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Alt 07.01.2023, 15:53   #1  
Peter L. Opmann
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Heute ein Western, bei dem ich mir selbst ein bißchen mißtraue. „Weites Land“ (1958) von William Wyler habe ich schon mehrmals gesehen (allerdings leider nicht im Kino) und mich jedesmal gut unterhalten gefühlt, aber ich bin doch nicht ganz sicher, ob er nicht überkonstruiert ist (also das, was eine Kritikerin „Harry und Sally“ vorgeworfen hat). Wyler ist ein hochangesehener Hollywood-Regisseur, der aber keinen ausgeprägten eigenen Stil hat, sondern seine Inszenierungsweise immer in den Dienst des jeweiligen Stoffs stellt. Er ist kein typischer Westernregisseur, und vielleicht ist es so zu erklären, daß seine Hauptfigur hier ein ausgesprochener Pazifist ist. Sie hat damit etwas von einem Superhelden: In seiner Tarnexistenz wirkt der immer bieder und geradezu unfähig, aber wenn er sich in den Superhelden verwandelt, bannt er jede Gefahr. Ich habe früher viele Superheldencomics gelesen, und vielleicht mag ich deshalb diesen Film.

Gregory Peck spielt einen Schiffskapitän aus dem Osten, der in den Wilden Westen reist, um seine Braut (Carroll Baker) zu heiraten. Dabei gerät er in einen Weidekrieg zwischen zwei Rancherfamilien, eine angeführt von Charles Bickford (Bakers Vater) und dem Vorarbeiter Charlton Heston, die andere von Burl Ives und seinem Sohn Chuck Conners. Sie streiten sich hauptsächlich um eine Wasserstelle, die beide für ihr Vieh brauchen, die aber Jean Simmons gehört, die sich noch nicht entschieden hat, welcher der Familien sie sie verkauft. Peck platzt in diese explosive Situation als ein Greenhorn hinein. Er ist ein Ostküstengentleman, der Anzug und Bowler, aber keine Waffen trägt und sich in keinen Streit hineinziehen lassen möchte. Mit dieser Haltung gerät er sofort ins Visier von Conners, der Peck hänselt und demütigt – was dem aber überhaupt nichts ausmacht. Carroll Baker ist freilich empört, und Heston wird mit einigen Cowboys ausgesandt, der Familie von Burl Ives eine Lektion zu erteilen. Dessen Söhne werden krankenhausreif geprügelt.

Burl Ives taucht darauf auf der Willkommensparty auf, die Bickford für seinen künftigen Schwiegersohn gibt. Er beklagt sich bitter über die Gewalt, der seine Familie ausgesetzt ist, droht aber, daß er auf die Wasserstelle, solange er lebt, nie verzichten wird. Peck wird aber auch von Bickfords Leuten wie ein Dummkopf behandelt. Die Cowboys versuchen, ihn auf einem Wildpferd namens Old Thunder reiten zu lassen, das bisher noch jeden Reiter abgeworfen hat. Peck lehnt ab, schleicht sich aber in einem unbeobachteten Moment zum Corral und zähmt das Pferd. Danach reitet er mit ihm aus, um die Gegend kennenzulernen. Bickford schickt darauf seine Leute los, um ihn zu suchen, bevor er vielleicht vom Pferd stürzt und in der Wildnis umkommt. Sie finden ihn allerdings nicht. Peck ist derweil zu dem Wasserloch geritten und freundet sich mit seiner Eigentümerin, Jean Simmons, an. Von ihr erfährt er, daß der Konflikt um das Wasser schon viele Jahre besteht und keine Einigung in Sicht ist.

Charlton Heston ist sauer, als Peck schließlich zurückkehrt und behauptet, er habe sich keineswegs verirrt, sondern wie auf See seine Route nach den Sternen bestimmt. Heston will sich mit ihm prügeln, aber Peck läßt sich darauf nicht ein. Bei Nacht treffen sich die beiden Männer aber unbemerkt zum Faustkampf, der unentschieden ausgeht. Carroll Baker hat nun endgültig genug von Peck – sie will einen Mann, der sich durchsetzt und nicht so einen Weichling wie ihn. Inzwischen will Ives endlich die Wasserstelle an sich bringen. Sein Sohn Conners hat behauptet, Jean Simmons sei verliebt in ihn – also soll er sie holen, damit sie ihm das Land überschreibt. Conners entführt sie, weil sie natürlich keineswegs zarte Gefühle für ihn hegt. Nun soll sie aber zumindest den Kaufvertrag unterzeichnen. Zur allgemeinen Überraschung erklärt sie, sie habe bereits verkauft, und zwar an Peck. Und er werde beide Familien ihr Vieh tränken lassen.

