheinlich sah das in der DDR etwas anders aus, aber ich denke, der Western-Mythos drang sogar dahin). Das ist für mich kein entscheidender Kritikpunkt, aber ich finde, in den Karl-May-Western wird besonders deutlich, daß da die Eroberung des Westens nicht thematisiert wurde. Ach so... P.S.: Der Italo-Western war meiner Ansicht nach einen Schritt weiter, indem er mit dem Westerngenre spielte und die Klischees nochmal weitertrieb. Dagegen sehe ich die deutschen Western eher als Heimatfilme mit anderen Mitteln. |
05.05.2024, 15:00 | #2057 |
Eckensteher & Mosaik-FF Mod
Ort: Nürnberch, Frangen
Beiträge: 6.751
|
Ich habe zwar nicht sooo viele Western gesehen, aber die, die ich kenne zeichnen sich (und hier besonders der Italo-Western) sehr stark durch die ABWESENHEIT der Indianer aus.* In der Hinsicht waren selbst die Winnetoufilme (und zumindest in dieser Hinsicht auch die DEFA-Filme) schon mal weiter, weil sie nicht den grundlegenden Mythos vom "herrenlosen Land" bedienen.
*Und wenn die Indianer schon mal auftauchen (V.a. in den Kavalleriewestern, denn gegen irgend jemand müssen die Jungs in Blau ja schließlich kämpfen) sind sie entweder per se die bösen oder zumindest von "bösen" Weißen gegen die "guten" Weißen aufgehetzt. Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht. |
05.05.2024, 15:47 | #2058 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Wir hatten halt nicht so ein Problem mit den Indianern. Daß das blutrünstige Bestien sind, haben wir zwar halb von den Amis übernommen, aber daneben war auch noch Platz für gute Indianer.
Und vermutlich spielt da auch noch der Rousseausche "edle Wilde" hinein, der in USA nicht so bekannt sein dürfte. |
05.05.2024, 17:16 | #2059 |
Mitglied
Ort: Franken
Beiträge: 719
|
Indianer waren schon in meiner Kindheit positiv besetzt. Als ich in der Grundschule das erste (und letzte) Mal ein Faschingskostüm haben wollte, war es natürlich ein Indianerkostüm. Ob aber Winnetou oder Silberpfeil daran Schuld waren, weiß ich nicht mehr.
Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind sowohl die deutschen Karl-May-Filme als auch die deutschen Edgar-Wallace-Filme sehr mochte. Schon seit einigen Jahrzehnten kann ich diese Filme aber nicht mehr sehen, und das liegt zum großen Teil an den trotteligen Nebenfiguren, die von Eddi Arent, Ralf Wolter und anderen gespielt werden. Das ist alles aus heutiger Sicht weder witzig noch richtig albern (wie etwa Monty-Python-Sketche), sondern nur zum Fremdschämen. Die dünnen Plots durchschaut man mittlerweile natürlich auch, und es fällt auf, dass die Schauplätze eben nicht stimmen (Hamburg statt London, Kroatien statt USA). Richtig gut fand ich hingegen später die Parodie "Der Schuh des Manitu". Und ich erinnere mich daran, wie Pierre Brice bei "Wetten dass?" völlig unentspannt kein gutes Haar an diesem Bully-Herbig-Film lassen konnte, weil er angeblich diese wertvollen Filme der sechziger Jahre entweihen würde. |
05.05.2024, 17:23 | #2060 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Ja, aber Pierre Brice ist das Musterbeispiel dafür, wie positiv Indianer hierzulande gesehen wurden (nicht alle natürlich). Diese Rolle machte ihn zu einem der beliebtesten Schauspieler dieser Zeit in Deutschland. Und das hielt auch noch lange an.
Bully Herbig habe ich mir nicht angetan, aber Brice wäre sicher besser damit gefahren, "Der Schuh des Manitu" als eine Art Hommage an seinen Winnetou zu sehen. Übrigens habe ich gelesen, daß Karl May ein großer Anhänger der Idee des edlen Wilden war (James Fenimore Cooper auch). |
07.05.2024, 10:00 | #2061 | |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Ich habe eine Dokumentation, die hierher paßt. Damit man sich durch den Text durchfindet, habe ich Zwischentitel eingefügt:
Zitat:
Geändert von Peter L. Opmann (07.05.2024 um 11:16 Uhr) |
|
07.05.2024, 10:58 | #2062 |
Moderator sammlerforen
Ort: Köln-Bonn
Beiträge: 124.268
|
Was ein Zitat ist und kein eigener Text, sollte hier auch so angezeigt werden.
|
07.05.2024, 11:00 | #2063 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Hm, ich habe hier schon mehrere Dokumentationen mehr oder weniger wörtlich wiedergegeben. Ein paar Dinge, die ich nicht so wichtig finde, kürze ich immer raus. Aber daß der Text aus der Dokumentation "Winnetou darf nicht sterben" stammt, steht ja oben drüber.
|
07.05.2024, 11:02 | #2064 | |
Moderator sammlerforen
Ort: Köln-Bonn
Beiträge: 124.268
|
Ich kann nicht alle Texte lesen, aber wir sollten hier wirklich jeden Fremdtext in Zukunft als Zitat kennzeichnen.
