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Alt 31.12.2023, 06:12   #10  
Peter L. Opmann
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Ort: Hessen
Beiträge: 5.592
Da hier kürzlich mal von Mae West die Rede war, habe ich mir jetzt den einzigen Mae-West-Film angesehen, den ich in meiner Sammlung habe. Für „Mein kleiner Gockel“ (1940) von Edward Cline hat Universal sie mit W. C. Fields zusammengespannt, einem einst berühmten Komiker, der aber weitgehend vergessen sein dürfte. Es ist aber zudem bewußt eine Westernparodie, wie ich gelesen habe. Im Kielwasser der sehr erfolgreichen Westernkomödie „Der große Bluff“ (1939) mit Marlene Dietrich sind eine ganze Reihe von Spaßwestern entstanden. „Mein kleiner Gockel“ erwies sich dabei erneut als Volltreffer, wenngleich man ihn mit „Der große Bluff“ schlecht vergleichen kann.

Man kennt das etwa von den Marx-Brothers-Filmen oder auch von manchen Langfilmen von Laurel und Hardy: Es gibt eine Handlung, die aber nur Vorwand für eine Aneinanderreihung komischer Nummern ist. Die Besonderheit bei „Mein kleiner Gockel“ ist, daß hier meist eine Pose mit einem entlarvenden Dialog kombiniert wird. Mae West treibt das Bild des männermordenden blonden Gifts, das zugleich allein auf den eigenen Vorteil aus ist, auf die Spitze. W. C. Fields dagegen ist ein unangenehmer Menschenfeind und Säufer, getarnt als altmodischer Gentleman. Das sind die bestimmenden Posen. West verrät sich meist durch scharfe Bemerkungen selbst, während Fields von ihr demontiert wird. West wie auch Fields brachten mehr von ihrer wirklichen Persönlichkeit auf die Leinwand, als das damals üblich war. In ihrer Verbindung kommen die zweifelhaften Figuren noch besser zur Geltung. Um die beiden herum gibt es ein paar unterstützende komische Rollen.

Kurz zur Story: Wegen ungebührlichen Verhaltens muß West die Stadt verlassen – unter anderem hat sie sich mit einem maskierten Postkutschenräuber eingelassen. Auf ihrer Zugfahrt steigt Fields zu und macht ihr Avancen. Um ihren Ruf wenigstens ein bißchen aufzupolieren, beschließt sie, ihn zum Schein zu heiraten (auch weil er offenbar eine Tasche voller Bargeld bei sich hat – die Banknoten erweisen sich freilich später als Werbeblätter). Die Trauung hält ein äußerst zwielichtiger Gauner. In der neuen Stadt angekommen, läßt sich West sofort vom Saloonbesitzer und von dem örtlichen Zeitungsherausgeber den Hof machen. Als Fields zur Hochzeitsnacht antreten will, legt sie ihm eine Ziege ins Bett. Da aus seinen Eheträumen nichts geworden ist, tröstet er sich mit noch mehr Alkohol und Betrügen beim Glücksspiel. Am Ende soll er gehängt werden, aber West zerschießt den Strick. Während ihre Verehrer sich noch um sie streiten, bedeutet sie ihnen, sie könnten doch gern beide bei ihr vorbeikommen.

Ich habe den Film hauptsächlich deshalb mit großem Interesse verfolgt, weil ich möglichst jeden der zahlreichen Gags verstehen wollte. Ein entspanntes Vergnügen ist er sicher nicht mehr, weil die Verletzung sämtlicher Anstandsregeln, derer sich West und Fields befleißigen, heute kaum noch so wahrgenommen wird. Einerseits ist das gut, denn eine Sozialkontrolle, die zu Wohlverhalten zwingt, gibt es heute praktisch nicht mehr. Andererseits kann man es bedauern, dass das Beiseiteschieben aller alten Normen und Werte völlig normal geworden ist. Dadurch kann man den Film nicht mehr so sehen, wie man ihn vor gut 80 Jahren gesehen hat. Zum Beispiel wird man an Fields‘ hemmungslosem Alkoholkonsum nichts Provozierendes finden – damals lag aber die Prohibition erst wenige Jahre zurück, und er kann eigentlich auch in dieser Zeit nicht abstinent gewesen sein. Mae West versprüht aus heutiger Sicht keinen Sex – auch wenn man ihr sofort abnimmt, daß sie alles andere als ein Kind von Traurigkeit ist; die Zensur zwang sie zu größter Zurückhaltung. „Mein kleiner Gockel“ hat also nur noch historischen Wert, auch wenn die Filmkommission ihn bei der deutschen Erstaufführung Anfang der 1970er Jahre als „vergnügliche Unterhaltung“ einstufte.
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