Da erreicht der den Unterschlupf von Ives, weil er sich um Simmons Sorgen macht. Um ihn zu schützen, behauptet sie, sie liebe Conners, und er solle verschwinden. Der läßt sich darauf aber nicht ein und muß nun in einem Duell mit antiken Pistolen gegen Conners antreten. Burl Ives war in seiner Jugend auch mal ein Gentleman und bestimmt, daß der Streit auf diese Weise beigelegt wird. Während Conners dem Druck, nur einen Schuß zu haben, nicht standhält, behält Peck die Nerven, weigert sich aber, auf seinen Gegner anzulegen. Conners will darauf Peck mit seinem Colt töten und muß wegen dieser Regelverletzung von seinem Vater erschossen werden. Peck und Simmons, die nun endgültig ein Paar sind, verlassen den Schauplatz. Bickford hat sich derweil entschlossen, den Konflikt endgültig mit Gewalt zu lösen und das Bergversteck von Ives zu stürmen. Beide Männer sind so von Haß getrieben, daß keine gütliche Lösung mehr möglich ist. Sie erschießen sich in einem Canon gegenseitig.

Der Film ist beinahe drei Stunden lang; daher die längere Inhaltsangabe. Ein Westernepos beinahe in den Dimensionen von „Vom Winde verweht“. Auch dieser Film wurde – wie „Robin Hood“ – unabhängig von Studios produziert und wiederum von United Artists vertrieben. Es scheint nicht bekannt zu sein, was der Film gekostet hat, aber ich nehme an, er machte Profit (Einnahmen in den USA: 3,5 Millionen Dollar). Allgemein wurde er von den Kritikern gelobt, und Burl Ives gewann 1959 einen Oscar als bester Nebendarsteller. Er liefert auch wirklich eine bemerkenswerte Leistung ab als im Konflikt unterlegener Rancher, der sich aber als ebenso selbstgerecht und verbohrt erweist wie sein Feind. Gregory Peck ist der absolut integre und positive Held, wie man ihn kennt – nur vermeidet er es verbissen, irgendwie verwegen und durchsetzungsstark zu erscheinen. Jean Simmons gefällt mir in ihrer Rolle sehr gut. Undankbar sind die Parts von Carroll Baker – sie erweist sich als zu unreif für eine Beziehung mit Peck – und Chuck Conners, der permanent mit dicker Hose herumläuft, aber in Wirklichkeit ein Feigling ist.

Fixe Idee von Wyler und Peck war wohl, mal einen Western zu drehen, in dem Schießereien und Prügeleien nicht normal wirken, sondern irgendwie falsch. Dabei muß der Zuschauer nicht auf reichlich Gewalt verzichten – nur Peck sagt andauernd: Ohne mich! Die Figur des Helden, dessen Heldentum niemand durchschauen darf, ist mir allerdings vertraut (siehe Superman/Clark Kent und viele Epigonen), und auch in Richard Donners „Superman“ von 1978 wirkt das charmant.
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Alt 07.01.2023, 16:49   #2  
Crackajack Jackson
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Der Film hat mir vor sehr langer Zeit wirklich gut gefallen.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Gregory Peck mit seinem Sohn spricht.
Es war wie bei den Amish Leuten.
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Alt 07.01.2023, 17:26   #3  
Peter L. Opmann
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Du meinst, mit dem Sohn der Filmfigur von Burl Ives?

Aber mich hat da nichts an die Amish erinnert. Beide Rancherfamilien lösen ihre Probleme bevorzugt mit Gewalt - nicht unbedingt typisch für die Amish...
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Alt 07.01.2023, 17:44   #4  
Servalan
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Wyler hat einen Western mit ähnlicher Grundrichtung schon zwei Jahre vorher gedreht.
In "Lockende Versuchung" (1956) geht es um eine Quäkerfamilie in Indiana, die sich 1862 durch den Bürgerkrieg lavieren muß, ohne ihre pazifistischen Grundsätze aufzugeben.
Der Film gewann die Goldene Palme in Cannes und wurde für sechs Oscars nominiert.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 18:31   #5  
Peter L. Opmann
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Ah, genau, vielleicht hat Cracka diese beiden Filme verwechselt.

In "Lockende Versuchung" war Anthony Perkins der Sohn, Gary Cooper der Vater. Perkins will im amerikanischen Bürgerkrieg mitkämpfen. Und die Quäker erinnern schon ein bißchen an die Amish.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 19:43   #6  
Nante
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Ja, beide Filme von Wyler waren ziemlich episch. (Da hat er wahrscheinlich schon mal für Ben Hur geübt. )

Darum sind bei mir von beiden vor allem einzelne Episoden in Erinnerung während ich Probleme hätte, die Handlung chronologisch herzubeten.

Bei "Weites Land" vor allem die Prügelei mit Heston (Und der abschließenden Frage, was das nun bewiesen habe.) und das Duell sowie seine nervende Verlobte, wo ich mich immer gefragt habe, wie er an die geraten konnte.

Bei "Lockende Versuchung" sind es eher die humorvollen Szenen, wie das "Kutschen-Duell" am Anfang und wie die Ehefrau am Ende mal ihren Pazifismus vergißt. - Ja, und das Gefecht am Fluss fand ich zumindest damals auch recht beeindruckend.

