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Alt 23.10.2023, 19:55   #1  
mile
The Good
 
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Das Autoren noch auf Verlage angewiesen sind halte ich mittlerweile für eine Legende. Klar hat es gewisse Vorteile im Verlag zu veröffentlichen, aber für den eigenen Geldbeutel ist es schöner, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Frau Silberhorn kenne ich zwar nicht, aber dass sie mit der Thematik weder bei Verlag noch Lesern auf offene Arme stoßen würde, muss ihr doch klar gewesen sein. Rein wirtschaftlich betrachtet macht ein Krimi mit diesem Thema von einer Midlist Autorin keinen Sinn. Viele Leser reagieren schon bei wenigen Absätzen über Corona, Masken etc. allergisch. Sogar Stephen King bekommt das zu spüren bei seinem neuen Roman ("Holly").
Deshalb jetzt gleich die Autorinnenkarriere aufzugeben? Na ja, scheinbar war das eh nur nebenberuflich, sonst wäre das nicht so leichtfertig geschrieben.
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Alt 28.10.2023, 14:09   #2  
Servalan
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Der Artikel von Sonja Silberhorn erschien nach den Nachdenkseiten in der Schweizer Weltwoche.
Zitat:
Zitat von mile Beitrag anzeigen
Frau Silberhorn kenne ich zwar nicht, aber dass sie mit der Thematik weder bei Verlag noch Lesern auf offene Arme stoßen würde, muss ihr doch klar gewesen sein. Rein wirtschaftlich betrachtet macht ein Krimi mit diesem Thema von einer Midlist Autorin keinen Sinn. Viele Leser reagieren schon bei wenigen Absätzen über Corona, Masken etc. allergisch. Sogar Stephen King bekommt das zu spüren bei seinem neuen Roman ("Holly").
Heute hat sie nachgelegt. Auf dem Portal apolut wird sie von Eugen Zentner interviewt. Dort macht sie zum einen deutlich, dass sie für ihren Krimi einen Markt sieht:
Zitat:
Diejenigen jedoch, die Zweifel an der Pandemiepolitik hatten, beurteilen die Notwendigkeit einer gründlichen Reflexion aus meiner Sicht völlig anders. Gerne wird dies negiert oder die Bedeutung dieser Bevölkerungsgruppe kleingeredet, als könne man bereitwillig auf sie verzichten. (...)
Addiert man nun noch diejenigen hinzu, die sich nur aufgrund des erheblichen sozialen und in vielen Fällen auch beruflichen Drucks, also nicht aus Überzeugung und freiem Willen, zur Impfung durchgerungen haben, so sprechen wir sicher nicht mehr von einer irrelevant kleinen Minderheit (...)
Für meine Begriffe sehr viele und zum Teil auch sehr berührende Reaktionen, die von der Hoffnung, dass der Roman doch noch seinen Weg in den Handel findet, über Dank für meinen Schritt in die Öffentlichkeit bis hin zu den Schilderungen persönlicher Schicksale, teils traurig, teils aber auch ermutigend, reichen. Ich habe das Gefühl, vielen Leuten aus der Seele gesprochen zu haben, und bin immer noch ziemlich überwältigt von diesem Feedback. (...)
Eben die Nachfrage, die, da bin ich mir auch recht sicher, durchaus vorhanden ist.
Auf dem Sachbuchmarkt gibt es ja ein Segment von Bestsellern (teilweise auf der Liste des Spiegel), die sich kritisch mit der Corona-Zeit auseinandergesetzt haben. Häufig geschieht dies unter schlechteren Bedingungen als üblich, wenn die Titel trotz der offensiv ausgestellten Bestsellerliste im Buchhandel nicht offen ausliegen, sondern vom Publikum erst explizit nachgefragt werden mußten. Außerdem lief die Werbung auf Sparflamme, weil die Titel nicht in den obligatorischen Mitteln vertreten waren. Aber Zentner merkt auch an, dass etwas Vergleichbares im Segment Belletristik fehlt beziehungsweise jetzt noch nicht existiert.
Zitat:
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Deshalb jetzt gleich die Autorinnenkarriere aufzugeben? Na ja, scheinbar war das eh nur nebenberuflich, sonst wäre das nicht so leichtfertig geschrieben.
In ihrem Interview geht Silberhorn darauf ein, welchen Stellenwert das Schreiben und Veröffentlichen für sie hat:
Zitat:
Grundlegend ist das Schreiben, selbst wenn man sich im Laufe der Zeit natürlich professionalisiert, eine Herzensangelegenheit – wenigstens für mich ist es das immer geblieben. Nur wenn ich etwas zu sagen habe, kann ich auch überzeugend Geschichten erzählen. (...) So bleibt mir also nur, darüber zu schreiben. Wenn man dann mit dem Geschriebenen niemanden erreicht, sei es, weil die Veröffentlichungsmöglichkeit fehlt, oder aber weil die Fronten viel zu verhärtet sind, um damit auch nur ein klein wenig Reflexion anzustoßen, kommen einem natürlich große Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.
Silberhorn bleibt ja nicht untätig und legt verzweifelt ihre Hände in Schoß, vielmehr sehe ich ihren Artikel und ihr Interview als eigene Initiative, um ihr Manuskript doch noch zu veröffentlichen. Sie hat eine gewisse Resonanz von ihrem möglichen Publikum erhalten, und das empfindet sie als positiv. Insofern scheint sich da doch noch eine alternative Möglichkeit der Veröffentlichung anzudeuten - entweder durch Crowdfunding oder durch eine ähnliche Initiative wie den Finix-Verein im Comicsektor.
Das letzte Wort ist in der Hinsicht nocht nicht gesprochen. Warten wir es ab.