Zitat:
|
|
07.05.2024, 11:16 | #2065 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Ich weiß, wie das geht, und habe auch kein wirkliches Problem damit. Aber soll ich das bei allen Dokus machen, die ich hier referiert habe?
|
07.05.2024, 12:22 | #2066 |
Moderator sammlerforen
Ort: Köln-Bonn
Beiträge: 124.268
|
"In Zukunft" müsste verständlich sein, oder?
|
07.05.2024, 13:43 | #2067 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Also wenn, dann wäre ich am besten konsequent - einerseits. Andererseits: 83 Seiten nochmal durchzuschauen, möchte ich mir nicht unbedingt antun.
Gut, belassen wir's dabei... |
09.05.2024, 06:16 | #2068 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Nochmal zurück zum Vergleich von Original und Remake. Betrachten wir die Meuterei auf der Bounty, einmal mit Charles Laughton und Clark Gable, einmal mit Marlon Brando und Trevor Howard. Die neuere Verfilmung mit Mel Gibson und Anthony Hopkins habe ich nicht gesehen und auch nicht auf Video. „Meuterei auf der Bounty“ (1935) von Frank Lloyd setzte damals Maßstäbe und gilt als einer der besten Abenteuerfilme seiner Zeit. Ich muß gestehen, daß ich diesen Film nur einmal gesehen habe (also jetzt zum zweiten Mal), die Verfilmung von 1962 dagegen einige Male, und trotz aller Einwände und der katastrophalen Produktionsgeschichte hat sie sich mir tief eingeprägt.
Doch zunächst zum Original. Zu Beginn der 1930er Jahre waren drei Romane zu dem historischen Geschehen erschienen und legten vermutlich eine Verfilmung nahe. Der Film hat in meinen Augen positive und negative Seiten. Die Handlung dürfte weitgehend bekannt sein: Ende des 18. Jahrhundert segelt das englische Schiff, die Bounty, nach Tahiti, hauptsächlich um Brotfruchtbäume nach England zu bringen. Kapitän William Bligh (Laughton) ist pflichtversessen, brutal und dazu noch ungebildet und schikaniert die Besatzung pausenlos. Als Tahiti nach einer extrem entbehrungsreichen Fahrt, bei der auch Seeleute ums Leben kommen, erreicht ist, kann der Erste Offizier Fletcher Christian (Gable), ein Gentleman aus besseren Kreisen, die Quälerei nicht mehr verantworten, meutert gegen seinen Kapitän und setzt ihn und die ihm treu gebliebenen Besatzungsmitglieder auf einem Beiboot aus. Bligh erreicht gegen alle Erwartungen England und erhält ein neues Schiff, um Christian zu fangen, findet ihn aber in der Südsee nicht mehr. Die Meuterer bringen sich auf der Insel Pitcairn in Sicherheit; diejenigen, die auf Tahiti geblieben sind, werden nach England zurückgebracht und hingerichtet, obwohl sie sich von dem Aufstand distanzieren. Bewegend fand ich die Schlußrede von Seekadett Byam (Franchot Tone), in der er – bereits zum Tod durch den Strang verurteilt – Bligh und seine Führungsmethoden verurteilt, was angeblich zu Reformen in der britischen Marine führte. Der Auftritt erinnert mich ein bißchen an Chaplins Rede am Ende von „Der große Diktator“. Laughton glaubt, daß sich das Prinzip von Befehl und Gehorsam nur durch Druck durchsetzen läßt (und hat wohl auch Freude am Quälen). Clark Gable steht für eine motivierende, humane Art der Schiffsführung – daß die nach der Meuterei flächendeckend eingeführt wurde, halte ich allerdings für ein Märchen. Natürlich ist Laughtons Darstellung eines Bösewichts ganz eigener Prägung unvergleichlich, und ich finde, Gable kann als abenteuerlicher Held neben ihm bestehen, obwohl er sich laut meiner Laughton-Biografie häufig an die Wand gespielt fühlte. Die Geschichte des Tahiti-Unternehmens und der Meuterei ist aber insgesamt – abgesehen davon, daß mit den historischen Fakten sehr frei umgegangen wird – nicht sehr glaubwürdig. Das liegt an der konsequenten Schwarz-weiß-Zeichnung und der Konzentration auf dramatische Szenen, ohne zu berücksichtigen, wie sie zustandegekommen sein mögen. Ein paar Gedanken, die mir beim Ansehen kamen: Laughton straft praktisch jeden auf dem Schiff aus nichtigen Anlässen, willkürlich