In dem Zusammenhang habe ich die letzten Minuten überlegt, welcher Film das ist, der auch noch so eine ähnliche Thematik hatte, allerdings etwas düsterer ist.
Dank Wikipedia wird mich das nicht mehr um den Schlaf bringen.
Es war Der Mann vom großen Fluß (O: Shenandoah) mit James Stewart.
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Alt 07.01.2023, 20:14   #7  
Horatio
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Crackajack Jackson könnte vielleicht auch den Film Die Wildnis ruft von 1946 mit Gregory Peck meinen. Da hat Peck als Vater in einer Pionierfamilie ein gutes Verhältnis zu seinem Filmsohn.
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Alt 07.01.2023, 20:25   #8  
Peter L. Opmann
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Diese Filme kenne ich beide nicht.

Schön, auf diesem Weg mal etwas von ihnen zu hören.
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Alt 08.01.2023, 12:02   #9  
Peter L. Opmann
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Diesen Film habe ich, wie ein paar andere, wohl zu früh gesehen. „Unter dem Vulkan“ (1984) von John Huston war weit von meinem Erfahrungshorizont entfernt, aber er hat trotzdem eine nachhaltige Wirkung auf mich gehabt. Ich habe mir damals sogar die Romanvorlage von Malcolm Lowry besorgt und gelesen. Das alles hat allerdings viel damit zu tun, daß der Film gerade ins Kino kam und ich etwa gleichzeitig eine Dokumentation über Lowry im Fernsehen gesehen habe, in der betont wurde, sein Hauptwerk, eben „Unter dem Vulkan“, erschienen 1947, sei ein Meilenstein der modernen Literatur.

Als ich den Film sah, kannte ich den Roman noch nicht, und mir fehlte also der Vergleich. Überhaupt habe ich ihn sicher zu unkritisch gesehen, weil ich so im Ohr hatte, daß der Roman so etwas Besonderes sei. Es ist wohl aber tatsächlich so, daß Huston zwar den Roman ziemlich vereinfacht hat, aber dank außerordentlicher Schauspielerleistungen (vor allem von Albert Finney) dennoch den Kern des Stoffes gut herausgearbeitet hat. Ähnlich wie „Ulysses“ schildert der Roman einen einzigen Tag im Leben eines Mannes, eines Alkoholikers. Wie sich herausstellt, ist das der letzte Tag seines Lebens. Es gibt wenig Handlung, dafür aber viel Symbolik. Teilweise mischen sich Realität, Fantasie und Alkoholdelirium. Das Buch galt daher als unverfilmbar. Jules Dassin wollte schon 1957 einen Film machen, bekam den Roman aber ebensowenig in den Griff wie einige Regisseure, die es nach ihm versuchten. Ich lese, daß es Hustons Absicht war, alles Fantastische wegzulassen. Er hat aber immerhin eine unwirkliche Kulisse (eine Stadt zu Füßen des Popocatepetl – dort wird gerade das Allerseelenfest gefeiert, in Mexiko ein bizarres Fest der Toten), die den Film zumindest für mich ganz schön bizarr erscheinen lassen.

Albert Finney spielt einen britischen Konsul, der nicht mehr im Dienst ist und der fürchtet, von seiner Frau (Jaqueline Bisset), einer Schauspielerin, die gerade ein Theaterengagement in New York hat, verlassen worden zu sein. Eine Scheidung ist im Gespräch. Er ist zwar ein versierter Diplomat, gleichzeitig verliert er aber die Kontrolle über sein Leben. Seine deprimierende Lage kann er nur mit Alkohol bewältigen, der am mexikanischen Tag der Toten ohnehin eine große Rolle spielt. An genau diesem Tag kehrt seine Frau zu ihm zurück, aber es zeigt sich, daß sie ihn zwar liebt, aber nicht mehr in Mexiko bleiben möchte. Sie möchte lieber mit ihm auf einer Farm in USA leben. Finney versucht mehrmals, sie zu überreden, sich zusammen mit ihm zu betrinken, aber sie lehnt ab und zieht sich von ihm zurück. In seinem Anwesen findet er eine vorsorglich deponierte Flasche Tequila. Auch Finneys Halbbruder (Anthony Andrews) taucht auf, ein Mann, der ziellos dahinlebt. Er ist heimlich in Bisset verliebt, weiß aber, daß er bei ihr keine Chancen hat. Schließlich kommen alle Drei wieder zusammen und beschließen, sich das Totenfest anzusehen.

