Thema: Filmklassiker
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Alt 25.01.2024, 06:14   #1861  
Peter L. Opmann
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„Emil und die Detektive“ (1931) von Gerhard Lamprecht lief im Jubiläumsjahr 1995 im Fernsehen und wurde vom Ansager als „der erste Kinderfilm“ angekündigt. Kann das stimmen? In USA gab es schon in den 1920er Jahren Kinderstars und „Die kleinen Strolche“. Aber gab es damals ein junges Kinopublikum? Vielleicht war die Ansage nicht ganz falsch, denn „Emil und die Detektive“ wendet sich tatsächlich speziell an jugendliche Zuschauer. Mit den „kleinen Strolchen“ ist die Kästner-Verfilmung insofern zu vergleichen, als es dem Regisseur gelingt, seine Kinder recht natürlich agieren zu lassen. Lamprecht war ein bedeutender Kinopionier, der vielleicht im Westen etwas aus dem Blickfeld geriet, weil er 1946 bei der DEFA landete.

Das Drehbuch stammt übrigens von „Billie“ Wilder, wie er sich zu dieser Zeit noch schrieb. Wie ich gelesen habe, sollte Erich Kästner zunächst zusammen mit einem filmerfahrenen Autor das Drehbuch verfassen, das scheiterte aber daran, daß er sich zu sehr gegen Änderungen an seiner auch erst 1928 erschienenen, sehr erfolgreichen Buchvorlage wehrte. Wilder schrieb dann filmgerecht, ohne aber zu viel am Roman zu ändern.

Wer weder die „Emil“-Geschichte gelesen noch jemals den Film gesehen hat, für den eine kurze Inhaltsangabe: Emil fährt allein mit dem Zug nach Berlin, um seine Tante zu besuchen, und bringt ihr von seiner Mutter einen größeren Geldbetrag (140 Mark) mit. Ein finsterer Mitreisender (Fritz Rasp) bekommt das mit, betäubt Emil mit einem Bonbon, das mit einem Betäubungsmittel präpariert ist, und klaut ihm das Geld. In Berlin versucht Emil, ihn zu verfolgen, und stößt auf eine Kinderbande, die ihn dabei unterstützt. Als Rasp das Geld auf der Bank einzahlen will, kann Emil beweisen, daß die Scheine ihm gehören, und eine große Kinderversammlung hindert den Dieb an der Flucht. Aus heutiger Sicht stört etwas, daß Lamprecht daran noch ein etwas umständliches happy end anhängt, das vielleicht unnötig gewesen wäre. Der lockere Erzählton Kästners, aber auch die deutliche Moral fehlen dem Film.

Der 70 Minuten lange Film erzählt seine einfache Geschichte insgesamt packend (wenn auch natürlich kindgerecht), doch mit einem realistischen Einschlag. Man sieht etliche Ecken von Berlin, das dann wenige Jahre später im Bombenkrieg weitgehend unterging. Und man erhält auch einen Eindruck vom Alltagsleben in dieser Stadt um 1930. Es ist jedoch ein schon recht modernes Leben mit Autos und Telefon und Gebäuden der Neuen Sachlichkeit. In „Klassiker des deutschen Tonfilms“ wird inhaltlich eine Parallele zu Fritz Langs „M“ gezogen. Nicht nur spielt die Darstellerin der Pony Hütchen, Inge Landgut, auch in „M“ mit, nämlich das Mordopfer von Peter Lorre, sondern auch die Jungenbande, die am Ende Rasp unschädlich macht, entspricht der Unterweltorganisation, die auf eigene Faust Lorre aus dem Verkehr zieht. In meiner Filmliteratur ist allerdings wenig über „Emil und die Detektive“ zu finden – es ist eben nur ein Kinderfilm. wikipedia zitiert immerhin einige zeitgenössische Filmkritiken.
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