und grausam – obwohl er sich selbst nicht an die verordnete Disziplin hält. Wie kann es dann noch Besatzungsmitglieder geben, die bis zum Schluß zu ihm halten? Als Gable sich zur Meuterei durchgerungen hat, geht er einfach unter Deck, holt Musketen aus den Schränken und verteilt sie an seine Leute. Wie werden eigentlich die Machtverhältnisse an Bord aufrechterhalten? Soll man etwa glauben, daß Laughton die Leute vorher allein durch seinen strafenden Blick vom Widerstand abgehalten hat? Vor allem in der ersten Dreiviertelstunde wird sein Sadismus immer wieder durch eingestreute komische Szenen aufgelockert, wofür hauptsächlich der Smutje (Herbert Mundin) zuständig ist. Wie kann es sein, daß dieser Schussel nicht die meisten Strafen von Laughton abbekommt? Nicht überzeugend fand ich auch die Darstellung von Eddie Quillan, der ständig zwischen Aufstand und Unterordnung schwankt und offenbar nie über Konsequenzen seines Handelns nachdenkt. Er steht für den melodramatischen Akzent im Film, denn er wurde schanghait, möchte nur Frau und Kind in England wiedersehen, wird aber am Ende ebenfalls aufgeknüpft. Regisseur Lloyd, ein Veteran aus der Stummfilmzeit, war von dem Bounty-Stoff offenbar so fasziniert, daß er unbedingt eine Biografie von Kapitän Bligh drehen wollte (vielleicht auch, um der historischen Wahrheit näherzukommen). Ebenso plante die Produktionsfirma MGM eine Fortsetzung mit den weiteren Abenteuern von Fletcher Christian. Beide Pläne wurden aber nie verwirklicht. Wahrscheinlich führte an der Erkenntnis kein Weg vorbei, daß sich aus der wahren Geschichte der Meuterei auf der Bounty, ebenso wie aus dem weiteren Schicksal der Meuterer kein Hollywood-Spielfilm machen ließ, jedenfalls keiner, den das Publikum auch hätte sehen wollen. Dieser Erkenntnis mußte sich 1962 auch das Team um Marlon Brando beugen, aber dazu mehr in den nächsten Tagen. Geändert von Peter L. Opmann (09.05.2024 um 07:58 Uhr) |
09.05.2024, 06:49 | #2069 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Nachtrag: Vor dem MGM-Spektakel gab es bereits zwei Filme, die sich mit der Meuterei auf der Bounty beschäftigten. Der erste war ein Stummfilm von 1916, über den ich nicht viel weiß. Von ihm existiert wohl nur noch das Drehbuch. Der zweite war 1933 das Filmdebüt von Errol Flynn. Das 60-Minuten-Werk hat teilweise dokumentarischen Charakter, also zeigt das Leben auf der Insel Pitcairn. Diese Frühwerke entstanden in Neuseeland und Australien.
|
11.05.2024, 06:43 | #2070 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Ein paar Eckdaten zur „Meuterei auf der Bounty“ (1962) mit Marlon Brando: Sechs Millionen Dollar Produktionskosten waren budgetiert, 26 Millionen sind es tatsächlich geworden. Einspielergebnis: zehn Millionen Dollar. 50 Millionen hätte MGM gebraucht, um den break even zu erreichen. So stellt es jedenfalls Jörg Fauser in seiner Brando-Biografie „Der versilberte Rebell“ dar. In „Marlon Brando und seine Filme“ aus der Citadel-Filmbuch-Reihe liegen die Zahlen um ein paar Millionen dichter beieinander, und es wird hinzugefügt, die Verluste seien auch durch den Verkauf der Fernsehrechte in Grenzen gehalten worden. Dennoch wird der Film in die gescheiterten Großproduktionen zu Beginn der 1960er Jahre eingereiht, die mit Bergen von Geld und Super-Breitwandformat dem neuen Konkurrenten TV Paroli bieten sollten und das Ende des traditionellen Studiosystems in Hollywood besiegelten (Musterbeispiel „Cleopatra“ der 20th Century Fox mit Elisabeth Taylor und Richard Burton). Alle diese Monumentalfilme (dazu gehört etwa auch „Der Untergang des römischen Reiches“ der Paramount von 1964) waren schlecht geplant und organisiert und hatten oft auch noch mit Starallüren und einer Kette von Pannen und Katastrophen während der Dreharbeiten zu kämpfen. All das findet man auch bei der „Meuterei auf der Bounty“. Der Film lief damals anläßlich des 70. Geburtstags von Brando im Fernsehen.