Bei einem Essen in einem Restaurant wird die Beziehung von Finney und Bisset noch einmal durchgesprochen. Finney zeigt sich zunächst der Idee zugänglich, eine Farm zu beziehen, aber da er schon ziemlich betrunken ist, mündet das Gespräch schließlich in einen Streit. Finney verlässt die beiden, auch um sich ungehindert betrinken zu können. Bisset und Andrews folgen ihm besorgt. Finney geht in eine Kneipe und läßt sich dort auch auf eine Prostituierte ein. Bisset und Andrews finden ihn bei ihr und sind bestürzt. Finney denkt jetzt, die Beziehung zu seiner Frau sei nicht mehr zu retten. Sie und sein Halbbruder sind gegangen. Er verläßt die Kneipe und sieht auf der Straße einen Schimmel, den er zu streicheln versucht. Das mündet in seinen jämmerlichen Tod. Mexikaner halten ihn zunächst für einen Pferdedieb. Sie stehlen ihm sein Geld und seine Dokumente und bezichtigen ihn nun, ein Spion zu sein. Völlig betrunken gibt Finney Contra und wird darauf erschossen. Das Pferd scheut, und er landet im Schlamm der Straße. Mit seinen letzten Worten sagt er: „Was für eine jämmerliche Art zu sterben!“ Bisset, die die Schüsse gehört hat, kehrt zurück, aber kommt zu spät.

Malcolm Lowry hat sich mit dem Konsul selbst porträtiert. Den Roman „Unter dem Vulkan“ hat er viermal umgeschrieben. Von den Verlagen ist aber seine Bedeutung, soweit ich sehe, nicht gleich erkannt worden. Das hatte sich allerdings 1984 gründlich geändert. Der Film ist für mich ein Musterbeispiel von Arthouse-Kino; wohl wegen dem großen Namen Huston wurde er trotzdem relativ erfolgreich. Wenig später nahm sich Huston einen noch spröderen Stoff vor: „Die Toten“ nach James Joyce. Das war dann sein letzter Film. Den habe ich auch gesehen, er wäre aber noch etwas schwieriger zu besprechen als „Unter dem Vulkan“. Vielleicht später mal.
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Alt 10.01.2023, 06:30   #10  
Peter L. Opmann
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Als er ins Kino kam, habe ich mir diesen Film nicht angesehen. Vielleicht war er mir nach dem, was ich vorher wußte, zu klamaukig, und man hörte ja auch solche Dinge über ihn. „Der Tod steht ihr gut“ (1992) von Robert Zemeckis habe ich also erst viel später auf DVD kennengelernt und war dann doch positiv überrascht. Es ist schon richtig: Die Komik ist nicht sehr feinsinnig. Aber „Zurück in die Zukunft“ (jedenfalls den ersten Teil) hatte ich sehr wohl gesehen, also hätte ich mir denken können, was da so etwa auf mich zukommt. Ende 1992 war ich allerdings gerade mit meinem Studium fertig und zog um. Es kann daher auch sein, daß ich einfach keine Zeit für diese Groteske hatte.

Für die, die den Film ebenfalls nicht gesehen haben: Es geht wieder mal um starke Frauen (Meryl Streep und Goldie Hawn) und einen schwachen Mann (Bruce Willis) – alle natürlich gegen ihr Image besetzt. Willis ist ein Schönheitschirurg (sonst spricht aus weiblicher Sicht nichts für ihn), der Hawn zugunsten von Streep verläßt. Die Verlassene futtert sich aus Frust einen ganz schönen Ranzen an und versinkt in einer Depression, während die andere sich im Glanz ihrer Eroberung sonnt. Aber nach ein paar Jahren kehrt Goldie Hawn strahlend und jung zurück, während bei Meryl Streep die Probleme des Welkens so langsam beginnen. Als Willis zum zweiten Mal die Seiten wechselt, nimmt Streep Zuflucht bei einem Schönheitselixier, das ihr eine in einem geheimnisvollen Schloß lebende Schöne (Isabella Rossellini) im Rahmen eines Teufelspakts verschafft. Sie wird tatsächlich merklich jünger und schöner (und erkennt, daß dieses Mittel auch ihre Konkurrentin Hawn wiederhergestellt hat). Allerdings hat es unerwünschte Nebenwirkungen.

Hawn bewegt Willis dazu, seine bisherige Gefährtin aus dem Weg zu räumen. Er hat noch nicht gemerkt, daß die nun ebenfalls wieder viel attraktiver ist. Er stürzt sie eine lange Treppe hinunter, was als Unfall hingestellt werden soll. Dabei wird Streep zwar gräßlich deformiert, aber sie stirbt nicht. Das Schönheitsmittel macht auch unsterblich, was kein Vorzug ist, wenn sich zwei Frauen bis aufs Blut bekämpfen. Sie sind immerhin intelligent genug, sich zu versöhnen, nachdem sie erkannt haben, daß sie sich gegenseitig kein Leid antun können – abgesehen davon, sich gegenseitig Löcher in den Bauch zu machen oder den Kopf nahezu abzureißen. Da sie einen Schönheitschirurgen immer mal gut gebrauchen können, wollen sie Willis zwingen, auch von dem Elixier zu trinken. Der kann ihnen aber mit Hilfe von Rossellini entkommen. Der Film überspringt darauf viele Jahre. Willis ist nun in hohem Alter gestorben. Streep und Hawn besuchen seine Beerdigung. Sie wirken zwar immer noch ansehnlich, aber bei genauer Betrachtung erkennt man, daß sie sehr alt und durch Berge von Makeup hergerichtet sind. Sie bekommen nun den unerfreulichen Teil des Teufelspakts zu spüren. Als sie die Beerdigung verlassen, stürzen sie eine Treppe hinunter und zerspringen in tausend Stücke, die aber alle lebendig bleiben. Man hat aber das Gefühl, daß sie sich wieder zusammensetzen werden.