Geändert von Servalan (28.10.2023 um 14:35 Uhr)
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Alt 28.10.2023, 14:23   #3  
underduck
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Glückwunsch zu deinen jetzt über 10.000 interessanten und gehaltvollen Beiträgen, liebe Servalan.
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Alt 28.10.2023, 14:49   #4  
Servalan
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Gern geschehen. War mir ein Vergnügen.
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Alt 26.03.2024, 12:31   #5  
Servalan
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In den letzten 50 Jahren hat sich der Buchmarkt gewaltig verändert, so dass heute andere Prinzipien gelten und Mechanismen greifen als damals. Wer gut zwei Stunden erübrigen kann, dem empfehle ich zwei Videos, in denen diese Umbrüche plastisch geschildert werden.

Oben hatte ich ja schon einmal das (alte) Literarische Quartett erwähnt, die ZDF-Sondersendung zum Buchmarkt, soweit ich mich erinnere, immer freitags auf dem Sendeplatz der Kultursendung aspekte. Üblicherweise wurden dort drei bis sechs belletristische Bücher, meist Romane, von professionellen Literaturkritikern unter der Schirmherrschaft des bärbeißigen Marcel Reich-Ranicki rezensiert; allerdings gestattete sich diese Reihe einige Freiheiten.
Davon zeugt die vierte Ausgabe vom 16. Dezember 1988 (76:32 min) aus Hamburg, in der Marcel Reich-Ranicki, Sigrid Löffler, Hellmuth Karasek und Jürgen Busche über das Verlagswesen und den Literaturbetrieb im allgemeinen diskutieren. Sie sehen den Handel mit Büchern, den Umgang mit der kulturellen Ware, natürlich aus der Sicht der Literaturkritik und kommen zum Beispiel auf das Thema Übersetzungen.
Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem damals noch rein analogen Buchhandel, und in der Hinsicht betonen die Kritiker zum einen den Einfluß von den kleinen Buchhändlern vor Ort, die ihren Kunden bestimmte Titel empfehlen und so das Kaufverhalten beeinflussen können. Zum anderen gibt es eine Stufe höher die Verlagsvertreter bei den Buchhändlern, die mit ihren Freiexemplaren gewisse Titel des Verlags ins Rampenlicht rücken und so eine wohlgesonnene Atmosphäre aufbauen können.

Das ernüchternde Pendant über den Zustand des Buchhandels von heute liefern die beiden Wirtschaftsblogger Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in Episode 240 (März 2024, 50:51 min) ihrer Reihe Wohlstand für Alle: Adorno, TikTok und der Buchmarkt. Wer ein Buch auf den Markt bringen möchte, sollte sich das anhören, um einen realistischen Eindruck von seinen Chancen und Möglichkeiten zu bekommen, ein größeres Publikum zu erreichen.
Denn auf der einen Seite setzt der Sektor Buchmarkt heute in Deutschland 130 Milliarden Euro um, aber einen nicht geringen Anteil an dieser Tendenz tragen gestiegene Preise für Papier und Druck. Zudem sind im letzten Jahrzehnt 10 Millionen Leser verloren gegangen.
Verstärkt wird dieser Effekt noch durch das Matthäus-Prinzip: Wer anderswo prominent ist, hat es leichter, auf dem Markt zu reüssieren und der kann auch mit besserer Werbung rechnen. Hinzu kommt, dass große Verlage den Markt beherrschen, und selbst diese sind meist nur Filialen von internationalen Medienkonzernen, wie zum Beispiel der Carlsen Verlag, der zum schwedischen Bonnier-Konzern gehört.
Agenturen haben heute einen großen Einfluß, und die immer weitere Aufsplitterung in Subgenres werden Romane kleinteilig standardisiert, damit das Publikum das bekommt, was es erwartet. Entsprechend ernüchternd ist das Berufsbild Schriftstellerei, denn 80 % der Autoren benötigen einen Brotberuf, um nicht am Hungertuch zu nagen. Die meisten Autoren verdienen nur 1.000 Euro - im Jahr!
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