Letztlich schadete das Projekt vor allem Brando, der seine eigene Produktionsfirma verlor und bis zum „Paten“ in keiner Großproduktion mehr mitwirkte. Ich finde jedoch, daß man dem Film die Probleme nicht ansieht. Brandos Konzept, Fletcher Christian differenzierter darzustellen und Kapitän Bligh von einem Monster zu einem Disziplinfanatiker zu reduzieren, funktioniert (damit setzte er sich zuerst gegen Regisseur Carol Reed und dann auch seinen Nachfolger Lewis Milestone durch; am Ende soll dann noch George Seaton auf dem Regiestuhl gesessen haben). Ich habe dieser „Meuterei“ keine groben Produktionsfehler angemerkt, und ich finde das Werk trotz fast dreistündiger Länge nie langweilig. Hier werden keine logischen Fehler in der Handlung mit Grandezza überspielt; es ist eine psychologisch recht überzeugende Studie geworden, auch wenn die historischen Fakten wiederum, wann immer nötig, beiseitegeschoben werden. Fletcher Christian macht hier eine interessante Entwicklung durch: Zu Beginn ist er ein nicht unbedingt sympathischer adeliger Geck – man ist eher auf Seiten des nüchternen, pragmatischen Bligh (Trevor Howard). Die Strafaktionen des Kapitäns während der Fahrt werden dosierter dargestellt. Brando steht anfangs dahinter, versucht dann, die Mannschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren, und wendet sich erst nach und nach gegen die grausamen Methoden Howards. Der hat einen Grund für seine Härte: Er muß Tahiti so schnell wie möglich erreichen, um die Brotpflanzen rechtzeitig an Bord zu bringen, und später entscheidet er, die Wasserration der Mannschaft zu kürzen, damit die Pflanzen auf See genug Wasser bekommen. Erst damit spitzt sich die Lage zu, und Brando meutert zu dem Zeitpunkt, als auch kranken Matrosen nicht mehr Wasser zugestanden wird. Es wird klarer herausgestellt, daß er seine Leute daran hindert, Howard zu lynchen, weil er sich nicht auf eine Stufe mit dem Kapitän stellen will. Einen Prozeß gegen Meuterer gibt es in diesem Film nicht, aber einen gegen Howard, der auch hier mit einem kleinen Boot und wenigen Getreuen Land erreicht, von dem er nach England zurückkehren kann. Der Richter stellt fest, daß sich der Kapitän zwar formal nichts zuschulden kommen lassen, aber sich für das Führen eines Schiffs als ungeeignet erwiesen hat. Der Hinweis, die Meuterei habe zu Reformen in der britischen Marine geführt, fehlt hier. Es wird ein neuer Filmschluß angehängt, der den Fokus stark auf Brando und die Botschaft richtet, die er vermitteln wollte. Im Gegensatz zu Clark Gable ist er ein Zerrissener. Ihm ist nach der Meuterei klar, daß er – nach geltendem Recht – bis zum Ende seines Lebens ein Gejagter sein wird. Der Aufstand gegen seinen Kapitän war für ihn der letzte Ausweg – fast scheint es, als bereue er seine Tat. Anders als seine Mannschaft freut er sich über die Rückkehr ins Südseeparadies Tahiti überhaupt nicht, nicht einmal über das Wiedersehen mit seinem Mädchen Tarita Teriipaia. Er flieht zwar mit seinen Leuten weiter zur Insel Pitcairn, entscheidet sich dort jedoch, trotz des drohenden Galgens nach England zurückzukehren, um aufzuklären, wie es zu der Meuterei gekommen ist und seine Ehre wiederherzustellen. Seine Mannschaft macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung und verbrennt die Bounty. Beim Versuch, wenigstens den Sextanten vom Schiff zu retten, stirbt Brando in den Flammen. Er zeigt: Selbst in einem Paradies wie Tahiti können die Menschen nicht friedlich zusammenleben. Sein Tod ist bewegend, aber wiederum weit von den historischen Fakten entfernt. Der wirkliche Fletcher Christian wurde vermutlich auf Pitcairn ermordet. Der Film ist nach meinem Eindruck trotz der chaotischen Produktion gelungen. Vielleicht hat Marlon Brando, der sich kurz zuvor mit dem Western „One-eyed Jacks“ als fähiger Regisseur erwiesen hatte, das Projekt zusammengehalten (er drehte auf jeden Fall wichtige Szenen unter eigener Regie). Vor allem ist der Widerspruch, in dem Disziplin und Menschlichkeit stehen können, gut herausgearbeitet. Es wäre sicher interessant zu untersuchen, inwieweit die Veränderungen, die es im Kino der 1950er Jahre gab, hier ihren Niederschlag gefunden haben. Tabus gebrochen, wie es dann in New Hollywood geschah, werden hier dagegen noch nicht. „Meuterei auf der Bounty“ ist jedoch einfach auch ein packender Abenteuerfilm, der den Zuschauer drei Stunden lang nicht losläßt. Kurios fand ich, daß Marlon Brando hier mit der Stimme von Captain Kirk spricht (was aber nicht unpassend ist) und der Off-Sprecher mit der Stimme von Stan Laurel. Geändert von Peter L. Opmann (11.05.2024 um 07:10 Uhr) |
11.05.2024, 07:04 | #2071 | |
Eckensteher & Mosaik-FF Mod
Ort: Nürnberch, Frangen
Beiträge: 6.751
|
Zitat:
Charles Laughton dominiert "seinen" Film total und selbst ein C.Gable wirkt neben ihm blass. Er ist ein einfach ein Mann, "den man liebt zu hassen". Zu Brandos Rolle hast Du ja alles gesagt. Zum Ende der Meuterer auf Pitcairn gibt es ja auch einen Film, denn ich allerdings nicht gesehen habe. Da kenne ich nur die Vorlage von Robert Merle. In Insel der Meuterer (Original: L’Île) geht es zwar nicht offiziell um die "Bounty" aber er versucht zu schildern, warum auf "der Insel" nach kurzer Zeit nur noch die Frauen und ein Mann (Von ursprünglich 15 Meuterern und Tahitianern) am Leben waren. Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht. |
|
11.05.2024, 07:55 | #2072 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
"Insel der Meuterer" ist offenbar ein Vierteiler wie "Der Seewolf". Klingt interessant, aber diese TV-Produktion habe ich auch nicht gesehen.