Das ist sicherlich ein sarkastischer Kommentar zum damals schon grassierenden Jugend- und Schönheitswahn, sei es durch Fitness, sei es durch plastische Chirurgie. Das ist aber nur der mechanische Teil der komischen Wirkung. Wichtiger ist, daß sowohl Männer als Frauen durch das Trio Willis – Streep – Hawn in denkbar ungünstigem Licht gezeigt werden, was die Schadenfreude des Zuschauers hervorruft. Der Mann, der Frauen nur als Trophäen betrachtet und sonst langweilig bis dorthinaus ist, wird mit zwei Frauen gestraft, die sein ruhiges Dasein ein für allemal beenden. Die Frauen sind dagegen mißgünstig, habgierig und ganz auf die Bewahrung ihrer Jugend fixiert, zwar deutlich klüger als ihr Mann, aber von ein bißchen Lebensweisheit weit entfernt.

Natürlich ist das zum Teil Holzhammer-Komik, aber ich finde, trotzdem bietet der Film auch etwas zum Nachdenken. Zumindest werden etliche Hollywood-Klischees gegen den Strich gebürstet. Alles übrige besorgen die Special Effects. Zemeckis hat viele verblüffende Computertricks eingesetzt, die insbesondere menschliche Körper wie Plastilin erscheinen lassen. Obwohl der Film ziemlich genau 30 Jahre alt ist, wirken die meisten Effekte immer noch frisch. Damals waren sie sicherlich teilweise ganz neu. Folgerichtig gewann „Der Tod steht ihr gut“ den Oscar und einen weiteren Filmpreis für die besten visuellen Effekte. In den USA spielte er seine Kosten dreifach ein.
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Alt 10.01.2023, 08:36   #11  
Nante
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Ich habe den Film damals im Kino gesehen und es war genau mein Humor.

Das einzige was ich damals nicht in den Kopf bekam, warum Willis Goldie eigentlich zugunsten von Meryl verlassen hat. Keine Ahnung, wie es heute wäre aber damals waren meine optischen Präferenzen klar verteilt.

Wäre interessant zu wissen, wie Zemecki den Film heute drehen würde, wo sich der Schönheitswettbewerb immer mehr ins Digitale verlagert und der Chirurg nicht nur aber oft durch den "Filter" ersetzt wird.

Meine Lieblingsszene ist aber nach wie vor die, wo Goldie mit dem Riesenloch im Bauch aus dem Pool auftaucht und mit Wut verzerrtem Gesicht verkündet, das sei nicht lustig gewesen.
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Alt 13.01.2023, 08:14   #12  
pecush
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"Der Himmel über Berlin" ...
Sehr schöner Film. Den kann ich nicht "immer" gucken, dafür ist er wirklich zu speziell, aber ich mag ihn sehr; auch, weil der von mir sehr geschätzte Peter Falk mitspielt.

Das US-Remake mag ich auch; ist leichter zu konsumieren.
Da könnte ich vielleicht noch zu erwähnen, dass ich früher im Rahmen von Jugendfreizeiten drei Bücher einer bekannten Jugendkrimi-Serie verfilmt habe.
In einem dieser halbstündigen Filme kommt eine Sekte vor. Zum Finale ließ ich mich von "Stadt der Engel" inspirieren: Die Sektenmitglieder standen wie die Engel ganz in schwarz am Strand. Nur nicht in Los Angeles, sondern auf Föhr.

Wim Wenders habe ich einmal auf der Frankfurter Buchmesse getroffen. Er signierte mir ein Aushangbild von "Don't come knocking"
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Alt 13.01.2023, 21:07   #13  
Marvel Boy
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Zitat:
Zitat von pecush Beitrag anzeigen
Zu Star Wars (eigentlich sollte ich nur "Krieg der Sterne" schreiben, denn den ersten Film meine ich eigentlich die ganze Zeit) fällt mir gerade noch der Comic "Die Urfassung" ein. Ein in meinen Augen sehr kompliziert verfasstes Werk; da ist mir die simple Story des schlussendlich herausgekommenen Kinofilms deutlich lieber.
Das original ist vieleicht schlicht, aber genial. Im Zusammenhang mit den Effekten DIE Kinoerfahrung für mich.

KEEP CALM AND DON'T SMASH!