|
13.05.2024, 06:10 | #2073 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Ich habe hier schon durchblicken lassen, daß ich ein großer Bewunderer der Filmkunst von Buster Keaton bin, und ich habe noch einige bisher nicht digitalisierte Filme von ihm auf Video. Viele davon sind inzwischen leicht im Internet zu finden, aber ich habe mich entschlossen, die mir nun allmählich auch vorzunehmen. Beginnen will ich mit „Verflixte Gastfreundschaft“ (1923), seinem ersten richtigen Langfilm. Sein kurz vorher entstandenes Werk „Drei Zeitalter“ ist nur 60 Minuten lang und besteht eigentlich aus drei Kurzfilmen. Gegen „Verflixte Gastfreundschaft“ (Co-Regisseur John G. Blystone) könnte man einwenden, daß er beständig zwischen Komödie (mit gar nicht viel Slapstick) und ernstem Drama schwankt. Mir scheint aber, daß der Film deshalb etwas seltsam geworden ist, weil das Drehbuch wohl nur den groben Handlungsrahmen festlegte und Keaton dann hauptsächlich Mühe darauf verwendete, die einzelnen Szenen so wirkungsvoll wie möglich zu gestalten.
Zu Beginn erleben wir das Ende einer furchtbaren Blutfehde zwischen zwei Familien im mittleren Westen, den McKays und den Canfields. Von den McKays ist jetzt (um 1800) nur noch ein Kleinkind am Leben, das nach New York in Sicherheit gebracht wird. Aus dem Kind wird Buster Keaton, der schließlich in die Heimat zurückkehren soll, um dort ein Erbe anzutreten. Bei dieser Gelegenheit erfährt er zwar die Sache mit den Canfields, aber er kennt niemanden von ihnen. Mit einem Uralt-Modell einer Eisenbahn reist er hin; in seinem Abteil trifft er ein hübsches Mädchen (Natalie Talmadge). Beide verlieben sich ineinander, ohne zu wissen, daß sie den verfeindeten Familien angehören. Das Erbe ist nicht der Rede wert, aber Keaton besucht Talmadge in ihrem Haus. Ihr Vater (Joe Roberts) und ihre beiden Brüder bekommen Wind davon, wer Keaton ist, und wollen ihn sofort töten. Der etwas unbedarfte Keaton merkt das erst etwas später. Da ihm aber nichts geschehen darf, solange er als Gast unter dem Dach der Canfields weilt, muß er nun alles daransetzen, das Haus nicht zu verlassen. Schließlich flieht er doch zu einem Wildwasserfluß, verfolgt von einem der Canfield-Söhne. Talmadge folgt ihnen voller Sorge. Obwohl Keaton und sein Verfolger zeitweise mit einem langen Seil aneinandergebunden sind, gelingt der Anschlag auf ihn nicht. Keaton fällt allerdings nach kurzem Aufenthalt im Zug zurück nach New York in den Fluß und treibt auf einen riesigen Wasserfall zu – etwas später auch Talmadge. In einer Abfolge von waghalsigen Stunts, die allerdings wohl nicht so gefährlich aussehen, wie sie tatsächlich waren, rettet Keaton schließlich sich und sein Mädchen. Er kehrt ins Haus der Canfields zurück. Roberts und seine Söhne treiben ihn da auf, aber es ist zu spät: Sie wollen ihn nun zwar auch im Haus erschießen, aber Keaton und Talmadge haben soeben geheiratet, und damit gehört er zur Familie. Die Canfields geben auf und legen ihre Pistolen auf den Tisch. Darauf entledigt sich Keaton eines ganzen Bergs von Waffen, die er offenbar während der Trauung vorsichtshalber getragen hat… Der komische Kern des Films – Keaton muß sich so verhalten, daß er nicht plötzlich über den Haufen geschossen wird – ist mit einer Menge Drumherum ausgeschmückt, insbesondere mit einer etwa viertelstündigen Bahnfahrt. Eisenbahnfan Keaton ließ eine Bahn von 1830 originalgetreu nachbauen, macht sich aber permanent über die gute alte Zeit lustig, in der alles noch ganz gemächlich vonstatten ging. Da sieht man einige Gags, die in „Der General“ (oben bereits besprochen) etwas verändert wieder auftauchen. Diese Nebenhandlung könnte man herausschneiden, ohne daß das Verständnis der Handlung beeinträchtigt wäre. Aber es wäre doch schade, denn die Gags sind ungewöhnlich und sehr lustig. Ebenso zeigt Keaton eine bekannte Kreuzung in New York (Broadway/42nd Street), an der um 1830 natürlich nur ein einsames Farmhaus steht, aber ein Polizist bereits den Kutschen-Verkehr regelt. Und