Geändert von Marvel Boy (13.01.2023 um 21:16 Uhr)
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Alt 14.01.2023, 06:46   #14  
Peter L. Opmann
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Ich glaube, ich hatte in dieser Reihe noch keinen Dokumentarfilm. Hier ist einer: „Super Size Me“ (2004) von Morgan Spurlock. Der Grund, warum ich ihn ausgewählt habe, ist, daß er für mein Empfinden sehr unterhaltsam ist. Gleichzeitig wirft er ein paar Probleme auf, auf die ich auch eingehen werde. Man kann hier, wie bei „American Splendor“, der ebenfalls erst nach 2000 ins Kino kam, daran zweifeln, ob es sich bereits um einen Klassiker handelt. Doch da will ich mal großzügig sein. „Super Size Me“ war jedenfalls sowohl in Deutschland als auch auf dem Heimatmarkt USA ein größerer Erfolg und hat wissenschaftliche Diskussionen und sogar eine Änderung der Geschäftspolitik von McDonalds, der Zielscheibe der Kritik, ausgelöst.

Spurlock führt an sich selbst ein Experiment durch: Er will einen Monat lang ausschließlich bei McDonalds essen (morgens, mittags und abends – wobei er bevorzugt das damals angebotene „Supersize“- Menü wählt), sich zudem möglichst wenig bewegen, dafür aber ärztlich untersuchen lassen, welche Auswirkungen das auf seinen Körper hat. Dann beschreibt er filmisch den Ablauf dieses Experiments, wobei es sehr witzig zugeht. Sein Vorgehen schildert er stets mit einem Augenzwinkern. Er stellt sich als McDonalds-Fan vor, der bisher durchaus öfters dort gegessen hat und es zu Beginn genießt, nun immerzu all die leckeren Sachen zu bekommen. Nach einer Weile bekommt der Zuschauer allerdings mit, daß sich Spurlock nach einem Restaurantbesuch aus dem Fenster seines Autos übergeben muss. Er will jedoch zunächst durchhalten.

Während der Zeit geht er immer wieder zum Arzt (mutmaßlich seinem Hausarzt) und läßt sich auch von seiner Freundin überwachen. Das Ergebnis ist, daß er schon vor dem Ende des Experiments von etwa 85 auf 95 Kilo zugenommen hatte (die Werte differieren in der deutsch- und der englischsprachigen Wikipedia etwas), unter Antriebslosigkeit leidet, was auch seine sexuelle Aktivität einschließt, und beunruhigende Blutwerte aufweist (Schäden vor allem an der Leber). Der Arzt bringt ihn schließlich dazu, das Experiment kurz vor dem Ende abzubrechen. Laut Abspann brauchte Spurlock danach lange, um sein Übergewicht wieder loszuwerden. Der Film veranlaßte McDonalds, seine „Supersize“-Menüs von der Speisekarte zu nehmen und den Kunden die Möglichkeit zu geben, statt Pommes Frites einen Salat zu bestellen (der allerdings auch eine Menge kalorienreiche Zutaten aufweist).

Ein Ernährungsexperte, der im Film – unter anderem – zu Wort kommt, erwies sich als Unterstützer des McDonalds-Konkurrenten „Subway“. „Subway“ nutzte auch den Film, um sich als gesunde Alternative anzupreisen, wovon sich Spurlock dann distanzierte. Damit kommen wir zu den problematischen Aspekten des Films. Daß das ganze Experiment lustig und nicht wissenschaftlich-dröge rüberkommt, liegt daran, daß der ganze Film minutiös gescriptet ist und nur den Anschein erweckt, rein dokumentarisch zu sein (was man sich hätte denken können). Was Spurlock zeigt, ist dann auch in vielfacher Hinsicht in Zweifel gezogen worden. Es hieß, durch die Dreharbeiten habe er sich sehr wohl viel bewegt (er war Regisseur, Hauptdarsteller und auch Produzent des Films). Und es wurden ähnliche Experimente angestellt, bei denen die Probanden keineswegs so extrem wie er zunahmen. Zu allem Überfluß wurde auch behauptet, Spurlock sei Alkoholiker, und das sei die eigentliche Ursache für seine Leberprobleme, nicht das Essen bei McDonalds.

Anlaß für „Super Size Me“ war ein Prozeß in den USA gewesen, bei dem McDonalds-Kundinnen die Kette wegen gesundheitlicher Probleme verklagt hatten, aber nicht Recht bekamen. Man glaubt nur zu gern, daß McDonalds doch eine Strafe verdient gehabt hätte, und Spurlock beweist es dem Anschein nach. Ich mußte bei dem Fall an Michael Moore denken, der mit den gleichen Methoden Dokumentarfilme dreht („Bowling for Columbine“, „Sicko“), die – jedenfalls für nicht so konservative Zuschauer – alle ein ehrenwertes Anliegen haben, aber auch vorrangig auf Unterhaltung setzen und sich die Fakten notfalls zurechtbiegen. – Doch rein filmisch ist „Super Size Me“ für mich ein empfehlenswertes Werk.
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Alt 14.01.2023, 08:19   #15  
Nante
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Von dem Film habe ich damals nur die einige szenen aus der Werbung dafür gelesen. Hat mich allerdings auch nicht so interessiert, weil meine Besuche bei M.Donald, Burgerking und Konsorten an einer Hand abzuzählen sind.