so ist der ganze Film voll von liebenswerten Einfällen, die oft für den Fortgang der Handlung unerheblich sind. Und dann gibt es auch Keatons wahnwitzige Stunts, bei denen er sich teilweise verletzte und die vielleicht besser in den Rahmen eines Suspense-Films gepaßt hätten. Obwohl alles nicht so recht zusammenpaßt, macht Keaton durch sein Gespür für Storytelling und Timing doch eine harmonische Einheit daraus. „Verlixte Gastfreundschaft“ spielt auch auf Verhältnisse in Keatons eigenem Leben an. Natalie Talmadge war tatsächlich seine Ehefrau, und sie war die Schwägerin von Keatons Filmproduzent Joseph Schenck, der damals Produktionsleiter der United Artists war (später 20th Century Fox). Die Talmadge-Familie soll auf den Vaudeville-Künstler Keaton herabgeblickt haben. Die Ehe, die von 1921 bis 1933 bestand, war nicht sehr glücklich, was sich in diesem Film aber noch nicht abzeichnet. Interessant auch: Der bullige „Big“ Joe Roberts war ein häufiger Filmpartner von Keaton, vor allem in seinen Kurzfilmen. Keaton wollte auch nach 1923, als er nur noch abendfüllende Filme machte, die Zusammenarbeit fortsetzen, aber während der Dreharbeiten zu „Verflixte Gastfreundschaft“ erlitt Roberts einen Schlaganfall. Er spielte seine Rolle weiter, auch als ein zweiter Schlaganfall hinzukam. Einen Monat nach Ende der Dreharbeiten starb er. |
15.05.2024, 06:28 | #2074 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Nun zu einem Film, der eine Welt von vor annähernd 100 Jahren zeigt. „Berlin Alexanderplatz“ (1931) von Phil Jutzi. Der zuletzt besprochene Film von Buster Keaton ist zwar ein paar Jahre älter, aber dieses Werk kann den Anspruch erheben, ein Stück Berlin um 1930 authentisch abzubilden. Ich kann den Film weder mit Döblins Roman noch mit der Fernsehserie von Faßbinder noch mit der neuen Verfilmung von 2020 vergleichen. Doch er steht meiner Ansicht nach für sich. Eine Auseinandersetzung lohnt vor allem die Figur, die Heinrich George hier erschafft.
Alfred Döblins Roman, ein Ungetüm von „expressionistisch-naturalistisch-mystische(r) Vielstimmigkeit“ (Kindlers Literatur-Lexikon), ist für das Drehbuch radikal vereinfacht worden, aber unter Mitwirkung des Autors, der von der Möglichkeit, seinen Franz Biberkopf sprechen zu lassen, fasziniert war. Die Hauptfigur wird nicht nur lebendig, sondern bewegt sich zudem in einem realen Berlin, wenn es mich auch erstaunt hat, daß die Not dieser Zeit der Wirtschaftskrise nur wenig aufscheint. Aber die Kinozuschauer dieser Zeit kannten die Verhältnisse ja zur Genüge. Die Filmhandlung: Heinrich George hat im Suff (heute würde er damit wohl für unzurechnungsfähig erklärt) seine Freundin umgebracht und saß dafür vier Jahre im Gefängnis Tegel. Grundsätzlich ist er ein ehrlicher Kerl und möchte auch ehrlich bleiben. Er wird Straßenverkäufer auf dem Alex und kommt – anscheinend – so auch über die Runden. Dabei lernt er Maria Bard („Cilly“) kennen, die ihn ins Milieu einer Einbrecherbande zieht. Bandenchef Bernhard Minetti möchte ihn gern zum Schmieresteher machen, aber George geht nicht darauf ein. Wider Willen wird er dann doch in einen Coup hineingezogen. Weil er nicht bereit ist dichtzuhalten, stößt ihn Minetti aus dem Auto. George wird überrollt und verliert einen Arm. Hier klingt kurz die schwere Zeit an: Er beklagt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, seine Invalidenrente werde nicht immer gezahlt. Bard hat ihn verlassen und sich einen reichen Gönner geangelt, aber George lernt nun die Hinterhofsängerin Margarete Schlegel („Mieze“) kennen, die wiederum zu ihm hält. George sucht Minetti auf; er will ihm alles verzeihen und nun auch in die Bande eintreten. Nach anfänglicher Skepsis der Gauner wird er aufgenommen und wird durch die Raubzüge recht wohlhabend. Schlegel redet ihm ins Gewissen, worüber sich das Paar beinahe ernstlich zerstreitet. Sie findet heraus, daß Minetti schlechten Einfluß auf ihn ausübt, und will die beiden auseinanderbringen. Minetti tötet sie dafür in einem entlegenen Waldstück. Die Polizei kann den Fall aufklären, und obwohl erst George unter Verdacht steht, wandert schließlich Minetti ins Kittchen. George kehrt mit Hilfe von Bard auf den soliden Weg zurück und verkauft wieder auf dem Alexanderplatz – diesmal Stehaufmännchen. Diesen Schluß sucht man im Roman vergebens, aber Döblin und die Filmcrew waren sich damals einig, daß der Film ein happy end braucht. Es fällt auf, daß sich Regisseur Jutzi um Genreregeln überhaupt nicht schert. Die Geschichte vom Strafentlassenen (oder Entflohenen), der danach ins Unglück stürzt, wird ja im Hollywood-Kino gern genommen (mir fallen auf Anhieb Peckinpahs „Getaway“, Scorseses „Cape Fear“ und als Parodie natürlich die „Blues Brothers“ ein). Dieser oft verwendete Plot bekommt aber hier durch die Hauptfigur eine ganz eigene Note. Heinrich Georges Biberkopf ist eine verblüffende Charakterstudie, aber irgendwie auch unglaubwürdig. Er ist ein Mann, der mit dem wirklichen Leben vertraut erscheint, aber ist zugleich so naiv, daß er zunächst gar nicht bemerkt, daß er sofort im Verbrechermilieu landet. Auch sein Verhalten seinen beiden Frauen gegenüber ist widersprüchlich. Man nimmt ihnen ab, daß sie sich von ihm angezogen fühlen, nicht nur, weil er ein Kerl ist, sondern auch, weil er wie ein großes Kind erscheint, das wohl auch mütterliche Gefühle weckt. Andererseits hat er mehrmals Ausbrüche von Jähzorn – vor allem angesichts der Tatsache, daß er schon mal eine Frau umgebracht hat, sollten Cilly und Mieze von ihm lieber Abstand nehmen. Natürlich war es 1931 undenkbar, sexuelle Bezüge ins Bild zu rücken, und die Kamera wird diskret weggedreht, wenn ein Mord geschieht. Aber daß sich alles im Milieu von Gangstern, Prostituierten und ihren Zuhältern sowie halbweltlichen Vergnügungen abspielt, wird dennoch unzweifelhaft deutlich. Ich kann nachvollziehen, daß der Film 1931 erst ab 18 freigegeben wurde. Es bleibt freilich immer bei Anspielungen, und das „Sündenbabel“ Berlin wirkt für den heutigen Zuschauer gemütlich und gutbürgerlich. Amerikanische Gangsterfilme der Zeit waren da weitaus unverblümter. Aber mir ging es so, daß ich in diesen Großstadtmoloch, der auch im Roman beschrieben wird, unwiderstehlich hineingezogen wurde. Wenn man sich die Biografien von Schauspielern und der Filmcrew ansieht, bemerkt man auch den Einschnitt, den die Naziherrschaft für die deutsche Filmkunst bedeutete. Viele emigrierten, Regisseur Jutzi und andere machten in Deutschland weiter und brachten nichts Bedeutendes mehr hervor. Vielleicht nicht jedem bekannt ist das Schicksal von Heinrich George: Er wanderte nach Kriegsende als NS- Vorzeigekünstler in ein sowjetisches Gefangenenlager, wo er nach kurzer Zeit schwer erkrankte und 1946 starb. Noch eine Bemerkung: Das ZDF zeigte 1991 eine nicht sehr gute Kopie des Films. Eine Rolle hat einen ziemlich dumpfen Ton, und man sieht, daß der Film mehrfach gerissen und wieder geklebt worden ist. Inzwischen wird „Berlin Alexanderplatz“ sicher in einer restaurierten Fassung verfügbar sein. |
16.05.2024, 06:45 | #2075 |
Mitglied
Ort: Hessen
Beiträge: 5.624
|
Vollgemacht habe ich die Cassette mit dem Experimentalfilm „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ (1927) von Walter Ruttmann. Ich wollte den Film als Dokumentation einordnen, aber Ruttmann will mehr als dokumentieren. Er komponiert Aufnahmen aus dem Tagesablauf an einem x-beliebigen Tag in der Hauptstadt zu einer Collage – eben zu etwas Ähnlichem wie einer Sinfonie. Einiges, was da gezeigt wird, habe ich auch in „Berlin Alexanderplatz“ gesehen, aber hier gibt es nur andeutungsweise eine erzählte Geschichte, nur kleine Episoden, die das Filmteam gleichsam bei einem langen Spaziergang durch die Stadt hier und da mitbekommt. Aber im wesentlichen kommen die Berliner hier nur als Masse vor; gedreht wird ausschließlich an öffentlichen Orten. Ich habe mir öfters gewünscht, die Kamera würde mal in eine Wohnung vordringen, aber an Individuen ist Ruttmann eben nicht interessiert.