Das Problem, was du schilderst, ist glaube ich typisch für solche "Dokus", die schon mit einem bestimmten "Endziel" gedreht werden.
Obwohl recht unterhaltsam gedreht, konnte ich z.B Filme von Michael Moore irgendwann nicht mehr ganz ernst nehmen bzw habe es dann ganz mit ihnen sein lassen.
Nante ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2023, 09:10   #16  
Peter L. Opmann
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Ich kenne mich da zwar nicht aus, aber vielleicht führt eine direkte Linie von den Filmen von Moore oder Spurlock zu den Doku-Soaps, die heute auf Privatsendern zu sehen sind. Mitunter hat Oliver Kalkofe das aufgegriffen, weil sich Fernsehredakteure da wirklich abstruse Storys ausdenken, die dann mithilfe von Laiendarstellern in "Dokumentationen" umgesetzt werden.

Manche sehen das auch zu Unterhaltungszwecken, nicht weil sie sich etwa für die dokumentarischen Themen interessieren.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2023, 22:17   #17  
Horatio
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Ich hab den mal im Kino gesehen, Anfang der Achtziger, in einem Programmkino.
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Alt 18.01.2023, 22:31   #18  
underduck
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Meinereiner auch. In den Programmkinos in Bonn wie das Woki lief der rauf und runter.

In meiner bonner Firma hat man mich früher HAL genannt. Auch heute würden mich einige Leute sicher noch gerne abstellen ...
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Alt 19.01.2023, 06:22   #19  
Peter L. Opmann
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Danke für die Rückmeldungen.

Der nächste Kandidat ist ein Film, für den ich keinen Enthusiasmus empfinde, dessen Meisterschaft ich aber anerkenne. Ich spreche von dem Melodram „Was der Himmel erlaubt“ (1955) von Douglas Sirk. Er wäre vielleicht längst als Kitschfilm abgetan und vergessen, wenn nicht Rainer Werner Fassbinder (den ich oben bereits behandelt habe) ihn zu seinen Lieblingsfilmen gezählt und die Erkenntnisse, die er aus ihm zog, in eigenen Filmen verarbeitet hätte, vor allem in „Angst essen Seele auf“, ein Werk, das die Grundkonstellation von „Was der Himmel erlaubt“ direkt aufnimmt. Sirk analysiert die Kälte und Härte einer bestimmten amerikanischen Gesellschaft, nämlich an der Ostküste (ich weiß nicht, ob der Film vor einer Kulisse irgendwo im Westen der USA auch funktionieren würde), aber ohne jemals plakativ zu werden. Die Kritik ist hinter einer sorgsam gewahrten Maske der Normalität verborgen – der Streifen wurde daher lange als belanglos mißgedeutet.

Universal Pictures entschlossen sich damals zu dieser Produktion, weil Sirk im Jahr davor mit „Die wunderbare Macht“ großen Erfolg an der Kasse gehabt hatte. Es sollte also wieder etwas Ähnliches werden mit den gleichen Hauptdarstellern, Jane Wyman und Rock Hudson. „Was der Himmel erlaubt“ weist allerdings eine ganz andere Stimmung auf; es ist kein Tränendrüsenfilm, sondern viel ernster und herber. Trotzdem konnte Sirk den Erfolg wiederholen.

Wyman ist eine wohlhabende Witwe, fest in die Gesellschaft ihrer Kleinstadt in Connecticut eingebunden, steht an der Schwelle zu einem Alter, in dem eine Frau nach damaligen Vorstellungen nicht mehr über eine neue Beziehung nachdenken sollte. Ein paar Bridge-Freundinnen, Zerstreuung im Countryclub und ein älterer Mann, mit dem sie mal ausgehen kann, sollten genügen. Aber sie fühlt sich einsam. Ihre beiden Kinder haben eben das Haus verlassen und sind im übrigen auch der Meinung, daß ihre Mutter sich so langsam auf das Seniorenalter einstellen sollte. Aber da bemerkt Wyman plötzlich Rock Hudson, der sich von Zeit zu Zeit um den Garten ihres Hauses kümmert. Im wirklichen Leben war Hudson zehn Jahre jünger als sie, im Film sollte der Altersunterschied noch etwas größer sein. Es beginnt ganz harmlos: Sie lädt ihn zu einem Kaffee ein, er erzählt ihr von seinem naturverbundenen Leben und zeigt ihr, wie er lebt. So kommen sie sich allmählich näher.