Zu Beginn fährt ein Zug aus dem Umland in die Stadt hinein; man sieht Vororte, dann Schrebergärten, dann wird es allmählich urban, und schließlich fährt der Zug in einen Bahnhof ein (ich habe mir nicht gemerkt, in welchen). Dann erst beginnt der Tag: leere Straßen, ab und zu ein einsamer Fußgänger, dann Polizisten. Der Straßenverkehr lebt auf, Trambahnen werden aus dem Depot geholt, die Bürgersteige füllen sich mit Menschen, die zur Arbeit, und Kindern, die in die Schule eilen. Und der Verkehr wird dichter und dichter. Überraschenderweise kommen noch häufig Pferdefuhrwerke in den Blick, auch wenn sie wie Fremdkörper wirken. Nicht jeder hat ein Auto, die meisten gehen zu Fuß. Was gearbeitet wird, ist so gut wie nicht zu sehen – nur ein paar Telefonistinnen ziehen hektisch ihre Strippen. Dazwischen Straßenszenen, auch mal zwei Männer in einem Streit, um die sich eine neugierige Menge schart, bis ein Polizist beide trennt und den Auflauf auflöst. Die Mittagspause wird zu einem ausgedehnten Restaurantbesuch genutzt – eine Kultur, die es heute nur noch weiter südlich in Europa gibt. Im Lokal eröffnet sich auch mal ein Blick in die Küche – und auf die vielen Kellner, die geschäftig herumlaufen. Damals war Deutschland offenbar noch keine Servicewüste (oder ist das bloß inszeniert?). Nach dem Ende der Mittagszeit ist es nicht mehr lange bis zum Feierabend. Ein Mann schnappt freilich angesichts des Tohuwabohus über und springt in Selbstmordabsicht von einer Brücke in den Fluß. Eine Menge verfolgt das geschockt (aber niemand macht Anstalten, ihm zu helfen). Zu sehen ist unter anderem eine Zeitungsdruckerei (die Abendblätter waren zu dieser Zeit wohl wichtiger als die Morgenzeitungen). Nach der Arbeit waschen sich manche noch in ihrer Fabrik, die anderen eilen direkt nach Hause. Da es aber offenbar noch keine freien Tage gibt, beginnen bald nach der Arbeit – solange es noch hell ist – die Freizeitbeschäftigungen, hauptsächlich Sport. Und bei Dunkelheit kommt die Unterhaltungsindustrie auf Touren. Tanz, Revue, Modenschau, Sport als Spektakel (Boxkämpfe, Sechstagerennen). Es gibt einen ganz kurzen Ausschnitt aus einem Chaplin-Film, der im Kino gezeigt wird. Das einfache Volk drängt sich in dubiosen Kneipen (wie Franz Biberkopf). Ich hätte erwartet, daß man Berlin zum Schluß langsam wieder zur Ruhe kommen sieht. Aber Ruttmann verwandelt alles in einen Strudel von Bildern, die sich in ein Feuerwerk verwandeln. Optisch eine gute Lösung, aber es kommt mir doch wie ein Verlegenheitseinfall vor. Sicher wird es aber so gewesen sein, daß die Stadt auch am Morgen nicht ausgestorben ist (wie das zu Beginn gezeigt wird), sondern daß da die Letzten von der Party nach Hause kommen. Wie gesagt: keine Dokumentation, obwohl viele Aufnahmen heute hohen dokumentarischen Wert haben (etwa das 1950 gesprengte Kurfürstenschloß). Es ist ein weitgehend abstrakter Film, die Umwandlung bewegter Bilder in ein Lebensgefühl. Ich denke, es würde auch schwerfallen, dem Film eine Aussage abzugewinnen. Keine Kritik an dem Hamsterrad, in das die arbeitende Bevölkerung gezwängt wird. Es gibt auch keine unwirtliche Stadt; dazu ist sie viel zu geschäftig, zu lebendig. Und es gibt auch so gut wie keine einzelnen Menschen zu entdecken, sondern sie sind eingebunden in die ewige hektische Bewegung. Das macht das Werk für mich ein bißchen enttäuschend. Es ist ein grandioses Pionierwerk, aber man betrachtet den Film ein wenig wie ein Tapetenmuster. Aufgenommen habe ich eine Produktion des ZDF und des Schweizer Fernsehens aus dem Jahr 1983; in Lugano wurde eine restaurierte Fassung mit Liveorchester aufgeführt. Gelegentlich wird der Film von einem Bild der Musiker mit einer Leinwand im Hintergrund unterbrochen, was aber beim Betrachten kaum stört. Walter (mitunter auch „Walther“) Ruttmann, der 1928 auch für den ersten in Deutschland aufgeführten, ebenfalls experimentellen Tonfilm veranstwortlich war, ist in gewissem Sinn wie Phil Jutzi ein Opfer der Naziherrschaft geworden. Er schloß sich dem Team um Leni Riefenstahl an und wirkte an dem Propagandafilm „Triumph des Willens“ mit. Ansonsten realisierte er hauptsächlich Kurz- und Industriefilme und starb bereits 1941. |
|
|
|