Der Stadtgesellschaft sind die zaghaften Annäherungen nicht entgangen. Und Wymans Verhalten wird dezent, aber für sie doch merklich mißbilligt: Ein jüngerer Mann! Und auch noch einer, der nicht ihre Klasse hat! Womöglich hat der es nur auf ihr Geld abgesehen! Auch ihr Sohn und ihre Tochter sehen das so. Sie schenken ihr zu Weihnachten einen Fernseher – besser, sie verbringt den Rest ihres Lebens vor der Glotze. Hudson hat sich indessen auf sie eingestellt; er will eine abgelegene alte Mühle renovieren, damit sie beide dort leben können. Das ist genau das, was Wyman sich erträumt hat. Aber im entscheidenden Moment zieht sie zurück. Sie meint, doch auf die Meinung ihres Bekanntenkreises Rücksicht nehmen und Gerede vermeiden zu müssen. Sie wirft Hudson vor, sie unter Druck zu setzen, aber er macht ihr klar, daß sie sich selbst vor die Entscheidung zwischen ihrem guten Ruf und ihrer Liebe zu ihm gestellt hat. Sie entscheidet, daß sie ihn nie wiedersehen wird.

Das Studio bestand jedoch auf einem Happy End. Im tiefen Winter fährt Wyman noch einmal zu der Mühle, Hudson ist aber gerade nicht da. Sie kehrt um, da kommt er von einer Waldtour zurück. Weil er sie noch erreichen will, wird er unvorsichtig und stürzt einen Abhang hinunter, ohne daß sie etwas davon bemerkt. Freunde finden ihn und bringen ihn verletzt ins Haus. Wyman erfährt von dem Unfall und eilt an sein Krankenbett – und versichert, sie werde ihn nun nie wieder verlassen.

Man kann leicht übersehen, daß es hier um die Stadtgesellschaft geht, die in bestimmten Moralvorstellungen erstarrt ist. Jemand, der – wie Hudson – außerhalb dieser Gesellschaft lebt, kann die moralische Fassade leicht zum Einsturz bringen, und das muß verhindert werden. Aber Konflikte werden hier nicht ausgetragen; jeder fügt sich letztlich in das, was allgemein als schicklich angesehen wird, selbst wenn er – wie Wyman – damit sein Lebensglück einbüßt. Fassbinder sagte: „Da begreift man was von der Welt und was sie macht an einem.“ Und er fügte hinzu: „Jetzt, wo sie da ist, ist das kein Happy End, obwohl sie zusammen sind, die beiden. Wer sich so Schwierigkeiten macht mit der Liebe, glücklich wird der nicht sein können später.“
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Alt 19.01.2023, 11:22   #20  
Nante
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"2001 – Odyssee im Weltraum“ habe ich damals noch in s/w auf einem DDR-Röhrenfernseher gesehen. Das visuelle Erlebnis war also überschaubar.

In Erinnerung ist darum vor allem die (oft genug parodierte) Anfangsszene und das Gespräch mit dem absolut logisch argumentierendem HAL, wobei letzteres fairerweise eher durch ein Radio-Feature bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
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Alt 19.01.2023, 11:44   #21  
Peter L. Opmann
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Hab' gestern auf youtube eine Parodie auf das Gespräch mit HAL entdeckt: Die Astronauten haben die Zugangsnummer ihres Smartphones vergessen - HAL kennt sie, aber läßt sie einfach immer wieder raten. Und das Ganze auf Schwäbisch!
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Alt 27.01.2023, 07:21   #22  
Crackajack Jackson
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Ich persönlich, kann die Chaplin Filme nicht gegeneinander vergleichen oder bewerten.
Für mich sind: Goldrausch, Lichter der Großstadt und Der große Diktator auf einem gleich hohen Niveau.
Mal gefällt mir der eine etwas besser, mal der andere.

Die Sylvester Szene bei Goldrausch ist sehr berührend.
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Alt 27.01.2023, 07:50   #23  
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Ich wollte darauf hinaus, daß der Film erzählerisch keine Einheit bildet. Ich denke, man merkt, daß Chaplin etwa die Episode mit dem Bären filmte, der ihn im Eis verfolgt, und sich dann überlegte: So, was mache ich jetzt als nächstes? Er hat zwischendurch manchmal wochenlang die Dreharbeiten unterbrochen, weil er nicht wußte, wie es weitergehen sollte.

Aber trotzdem ist es ein toller Film.
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Alt 27.01.2023, 07:55   #24  
Crackajack Jackson
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Diese Filme haben für mich, aufgrund ihres Alters, eine ganz eigene Atmosphäre, aber Du hast recht: Es sind Evergreens.

Vielleicht stammt es daher, dass in den Stummfilmzeit die Filme eher kürzer und episodenhafter waren. Für einen längeren Film wurden dann mehrere Episoden aneinandergehängt. Immerhin schafft es Charlie Chaplin, den roten Faden nicht zu verlieren.
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Alt 27.01.2023, 08:08   #25  
Nante
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Ich hatte ja auch schon mal geschrieben, daß er neben "Modern Times" und "Der große Diktator" mein Lieblings-Chaplin ist.

Ja. er ist noch episodisch. Aber vielleicht gerade deshalb sind mir viele Szenen wohl für immer im Gedächtnis. Vor allem der "Brötchentanz" und die Hungerszenen in der Hütte, besonders natürlich die gekochten Schuhe.
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